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    Plenarprotokoll 12/36 Deutscher Stenographischer Bericht 36. Sitzung Bonn, Dienstag, den 3. September 1991 Inhalt: Glückwünsche zu den Geburtstagen des Vizepräsidenten Hans Klein und des Abgeordneten Claus Jäger 2981 A Verzicht des Abgeordneten Peter Zumkley auf seine Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag 2981 B Eintritt der Abgeordneten Thea Bock in den Deutschen Bundestag 2981 B Begrüßung des neuen Direktors beim Deutschen Bundestag, Dr. Rudolf Kabel . . . 2981 B Tagesordnungspunkt 1: a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1992 (Haushaltsgesetz 1992) (Drucksache 12/1000) b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Der Finanzplan des Bundes 1991 bis 1995 (Drucksache 12/1001) Dr. Theodor Waigel, Bundesminister BMF 2981D Ingrid Matthäus-Maier SPD 2991 C Jochen Borchert CDU/CSU 2998 C Helmut Wieczorek (Duisburg) SPD 3002 C Dr. Wolfgang Weng (Gerlingen) FDP 3004 A Dr. Ulrich Briefs PDS/Linke Liste 3007B Werner Schulz (Berlin) Bündnis 90/GRÜNE 3009 C Ortwin Lowack fraktionslos 3011B Nächste Sitzung 3011D Berichtigung 3012 A Nachtrag zum Plenarprotokoll 12/34 vom 20. Juni 1991 3012A Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 3013* A Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 36. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 3. September 1991 2981 36. Sitzung Bonn, den 3. September 1991 Beginn: 10.00 Uhr
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    3012 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 36. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 3. September 1991 Berichtigung 34. Sitzung, Seite 2 847 D: Statt „Bücher (Speyer)" ist „Büchner (Speyer)" zu lesen. Nachtrag zum Plenarprotokoll 12/34 vom 20. Juni 1991 Zu Tagesordnungspunkt 15 — Anträge zum Parlaments- und Regierungssitz — wurde noch folgende Rede zu Protokoll gegeben: Dr. Jürgen Schmieder (FDP): Ich bedauere, daß die Entscheidung über den künftigen Sitz von Bundestag und Regierung zu einem reinen Städtewettkampf herabstilisiert wird. Man kann die beiden Städte ohnehin nicht einfach miteinander vergleichen. Bonn ist eine sehr sympathische Stadt mit kleinstädtischem Charakter — und Berlin wird auch ohne Regierung und Bundestag zu einer Weltstadt werden. Die Entscheidung Berlin oder Bonn ist doch vielmehr eine politische Entscheidung. Es geht hier vor allem um politische Glaubwürdigkeit Bonner Politik. Man kann nicht 40 Jahre lang die Vision Berlin zeichnen und Bonn als Provisorium betrachten und nun, nachdem die Deutsche Einheit vollzogen ist, plötzlich alles negieren und sich anders positionieren. Berlin ist für mich ein Synonym für deutsche Geschichte, insbesondere für die moderne Geschichte. In Berlin war die Trennung des deutschen Vaterlandes am deutlichsten spürbar und sichtbar durch die infame Mauer, die mitten durch Familien und die Herzen der Menschen ging. In Berlin sind auch die entscheidenden Ereignisse der politischen Wende in der ehemaligen DDR gelaufen. Deshalb kann für mich die Entscheidung nur Berlin heißen. Einen weiteren Aspekt der Glaubwürdigkeit der Bonner Politik sehe ich darin begründet: Bei einer Entscheidung des Bundestages pro Berlin wird zur Abschreckung von den Bonn-Befürwortern für die Zukunft Bonns ein düsteres Bild der Zukunft gezeichnet. Wie aber soll nun das ganze Land — insbesondere der Ostteil — glauben, daß die Bonner Politik in der Lage ist, die riesigen Probleme der Arbeitslosigkeit und der Umstrukturierung der Wirtschaft erfolgreich lösen zu können, wenn man schon vor einem an den Problemen des Ostens gemessenen kleinen Problem wie dem Fortbestand der Bonner Region kapituliert? Genau das will aber die Bonner Politik leisten. Jedenfalls sind die Vertreter aller Parteien dafür angetreten: Für den Fortbestand der Bonner Region und für das Aufblühen des Ostens. Deshalb kann die Entscheidung für mich nur Berlin heißen, weil diese Entscheidung nicht nur Glaubwürdigkeit, sondern auch Hoffnung vermittelt! Anlage zum Stenographischen Bericht (C) Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Bargfrede, Heinz-Günter CDU/CSU 03. 09. 91 Berger, Johann Anton SPD 03. 09. 91 Blunck, Lieselott SPD 03. 09. 91* Bühler (Bruchsal), Klaus CDU/CSU 03. 09. 91* Doss, Hansjürgen CDU/CSU 03. 09. 91 Erler, Gernot SPD 03. 09. 91 Gries, Ekkehard FDP 03. 09. 91 Jung (Düsseldorf), Volker SPD 03. 09. 91 Jungmann (Wittmoldt), SPD 03. 09. 91 Horst Koltzsch, Rolf SPD 03. 09. 91 Dr. Lammert, Norbert CDU/CSU 03. 09. 91 Marten, Günter CDU/CSU 03. 09. 91* Dr. Müller, Günther CDU/CSU 03. 09. 91* Opel, Manfred SPD 03. 09. 91 Pfuhl, Albert SPD 03. 09. 91 * Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Rahardt-Vahldieck, CDU/CSU 03. 09. 91 Susanne Rempe, Walter SPD 03. 09. 91 Reuschenbach, Peter W. SPD 03. 09. 91 Roth, Wolfgang SPD 03. 09. 91 Schäfer (Offenburg), SPD 03. 09. 91 Harald B. Dr. Scheer, Hermann SPD 03. 09. 91* Schütz, Dietmar SPD 03. 09. 91 Dr. Schwarz-Schilling, CDU/CSU 03. 09. 91 Christian Dr. Sperling, Dietrich SPD 03. 09. 91 Dr. Sprung, Rudolf CDU/CSU 03. 09. 91 * Thierse, Wolfgang SPD 03. 09. 91 Verheugen, Günter SPD 03. 09. 91 Weisskirchen (Wiesloch), SPD 03. 09. 91 Gert Zierer, Benno CDU/CSU 03. 09. 91 * * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates
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    Rede von Ingrid Matthäus-Maier


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir alle sind froh, daß der Putsch konservativer Kräfte in der Sowjetunion gescheitert ist.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des Bündnisses 90/GRÜNE und der CDU/ CSU)

    Wir gratulieren dem russischen Volk und seinen mutigen Politikerinnen und Politikern, die durch ihren entschlossenen Widerstand die demokratische Entwicklung unumkehrbar gemacht haben. Heute steht hoffentlich fest: Freiheit und Demokratie haben auch in Osteuropa gesiegt.

    (Beifall bei der SPD, dem Bündnis 90/ GRÜNE sowie bei Abgeordneten der CDU/ CSU und der FDP)

    Die Entwicklung in der Sowjetunion hat auch für uns Konsequenzen. Fast auf den Tag genau vor zwei Jahren habe ich in der damaligen Haushaltsdebatte hier am Pult gesagt:
    Es liegt auch in unserem eigenen Interesse, daß die Reformpolitik in Osteuropa gelingt. Glasnost und Perestroika in den Ländern des Ostens bedeuten viel mehr Sicherheit in ganz Europa, als ein 100-Milliarden-Kampfflugzeug es je bringen kann.

    (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Wolfgang Ullmann [Bündnis 90/GRÜNE])

    Auch deshalb wäre es besser, auf den Jäger 90 zu verzichten und statt dessen die Reformpolitik in Osteuropa zu unterstützen.

    (Beifall bei der SPD und dem Bündnis 90/ GRÜNE — Widerspruch bei der CDU/CSU)

    Heute ist dieser Gedanke nicht weniger aktuell als vor zwei Jahren.

    (Dr. Hans-Jochen Vogel [SPD]: Richtig!)




    Ingrid Matthäus-Maier
    Er bedeutet: Der Westen muß der Sowjetunion schnell und unbürokratisch helfen.

    (Hans Peter Schmitz [Baesweiler] [CDU/ CSU]: Das sagen Sie mal den anderen!)

    Diese Hilfe darf aber nicht allein und nicht in erster Linie aus Geld bestehen. Was die Sowjetunion jetzt braucht, sind außer einer Nahrungsmittelhilfe vor allem die Vermittlung von marktwirtschaftlichem, technischem und wissenschaftlichem Know-how, die Unterstützung beim Aufbau eines modernen Banken- und Finanzsystems, die Öffnung unserer Märkte für Produkte aus Osteuropa und die Mitgliedschaft der Sowjetunion im Währungsfonds und in der Weltbank.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

    Soweit es auch um finanzielle Hilfe geht, steht fest, daß den Hauptanteil der umfangreichen bisherigen Finanzhilfen für die Sowjetunion die Bundesrepublik Deutschland geleistet hat und daß nun erst einmal die Japaner, die Amerikaner und die übrigen Europäer am Zuge sind, die sich bisher bei finanzieller Hilfe in sehr vornehmer Weise zurückgehalten haben.

    (Beifall bei der SPD — Zustimmung des Abg. Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] [FDP])

    Kein Verständnis habe ich dafür, daß, kaum daß wir uns über die Niederschlagung des Putsches so richtig freuen konnten, Politiker aus CDU und FDP die Menschen mit dem Vorschlag der Anhebung der Mehrwertsteuer auf 16 Punkte zur Finanzierung der Hilfen für Osteuropa verschreckten. Offensichtlich gibt es in dei Koalition Politiker, denen jeder Vorwand, mal der Golfkrieg, mal die Osteuropahilfe, recht ist, um an der Steuerschraube zu drehen, meine Damen und Herren.

    (Beifall bei der SPD und dem Bündnis 90/ GRÜNE)

    Dieses widerspricht im übrigen auch unserem nationalen Interesse. Ein solches Vorpreschen würde die anderen westlichen Industrieländer aus ihrer Pflicht zu einer verstärkten Hilfe entlassen und die Verhandlungsposition der deutschen Bundesregierung bei den bevorstehenden internationalen Gesprächen schwächen.
    Nach dem Ende des Kalten Krieges heißt jetzt das Gebot der Stunde Abrüstung. Die Sowjetunion muß ihre gigantische Kriegsmaschinerie abbauen. Aber auch bei uns muß beim Verteidigungshaushalt kräftig gespart werden.
    Der Bundeskanzler hat vorige Woche in der Frankfurter Paulskirche darauf hingewiesen, daß bisher in dem Verteidigungshaushalt gebundene Gelder nun für eine friedliche Nutzung frei werden. Dies begrüßen wir Sozialdemokraten. Aber, Herr Bundeskanzler, wir fragen: Warum senken Sie dann nicht endlich die Verteidigungsausgaben, die bei Ihnen im nächsten Jahr genauso hoch sein sollen wie in diesem Jahr.

    (Beifall bei der SPD und dem Bündnis 90/ GRÜNE sowie bei Abgeordneten der PDS/ Linke Liste)

    Erneut 52,5 Milliarden DM, genausoviel wie in diesem Jahr! Gegenüber ihrer letzten Finanzplanung vom März hat die Bundesregierung für die nächsten drei Jahre die Verteidigungsausgaben sogar um 4,4 Milliarden DM heraufgesetzt.
    Ein Symbol für den mangelnden Willen zum Sparen bei dem Verteidigungshaushalt ist nun mal der unsinnige Jäger 90.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Bisher sollte ein einziges Flugzeug dieser Art 70 Millionen DM kosten; jetzt kostet es schon 100 Millionen DM, und es wird sicher noch teurer. Zum Vergleich: Für das Geld, das ein einziger Jäger 90 kostet, könnten 1 000 Sozialwohnungen gebaut werden, meine Damen und Herren. Diese brauchen wir doch angesichts der Wohnungsnot viel dringender.

    (Beifall bei der SPD und dem Bündnis 90/ GRÜNE)

    Die Lage der Staatsfinanzen in der Bundesrepublik Deutschland ist besorgniserregend.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Immer dieselbe Leier!)

    Da hilft es auch nichts, daß der Bundeskanzler, fern jeder Realität, gesagt hat: Unser Markenzeichen — für seine Koalition — ist, daß wir keine Schulden machen. Der Bundesfinanzminister behauptet unentwegt, die Lage der Staatsfinanzen sei gesund, und er habe alles unter Kontrolle.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Richtig!)

    Wissen Sie, das kommt mir so vor wie das berühmte Pfeifen im Walde: Je unsicherer man ist, um so lauter muß man pfeifen.

    (Beifall bei der SPD)

    Angst und bange kann einem wirklich werden, wenn man Ihre Staatsfinanzen anschaut. Die Verschuldung des öffentlichen Sektors, einschließlich Bahn, Post, Treuhand, staatlicher Wohnungssektor in der ehemaligen DDR und der verschiedenen Schuldentöpfe, lag Ende 1990 bei 1,3 Billionen DM. Meine Damen und Herren, eine Billion sind 1 000 Milliarden, eine Billion ist eine 1 mit 12 Nullen.

    (Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] [FDP]: Typisch für die SPD-Rechnung! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU und der FDP)

    Diese Staatsverschuldung ist etwa doppelt so hoch wie bei der Wende 1982.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Nicht nur in diesem Jahr, auch in den kommenden Jahren, bis 1995, werden wir Jahr für Jahr annähernd 200 Milliarden DM neue Schulden hinzubekommen. Die Folge ist: In den fünf Jahren bis 1995 werden die öffentlichen Schulden um eine weitere Billion, von jetzt 1,3 auf dann 2,3 Billionen DM, steigen.
    Ich frage Sie, Herr Bundesfinanzminister: Wie wagen Sie es eigentlich noch, angesichts dieser dramatischen jährlichen Zunahme der Staatsschulden davon zu sprechen, daß Ihre Neuverschuldung nur vorübergehend so hoch sei! Dabei sind doch die beängstigenden Haushaltsrisiken noch nicht berücksichtigt, die Ihnen Graf Lambsdorff erst neulich im Detail vorge-



    Ingrid Matthäus-Maier
    rechnet hat: bei den Bürgschaften, bei der Treuhand, beim Kreditabwicklungsfonds, bei der Europäischen Gemeinschaft oder beim steuerlichen Grundfreibetrag, von dem doch jeder weiß, daß er dringend erhöht werden muß.
    Nur nebenbei: Stellen wir uns doch einmal gemeinsam vor, wie Sie über uns herfallen würden, wenn Sozialdemokraten nur annähernd soviel Schulden machten, wie Sie sie dauernd machen.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Hans-Jochen Vogel [SPD]: Dann wäre was los!)

    Diese ausufernde Staatsverschuldung sehen wir Sozialdemokraten wie auch unsere Bürger, unsere Wirtschaft und die Bundesbank mit größter Besorgnis. Sie schlagen leider alle Mahnungen in den Wind. Die Folgen dieser enormen Staatsverschuldung sind für die öffentlichen Haushalte verheerend. Bereits in diesem Jahr muß der gesamte öffentliche Sektor einschließlich der Sondervermögen und Schuldentöpfe allein 111 Milliarden DM für Zinsen zahlen. Das sind 304 Millionen DM Zinsen Tag für Tag. Allein während Ihrer Rede, Herr Bundesfinanzminister, mußten die öffentlichen Hände etwa 14 Millionen DM Zinsen zahlen.

    (Heiterkeit bei der SPD)

    In den nächsten Jahren wird das noch schlimmer: 1992 werden es schon 123 Milliarden DM Zinsen sein — übrigens, meine Damen und Herren, alles Zahlen aus dem Finanzministerium. Bis 1995 steigen die Zinsverpflichtungen der öffentlichen Hand auf 175 Milliarden DM an. Da bleibt doch für die eigentlichen öffentlichen Aufgaben viel zuwenig übrig.
    Die Ausgaben, die allein im Bundeshaushalt 1992 für Zinsen veranschlagt sind, sind höher als die gesamten Ausgaben für die Bundesministerien für Gesundheit, Umwelt, Frauen und Jugend, wirtschaftliche Zusammenarbeit, Forschung und Technologie, Bildung und Wissenschaft und Wohnungsbau.

    (Dr. Hans-Jochen Vogel [SPD]: Hört! Hört!)

    Der Staat braucht immer mehr Steuern allein dafür, daß er seine Zinsen bezahlen kann. Bereits heute muß jede sechste Steuermark für Zinsen ausgezahlt werden, 1995 wird es bereits jede fünfte Steuermark sein. Das kann doch nicht so weitergehen. Politiker, die diese Entwicklung so weitertreiben lassen, handeln unverantwortlich zu Lasten nicht nur unserer Kinder, sondern auch unserer Enkel.

    (Beifall bei der SPD)

    Daß die deutsche Einheit viel Geld kostet, war uns immer bewußt. Dieses Geld für den Aufbau der neuen Länder aufzubringen waren wir bereit und sind wir bereit. Das haben wir im Unterschied zu Ihnen vor der Bundestagswahl gesagt.
    Versuchen Sie bitte nicht länger, Ihre enorme Staatsverschuldung allein auf die deutsche Einheit zu schieben.

    (Beifall bei der SPD)

    Dieser Schuldenberg ist in erheblichem Umfang auch
    das Ergebnis Ihrer verfehlten Politik. Nur Beispiele:
    Sie haben die sogenannte Steuerreform auf Pump
    finanziert. Sie haben sich jahrelang gewehrt, den Verteidigungshaushalt zu kürzen. Sie haben jahrelang an unsinnigen und teuren Großprojekten wie Wackersdorf und dem Schnellen Brüter festgehalten.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Sie haben sich bei der Zinsbesteuerung nicht an das Gesetz gehalten und dadurch großen Steuerhinterziehern Milliarden geschenkt.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Hans-Jochen Vogel [SPD]: Leider wahr! Das Gericht mußte erst kommen, um euch Beine zu machen!)

    Sie haben durch Ihr Zaudern und Zögern bei der wirtschaftlichen Flankierung der Währungsunion mehr Menschen arbeitslos werden lassen, als es nötig gewesen wäre, und die deutsche Einheit damit unnötig teuer gemacht.

    (Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ GRÜNE)

    Sie waren beim Ausbruch des Golfkrieges voll und ganz damit beschäftigt, hier in Bonn gerade Minister- und Staatssekretärsposten zu verteilen.

    (Dr. Hans-Jochen Vogel [SPD]: Zweiundachtzig!)

    Um Ihr außenpolitisches Versagen wieder auszugleichen, haben Sie anschließend eine peinliche Scheckbuchdiplomatie betrieben, die unsere Steuerzahler teurer zu stehen kommt. 17 Milliarden DM für den Golfkrieg, ohne daß wir nur im mindesten mitreden können, meine Damen und Herren!

    (Beifall bei der SPD — Dr. Hans-Jochen Vogel [SPD]: Ohne Abrechnung bisher! — Zuruf von der CDU/CSU: Was wollten Sie denn mitreden?)

    Sie haben beim Sparen und beim Subventionsabbau versagt. Ihre angeblichen Sparerfolge bestehen überwiegend aus Abgaben- und Gebührenerhöhungen. Den Bürgern aber Geld aus der Tasche zu holen, das ist kein Sparen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Darin wart ihr Weltmeister!)

    Sie haben schließlich seit 1983 Bundesbankgewinne in Höhe von 80 Milliarden DM kassiert.

    (Dr. Hans-Jochen Vogel [SPD]: Hört! Hört!)

    Statt mit dem Geld den Haushalt zu konsolidieren, haben Sie es leider mit vollen Händen ausgegeben.

    (Dr. Kurt Faltlhauser [CDU/CSU]: Das habt ihr gemacht!)

    — Das haben wir nicht gemacht, Herr Faltlhauser. Denn wir haben in 13 Jahren nur 13 Milliarden DM Bundesbankgewinne und Sie in neun Jahren 80 Milliarden DM kassiert, ohne damit zu konsolidieren.

    (Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ GRÜNE)

    Mit Ihrer Schuldenpolitik und Ihren Steuererhöhungen ist ein Anstieg der Inflationsrate auf über 4 % verbunden. Zu Recht hat der ehemalige Bundesbankpräsident Pöhl bei seiner Abschiedsrede in der Frank-



    Ingrid Matthäus-Maier
    furter Paulskirche diese Inflationsrate ausdrücklich als hausgemacht bezeichnet; denn weltweit gehen die Inflationsraten zurück.
    Die von der Politik genährte Inflationserwartung beschädigt aber die Grundlagen unserer Volkswirtschaft, und dies untergräbt das Vertrauen in die Stabilität der D-Mark im In- und Ausland. Ich hoffe nicht, daß der Finanzminister darauf spekuliert, daß mit steigender Inflation die drückende Schuldenlast des Staates leichter wird. Ich kann nur davor warnen, diesen unsozialen und wirtschaftspolitisch verhängnisvollen Weg in die Inflation weiterzugehen.
    Die Folge Ihrer Schuldenpolitik ist auch ein viel zu hohes Zinsniveau. Weltweit gehen die Zinsen zurück; bei uns aber steigen sie. Die Bundesbank hat die Zinsen doch nicht aus Jux und Dollerei erhöht. Die Zinsbeschlüsse der Bundesbank waren vor allem auch ein Warnsignal an diese Bundesregierung.
    Die hohen Zinsen schaden unserer Wirtschaft, für die das Investieren nun teurer geworden ist. Sie schaden auch dem Aufbau in den neuen Ländern. Schon ein Anstieg der Zinsen um nur einen Prozentpunkt kostet die Wirtschaft rund 14 Milliarden DM. Dies belastet sie weit mehr als die ganze Vermögensteuer und die ganze Gewerbekapitalsteuer, über die Sie dauernd lamentieren. Ich sage Ihnen: Von einer soliden Finanzpolitik, die zu niedrigen Zinsen führt, hat die Wirtschaft mehr als von unbezahlbaren Steuervergünstigungen.

    (Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ GRÜNE — Dr. Kurt Faltlhauser [CDU/CSU]: Ihre Rede löst Kapitalflucht aus!)

    Die hohen Zinsen schaden auch dem Wohnungsbau. Sie bringen viele Eigenheimbesitzer in eine ausweglose Notlage, weil diese die mehrere hundert Mark zusätzliche Zinsbelastung im Monat für ihr Häuschen nicht mehr bezahlen können.
    Statt nun aber Ihre Politik zu ändern und endlich zu sparen, fahren Sie fort, die Lage der Staatsfinanzen schöner zu malen, als sie ist. Sie sagen z. B., die Neuverschuldung des Bundes würde bis 1995 auf 25 Milliarden DM zurückgehen. Schon diese 25 Milliarden DM stehen angesichts der Milliardenrisiken nur auf dem Papier. Außerdem verschweigen Sie die vielen Milliarden DM an Schulden, die Sie in den kunstvoll konstruierten Schattenhaushalten, Sondervermögen und Schuldentöpfen auslagern. Ich nenne nur den Fonds Deutsche Einheit, den Kreditabwicklungsfonds und die Treuhand. Sie verschweigen zugleich, daß die Verschuldung der Länder und Gemeinden vor allen Dingen im Osten dramatisch hochgeht. Hören Sie doch endlich auf mit dieser Schönfärberei! Die Wahrheit wird Sie auch an dieser Stelle einholen.

    (Beifall bei der SPD)

    Mit Ihrer heutigen Rede, Herr Bundesfinanzminister, haben Sie leider wieder die Chance vertan, einen ehrlichen und ungeschminkten Kassensturz vorzunehmen. Wie recht hatte doch die Zeitschrift „Die Zeit" , als sie in der letzten Woche unter der Überschrift „Verdrängte Wahrheiten" für die heutige Debatte vorhersagte:
    Doch zu dieser Stunde der Wahrheit wird es in der Parlamentsdebatte über den Bundeshaushalt 1992 nicht kommen. Statt dessen wird der Bürger aus dem Munde des Bonner Kassenchefs ein weiteres Mal hören, daß die Regierung alles im Griff habe und die Finanzpolitik auf Kurs sei.

    (Jochen Borchert [CDU/CSU]: Das ist auch zutreffend!)

    Der Finanzminister bleibt — so „Die Zeit" —
    ein Gefangener seiner Steuerlüge vom vergangenen Jahr.

    (Beifall bei der SPD und dem Bündnis 90/ GRÜNE)

    „Die Zeit" fährt fort:
    Danach kostet die Einheit den Bürger (West) nichts, und der Bürger (Ost) kann mit einem schnellen Aufschwung rechnen. Indes: Es ist der schlimmste Fehler Waigels, in den 28 Monaten seiner Amtszeit, die Bevölkerung nicht auf die Belastungen der Einheit vorbereitet zu haben und auch jetzt noch die Haushaltsprobleme zu verdrängen.

    (Beifall bei der SPD und dem Bündnis 90/ GRÜNE)

    Der andere schlimme Fehler ist, daß die Bundesregierung einfach nicht ernst macht beim Sparen. Das hat doch zuletzt das Theater in der Sommerpause um den angeblichen Subventionsabbau gezeigt. Das Ziel eines Subventionsabbaus um 10 Milliarden DM wurde weit verfehlt. Ich zitiere nur einige Zeitungskommentare. Dort heißt es: „Mogelpackung", „Augenwischerei", „Luftbuchungen" , „Flickwerk" , „Ratlose Milliardenjongleure", „Papiertigerparade", „ohne große finanzpolitische Professionalität", „Massive Buchungstricks" ,

    (Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] [FDP]: Unerhörte Beschimpfungen!)

    „Mölles großer Bluff", „Subventionslüge". — Meine Damen und Herren, ich würde gar nicht wagen, solche Worte zu gebrauchen, denn es sind ja Beleidigungen, aber große Zeitungen haben das über Sie geschrieben.

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD und des Abg. Dr. Wolfgang Ullmann [Bündnis 90/ GRÜNE])

    Ich füge nach diesen Zeitungskommentaren hinzu: Ihre Art von Subventionsabbau ist ökonomisch unvernünftig und sozial eine Zumutung. Ich nenne nur ein ganz konkretes Beispiel: Sie wollen 560 Millionen DM bei den Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen für Langzeitarbeitslose kürzen. Die gleichen 560 Millionen DM geben Sie aber für das sogenannte Dienstmädchenprivileg für Spitzenverdiener aus, das Sie sogar noch weiter aufstocken wollen. Warum schaffen Sie nicht das Dienstmädchenprivileg ab und helfen statt dessen den Langzeitarbeitslosen? Dann haben Sie das Geld.

    (Beifall bei der SPD und dem Bündnis 90/ GRÜNE)




    Ingrid Matthäus-Maier
    Ich hoffe im übrigen auch, daß Wirtschaftsminister Möllemann seine Absicht aufgibt, bei der Kohlehilfe entgegen den bestehenden Verträgen zu kürzen. Es kann doch keine Rede davon sein, daß sich der Bergbau notwendigem Strukturwandel verschließt. Da werden doch bereits Jahr für Jahr Arbeitsplätze abgebaut. Aber der notwendige Strukturwandel darf doch nicht dazu führen, daß ganze Regionen ins Abseits geraten und bestehende Verträge ausgehebelt werden, meine Damen und Herren.

    (Beifall bei der SPD und des Abg. Werner Schulz [Berlin] [Bündnis 90/GRÜNE])

    Daß die Bundesregierung in dieser Situation der öffentlichen Haushalte mit der Senkung der Vermögensteuer und der Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer sogar noch neue Steuervergünstigungen einführt,

    (Dr. Hans-Jochen Vogel [SPD] und Dr. Herta Däubler-Gmelin [SPD]: Unglaublich!)

    schlägt dem Faß den Boden aus.

    (Beifall bei der SPD)

    Diese neuen Steuergeschenke sind wirtschaftspolitisch unvernünftig. Mit Arbeitsplätzen hat das nichts zu tun, denn hier wird nicht das Investieren gefördert, sondern der Besitz von Vermögen und Kapital.

    (Dr. Hans-Jochen Vogel [SPD]: Großvermögen!)

    Auch der Mittelstand hat nichts davon.

    (Dr. Kurt Faltlhauser [CDU/CSU]: Sie haben von den Grundlagen keine Ahnung!)

    Wegen der hohen Freibeträge sind nämlich die meisten kleinen und mittleren Unternehmen von der Gewerbekapitalsteuer befreit.

    (Dr. Hans-Jochen Vogel [SPD]: So ist es! Die Handwerker haben gar nichts davon!)

    Daß sie hier erneut eine Politik zugunsten der Großunternehmen betreiben, hat mittlerweile auch die Mittelstandsvereinigung der CDU bemerkt, die mit uns zusammen gegen die Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer ist.

    (Beifall bei der SPD und dem Bündnis 90/ GRÜNE)

    Wie auch immer man es dreht und wendet: Sie greifen der großen Masse der Bürger in die Tasche durch höhere Arbeitslosenversicherungsbeiträge, durch die Ergänzungsabgabe, durch die Anhebung der Mineralölsteuer, die Anhebung der Tabaksteuer, die Anhebung der Versicherungsteuer, durch die Einführung der Telefonsteuer. Da ist doch Ihre Absicht, gleichzeitig die Vermögensteuer zu senken und die Gewerbekapitalsteuer abzuschaffen, eine glatte Zumutung.

    (Beifall bei der SPD und dem Bündnis 90/ GRÜNE)

    Meine Damen und Herren, in den Programmen aller Parteien des Bundestages steht, daß zu den großen ungelösten Problemen unserer Wirtschaftsordnung die ungleiche Einkommens-und Vermögensverteilung gehört. Ja, wie kann man denn dann auf die Idee kommen, diesen Fehler, dieses Problem noch dadurch zu verstärken, daß man die Vermögensteuer senkt?
    Nein, meine Damen und Herren, die Unbelehrbarkeit, mit der diese Bundesregierung die Senkung von Vermögen- und Gewerbekapitalsteuer betreibt, erschreckt mich. Wir hatten doch nach dem letzten Vermittlungsverfahren alle erwartet, daß diese Ihre Schnapsidee mittlerweile vom Tisch ist. Wir haben in unserem Lande doch wahrlich andere, dringlichere Probleme zu lösen.

    (Beifall bei der SPD und dem Bündnis 90/ GRÜNE)

    Ich frage Sie: Warum widmen Sie angesichts von 2,5 Millionen fehlenden Wohnungen nicht die gleiche Energie, mit der Sie dauernd die Vermögensteuersenkung wollen, der Bekämpfung der Wohnungsnot?

    (Beifall bei der SPD und dem Bündnis 90/ GRÜNE)

    Oder warum setzten Sie sich nicht endlich mit der gleichen Energie für die Einführung einer Pflegeversicherung für ältere Menschen ein? Da liegen doch die Probleme.

    (Beifall bei der SPD und dem Bündnis 90/ GRÜNE — Zurufe von der CDU/CSU: Das tun wir doch!)

    Herr Bundeskanzler, Sie sind zugleich Parteivorsitzender der CDU. Aber ich sage Ihnen: Eine Partei, die sich mit dieser Intensität um Steuersenkungen in Höhe von 6,4 Milliarden DM für Spitzenverdiener und Großunternehmen bemüht, gleichzeitig aber die Probleme der wachsenden Wohnungsnot und der Pflegebedürftigkeit von Millionen Menschen vernachlässigt, hat nicht mehr das Recht, sich eine Volkspartei zu nennen.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD und dem Bündnis 90/GRÜNE)

    Besonders schlimm ist, daß Sie für die Senkung der Vermögensteuer und die Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer die Mehrwertsteuer erhöhen wollen. Da Ihnen das so unangenehm ist — das hat ja auch Herr Geißler festgestellt, und Herr Dregger hat klargemacht, daß es auch bei Ihnen rumort — , sagen Sie, das würden Sie durch den Subventionsabbau finanzieren. Aber, meine Damen und Herren, wie soll man denn mit Luftbuchungen 6,4 Milliarden DM Steuersenkungen finanzieren? Das nimmt Ihnen doch kein Mensch ab.

    (Zustimmung bei der SPD)

    Nein, Sie brauchen dazu die Anhebung der Mehrwertsteuer, und eine solche Anhebung der Mehrwertsteuer ist wirtschaftspolitisch verfehlt.

    (Hans Peter Schmitz [Baesweiler] [CDU/ CSU]: Das ist eine glatte Legende!)

    Noch vor wenigen Tagen hat Bundesbankpräsident Schlesinger die wirtschaftspolitischen Bedenken gegen eine Erhöhung der Mehrwertsteuer zusammengefaßt. Insbesondere — so führt er aus — führe ein solcher Schritt zu einem weiteren Anstieg des Preisniveaus, und davon seien auch Bund, Länder und Gemeinden als Nachfrager bei ihren Ausgaben betroffen. Deswegen bringe im Endergebnis fiskalisch die Mehrwertsteuererhöhung übrigens lange nicht das, was man sich von ihr verspreche. Darüber hinaus



    Ingrid Matthäus-Maier
    werde sich eine Mehrwertsteueranhebung in höheren Lohnforderungen niederschlagen, und damit seien erneut Gefahren für die Preisstabilität verbunden. — So die ernste Besorgnis des Bundesbankpräsidenten Professor Schlesinger.
    Auch die Präsidenten der Verbände von Handel und Handwerk lehnen die Mehrwertsteuererhöhung als mittelstandsfeindlich ab. Sie haben doch recht: Die Schwarzarbeit wird noch weiter zunehmen.
    Schließlich trifft die Mehrwertsteuererhöhung — da können Sie herumreden, solange Sie wollen, und wen auch immer zitieren — in erster Linie die kleinen Leute, die Arbeitnehmer mit kleinem Einkommen, die Familien mit Kindern, die Rentner und die Arbeitslosen, sehr viel mehr als die Bezieher hoher und höchster Einkommen. Dabei sieht doch jeder: Die Grenze der Belastbarkeit der Mehrheit unserer Bürger mit Steuern und Abgaben ist erreicht, bei vielen schon überschritten.
    Sie reden immer von Verzicht bei den Lohnerhöhungen. Das haben Sie auch heute morgen wieder gemacht, Herr Bundesfinanzminister. Ich sage Ihnen: Verzichten Sie auf die Senkung von Vermögen- und Gewerbekapitalsteuer, dann können Sie, wenn Sie zusätzlich sparen, auf die Mehrwertsteueranhebung verzichten, und dann müssen nicht die Gewerkschaften das bei den Lohnerhöhungen wieder hereinholen.

    (Beifall bei der SPD und dem Bündnis 90/ GRÜNE)

    Wie belastet die kleinen Leute mit Steuern sind, sieht man an Ihrer Ergänzungsabgabe. Denn diese Ergänzungsabgabe hat keine Einkommensgrenze. Das war ein großer Fehler. Schon vor der Einführung Ihrer Ergänzungsabgabe wurde in unserem Lande das Existenzminimum verfassungswidrigerweise besteuert. Schon aus diesem Grund hätte die Ergänzungsabgabe mit einer Einkommensgrenze verbunden sein müssen, damit kleine und mittlere Einkommen freigestellt werden.
    Sie schließen daraus, wir hätten etwas gegen Besserverdienende. Das ist Unsinn. Es sind vor allem zwei Gründe, die dafür sprechen, daß die Bürger mit den höheren Einkommen stärker zur Finanzierung der neuen Länder beitragen.
    Der eine Gedanke ist der des Lastenausgleichs. Nach dem Kriege war es selbstverständlich, daß die große und teure Aufbauleistung in erster Linie von den Bürgerinnen und Bürgern mit den starken Schultern finanziell getragen wurde. Warum soll dieser Gedanke nicht auch für die große Aufbauleistung der deutschen Einheit wieder zum Tragen kommen?
    Außerdem muß daran erinnert werden, daß — das ist der zweite Grund — bei der sogenannten Steuerreform 1990 allein 10 Milliarden DM Steuersenkung an Einkommen über 100 000 DM gegangen sind. Nachdem dieses Geld fehlt — denn Sie haben die Steuern auf Pump gesenkt — , ist es nur ein Gebot der Gerechtigkeit, dieses fehlende Geld bei den hohen und höchsten Einkommen herauszuholen und nicht bei den kleinen Leuten. Bei diesen ist durch Ihr massives Steuer- und Abgabenerhöhungspaket die Belastung ohnehin zu hoch und hat die gesamte Steuerentlastung der letzten Jahre zunichte gemacht. Das renommierte Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung hat Ihnen das unter der Überschrift „Umverteilung der Einkommen von unten nach oben" im einzelnen nachgewiesen.
    Meine Damen und Herren, die Finanzpolitik dieser Bundesregierung ist nicht auf Kurs, allenfalls auf Schlingerkurs. Dem Finanzminister laufen die Staatsfinanzen aus dem Ruder, und der Kapitän — sprich: der Bundeskanzler — kümmert sich gleich gar nicht um die Staatsfinanzen. Der kleinere Koalitionspartner FDP steuert zwar kräftig mit ins Abseits, hat aber schon die Rettungsboote fest im Auge.

    (Heiterkeit bei der SPD und dem Bündnis 90/ GRÜNE sowie Beifall bei Abgeordneten der SPD — Zuruf des Abg. Dr. Kurt Faltlhauser [CDU/CSU])

    — Herr Faltlhauser, es ist so ermüdend, wenn Sie immer dazwischenrufen. Stellen Sie doch einfach einmal eine Zwischenfrage.
    Meine Damen und Herren, wenn das Ruder nicht endlich herumgerissen wird, ist es nur noch eine Frage der Zeit, wann das Schiff der Staatsfinanzen auf ein Riff laufen wird. Was wir brauchen, ist ein Kurswechsel in der Finanzpolitik.
    Unsere Alternativen liegen Punkt für Punkt auf dem Tisch:
    Erstens. Statt der Schönfärberei muß ein ehrlicher Kassensturz erfolgen.

    (Beifall bei der SPD und dem Bündnis 90/ GRÜNE)

    Zweitens. Die Bundesregierung muß auf ihr unsinniges Vorhaben verzichten, für Großunternehmen und Spitzenverdiener die Vermögensteuer zu senken und die Gewerbekapitalsteuer abzuschaffen. Dann stehen 6,4 Milliarden DM zur Verfügung.

    (Beifall bei der SPD und dem Bündnis 90/ GRÜNE)

    Drittens. Es muß endlich ernsthaft gespart werden, statt immer wieder die Steuern zu erhöhen. Wir können uns einen Verteidigungshaushalt wie zu Zeiten des kalten Krieges nicht mehr leisten.

    (Beifall bei der SPD und dem Bündnis 90/ GRÜNE sowie bei Abgeordneten der PDS/ Linke Liste)

    Viertens. Die notwendige Sparsamkeit muß auch bei geringeren Beträgen wieder zum Zuge kommen. Die kleinste Recheneinheit darf doch nicht länger die Milliarde sein. Weder brauchen wir 81 Minister und Staatssekretäre

    (Zuruf von der SPD: 81?)

    — 81! —, noch brauchen wir 450 Millionen DM für Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung. Der Bundesnachrichtendienst braucht auch keine 10 Millionen DM mehr.

    (Friedrich Bohl [CDU/CSU]: Wenn das Herr Porzner hört!)




    Ingrid Matthäus-Maier
    Außerdem brauchen wir nicht zusätzliche Millionen für die Vertriebenenverbände.

    (Dr. Hans-Jochen Vogel [SPD]: Brauchen wir für die Betreuung von Herrn Schalck! — Widerspruch bei der CDU/CSU)

    — Also, daß Sie die Geschichte — das kann ich ja verstehen — mit dem BND angesichts des Durcheinander
    — ich nenne nur die Namen Schalck-Golodkowski, Strauß, März usw. — sehr ängstigt und aufregt, kann ich wohl verstehen, meine Damen und Herren. Aber deswegen brauchen die nicht mehr Geld.

    (Beifall bei der SPD und des Abg. Dr. Wolfgang Ullmann [Bündnis 90/GRÜNE])

    Wir brauchen auch nicht zusätzliche Millionen für die Vertriebenenverbände. Auch bei den Weltraumprojekten kann abgespeckt werden. Und daß jetzt Soldaten mit 48 Jahren in den Ruhestand versetzt werden sollen, obwohl ihre Fähigkeiten an anderer Stelle im öffentlichen Dienst dringlich benötigt werden, versteht doch kein Mensch.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und des Bündnisses 90/GRÜNE)

    Meine Damen und Herren — jetzt werden vielleicht nicht viele klatschen —, für mich ganz persönlich füge ich hinzu: Mein Vorschlag, die Zahl der Bundestagsabgeordneten auf 500 zu begrenzen, den ich seit langem mache, hat für mich nicht nur etwas mit der Arbeitsfähigkeit des Parlaments und der Stärkung der Position des einzelnen Parlamentariers, sondern auch etwas mit Sparen zu tun.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP, der PDS/Linke Liste und des Bündnisses 90/GRÜNE — Friedrich Bohl [CDU/ CSU]: Sie können ja Ihr Mandat niederlegen, dann hätten wir ein Mandat weniger!)

    Fünftens. Es müssen endlich Subventionen auf allen Ebenen abgebaut werden — unsere Vorschläge liegen seit langem auf dem Tisch — , vom Dienstmädchenprivileg über die Bewirtungsspesen bis zum Flugbenzinskandal. Aber, meine Damen und Herren, Subventionen müssen auch in der Europäischen Gemeinschaft abgebaut werden, bei der wir ja schließlich die Hauptzahler sind.

    (Hans Peter Schmitz [Baesweiler] [CDU/ CSU]: Sie läßt aber auch keinen aus!)

    Dem Bürger ist nun wirklich nicht verständlich zu machen, warum mit unseren Steuergeldern aus der Europäischen Gemeinschaft 100 000 t Rindfleisch für 1 DM pro Kilo nach Brasilien exportiert werden,

    (Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] [FDP]: Ausgerechnet!)

    obwohl die Europäische Gemeinschaft das Kilo 6 DM kostet und wir damit außerdem noch die Exportmärkte für die Dritte Welt kaputtmachen. Das ist das Schlimme, meine Damen und Herren.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des Bündnisses 90/GRÜNE)

    Allein durch diese sehr konkreten Einsparvorschläge und den Verzicht auf die Steuersenkung bei der Vermögen- und der Gewerbekapitalsteuer haben wir Sozialdemokraten ohne jede Steuererhöhung ein
    gleich großes Finanzvolumen zur Verfügung wie die Bundesregierung mit ihrer Mehrwertsteuererhöhung.

    (Zuruf des Abg. Dr. Kurt Faltlhauser [CDU/ CSU] — Gunnar Uldall [CDU/CSU]: Das ist die beste Lachnummer, Frau MatthäusMaier, wenn Sie dieses Papier meinen!)

    — Herr Faltlhauser, das finde ich jetzt langsam unhöflich: entweder fragen oder ein bißchen leiser sein. Im übrigen, Herr Uldall, ist es mit den Zwischenrufen so: Erst informieren, dann nachdenken und dann erst Zwischenrufe machen.

    (Gunnar Uldall [CDU/CSU]: Da steht ja nichts drin, worüber man sich informieren könnte!)

    Sechstens. Statt der Mehrwertsteuererhöhung der Bundesregierung will die SPD die Freistellung der kleineren und mittleren Einkommen von der Ergänzungsabgabe, ihre Umstellung in einen Zuschlag zur Lohn- und Einkommensteuer, so daß auch die Gemeinden und Länder davon etwas abbekommen, und ihre Befristung auf vier bis fünf Jahre — übrigens etwas, was wir vor der Bundestagswahl im Unterschied zu Ihnen alles bereits angekündigt hatten.
    Siebtens. Es muß Schluß damit sein, daß man bei angeblich hehren politischen Vorhaben nicht über das Geld reden darf. Das war so beim Golfkrieg, wo Sie mit der Begründung internationaler Solidarität voreilig und zuviel überwiesen haben. Das muß auch für alle anderen Entscheidungen gelten. Mit ihrem eigenen Geld können Politiker ja umgehen, wie sie wollen, aber nicht mit dem Geld der Steuerzahler.

    (Beifall bei der SPD)

    Achtens. Bevor man immer nach neuen Steuererhöhungen ruft, muß der Staat dafür sorgen, daß die Steuern, die ihm zustehen, auch tatsächlich hereinkommen. Eine Politik, die sehenden Auges hinnimmt, daß die Hinterziehung großer Steuerbeträge stattfindet, hat kein Recht, die ehrlichen Steuerzahler mit immer neuen Steuererhöhungen zur Kasse zu bitten.

    (Beifall bei der SPD)

    Unser Vorschlag zur Zinsbesteuerung liegt seit zwei Jahren auf dem Tisch, nämlich die Befreiung der Millionen Normalsparer von der Zinsbesteuerung durch eine kräftige Anhebung der Sparerfreibeträge auf 3 000 DM für Alleinstehende und 6 000 DM für Verheiratete und ein Stichprobenverfahren, das das Bankgeheimnis wahrt.
    Neuntens. Eine gerechte Steuerpolitik muß wieder Aufgabe der Bundesregierung sein. Es muß Schluß damit sein, Herr Finanzminister, daß die Bundesregierung zur Beseitigung bestehender Ungerechtigkeiten immer erst vom Bundesverfassungsgericht gezwungen wird.

    (Beifall bei der SPD)

    Das war so beim Kindergeld, das war so bei der Zinsbesteuerung, das war so beim Finanzausgleich und in Kürze auch beim Grundfreibetrag.
    Zehntens. Leere Kassen dürfen keine Ausrede sein, um notwendige Reformen zu verhindern. Ref ormpoli-



    Ingrid Matthäus-Maier
    tik muß nicht unbedingt zusätzliches Geld kosten, wenn in den öffentlichen Haushalten intelligent umgeschichtet wird. Statt der Anhebung der ungerechten Kinderfreibeträge durch diese Bundesregierung, durch die ein Spitzenverdiener fast dreimal so viel erhält wie ein Niedrigverdiener, fordern wir Sozialdemokraten ein einheitliches Kindergeld von 230 DM vom ersten Kind an. Diese Reform ist aufkommensneutral finanzierbar durch eine Ersetzung dieses sehr bürokratischen und ungerechten Systems von Kinderfreibeträgen, Kindergeld, Einkommensgrenzen und Kinderzuschlag und durch eine maßvolle Reform des Ehegattensplitting.
    Meine Damen und Herren, dazu nur ein Satz: Daß nach dem geltenden Recht ein Ehepaar, auch wenn es keine Kinder hat, einen Splittingvorteil im Jahr von bis zu 22 842 DM erhält, und das jedes Jahr immer wieder, während eine Familie mit niedrigem Einkommen für ein Kind in 18 Jahren insgesamt nur eine Förderung von 21 168 DM erhält, also in 18 Jahren weniger als die Spitzenverdienerfamilie ohne Kinder in einem Jahr, das versteht doch kein Mensch. Ich fordere Sie hier auf, Herr Geißler und die Arbeitnehmervertreter: Warum machen Sie nicht endlich bei uns mit, dies zu ändern?

    (Beifall bei der SPD und dem Bündnis 90/GRÜNE)

    Wir fordern elftens als konkrete Alternative zu Ihrer Anhebung der Arbeitslosenversicherungsbeiträge, von der Beamte, Minister, Abgeordnete und Selbständige nicht betroffen sind, die Einführung einer Arbeitsmarktabgabe, bei der die genannten Personengruppen mitbezahlen.
    Zwölftens. Die Finanzpolitik muß endlich zu einer bedarfsgerechten Finanzausstattung der Länder und Gemeinden führen, die doch für die deutsche Einheit auch erhebliche finanzielle Beiträge erbringen. Es muß Schluß damit sein, daß sich die Bundesregierung selber zusätzliche Einnahmen verschafft und gleichzeitig den Ländern und Gemeinden sogar noch Steuereinnahmen wegnimmt. Die Bundesregierung muß auch ihre Zusage an die Länder für ein Sonderprogramm zur Abfederung der Streitkräftereduzierung einhalten. Daß Finanzminister Waigel die Strukturhilfe fast übergangslos streichen will, verstößt, Herr Waigel, gegen alle Absprachen. Sie wissen, daß die Strukturhilfe 1988 eingeführt wurde,

    (Dr. Kurt Faltlhauser [CDU/CSU]: Erpreßt wurde!)

    um die Länder bei den enormen Kosten Ihrer Steuersenkungspolitik zu entlasten. Wenn Sie das jetzt streichen, dann sage ich Ihnen: Dann kommt der Vorschlag wieder auf den Tisch des Hauses, daß sich der Bund endlich zur Hälfte an den Sozialhilfeausgaben der Gemeinden beteiligt.

    (Beifall bei der SPD und dem Bündnis 90/ GRÜNE)

    Ich fasse zusammen: Unser Land braucht einen Kurswechsel in der Finanzpolitik. Dazu gehört ein ehrlicher Kassensturz. Dazu gehört der Verzicht auf die Senkung der Vermögensteuer und die Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer. Dazu gehört insbesondere kräftiges Sparen, damit die D-Mark nicht zu Schaden kommt. Dieser Kurswechsel ist längst überfällig. Er darf keinen Tag länger verschoben werden.

    (Anhaltender Beifall bei der SPD — Beifall beim Bündnis 90/GRÜNE)



Rede von Dr. Rita Süssmuth
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Kollege Borchert.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Jochen Borchert


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Entwurf des Bundeshaushalts 1992 und der Finanzplan bis 1995 nehmen die erfolgreich praktizierte Konsolidierungspolitik der 80er Jahre wieder auf und schaffen damit gesamtwirtschaftliche Rahmenbedingungen, die im Westen Deutschlands die Wachstumsaussichten stabiliseren und im Osten Deutschlands den Aufschwung einleiten und ermöglichen.
    Die Haushaltspolitik ist durch folgende Punkte gekennzeichnet:
    Erstens. In den Jahren 1990 und 1991 wurden die notwendigen Vorleistungen erbracht, um den Umbruch im Osten unseres Vaterlandes von der sozialistischen Planwirtschaft auf die Soziale Marktwirtschaft zu realisieren. Die Grenze des durch die öffentliche Hand, insbesondere durch den Bund, Machbaren ist aber erreicht. Jede weitere Ausdehnung des Ausgabevolumens gefährdet das Wirtschaftswachstum.
    Zweitens. Die vorübergehende Erhöhung der Abgabenbelastung ist nur dann wachstumsunschädlich, wenn im mittelfristigen Zeitraum eine Reduzierung vorgenommen wird. Deshalb hält die CDU/CSU-Fraktion an den gefaßten Beschlüssen fest, den Solidaritätszuschlag zum 30. Juni 1992 auslaufen zu lassen und die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung zum 1. Januar 1992 zu senken.
    Drittens. Die Vorstellung, alle Altlasten der ehemaligen DDR werden sozialisiert, d. h. vor der Tür des Staates abgeladen, die Vorteile jedoch privatisiert, muß die öffentliche Hand auf Dauer überfordern. Alle am Wirtschaftsprozeß Beteiligten müssen bei ihren Entscheidungen die eingetretenen veränderten Rahmenbedingungen in Deutschland berücksichtigen, auch die Tarifpartner. Die Tarifpolitik ist von entscheidender Bedeutung für die wirtschaftliche Entwicklung, für die Wachstumschancen in den neuen, aber auch in den alten Bundesländern.
    Meine Damen und Herren, die Haushaltspolitik der vergangenen zwei Jahre stand ganz im Zeichen der Wiedervereinigung. Vieles mußte rasch umgesetzt werden. Das Tempo der Politik wurde durch die Dynamik des Wiedervereinigungsprozesses in Deutschland bestimmt und nicht umgekehrt.
    Heute haben alle erkannt, daß dieses Tempo richtig war und daß Bundeskanzler Helmut Kohl die Chance zur Wiedervereinigung entschlossen wahrgenommen hat.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)




    Jochen Borchert
    Ich frage: Wie sähe es heute aus, wenn der Bundeskanzler die Chancen nicht so entschlossen wahrgenommen hätte?
    Während die monetäre Integration Ostdeutschlands rasch vorangeschritten ist und vergleichsweise reibungslos ablief, sind die realwirtschaftlichen Anpassungsprozesse mit ihren schmerzhaften Folgen bei weitem noch nicht abgeschlossen. Die Beseitigung der Altlasten einer 40jährigen sozialistischen Mißwirtschaft und die abrupte Umstellung der ostdeutschen Wirtschaft von einem weitgehend geschlossenen Zentralverwaltungssystem auf eine Soziale Marktwirtschaft, die der internationalen Konkurrenz voll ausgesetzt ist, erfordern Zeit.
    Ziele der Haushalts- und Steuerpolitik dieser beiden Jahre waren es deshalb, die unvermeidlichen Anpassungsprobleme, beispielsweise auf dem Arbeitsmarkt, durch Transferzahlungen sozial abzufedern. Außerdem wurden umfangreiche staatliche Hilfen beschlossen, um einen Wirtschaftsaufschwung in den neuen Bundesländern in Gang zu bringen.
    Für die öffentlichen Haushalte bedeutet das eine außergewöhnliche Belastung. Das Resultat war eine sprunghafte Zunahme der Staatsausgaben, ohne daß durch den erfolgten Gebiets- und Bevölkerungszuwachs das Bruttosozialprodukt entsprechend zugenommen hat. Nimmt man Bund, Länder und Gemeinden zusammen, so wird die sogenannte Staatsquote — der Anteil der Ausgaben der Gebietskörperschaften am Bruttosozialprodukt — 1991 über 50 % liegen, eine Quote, die bereits 1982 — allerdings bei ganz anderen wirtschaftlichen und politischen Voraussetzungen — erreicht worden ist.
    1989 lag dieser Anteil dank unserer Konsolidierungspolitik wieder bei 45 %. Wir sind aber noch weit von dem Wert von 1969 entfernt gewesen, als er bei 39 % lag. Eine Erhöhung des Staatsanteils von 39 auf über 50 % war das Ergebnis der Politik der SPD in den 70er Jahren.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Sehr wahr!)

    Wer aus der jetzigen Konstellation — der Anteil der Ausgaben des Staates am Bruttosozialprodukt wird 1991 voraussichtlich so hoch sein, wie er 1982 war — den Schluß zieht, die wirtschaftliche Situation heute sei mit der von 1982 vergleichbar, nimmt aber die objektiv feststellbaren Fakten nicht zur Kenntnis. Die Opposition tut dies, obgleich sie weiß, daß gravierende Unterschiede bestehen. Die desolate wirtschaftliche Situation zu Beginn der 80er Jahre war die logische Folge einer verfehlten Haushalts- und Steuerpolitik sozialdemokratischer Bundeskanzler und ihrer Finanzminister.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Die Rede von Frau Matthäus-Maier heute zeigt, daß die SPD aus den Fehlern von damals bis heute nichts gelernt hat.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Widerspruch bei der SPD)

    In den 70er Jahren lautete in der Wirtschaftspolitik die Devise: die Belastbarkeit der Wirtschaft testen. Die sozialdemokratischen Bundeskanzler sind an dieser Politik gescheitert. Letztlich konnten die sozialistischen Versprechen nicht mehr bezahlt werden. Auch die SPD mußte lernen: Man kann jeden Kuchen nur einmal essen.
    Heute wie damals verpackt die SPD diese Politik in die auf den ersten Blick populäre These: Die Starken sollen mehr schultern als die Schwachen. Dabei läßt die SPD aber offen, wen sie selbst zu welcher Gruppe rechnet.

    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Das haben wir alles gesagt!)

    In der Opposition fordert die SPD, die Schwachen zu entlasten. Aber was macht sie in den Bundesländern, wo sie in der Regierung ist? In Nordrhein-Westfalen will die SPD auf Kosten der Schwächsten, auf Kosten der Behinderten und Gebrechlichen sparen. Nordrhein-Westfalen will das Betreuungsgesetz, das am 1. Januar 1992 in Kraft treten sollte, fünf Jahre auf Eis legen.

    (Dr. Klaus-Dieter Uelhoff [CDU/CSU]: Hört! Hört!)

    Der SPD-Finanzminister bereitet eine entsprechende Initiative im Bundesrat vor.

    (Zuruf der Abg. Ingrid Matthäus-Maier [SPD])

    Das neue Gesetz regelt die sogenannte Entmündigung und betrifft Menschen, die unter Vormundschaft und Pflege stehen. Das kostet Geld. Aber dieses Geld will die SPD auf Kosten der Schwächsten sparen. Und diese — wie eine Zeitung schreibt — ,,Unsozialdemokraten" wollen uns vorwerfen, wir würden die schwachen Schultern belasten!

    (Beifall bei der CDU/CSU — Detlev von Larcher [SPD]: Das machen Sie ja auch!)

    Die 70er Jahre haben gezeigt, daß dauerhafte Solidarität nur möglich ist, wenn die Haushalts- und Steuerpolitik solche gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen schafft, die wirtschaftliches Wachstum ermöglichen; denn erst Wachstum schafft und sichert Wohlstand.
    Die Politik der SPD in den 70er Jahren brachte das genaue Gegenteil. Das reale Bruttosozialprodukt schrumpfte, die Beschäftigung sank, die Arbeitslosenzahlen stiegen, die Preise explodierten, und die Investitionen kamen praktisch zum Erliegen.
    Sozusagen als Spiegelbild zum schrumpfenden privaten Sektor unserer Volkswirtschaft explodierte aber damals der Staatssektor. Der Staatsanteil stieg auf über 50 %. Die öffentlichen Ausgaben wuchsen im Jahresdurchschnitt um fast 9 %. Das Defizit der öffentlichen Hand erreichte 1981 mit 76 Milliarden DM eine neue Rekordmarke. Der Anteil der Neuverschuldung am Bruttosozialprodukt kletterte auf über 5 %. Gleichzeitig hat es die SPD damals nicht versäumt, die Steuern mehr als zwanzigmal zu erhöhen.

    (Manfred Carstens [Emstek] [CDU/CSU]: Sehr wahr!)

    Das ist die kurzgefaßte Chronik der Mißerfolge der einzigen sozialdemokratisch geprägten Zeitepoche in



    Jochen Borchert
    der Geschichte der Bundesrepublik. Wir werden alles tun, daß es bei dieser einmaligen Epoche bleibt.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Detlev von Larcher [SPD]: Das werden Sie nicht schaffen!)

    Das es dabei bleibt, spricht sich auch in Ihren Reihen herum. Denn nicht umsonst hat der Ministerpräsident von Brandenburg, Herr Stolpe, darauf hingewiesen, daß dank der erfolgreichen Politik Helmut Kohl auch 1994 die Wahl gewinnen wird.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Zumindest an dieser Stelle hat Herr Stolpe recht.


    (Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Der hat Weitblick!)

    Verteilungspolitik verliert in einer Sozialen Marktwirtschaft ihren Handlungsspielraum dann, wenn die Starken, durch deren Arbeit die Hilfe erst möglich wird, die Lust an der Arbeit verlieren. Verteilungspolitik mit einem hohen Grad an Zustimmung ist deshalb nur möglich, wenn nur ein Teil des wirtschaftlichen Zuwachses verteilt wird und gleichzeitig der andere Teil denen verbleibt, die maßgeblich für den wirtschaftlichen Aufschwung verantwortlich sind. Das sind nicht die Millionäre, meine Damen und Herren von der SPD. Das sind in unserer Sozialen Marktwirtschaft vor allem die Facharbeiter, die Handwerker und die Freiberufler.
    Die Akzeptanz für Verteilungspolitik wird darüber hinaus aber auch dadurch bestimmt, daß die Leistungen, die den Schwachen zufließen, sowohl nach oben als auch nach unten als angemessen empfunden werden.

    (Detlev von Larcher [SPD]: Aber dafür tun Sie gerade nichts!)

    1982 mit der Regierungsübernahme durch Bundeskanzler Helmut Kohl kehrte in der Haushalts-, Finanz- nd Steuerpolitik eine Wende ein. Angesichts der Hinterlassenschaft der SPD war die Konsolidierung der Staatsfinanzen, d. h. die Rückführung der Staats- nd Abgabenquote und die Verringerung der Defizite, die vordringlichste Aufgabe. Von 1982 bis 1989 hat die CDU/CSU-geführte Bundesregierung dabei gute Arbeit geleistet. Das Wachstum der öffentlichen Ausgaben wurde drastisch beschränkt. Der Bund war mit etwa 2,5 % ein Vorbild. Das Finanzierungsdefizit der öffentlichen Haushalte wurde von 76 Milliarden DM auf 26 Milliarden DM 1989 zurückgeführt. Die Zinsquote blieb in etwa konstant. Die Staatsquote sank um über 5 Prozentpunkte. Gleichzeitig wurden die Steuern in drei Stufen um rund 50 Milliarden DM vermindert.
    Das Ergebnis waren gesamtwirtschaftliche Rahmenbedingungen wie aus dem volkswirtschaftlichen Lehrbuch mit dem Erfolg, daß die Wirtschaft wieder wuchs. Die reale Zunahme des Bruttosozialprodukts betrug im Jahresdurchschnitt knapp 3 %; die Zahl der Beschäftigten stieg; die Zahl der Arbeitlosen sank. Gleichzeitig blieben die Preise stabil; die Bruttoanlageinvestitionen nahmen zu. Die Steuereinnahmen stiegen, im wesentlichen wachstumsbedingt, trotz der Steuerreform in Höhe von 50 Milliarden DM von
    379 Milliarden DM im Jahre 1982 auf 535 Milliarden DM im Jahre 1989.

    (Detlev von Larcher [SPD]: Aber an diese Kausalität glauben Sie selber?)

    — Aber natürlich.
    Durch die solide Haushalts- und Steuerpolitik der Bundesregierung in den 80er Jahren war Deutschland auf die Wiedervereinigung bestens vorbereitet. Aber die deutsche Wiedervereinigung schaffte einen immensen Finanzbedarf. Für eine kurze Übergangszeit ist die Finanzierung dieser zusätzlichen Ausgaben über eine höhere Nettokreditaufnahme vertretbar. Das galt für 1990, und das gilt, wenn auch in abgeschwächter Form, auch für dieses Jahr.
    Defizite in dieser Größenordnung können auf längere Sicht nicht aufrecht erhalten werden, ohne daß daraus Risiken für die innere Stabilität der D-Mark und letzten Endes Risiken für das wirtschaftliche Wachstum insgesamt entstehen. Dies ist auch die Einschätzung der Deutschen Bundesbank. Die Erhöhung der Leitzinsen signalisiert: Die Bundesbank wird alles tun, damit die D-Mark ihren Wert behält. Die Politik muß ihrerseits alles tun, um die Bundesbank auf diesem Weg zu unterstützen.
    Die Bundesregierung stellt mit diesem Haushalt die Weichen in diese Richtung. Zeitlich befristet, für ein Jahr, wird ein Solidaritätsbeitrag auf die Einkommensteuer erhoben. Dieser Beitrag dient maßgeblich dazu, die Nettokreditaufnahme des Bundes in diesem und im nächsten Jahr auf ein gesamtwirtschaftlich vertretbares Maß zu begrenzen. Dieser für ein Jahr erhobene Solidaritätsbeitrag hat nur begrenzte konjunkturdämpfende Impulse. Infolge der Gewißheit, daß der Solidarbeitrag am 30. Juni 1992 ausläuft, werden die langfristig angelegten Investitionsentscheidungen der Unternehmer nicht wesentlich berührt.

    (Dr. Kurt Faltlhauser [CDU/CSU]: So ist es, jawohl!)

    Genau aus diesem Grund ist es unverantwortlich, wenn die Opposition den Eindruck zu erwecken versucht, wir würden diesen Beschluß revidieren.
    Was die Bürger von einer SPD-geführten Bundesregierung erwarten können, das wissen wir: Steuererhöhungen und die Festschreibung des Solidaritätsbeitrages. Wenn man sich die verschiedenen Initiativen der SPD in bezug auf Steuererhöhungen ansieht, dann stellt man fest, daß der SPD in den vergangenen Jahren außer ständig neuen Vorschlägen für Steuererhöhungen kaum etwas Neues eingefallen ist. Beim fünfzigsten Steuererhöhungsplan habe ich aufgehört, weiter mitzuzählen. Die SPD ist und bleibt die Steuererhöhungspartei Deutschlands.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Lachen bei der SPD — Detlev von Larcher [SPD]: Das sagen Sie nach diesem Jahr! Unglaublich!)

    Ihre Steuererhöhungsvorschläge würden das Wachstumin den alten Bundesländern ernsthaft gefährden. Wir werden dies verhindern.
    Wir werden gleichzeitig die Ausgaben im Bundeshaushalt begrenzen. Bis 1995 sollen die Ausgaben



    Jochen Borchert
    lediglich um 2,3 % zunehmen. Damit liegen die Ausgabensteigerungen deutlich unter dem erwarteten Wachstum des Bruttosozialprodukts. Das ist ein ehrgeiziges Ziel, da wir alle wissen, daß Ausgeben immer leichter fällt als Sparen.
    ,Dies zeigt sich auch an den Vorschlägen der SPD. Während hier kritisiert wird, wir würden nicht deutlich genug sparen, fordert gleichzeitig die Forschungsexpertin der SPD eine deutliche Erhöhung des Forschungsetats —

    (Dr. Kurt Faltlhauser [CDU/CSU]: Heute in den Zeitungen, toll!)

    jeder so, wie es gerade eine betreffende Gruppe hören will: mal sparen, mal neu fordern.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

    Mit der strikten Begrenzung der staatlichen Ausgaben schaffen wir die Voraussetzungen für den Abbau der Haushaltsdefizite. Dies ist eine schwierige Aufgabe. Aber wir werden es wie in der Vergangenheit schaffen. Wir haben dabei in der Vergangenheit in allen Bereichen, auch im Verteidigungshaushalt, verantwortlich gekürzt. Dieser Haushalt ist solide finanziert. Wir haben ausreichend Vorsorge für mögliche Risiken getroffen.
    Aber es ist ja nicht neu, wenn die SPD auch heute wieder die Risiken herausstellt und kritisiert, wir hätten unzureichend Vorsorge getroffen.

    (Helmut Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Richtig!)

    Seit der Regierungsübernahme 1982 hören wir dieses Lied in jedem Jahr. In jedem Jahr erklärt die SPD, die Risiken seien im Haushalt nicht ausreichend berücksichtigt, und der Haushalt sei so nicht finanzierbar. In jedem Jahr sind die Ist-Zahlen deutlich unter den SollZahlen.

    (Adolf Roth [Gießen] [CDU/CSU]: In jedem Jahr!)

    Eigentlich müßte die SPD seit 1983 daraus gelernt haben, daß jeder Haushalt solide finanziert war und daß auch in den schwierigen Jahren 1990 und 1991 die Ist-Zahlen deutlich unter den Soll-Zahlen bleiben.

    (Zuruf von der SPD: Glück gehabt!)

    Aber ich habe es heute aufgegeben, an die Lernfähigkeit der SPD zu glauben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Die einigungsbedingten Lasten trägt zur Zeit im wesentlichen der Bund. Von 1990 bis 1995 errechnet sich die Belastung des Bundes auf rund 370 Milliarden DM. Die alten Bundesländer tragen eine Last von gut 50 Milliarden DM. Die Belastung des Bundes beträgt somit ein Vielfaches.
    Ich will diesen Zustand nicht beklagen. Der Bund ist verantwortlich für die Schaffung annähernd gleicher Lebensverhältnisse in Deutschland. Nur, die Belastbarkeit des Bundeshaushalts hat ihre gesamtwirtschaftlichen Grenzen. Wie verheerend die Auswirkungen auf die gesamte Volkswirtschaft sind, wenn
    der Bund auf Dauer über seine Verhältnisse lebt, haben die 70er Jahre gezeigt.

    (Lachen bei der SPD — Helmut Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Das zeigt sich jetzt!)

    Da aber Bund, Länder und Gemeinden im volkswirtschaftlichen Kreislauf eine Einheit darstellen, muß der Sparwille bei allen öffentlichen Haushalten durchgesetzt werden.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

    Der Bund wird mit dem vorgelegten Haushaltsentwurf und dem verabschiedeten Finanzplan seiner Vorbildfunktion gerecht. Würde man rechnerisch den Bundeshaushalt um die einigungsbedingten Ausgaben und Einnahmen bereinigen, so läge der jahresdurchschnittliche Zuwachs unter 1 %. Die Nettokreditaufnahme würde deutlich sinken; sie läge bei etwa 5 Milliarden DM.
    Die konsequente Ausgabenbegrenzung ist auch eine Aufgabe für alle Bundesländer. Ich meine, insbesondere die alten Bundesländer würden mit einer konsequenten Ausgabenbegrenzung einen substantiellen Beitrag zum Aufschwung in den neuen Bundesländern leisten.
    Was aber geschieht in den alten Bundesländern? In Niedersachsen z. B. wird im kleinen die SPD-Politik der 70er Jahre wiederholt. Die Ausgaben des Landeshaushalts steigen in diesem Jahr um rund 9 %.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Hört! Hört! — Dr. Alfred Dregger [CDU/CSU]: Unglaublich!)

    Das Defizit im Landeshaushalt beträgt 7 % der Ausgaben. In Hessen, im Saarland, in Nordrhein-Westfalen, in Schleswig-Holstein, überall dort liegen die Ausgabenzuwachsraten deutlich über dem im Finanzplanungsrat gemeinsam festgelegten Zielwert von 3 %

    (Zuruf von der CDU/CSU: Hört! Hört!)

    und dies ohne tiefgreifende Belastungen durch die Wiedervereinigung. Ist dies der Beitrag der SPD-regierten Länder zum Aufbau in den neuen Bundesländern? Ich finde, diese Politik ist zutiefst unsolidarisch.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Detlev von Larcher [SPD]: Nicht zu glauben!)

    Die SPD-Ministerpräsidenten wissen genau, daß diese Ausgabenexplosion nur auf Kosten privater Investitionen und auf Grund höherer Steuern und Preise finanzierbar ist. Die CDU/CSU-Fraktion fordert deshalb die Bundesregierung auf, bei den im Herbst zu führenden Gesprächen über die Neugestaltung der Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern hart zu bleiben.
    Dazu gehört, daß die Mittel aus dem Strukturhilfegesetz, die allein den alten Bundesländern außer Hessen und Baden-Württemberg zufließen, ab 1992 ersatzlos gestrichen werden.

    (Dr. Alfred Dregger [CDU/CSU]: Sehr gut!)




    Jochen Borchert
    Frau Matthäus-Maier hat dies kritisiert. Zu diesem Konflikt schreibt heute eine Zeitung — ich will es gern zitieren — :

    (Bei dieser Politik) hat Waigel zwar die politisch stichhaltigeren Argumente,


    (Helmut Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Lüge!)

    am längeren Hebel aber sitzen diejenigen, die rund ein Jahr nach der deutschen Einigung immer noch in einer geradezu beschämenden Weise um jede Mark Finanzzuweisungen feilschen. In diesem Zusammenhang sogar von einer „finanzpolitischen Kriegserklärung" (Rudolf Scharping) des Bundes zu sprechen, ist ein einzigartiger Affront für die von schweren Finanznöten gebeutelten neuen Länder und zeugt von einem politischen Fingerspitzengefühl, das man allenfalls einem Elefanten zutrauen würde.
    So weit die „Süddeutsche Zeitung" vom heutigen Tag. Dem ist, glaube ich, nichts hinzuzufügen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Es bedarf wohl keiner zusätzlichen Expertisen, um festzustellen,

    (Helmut Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Was sagen Sie denn dazu, Herr Borchert?)

    daß die strukturschwachen Gebiete im Osten Deutschlands liegen. Auch die Aussage der Finanzministerin von Schleswig-Holstein: „Die Schwachen können nicht den Schwachen helfen! " kann doch an dieser Tatsache nichts ändern: Durch die Wiedervereinigung Deutschlands ist die Trennungslinie zwischen arm und reich, zwischen Schwachen und Starken, verändert worden. Gehörte in der alten Bundesrepublik Schleswig-Holstein zu den finanzschwachsen Ländern, so gehört heute Schleswig-Holstein in dem wiedervereinigten Deutschland zu den Starken, die sich an der Finanzierung beteiligen müssen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Helmut Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Aber geht es denen denn jetzt besser?)

    Das müssen auch die Finanzministerin des Landes Schleswig-Holstein und der Ministerpräsident zur Kenntnis nehmen.
    Zur Frage, ob es denen bessergeht: Herr Kollege, wollen Sie die Frage der Belastung der Wiedervereinigung immer mit der Frage beantworten: Geht es denen besser? Wenn wir nicht alle gemeinsam bereit sind, Lasten zu übernehmen, dann wird die innere Wiedervereinigung an einer solchen Frage sicher scheitern.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Der Bundesfinanzminister hat einen Sparhaushalt mit einer Steigerung der Ausgaben um 3 % vorgelegt. Gegenüber dem Vorjahr liegt der Zuwachs unter der prognostizierten Zuwachsrate des Bruttosozialprodukts.