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    Plenarprotokoll 12/37 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 37. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 4. September 1991 Inhalt: Tagesordnungspunkt 2: Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung zur Lage und Entwicklung in der Sowjetunion und Jugoslawien Dr. Helmut Kohl, Bundeskanzler 3015 B Björn Engholm, Ministerpräsident des Lan- des Schleswig-Holstein 3020 A Dr. Alfred Dregger CDU/CSU 3025 D Dr. Hermann Otto Solms FDP 3031 D Dr. Gregor Gysi PDS/Linke Liste . . . 3035 C Gerd Poppe Bündnis 90/GRÜNE 3038 C Ortwin Lowack fraktionslos 3041 D Hans-Dietrich Genscher, Bundesminister AA 3043 A Hans Koschnick SPD (Erklärung nach § 30 GO) 3046 D Tagesordnungspunkt 1: Fortsetzung der a) ersten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1992 (Haushaltsgesetz 1992) (Drucksache 12/1000) b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Der Finanzplan des Bundes 1991 bis 1995 (Drucksache 12/1001) Dr. Hans-Jochen Vogel SPD 3047 C Dr. Jürgen Rüttgers CDU/CSU 3057 B Dr. Burkhard Hirsch FDP 3058C, 3100B, 3104 C Dr. Otto Graf Lambsdorff FDP 3062 C Ingrid Köppe Bündnis 90/GRÜNE . . . 3068 D Ulla Jelpke PDS/Linke Liste 3070 C Dr. Helmut Kohl, Bundeskanzler 3072 B Peter Conradi SPD 3082 B Dr. Lutz G. Stavenhagen CDU/CSU . . 3082 C Christel Hanewinckel SPD 3082 D Dr. Burkhard Hirsch FDP 3085 D Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister BMI 3086A Dr. Willfried Penner SPD 3087 A Konrad Weiß (Berlin) Bündnis 90/GRÜNE 3089D, 3106A Dr. Sigrid Hoth FDP 3089 D Dr. Wolfgang Ullmann Bündnis 90/GRÜNE 3091 D Johannes Gerster (Mainz) CDU/CSU . . 3092 B Dr. Paul Laufs CDU/CSU 3093 A Dr. Gregor Gysi PDS/Linke Liste . . . 3095 B Dr. Willfried Penner SPD 3097 C Dr. Klaus Kinkel, Bundesminister BMJ . 3102A Karl Deres CDU/CSU 3104A Dr. Hans de With SPD 3108 C Dr. Uwe-Jens Heuer PDS/Linke Liste . 3109A Dr. Conrad Schroeder (Freiburg) CDU/CSU 3110D Harald B. Schäfer (Offenburg) SPD . . . 3112D Dr. Klaus Töpfer, Bundesminister BMU . 3115D Nächste Sitzung 3117D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 3119* A Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Rede zu Tagesordnungspunkt 1 — Haushaltsgesetz und Finanzplan des Bundes 1991 bis 1995 — (Michael von Schmude CDU/CSU) . . . . 3119* B Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 37. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. September 1991 3015 37. Sitzung Bonn, den 4. September 1991 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Bargfrede, Heinz-Günter CDU/CSU 04. 09. 91 Blunck, Lieselott SPD 04. 09. 91 * Bühler (Bruchsal), Klaus CDU/CSU 04. 09. 91 * Erler, Gernot SPD 04. 09. 91 Fischer (Unna), Leni CDU/CSU 04. 09. 91 * Francke (Hamburg), CDU/CSU 04. 09. 91 Klaus Hilsberg, Stephan SPD 04. 09. 91 Koltzsch, Rolf SPD 04. 09. 91 Dr.-Ing. Laermann, FDP 04. 09. 91 Karl-Hans Dr. Lammert, Norbert CDU/CSU 04. 09. 91 Marten, Günter CDU/CSU 04. 09. 91 * Michels, Meinolf CDU/CSU 04. 09. 91 Dr. Müller, Günther CDU/CSU 04. 09. 91 Müller (Düsseldorf), SPD 04. 09. 91 Michael Dr. Neuling, Christian CDU/CSU 04. 09. 91 Pfuhl, Albert SPD 04. 09. 91 * Rempe, Walter SPD 04. 09. 91 Roitzsch (Quickborn), CDU/CSU 04. 09. 91 Ingrid Dr. Scheer, Hermann SPD 04. 09. 91 * Schmidt-Zadel, Regina SPD 04. 09. 91 Sielaff, Horst SPD 04. 09. 91 Dr. Soell, Hartmut SPD 04. 09. 91 * Dr. Sperling, Dietrich SPD 04. 09. 91 Dr. Sprung, Rudolf CDU/CSU 04. 09. 91 * Verheugen, Günter SPD 04. 09. 91 Vosen, Josef SPD 04. 09. 91 Weisskirchen (Wiesloch), SPD 04. 09. 91 Gert Welt, Hans-Joachim SPD 04. 09. 91 Wieczorek-Zeul, SPD 04.09.91 Heidemarie Zierer, Benno CDU/CSU 04. 09. 91 * * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Rede zu Tagesordnungspunkt 1 - Haushaltsgesetz und Finanzplan des Bundes 1991 bis 1995 - Michael von Schmude (CDU/CSU): Diese erste Lesung des Haushalts 1992 gibt uns willkommenen Anlaß zu einer Bestandsaufnahme, nämlich: wie weit sind wir beim Aufbau des freiheitlichen Rechtsstaates in den neuen Bundesländern vorangekommen, wo stehen wir, was muß noch getan werden? Anlagen zum Stenographischen Bericht Uns ist allen bewußt, daß die Glaubwürdigkeit der Justiz und das damit verbundene Vertrauen in den Rechtsstaat unabdingbare Voraussetzung für das Zusammenwachsen der Deutschen in Ost und West sind. Die Verwirklichung der Einheit auf dem Gebiet des Rechts ist eine Mammutaufgabe und braucht demzufolge auch Zeit. Dennoch gehöre auch ich zu jenen, die ungeduldig sind, und in der Tat könnte und müßte das eine oder andere zügiger verwirklicht werden. Das Justizwesen der früheren DDR war Werkzeug des Unterdrückerstaates und muß deshalb mehr als jede andere Verwaltung auch personell von Grund auf erneuert werden. Das bedeutet, daß Richter und Staatsanwälte nur in einem geringen Umfang übernommen werden können. Um eine Richterdichte wie in den alten Bundesländern herzustellen, benötigen wir etwa 4 500 Richter, 1 000 Staatsanwälte und 2 000 Rechtspfleger. Letztere waren in der früheren DDR überhaupt nicht vorhanden. Die Überprüfung der Richter und Staatsanwälte, die bereits in der ehemaligen DDR tätig waren, wird intensiv betrieben (von 2 600 = 1990 sind jetzt noch 1 300 im Amt). Unabhängig davon sollten jene Juristen, die sich schuldig gemacht haben, nicht erst auf das Ergebnis ihrer Überprüfung warten, sondern durch freiwilliges Ausscheiden ein Zeichen der Einsicht und damit einen Beitrag zum Neubeginn leisten. Gleiches gilt auch für diejenigen Juristen, die sich noch kurz vor der Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 als Rechtsanwälte niedergelassen haben, obwohl sie auf Grund ihrer Vergangenheit dieses besser hätten unterbleiben lassen sollen. Überprüfungen sind notwendig, wobei erforderlichenfalls die bisherigen gesetzlichen Grundlagen ergänzt werden müssen. Auch hier gilt: Jeder Einzelfall muß auf die persönliche Verantwortung hin untersucht werden, Pauschalverurteilungen sind fehl am Platze. Unser 1991 beschlossenes dreijähriges Hilfsprogramm zum Aufbau des Rechtsstaates im Beitrittsgebiet sieht die Entsendung von insgesamt 2 300 Juristen und Rechtspflegern vor. Dabei handelt es sich um 1 000 Richter und Staatsanwälte, von denen bis Ende Juni etwa die Hälfte abgeordnet waren. Die Länder haben erneut versprochen, die angestrebte Zahl per Ende dieses Jahres annähernd sicherzustellen. Ein größeres Defizit tut sich bei den Rechtspflegern auf. Zwischen Bund und Ländern war vereinbart, in diesem Jahr 500 Rechtspfleger abzuordnen. Per Ende August lag diese Zahl mit 211 weit zurück. Angesichts des großen Arbeitsanfalls bei den Grundbuchämtern - bekanntlich liegen über 1 Million Ansprüche auf Rückübertragung vor - ist dieser Zustand besonders bedauerlich. Am Geld kann es nicht liegen, denn im Rahmen des gesamten Hilfsprogramms von 120 Millionen sind für diesen Bereich der Abordnung allein 65,4 Millionen DM vorgesehen. Die neuen Bundesländer machen von dem finanziellen Hilfsangebot des Bundes zur Einstellung von bis zu 300 Richtern, Staatsanwälten und Rechtspflegern regen Gebrauch. Hier sind kurzfristig bereits 200 Stellen besetzt worden. 3120* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 37. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. September 1991 Außerordentlich unbefriedigend und schleppend verläuft dagegen die Ausschöpfung unseres sog. Seniorenmodells. Hier waren Haushaltsmittel in Höhe von 17,5 Millionen DM im Haushalt 1991 vorgesehen zur Entsendung von 500 pensionierten Richtern, Staatsanwälten und Rechtspflegern. Mehr als 100 Interessenten haben sich bei den Justizministern der alten Bundesländer beworben und ganze drei sind inzwischen erst tätig: ein Richter in Sachsen und jeweils ein Richter und ein Rechtspfleger in Thüringen. Diesem Mißstand muß durch den Bundesjustizminister dringend nachgegangen werden. Sollten die alten Bundesländer mit dieser Aufgabe der Bewerberauswahl überfordert sein, so wäre dringend eine Übertragung auf ein anderes Gremium erforderlich. Insgesamt bleibt ohnehin festzuhalten, daß einige Bundesländer sehr vorbildlich den Aufbau des Rechtsstaates in den neuen Bundesländern unterstützen, andere hingegen, oft entgegen großer Ankündigungen, nur sehr halbherzig. Ein negatives Beispiel ist dafür leider auch Herr Engholm, der 1990 ganze vier Richter nach Mecklenburg-Vorpommern abgeordnet hat und die ohnehin knappen Ressourcen an Richtern durch die parteipolitisch motivierte Entscheidung zur Einrichtung eines neuen Oberverwaltungsgerichts weiter einengt. So sehen manche Solidarbeiträge aus! Die Vereinbarung des Bundesjustizministers mit seinen Länderkollegen zur Entsendung von 60 Staatsanwälten zur Aufdeckung der Regierungskriminalität in der früheren DDR ist von den Ländern bisher erst mit 10 Juristen teilerfüllt worden. Natürlich ist kein Schleswig-Holstein dabei. Zur Aufarbeitung der früheren SED-Diktatur hat das Bundeskabinett einen Gesetzentwurf zur Bereinigung von SED-Unrecht vorgelegt. Damit sollen die Aufhebung von Unrechts-Urteilen und die Entschädigungsregulierung beschleunigt werden. Wir müssen an diesen Komplex mit einem besonderen Augenmaß herangehen: In den mehr als 20 000 anstehenden Rehabilitierungsverfahren stecken erschütternde Einzelschicksale. Den Betroffenen muß Gerechtigkeit widerfahren. Allerdings müssen wir auch die Grenzen unserer Möglichkeiten erkennen, die einfach darin bestehen, daß geschehenes Unrecht weder finanziell noch sonst voll ausgeglichen werden kann. Bei den Finanzen ist zu berücksichtigen, daß dieses Gesetz mit etwa 1,5 Milliarden DM Kosten an die Grenzen unserer Möglichkeit heranführt. Mit einem noch zu beratenden Gesetz über die sogenannte Verwaltungsrehabilitation müssen Willkürakte der DDR-Organe im Verwaltungsbereich aufgearbeitet werden. Hier muß eine Möglichkeit geschaffen werden, auch abgeschlossene Verfahren wieder aufzugreifen. Besonders gilt dies hinsichtlich der sogenannten Zwangsumsiedlungen. So wurden u. a. im ehemaligen Sperrgebiet an der innerdeutschen Grenze — auch direkt angrenzend an meinen Wahlkreis in Mecklenburg — Menschen gezwungen, ihre Heimat zu verlassen und ihr Hab und Gut gegen ein Trinkgeld dem Staat zu übereignen. Für die Vergangenheitsbewältigung des SED-Schnüffler- und Spitzelstaates brauchen wir weitere juristische Grundlagen. Das Stasi-Unterlagen-Gesetz ermöglicht uns entsprechende Informationen im Interesse betroffener Opfer. In Verbindung mit der Erfassungsstelle Salzgitter kann dann hoffentlich ein Großteil politisch motivierter Straftaten aus der DDR-Zeit verfolgt und gesühnt werden. In diesem Zusammenhang ist zu begrüßen, daß einige SPD-regierte Bundesländer einen Läuterungsprozeß durchlaufen haben und sich wieder an den Kosten der Erfassungsstelle Salzgitter beteiligen. Es war schon beschämend, wie man hier in der Vergangenheit aus einer Gefälligkeitspolitik heraus sich aus der politischen Verantwortung davongestohlen hat. Ein ganz besonders negatives Beispiel gibt wiederum die schleswig-holsteinische Landesregierung unter Ministerpräsident Engholm, die sofort nach der Regierungsübernahme 1987 ihren Anteil von nur 10 000 DM verweigerte. Der bisherige Aufbau der rechtsstaatlichen Justiz im Osten Deutschlands verdient Dank und Respekt vor allem gegenüber den neuen Bundesländern, denn der Alltag zeigt, daß inzwischen auch hier und da bereits Rückstände bei Gerichten und Grundbuchämtern abgearbeitet werden können. Allen Mitarbeitern des Bundesjustizministeriums möchte ich an dieser Stelle ebenfalls meinen Dank für die von ihnen geleistete vorbildliche Arbeit sagen.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Hans-Dietrich Genscher


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In Europa und in der Welt vollziehen sich tiefgreifende Veränderungen. Die Sowjetunion holt die Entwicklungen nach, die sich vorher in den Staaten Mittel- und Osteuropas und auch in Ostdeutschland vollzogen haben.
    Die erste Phase der Freiheitsrevolution in der Sowjetunion wurde von Michail Gorbatschow angestoßen. Es war eine Revolution von oben. Niemand, der in diesen Tagen über das Verhalten Gorbatschows in der sowjetischen Innenpolitik der letzten Monate und Jahre richtet, sollte vergessen: Ohne seine mutigen Schritte

    (Dr. Hans-Jochen Vogel [SPD]: Richtig!)

    wäre Mittel- und Osteuropa nicht frei geworden und hätte Deutschland nicht seine Einheit erlangt.

    (Beifall bei der FDP, der CDU/CSU, der SPD und dem Bündnis 90/GRÜNE)

    Seine Reformen waren auch eine Voraussetzung dafür, daß der Putsch im August gescheitert ist. Er ist gescheitert an dem Mut demokratisch gewählter Politiker, um die sich freiheitsliebende Bürger geschart haben, nämlich um den russischen Präsidenten Jelzin sowie die Oberbürgermeister von Leningrad und Moskau. Ich denke, daß heute im Westen alle die Anlaß zum Nachdenken haben, die in der Vergangenheit an der Unumkehrbarkeit der Freiheitsfähigkeit und des Freiheitswillens der Völker der Sowjetunion gezweifelt haben

    (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

    und die als Motiv für die Abwendung der Völker der
    Sowjetunion vom Kommunismus nur den berechtigten Wunsch nach besseren materiellen Lebensverhältnissen sahen. Nein, der Wunsch nach Freiheit steht an der Spitze, und er hat sich im August in Moskau und in der Sowjetunion durchgesetzt!

    (Beifall bei der FDP, der CDU/CSU, der SPD und dem Bündnis 90/GRÜNE)

    Damit kehren die Völker der Sowjetunion nach Europa zurück. Die Epoche des Kommunismus ist endgültig beendet, und die Sowjetunion bewegt sich hin auf eine konföderative Ordnung.
    Ich würde, Herr Ministerpräsident Engholm, nicht von einer föderativen Ordnung sprechen. In Wahrheit erleben wir eine Neubegründung des Verhältnisses der Republiken in der Sowjetunion auf der Grundlage der Gleichberechtigung durch eigene Entscheidungen von unten mit wirklich konföderalen Elementen, mit den Elementen eines Staatenbundes.
    Wenn dabei eine Gesamtverantwortung für die Sicherheitspolitik und, wie wir hoffen, für die Wirtschaftspolitik bewahrt werden kann, dann sollten wir nicht sorgenvoll auf diese Entwicklung blicken, gerade weil wir in Deutschland die Vorzüge föderaler Entwicklungen in einem kleinen Raum kennen und deshalb sicher wissen, daß es der Zentralismus des Kommunismus war, der viele Initiativen in den Völkern der Sowjetunion erstickt hat, die jetzt eine Chance haben, sich freizusetzen und damit auch Vitalität in eine freiheitliche Gesellschaft in diesen Staaten hineinzutragen.
    Seien wir hier also nicht so bedenklich, sondern erkennen wir, daß diese Entwicklung in der Sowjetunion mit dem Wunsch der meisten Republiken zusammenzubleiben doch auch eine Chance bietet, die Zusammenarbeit zwischen diesem Teil Europas und Mittel-, Südosteuropa und Westeuropa zu erleichtern.
    Die Perspektive einer konföderativen Ordnung für ganz Europa bietet gerade den Vielvölkerstaaten einen Auffangrahmen, daß sie ihre revolutionären Entwicklungen in Stabilität vollziehen können. Es muß der Wille nach Selbstbestimmung eben nicht automatisch zu neuem Nationalismus führen, es muß nicht zur Balkanisierung Europas führen, wenn das Europa, das sich schon heute freiheitlich organisiert hat, gesamteuropäische Strukturen und auch gesamteuropäische Solidarität anbietet.

    (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Je mehr der Wille zu Selbstbestimmung und Demokratie in Osteuropa, in der Sowjetunion auf gesamteuropäische Strukturen und auf gesamteuropäische Solidarität trifft, um so stabiler wird sich dieser Wille entfalten können.
    Die westlichen Institutionen, die Europäische Gemeinschaft, der Europarat und die NATO, stellen gerade jetzt ihre Vitalität und ihre Anziehungskraft unter Beweis. Über die Zukunftsfähigkeit aber entscheiden ihre Völker und ihre Demokratien.



    Bundesminister Hans-Dietrich Genscher
    Wir in West- und Mitteleuropa stehen heute genauso auf dem Prüfstand der Geschichte wie die Nachbarn östlich von uns.

    (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

    Der KSZE-Prozeß bietet dabei einen gesamteuropäischen Rahmen. Die Entwicklung bestätigt seine Richtigkeit, aber die Ereignisse in der Sowjetunion und in Jugoslawien bestätigen auch seine Unvollkommenheit. Neues muß hinzugefügt werden: Es wird notwendig sein, daß wir Konfliktverhütung ausbauen zu einem Sicherheitsrat im Rahmen der KSZE. Wir müssen diese KSZE handlungsfähig machen durch KSZE- Blauhelme und -Grünhelme; da stimme ich Ihnen ganz zu, und das werden wir vertreten. Wir müssen diese KSZE aufnahmefähig machen für diejenigen, die ihre Unabhängigkeit erhalten.
    Ich habe gestern für den kommenden Dienstag in Moskau zu einer Außenministerkonferenz einladen lassen mit dem Ziel, die baltischen Staaten in die KSZE aufzunehmen. Ob es zu dieser Konferenz kommen wird, hängt von der Zustimmung aller 35 Staaten ab; aber unser Anstoß ist gegeben.
    Meine Damen und Herren, die uneingeschränkte Achtung von Menschenrechten, Freiheit und Selbstbestimmung ist das Fundament, auf dem das neue Europa entstehen kann und entstehen muß. Aber die dramatischen Ereignisse in der Sowjetunion zeigen, daß das Bekenntnis zur Bewahrung der demokratischen Ordnung allein nicht genügt. Wir müssen jetzt die Charta von Paris um die Forderung ergänzen, daß, wer immer sich in einem KSZE-Staat durch Putsch an den Menschenrechten und an der demokratischen Ordnung vergreift, mit einer absoluten Ächtung durch die Staatengemeinschaft rechnen muß. Die Staatengemeinschaft muß sich verpflichten, unrechtmäßig geschaffene Fakten niemals anzuerkennen. Das Recht muß gelten und nicht die Macht des Stärkeren.
    Es muß auch klargestellt werden, noch deutlicher als in der Charta von Paris, daß der Schutz der Menschenrechte, daß die Achtung des Rechts auf Selbstbestimmung und die Bewahrung der Demokratie die ganze Staatengemeinschaft angehen, weil darauf unser Zusammenleben gegründet ist, und daß die Anteilnahme der anderen Staaten an derartigen Entwicklungen eben keine Einmischung in die inneren Angelegenheiten, sondern eine innere Angelegenheit der gesamten Staatengemeinschaft ist.

    (Beifall bei der FDP, der CSU/CSU, der SPD und dem Bündnis 90/GRÜNE)

    Die Ereignisse in der Sowjetunion haben eine Entwicklung beschleunigt, die nun zu einem neuen Verhältnis der Republiken untereinander und auch zur Union — oder wie immer der Zusammenschluß heißen mag — führen wird. Wie eng, wie lose diese Union sein wird, das hängt vom Ergebnis der weiteren Verhandlungen ab. Wir können nur hoffen, daß die verbleibenden Republiken ein Verhältnis der Gleichberechtigung finden, und wir, die Europäische Gemeinschaft, die westliche Staatengemeinschaft, müssen uns im Gesamtumfang unserer Beziehungen, also nicht nur in den diplomatischen Beziehungen, sondern auch in allen Formen der Zusammenarbeit, darauf einstellen, dieser veränderten Struktur Rechnung zu tragen.
    Die Europäische Gemeinschaft muß die Chancen erkennen, die sich aus den neuen Entwicklungen in Osteuropa ergeben, sie muß aber auch die Risiken sehen, die dann entstünden, wenn die jetzt unternommenen Anstrengungen östlich von uns scheiterten. Wir dürfen nicht nur Beobachter sein.
    Das folgende sage ich nicht an die Adresse dieses Hauses — denn wenn ich einmal vom letzten Beitrag absehe, haben die Anstrengungen der Bundesregierung zu helfen immer eine breite Unterstützung bekommen —, sondern ich appelliere an unsere Freunde, Partner und Verbündeten: Die Hilfe für Mittel- und Osteuropa und für die Sowjetunion kann nicht allein eine deutsche Sache sein.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Wir haben uns in der Vergangenheit angesichts der militärischen Herausforderungen durch die damalige Sowjetunion im westlichen Bündnis zusammengefunden zu einer gemeinsamen Anstrengung für eine freie Demokratie und für unsere Unabhängigkeit. Wir haben gelernt, daß Sicherheit mehr bedeutet, als nur militärische Anstrengungen zu unternehmen. Wenn ich die Gefahr sehe, die bei einem Scheitern der Wirtschaftsreformen östlich von uns entsteht, wenn dann eine Abwanderungswelle nicht von Hunderttausenden, sondern von Millionen von Menschen kommt, muß ich sagen: Das könnte die Stabilität in Europa mehr bedrohen als die militärische Herausforderung durch die Rote Armee in der Zeit des kalten Krieges.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Deshalb ist es notwendig, daß wir alle entsprechend unserer Leistungsfähigkeit und nicht unterschieden nach der geographischen Nähe oder Entfernung zur Sowjetunion zur Entwicklung östlich von uns beitragen.
    Während wir vor dieser Herausforderung stehen, wird deutlich, daß die Vergrößerung der Handlungsfähigkeit der Europäischen Gemeinschaft gerade jetzt dringlich ist. Es ist eine unangemessene Diskussion, über die Alternative „Erweiterung oder Vertiefung" zu reden. Um erweitern zu können, müssen wir die Zusammenarbeit vertiefen, müssen wir die politische Union, die Wirtschafts- und Währungsunion schaffen, damit wir offen sein können für Beitretende, ohne darunter die Handlungsfähigkeit der Europäischen Gemeinschaft leiden zu lassen.

    (Zuruf von der SPD)

    — Herr Kollege, ich habe das ja gerne gehört. Vieles von dem, was Herr Ministerpräsident Engholm hier vorgetragen hat, war eine Unterstützung der Politik der Bundesregierung. Wer hört das nicht gern!

    (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Die Reformstaaten brauchen heute Assoziierungsverträge mit der Europäischen Gemeinschaft. Ich sage offen vor dem Deutschen Bundestag: Das sind ungleichgewichtige Verträge, bei denen wir mehr ge-



    Bundesminister Hans-Dietrich Genscher
    ben, als wir bekommen. Aber es sind gleichgewichtige Verträge, weil die europäische Stabilität uns auch nutzt. Es wird notwendig sein, zu erkennen, daß wir für die Einfuhren aus den Staaten östlich von uns offen sein müssen. Wir sollten hier auch manchen Widerstand bei uns selbst überwinden.

    (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

    Wir müssen jetzt Europa als Einheit begreifen. Das bedeutet auch, daß die Assoziierung in der Perspektive des Beitritts gesehen werden muß. Herr Ministerpräsident, Sie haben mit Recht darauf hingewiesen, daß die Republiken der Sowjetunion wohl nicht diejenigen sein können, die beitreten. Aber wir sollten uns einig sein, daß die Beitrittsperspektive für die heutigen EFTA-Staaten, für die Staaten Mittel- und Südosteuropas und natürlich auch für die baltischen Staaten gegeben sein muß. Wenn wir diese Perspektive nicht geben, wird die Hoffnungslosigkeit größer werden. Die Annäherung an die Europäische Gemeinschaft in der Perspektive der Mitgliedschaft ist das Licht im Tunnel, das die Menschen dort brauchen, um die Jahre zu bestehen, die vor ihnen liegen und die keine leichten und einfachen Jahre sein werden.

    (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Die westliche Staatengemeinschaft hat mit dem Siebenergipfel in London ein Angebot unterbreitet.

    (Karsten D. Voigt [Frankfurt] [SPD]: Ein bißchen mager!)

    — Es hätte weiter gehen können, wenn es nach uns gegangen wäre. Sie wissen auch, daß wir mehr gewünscht hätten. Aber seine schnelle Umsetzung jetzt ist um so dringlicher.
    Genauso dringlich ist die Vorbereitung einer Nahrungsmittelhilfe der Europäischen Gemeinschaft. Die hier schon erwähnte Lagerräumung wird sicher auch die großen Lagerkosten ersparen, die wir zu tragen haben. Das ist zwar nicht der Gesamtbetrag, aber man muß ihn bei den Kosten abziehen. Ich jedenfalls halte es für nicht verantwortbar, im Osten Menschen hungern zu sehen und im Westen Lager zu unterhalten, die Geld kosten.

    (Beifall bei der FDP, der CDU/CSU und der SPD sowie des Abg. Dr. Klaus-Dieter Feige [Bündnis 90/GRÜNE])

    Wir werden auch daran zu denken haben, daß es schon jetzt möglich ist, konkrete Projekte in der Sowjetunion, vor allen Dingen die Energie- und Rohstoffwirtschaft, zu fördern. Im Grunde ist die Sowjetunion reich an Energien und Rohstoffen. Aber ihre Energie- und Rohstoffwirtschaft ist in einem Zustand, der nicht einmal die Selbstversorgung garantiert, geschweige denn die großen Exportmöglichkeiten nutzen kann.
    Genauso wichtig ist die Schaffung eines gesamteuropäischen Verkehrsnetzes, eines Energieverbundes für ganz Europa, einer Telekommunikationsstruktur. Eine Pipeline von Ingolstadt in die Tschechoslowakei, eine Autobahn von Prag nach Nürnberg, eine regionale Zusammenarbeit im Länderdreieck Deutschland, Polen, Tschechoslowakei, das bringt die Völker näher zusammen; das sind konkrete Projekte, die wir jetzt unternehmen können und die wahrlich nicht nur im deutschen und nicht nur im Interesse unserer östlichen Nachbarn, sondern wiederum auch im gesamteuropäischen Interesse liegen.
    Die Änderung der staatlichen Strukturen stellt auch neue Fragen im Bereich der Sicherheitspolitik. Mit dem Vertrag über konventionelle Streitkräfte in Europa haben wir rüstungskontrollpolitisch die Grundlage dafür gelegt, daß neue kooperative Strukturen der Sicherheit in Europa entstehen können. Gerade im Lichte der Entwicklung in der Sowjetunion ist es jetzt notwendig, daß wir diesen Vertrag schnellstens in Kraft setzen. Er allein bietet die Möglichkeit, das Militärpotential in der Sowjetunion in einem rüstungskontrollpolitischen Regime zu halten. Wenn es dort künftig neben den Streitkräften der Union auch Nationalgarden der unabhängigen Republiken geben sollte, so darf das nicht zu neuer Aufrüstung führen. Deshalb sind neue Schritte der Abrüstung erforderlich.
    Genauso wichtig ist es, daß wir darangehen — wenn nicht durch Verhandlungen, dann durch den Vorschlag gleichgerichteten Verhaltens — , die nukleare Artilleriemunition und die nuklearen Kurzstreckenraketen in West und Ost schleunigst zu beseitigen.

    (Beifall bei der FDP, der CDU/CSU und der SPD sowie des Abg. Dr Klaus-Dieter Feige [Bündnis 90/GRÜNE])

    Die Zahl der Atomwaffenbesitzer darf nicht ausgeweitet werden.
    Meine Damen und Herren, uns alle erfüllt das Mitgefühl mit den leidenden Menschen in Jugoslawien, mit den Völkern Jugoslawiens, denen wir uns allen in Freundschaft verbunden fühlen. Wir nehmen in Jugoslawien nicht Partei für die eine oder für die andere Republik, nicht für die eine oder andere jugoslawische Nation. Wir nehmen Partei für Freiheit und Demokratie, für Menschenrecht und für Selbstbestimmungsrecht. Wir nehmen Partei für eine friedliche Konfliktlösung und gegen den Einsatz militärischer Gewalt. Es bleibt dabei: Die Politik der gewaltsam veränderten Tatsachen wird nicht anerkannt werden.

    (Beifall bei der FDP, der CDU/CSU und der SPD sowie des Abg. Dr. Klaus-Dieter Feige [Bündnis 90/GRÜNE])

    Das Recht auf Selbstbestimmung für die Völker Jugoslawiens haben die 35 Staaten der KSZE am 19. Juni 1991 in Berlin unter meinem Vorsitz unterstrichen. Sie haben dort gesagt: Es ist allein Sache der Völker Jugoslawiens, über ihre Zukunft zu entscheiden. Nur, diese Entscheidung muß auch tatsächlich durch Verhandlungen getroffen werden können. Wir haben es begrüßt, daß am 27. August alle EG-Staaten bereit waren, die Verantwortung der jugoslawischen Volksarmee und der serbischen Freischärler für die Fortdauer der Kampfhandlungen festzustellen. Leider gilt das auch noch heute.
    Am 7. September soll die Friedenskonferenz in Den Haag auf Einladung der Europäischen Gemeinschaft als Ergebnis eines deutsch-französischen Vorschlages



    Bundesminister Hans-Dietrich Genscher
    beginnen. Ob sie zustande kommt, hängt von der Entwicklung in diesen Tagen ab. Ich wiederhole: Eine Anerkennung der durch Gewalt veränderten Grenzen wird es nicht geben. Würden wir diese dennoch anerkennen, so würden wir die Grundlagen des friedlichen Zusammenlebens der Völker zutiefst erschüttern. Wir würden eine Prämie für die Anwendung von Gewalt geben. Das darf nicht sein.

    (Beifall bei der FDP, der CDU/CSU und der SPD)

    Aber die Bundesregierung wird auch keine Prämie für diejenigen gewähren, die durch Anwendung von Gewalt Verhandlungen verhindern. Wenn diejenigen Völker Jugoslawiens, die ihre Unabhängigkeit wünschen, diese Unabhängigkeit nicht durch Verhandlungen erreichen können, dann werden wir ihre einseitigen Unabhängigkeitserklärungen völkerrechtlich anerkennen.

    (Beifall bei der FDP, der CDU/CSU und der SPD)

    Ich möchte dem Verantwortlichen an der Spitze der jugoslawischen Volksarmee sagen: Mit jedem Schuß, den Ihre Kanonen und Panzer jetzt abgeben, rückt für uns die Stunde dieser Anerkennung näher. Wir werden nicht länger zusehen können.

    (Beifall bei der FDP, der CDU/CSU und der SPD sowie des Abg. Dr. Klaus-Dieter Feige [Bündnis 90/GRÜNE])

    Gewalt ist kein Mittel des Zusammenhalts von Staaten und Völkern, die nichts anderes wollen, als ihr Recht auf Selbstbestimmung verwirklichen.
    Das Angebot der Friedenskonferenz steht. Die Persönlichkeit von Lord Carrington und die Einrichtung einer Schlichtungskommission bieten die Garantie unparteiischer Verhandlungsführung und Entscheidungs- und Einigungshilfe. Die drei von der Europäischen Gemeinschaft zu benennenden Präsidenten von Verfassungsgerichten sind gestern benannt worden. Es sind die Präsidenten der Verfassungsgerichte Deutschlands, Frankreichs und Italiens.
    Wir werden jetzt alles dafür tun, daß diese Friedenskonferenz, wenn sie am Samstag zustande kommt und ihre Arbeit beginnt, schnell zum Abschluß kommt. Wir machen es zur Voraussetzung neuer entscheidender, auch finanzieller Hilfen der Europäischen Gemeinschaft, daß diese Konferenz schnell zu einem guten Ergebnis führt.
    Wir sind nicht bereit, durch finanzielle Leistungen der Europäischen Gemeinschaft vorher zu einer direkten oder indirekten Finanzierung des Krieges der jugoslawischen Volksarmee gegen die eigenen Bürger beizutragen.

    (Beifall bei der FDP, der CDU/CSU und der SPD sowie des Abg. Dr. Klaus-Dieter Feige [Bündnis 90/GRÜNE])

    Aber wir sind bereit, dazu beizutragen — wie wir das mit der Eröffnung der Hermes-Bürgschaften schon getan haben — , daß die Republiken, die sich aktiv am Friedensprozeß beteiligen wollen, wirtschaftlich unterstützt werden. Diejenigen, die Verhandlungen weiter verhindern, direkt oder indirekt,
    müssen damit rechnen, daß gegen sie von uns jedenfalls wirtschaftliche Sanktionen beantragt werden.
    Wir müssen die Mittel, die uns zur Verfügung stehen, die politischen und die wirtschaftlichen Mittel, nutzen. Wir müssen dazu beitragen, daß auch in diesem Teil Europas die Menschen friedlich zueinander finden, so wie wir das mit unseren Nachbarn getan haben und weiter tun werden.
    Dem dienen die Verträge, die wir am Freitag beraten werden. Ich denke, daß die Vorbereitungszeit, die wir uns genommen haben, auch dazu geführt hat, daß die Akzeptanz dieser Verträge auch in Deutschland weiter verbreitert wurde.
    Herr Ministerpräsident, was den deutsch-tschechoslowakischen Vertrag angeht: Wir haben in dem Ausreifen des Verhandlungsprozesses Ergebnisse erreichen können, die vor wenigen Monaten weder auf der tschechoslowakischen Seite noch bei uns so möglich gewesen wären. Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, diese Verhandlungen zu einem glücklichen Ende zu führen.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, es ist in den letzten Monaten viel über die größer gewordene Verantwortung des vereinigten Deutschlands gesprochen worden. Nicht alles, was als Ausdruck dieser Verantwortung gezeigt und erklärt wurde, kann sich so sehr auf unser Grundgesetz gründen wie das Wissen, daß die Werte dieses Grundgesetzes unser Handeln bestimmen müssen.
    Wir haben nicht die Absicht, nach der Devise, am deutschen Wesen müsse die Welt genesen, vorzugehen. Aber gerade auf Grund unserer Geschichte stehen wir unter dem Postulat unseres Grundgesetzes, das uns aufgibt, Europa zu einen und dem Frieden in der Welt zu dienen. Die Werte dieses Grundgesetzes werden uns auch dann bestimmen und auf unserem Weg nicht irremachen, wenn wir wie in diesen Tagen von bestimmten Stimmen in Jugoslawien verdächtigt werden.
    Es bleibt dabei: Unser Handeln ist auf Freiheit und Demokratie, auf Menschenrechte und auf Selbstbestimmungsrecht gegründet. Diese Werte haben uns zur deutschen Einheit geführt, und diese Werte werden auch die Grundlage des ganzen Europas sein, in dem wir Deutschen zu Hause sind.
    Ich danke Ihnen.

    (Beifall bei der FDP, der CDU/CSU, der SPD sowie des Abg. Dr. Klaus-Dieter Feige [Bündnis 90/GRÜNE])



Rede von Hans Klein
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort zu einer Erklärung nach § 30 unserer Geschäftsordnung erteile ich dem Abgeordneten Hans Koschnick.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Hans Koschnick


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Es tut mir leid, daß ich eine so wichtige Debatte störe. Aber ich bin heute vom Vorsitzenden der CDU/CSU-Fraktion mit der Kennzeichnung in Anspruch genommen worden, daß ich mich als prominenter Linker noch im Jahre 1989 gegen die Wiedervereinigung ausgesprochen habe.



    Hans Koschnick
    Ich bestreite nicht, daß Alfred Dregger damit recht hat, daß ich ein Linker bin; denn ich stehe links von Alfred Dregger. Das ist unbestreitbar.

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD und der FDP — Dr. Hans-Jochen Vogel [SPD]: Dann gibt es hier aber viele Linke!)

    Aber unrecht hat Alfred Dregger mit der Formulierung, ich hätte mich in der Zeitung „Wiener" noch im November 1989 gegen die deutsche Wiedervereinigung ausgesprochen. Dies war eine Meldung der CDU/CSU-Pressestelle. Der Fraktionsgeschäftsführer hat damals etwas aus dem „Wiener" ausgeworfen. Ich habe ihm am nächsten Tag die Unterlagen zugestellt und habe einen Tag darauf, am 15. Februar, den Brief bekommen:
    Sie können sicher sein, daß ich in Kenntnis Ihrer tatsächlichen Äußerungen die Meldung des „Wiener" nicht mehr mit Ihrer Person in Verbindung bringe.

    (Zurufe von der SPD: Hört! Hört!)

    Nun gehe ich davon aus, daß Herr Rüttgers dies nun nicht nur auf sich bezogen hat und daß Alfred Dregger noch in die Klamottenkiste des damaligen Wahlkampfs gegriffen hat. Es wäre gut, dies in allen zukünftigen Wahlkämpfen zu unterlassen; dann brauchen wir darüber nicht mehr zu reden.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und der PDS/Linke Liste — Norbert Gansel [SPD] [zur CDU/ CSU]: Kurze Entschuldigung!)