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    Plenarprotokoll 12/26 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 26. Sitzung Bonn, Dienstag, den 4. Juni 1991 Inhalt: Gedenkworte für den durch ein Attentat ums Leben gekommenen früheren indischen Ministerpräsidenten Rajiv Gandhi . 1841 A Glückwünsche zum Geburtstag des Abg Müller (Wesseling) 1841B Ausscheiden des Abg. Lowack aus der Fraktion der CDU/CSU 1841B Überweisung eines Gesetzentwurfs der Bundesregierung an verschiedene Ausschüsse 1841 C Tagesordnungspunkt I: Zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1991 (Haushaltsgesetz 1991) (Drucksachen 12/100, 12/494) Einzelplan 01 Bundespräsident und Bundespräsidialamt (Drucksachen 12/501, 12/530) 1841D Einzelplan 02 Deutscher Bundestag (Drucksachen 12/502, 12/530) Helmut Esters SPD 1842 A Dr. Jürgen Rüttgers CDU/CSU 1844 D Dr. Ulrich Briefs PDS/Linke Liste . . . 1847 A Dr. Wolfgang Weng (Gerlingen) FDP . . 1847 D Dr. Peter Struck SPD 1848 D Einzelplan 03 Bundesrat (Drucksachen 12/503, 12/530) 1849D Einzelplan 11 Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung (Drucksachen 12/511, 12/530) Rudolf Dreßler SPD 1850 A Hans-Gerd Strube CDU/CSU 1855 C Dr. Ilja Seifert PDS/Linke Liste . . . 1858A Petra Bläss PDS/Linke Liste 1859 A Ina Albowitz FDP 1860 D Vera Wollenberger Bündnis 90/GRÜNE 1863 A Dr. Norbert Blüm, Bundesminister BMA 1864 D Rudolf Dreßler SPD 1866 C Dr. Barbara Höll PDS/Linke Liste . . 1868A Uta Würfel FDP 1868B Einzelplan 15 Geschäftsbereich des Bundesministers für Gesundheit (Drucksachen 12/515, 12/530) Uta Titze SPD 1869B Uta Würfel FDP 1870 D Arnulf Kriedner CDU/CSU 1872 B Dr. Ursula Fischer PDS/Linke Liste . . 1873 B Dr. Ursula Fischer PDS/Linke Liste 1874A, 1875 A Arnulf Kriedner CDU/CSU 1874 D Dr. Wolfgang Weng (Gerlingen) FDP . . 1875 B II Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 4. Juni 1991 Gerda Hasselfeldt, Bundesministerin BMG 1876B Dr. Ursula Fischer PDS/Linke Liste . . 1876D, 1878 D Klaus Kirschner SPD 1877 B Einzelplan 17 Geschäftsbereich des Bundesministers für Frauen und Jugend (Drucksachen 12/517, 12/530) Dr. Konstanze Wegner SPD 1879 B Susanne Jaffke CDU/CSU 1883 C Dr. Barbara Höll PDS/Linke Liste . . . 1884 D Ina Albowitz FDP 1885 C Dr. Angela Merkel, Bundesministerin BMFJ 1886 C Einzelplan 18 Geschäftsbereich des Bundesministers für Familie und Senioren (Drucksachen 12/518, 12/530) Ingrid Becker-Inglau SPD 1889 B Ina Albowitz FDP 1890 A Irmgard Karwatzki CDU/CSU 1892 D Ingrid Becker-Inglau SPD 1893 B Dr. Konstanze Wegner SPD 1893 C Margot von Renesse SPD 1895 A Dr. Barbara Höll PDS/Linke Liste . . . . 1896 B Dr. Sigrid Hoth FDP 1897 B Hannelore Rönsch, Bundesministerin BMFuS 1898C, 1901B Margot von Renesse SPD 1901 A Einzelplan 07 Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz (Drucksachen 12/507, 12/530) in Verbindung mit Einzelplan 19 Bundesverfassungsgericht (Drucksachen 12/519, 12/530) Dr. Herta Däubler-Gmelin SPD . 1901D, 1914 A Michael von Schmude CDU/CSU . . . . 1905 C Dr. Wolfgang Ullmann Bündnis 90/GRÜNE 1907 C Dr. Wolfgang Weng (Gerlingen) FDP . . . 1908 C Dr. Uwe-Jens Heuer PDS/Linke Liste . . 1909 C Dr. Klaus Kinkel, Bundesminister BMJ . . 1910B, 1914 C Dr. Hans de With SPD (zur GO) 1913 C Konrad Weiß (Berlin) Bündnis 90/GRÜNE 1913D Nächste Sitzung 1915 D Berichtigungen 1916 Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 1917* A Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 4. Juni 1991 1841 26. Sitzung Bonn, den 4. Juni 1991 Beginn: 15.00 Uhr
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    1916 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 4. Juni 1991 Berichtigungen 25. Sitzung (Nachtrag): Auf der ersten Seite ist bei „Anlage 3" zu lesen: „Endgültiges Ergebnis und Namenslisten der namentlichen Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 12/580". Auf Seite II ist bei „Anlage 10" zu lesen: „Dr. Margret Funke-Schmitt-Rink FDP". Seite 1806, Anlage 3: In der zweiten Zeile der Überschrift ist statt „Änderungsantrag" „Entschließungsantrag" zu lesen. Auf Seite 1825 A ist bei dem Namen „Dr. Margret Funke-Schmitt-Rink" statt „(SPD)" „(FDP)" zu lesen. Auf Seite 1839 D (Anlage 40) ist bei „Haushaltsausschuß" statt „Drucksache 11/360 Nummer 3.13, 2.13" zu lesen: „Drucksache 12/269 Nummer 2.12, 2.13". Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Antretter, Robert SPD 04.06.91 * * Blunck, Lieselott SPD 04.06.91* * Büchler (Hof), Hans SPD 04.06.91 * * Bühler (Bruchsal), Klaus CDU/CSU 04.06.91 * * Catenhusen, SPD 04.06.91 Wolf-Michael Diller, Karl SPD 04.06.91 Francke (Hamburg), CDU/CSU 04.06.91 Klaus Genscher, Hans Dietrich FDP 04.06.91 Haack (Extertal), SPD 04.06.91 Karl-Hermann Haschke CDU/CSU 04.06.91 (Großhennersdorf), Gottfried Dr. Hauchler, Ingomar SPD 04.06.91 Hauser CDU/CSU 04.06.91 (Rednitzhembach), Hansgeorg Kittelmann, Peter CDU/CSU 04.06.91 * * Klappert, Marianne SPD 04.06.91 Dr. Lippold (Offenbach), CDU/CSU 04.06.91 Klaus W. Lummer, Heinrich CDU/CSU 04.06.91 * * Maaß (Wilhelmshaven), CDU/CSU 04.06.91 * * Erich Marten, Günter CDU/CSU 04.06.91 * * Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) SPD entschuldigt bis einschließlich Matschie, Christoph 04.06.91 Meckel, Markus SPD 04.06.91 Dr. Meyer (Ulm), Jürgen SPD 04.06.91 Dr. Meyer zu Bentrup, CDU/CSU 04.06.91 * * Reinhard Michels, Meinolf CDU/CSU 04.06.91 * * Dr. Müller, Günther CDU/CSU 04.06.91 * * Pfuhl, Albert SPD 04.06.91 Dr. Probst, Albert CDU/CSU 04.06.91 * * Rau, Rolf CDU/CSU 04.06.91 Reddemann, Gerhard CDU/CSU 04.06.91* Reimann, Manfred SPD 04.06.91* * von Schmude, Michael CDU/CSU 04.06.91 * * Dr. Schöfberger, Rudolf SPD 04.06.91 Seesing, Heinrich CDU/CSU 04.06.91 Singer, Johannes SPD 04.06.91 Dr. Soell, Hartmut SPD 04.06.91 * * Stachowa, Angela PDS 04.06.91 Dr. Stavenhagen, Lutz G. CDU/CSU 04.06.91 Steiner, Heinz-Alfred SPD 04.06.91 * * Terborg, Margitta SPD 04.06.91 * * Dr. Töpfer, Klaus CDU/CSU 04.06.91 Vogel (Ennepetal), CDU/CSU 04.06.91 * * Friedrich Wimmer (Neuss), Willy CDU/CSU 04.06.91 Würzbach, Peter Kurt CDU/CSU 04.06.91 Zierer, Benno CDU/CSU 04.06.91 * *' * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates * * für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union
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    Ich möchte gern zu Ende kommen, Herr de With. Vielleicht am Schluß, wenn Sie einverstanden sind.

    (Dr. Hans de With [SPD]: Finde ich nicht schön!)

    Sie haben, Frau Däubler-Gmelin, die Ressourcenproblematik angesprochen und haben mich leicht kritisiert unter dem Motto, ich hätte mich zunächst dahintergestellt und dann leise weggestohlen. Daß die Situation für den der FDP angehörenden Justizmini-



    Bundesminister Dr. Klaus Kinkel
    ster, was das Durchkämmen der Ressourcen anbelangt, nicht so ganz einfach ist, haben Sie dankenswerterweise anerkannt. Auf der anderen Seite muß ich Ihnen sagen, daß es im Augenblick hauptsächlich die SPD-geführten Länder sind, die von den ursprünglichen Beschlüssen abdriften, und zwar mächtig. Wenn es von Ihnen kritisiert wird, dann sollten Sie vielleicht zunächst einmal dort nachsehen, ob nicht in der Richtung nachgeholfen werden sollte, die Sie offensichtlich wünschen.
    Was die offenen Vermögensfragen und die ganze Eigentumsproblematik anbelangt, muß ich Ihnen ganz offen sagen: Ich möchte mich wirklich — Sie haben es selber gesagt — nicht mehr mit der Prinzipienfrage beschäftigen, sondern nur ein einziges bemerken: Ich habe mich bei meinem Besuch vor zwei Tagen in Dresden bei dem Landesamt zur Abwicklung offener Vermögensfragen bei den vorhandenen 50 bzw. 60 Fachleuten erkundigt, ob einer dieser Fachleute, die es nun in der Praxis abzuwickeln haben, der Meinung sei, daß es richtig sei, das Prinzip umzudrehen. Ich hatte wahrhaftig keinen Einfluß auf die Antworten, und ich muß Ihnen sagen, ich habe keine einzige Gegenstimme bekommen. Angesichts der ganzen Probleme in der praktischen Abwicklung dessen, was nach 1945 enteignet worden ist und jetzt, wie Sie wissen, in anderer Weise sozusagen rückgeführt werden muß, wäre es sehr, sehr schwierig, das, was Sie wollen, in der Praxis durchzuführen. Ich möchte mir ersparen, darauf noch einmal einzugehen.
    Wir haben, was die rechtliche Seite der Abwicklung der offenen Vermögensfragen anbelangt, durch das Investitionsgesetz, das Vermögensgesetz und das Hemmnisbeseitigungsgesetz die Schranken, die da waren, so weit wie nur irgend möglich beseitigt. Es ist jetzt tatsächlich so, daß der bessere Investor Vorfahrt hat. Heute war wieder eine Besprechung beim Herrn Bundeskanzler mit den Ministerpräsidenten der neuen Länder und mit Vertretern der Wirtschaft. Da ist ausdrücklich bestätigt worden, daß die bisherigen Hemmnisse in der Praxis — ich hoffe es jedenfalls — beseitigt sind.
    Auf der organisatorischen Seite ist es so, daß Hard-und Software den 213 Landratsämtern und 34 kreisfreien Städten zur Abwicklung der offenen Vermögensfragen zur Verfügung stehen und daß außerdem die Teams des Bundeskartellamts, die Teams der Anwälte, die Teams des Städte- und Gemeindetags dort sind. Ich kann also nur sagen: Es kann nun wirklich von der technischen Seite her funktionieren. Auch die rechtlichen Voraussetzungen liegen vor. Nun muß in den neuen Ländern selber dafür gesorgt werden, daß die Dinge ins Laufen kommen.
    Was die Rehabilitierung anbelangt, Frau DäublerGmelin, habe ich im Bundestag mein Programm ausführlich vorgetragen. Ich weise nur noch einmal darauf hin, daß wir das Urteil des Bundesverfassungsgerichts abwarten mußten, so daß wir nicht vorher zu einer Lösung kommen konnten. Ich habe zugesagt und ich werde, soweit es nur irgendwie geht, versuchen, es auch einzuhalten — , daß wir im Bundesjustizministerium alles daran setzen werden — es muß, wie Sie wissen, daran viel, viel gearbeitet werden —, vor der Sommerpause den Gesetzentwurf einzubringen. Wir sind mit diesem Gesetzentwurf relativ weit. Ich habe — damit Sie sehen, daß ich auf derlei Vorschläge eingehe — sämtliche betroffene Verbände für die übernächste Woche zu mir nach Bonn eingeladen. Wir werden sie alle, auch die kleinsten Verbänden anhören, um zu erfahren, wo der Schuh drückt. Ich weiß sehr genau um die Probleme. Ich sichere Ihnen zu, daß ich mich gerade der Opfer in ganz besonderer Weise annehmen werde. Das habe ich den betroffenen Menschen versprochen. Ich versuche, das einzuhalten.

    (Beifall bei der CDU/CSU, der FDP, der SPD und dem Bündnis 90/GRÜNE)

    Ich brauche Ihnen nicht zu sagen, was das in der Praxis noch für Probleme bringen wird, übrigens auch finanzieller Art.

    (Dr. Hans de With [SPD]: Das ist richtig!) Ich bitte schon heute um Ihre Zustimmung.


    (Dr. Hans de With [SPD]: Die kriegen Sie!) Das wird nicht so ganz einfach werden.

    Bevor ich zur Regierungskriminalität komme, werde ich auf die Punkte eingehen, die Sie neben dem Aufbau des Rechtsstaates angesprochen haben, also Drogenkriminalität und organisierte Kriminalität. Sie werden den Medien entnommen haben, daß in der Koalition Gespräche stattgefunden haben.

    (Dr. Hans de With [SPD]: Schon oft genug, und passiert ist wirklich wenig!)

    Wir befinden uns in dieser Woche in der Endabstimmung des Entwurfs für die Bekämpfung der organisierten Kriminalität. Wir werden in allernächster Zeit den Entwurf zur Änderung der StPO einbringen. Ich bin absolut sicher, daß das so sein wird.
    Das Jugendstrafrecht — das muß ich in aller Offenheit sagen — wird ein wenig zurückstehen müssen. Ich habe nicht die Kapazität.
    Hilfe bei Überschuldung von Privatpersonen und die Insolvenzrechtsreform mit Restschuldbefreiung werden kommen. Das ist aber auch ein Kapazitätsproblem.
    Im Deutschen Bundestag habe ich klar gesagt, Frau Däubler-Gmelin, was ich beim Nichtehelichenrecht vorhabe. Dabei bleibt es, vor allem was die Kinder anbelangt.

    (Dr. Herta Däubler-Gmelin [SPD]: Wann?)

    Was die Manpower und die bessere Einteilung anbelangt, wünschte ich Ihnen im Augenblick, daß Sie den Einblick hätten, den ich habe, was die Belastung der Mitarbeiter im Bundesjustizministerium in den letzten Monaten anbelangt.

    (Dr. Herta Däubler-Gmelin [SPD]: Was ist mit der Außenstelle?)

    Ich kann in dem Zusammenhang nur sagen: alle Achtung auch vor der Arbeit der Außenstelle des Bundesjustizministeriums in Berlin. Sie können sie gerne besuchen und sich vor Ort ansehen, wie dort gearbeitet wird. Ich kann nur sagen: Ich bewundere die Arbeits-



    Bundesminister Dr. Klaus Kinkel
    bereitschaft und den Arbeitswillen meiner Mitarbeiter im Justizministerium in Bonn und in Berlin.

    (Beifall bei der CDU/CSU, der FDP, der SPD und dem Bündnis 90/GRÜNE)

    Was das Bundeszentrairegister anbelangt, Herr Abgeordneter von Schmude, teile ich Ihre Auffassung. Ich habe im Haushaltsausschuß ein Versprechen abgegeben. Mir ist die Geschichte unangenehm; das muß ich deutlich und klar sagen. Ich werde dafür sorgen, daß Abhilfe geschaffen wird. Es ist in der Tat unangemessen, wie es bisher behandelt worden ist. Es hat überhaupt keinen Sinn, das zu verschweigen. Ich sage das in aller Offenheit und Klarheit.
    Lassen Sie mich noch zu einer mehr grundsätzlichen Bemerkung kommen, die mir aber sehr am Herzen liegt. Wie kann 40 Jahre SED-Unrecht aufgearbeitet werden? Wo liegen die konkreten Probleme? Ich mache mir zunehmend Sorgen, weil ich das Gefühl habe, daß die Menschen in den neuen und in den alten Ländern zuviel von unserem Rechtssystem und vor allem von unserem Strafrecht erwarten. Es gibt eine Fülle von tatsächlichen Problemen, warum die Aufarbeitung speziell im Zusammenhang mit der Regierungskriminalität so wahnsinnig langsam und schwierig vor sich geht. Von den tatsächlichen Problemen will ich nur einige kurz anreißen.
    Erstens. Viele Täter sind alt und nicht zuletzt durch die friedliche Revolution, die sie bis heute nicht begriffen haben, verstört und verwirrt. Die SED war in ihren Spitzen vergreist.
    Zweitens. Die DDR war ein bürokratischer Staat, wie man ihn wohl kein zweites Mal finden wird. Alles, aber auch wirklich alles ist aufgeschrieben worden, Wichtiges und vor allem Unwichtiges. Sich in diesem Berg von Akten zurechtzufinden, ist wahnsinnig schwierig. Herr Schalck-Golodkowski hat 100 Firmen in fünf Ländern betrieben. Wir haben unsere Schwierigkeiten mit großen Wirtschaftsprozessen schon in den alten Bundesländern.

    (Zuruf von der SPD)

    — Es ist ein Wirtschaftsprozeß bei Herrn Schalck.
    Drittens. Der einzelne in der DDR war wenig, das Kollektiv alles. Auch das Polit-Büro der SED war ein solches Kollektiv. Dort hat sich jeder hinter jedem versteckt.
    Viertens. Die Handlungsketten sind bei der Regierungskriminalität nun mal besonders lang. Der Diebstahl einer Schallplatte im Kaufhaus, der Messerstich sind kurze, einfache und deshalb auch leicht zu beweisende Handlungen. Aber vom Schießbefehl im Polit-Büro über die verwickelten Instanzen von Partei und Nationaler Volksarmee bis hin zum tödlichen Schuß an der Grenze ist ein sehr weiter Weg. Soll der Anweisende für den Tod des Opfers verantwortlich gemacht werden, muß aber — das wissen Sie alle, die Sie hier sitzen — die Kausalität der Anweisung bewiesen werden. Nichts darf dazwischen sein: keine andere Kausalität, keine andere entscheidende Verantwortlichkeit, kein Exzeß eines der vielen Zwischenträger.
    Aber — das scheint mir mindestens genauso wichtig; erlauben Sie mir deshalb, daß ich kurz überziehe — zu diesen tatsächlichen Problemen tritt noch eine fundamentale Schwierigkeit hinzu: Wir müssen uns fragen, ob unser Strafrecht zur Bewältigung dieser Art Kriminalität überhaupt geeignet ist.

    (Beifall bei der FDP und dem Bündnis 90/ GRÜNE sowie bei Abgeordneten der CDU/ CSU)

    Im Strafrecht geht es immer um die individuelle Auflehnung gegen die bestehende Rechtsordnung. Diese Fälle mögen, wie bei den Massendelikten des täglichen Lebens, häufig sein. Es können sich auch mehrere zu einer Straftat verbinden, wie bei der Bande. Aber der Hintergrund, vor dem ein solches Verhalten erst auffällig wird, ist immer die Rechtstreue der Mehrheit zum bestehenden Recht. Recht setzt sich sozusagen selbst voraus. Erst wenn das Recht den Rahmen gibt, ist das Unrecht als aus dem Rahmen fallend konkretisierbar.
    In der DDR lagen die Dinge ganz anders: Ein ganzer Staat hatte sich in weiten Bereichen vom Recht abgekoppelt. In der DDR war die Abweichung vom Recht nicht der konkretisierbare Einzelfall, sondern vielfach die politisch gewünschte Normalität. Das ganze System ist vom Rechtsstaat in unserem System und Sinn abgewichen.
    Wir hatten in der Bundesrepublik und in der DDR völlig unterschiedliche Wertsysteme; das scheint mir mit der entscheidende Punkt zu sein: Das Recht als Maßstab für die Kennzeichnung des Unrechts hatte in der DDR eine Wertigkeit von minus Null, im Westen dagegen ist es einer der Grundpfeiler unseres Staates. Weil jeder — auch die politische Spitze — daran gebunden ist und sich daran gebunden fühlt, hat es mit den höchsten Stellenwert.
    Wir konnten Unrecht als Abweichung von der Norm definieren. Dies ist mit dem Geschehen in der ehemaligen DDR nicht möglich. Denn dieses System hatte sich dem Recht letztlich sozusagen nicht mehr unterworfen. Ich frage mich deshalb, ob es möglich ist, mit unserem Wert- und Rechtssystem die Ereignisse in der DDR zu erfassen und aufzuarbeiten. Unser Rechtssystem ist auf den Einzelfall zugeschnitten, nicht aber auf die Kriminalität eines Staates.

    (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Bündnisses 90/ GRÜNE)

    Wir versuchen, dieses Unrecht zu individualisieren, indem wir Honecker, Mielke, Mittag usw. verfolgen und anklagen. Ob wir damit jedoch das gesamte Unrecht erfassen können, bezweifle ich.
    Andererseits: Wir brauchen das Strafrecht. Es geht nicht ohne das Strafrecht. Wo den Regierenden individuelles Unrecht nachzuweisen ist, müssen und werden wir sie bestrafen.
    Die Bewältigung des Unrechtsstaates ist aber eine Aufgabe, die weit über das Strafrecht hinausreicht. Ich glaube, wir stehen vor einer großen historisch-politischen und auch gesellschaftlichen Aufgabe und vor einer ganz großen Herausforderung.
    In der Geschichte ist der Prozeß der Bewältigung von staatlichem Unrecht deshalb häufig mißlungen



    Bundesminister Dr. Klaus Kinkel
    oder gar nicht erst unternommen worden: Entweder gab es eine großzügige Amnestie, die alle strafrechtlichen Verantwortlichkeiten löschte — so in den meisten lateinamerikanischen Staaten nach dem Ende der Militärdiktaturen — , oder aber die Gesellschaft verdrängte die Problematik kollektiv und betrachtete sie, ohne daß darüber überhaupt gesprochen wurde, als nicht existent. Die dritte Möglichkeit — früher nicht selten — war, nach einer Revolution die Repräsentanten des alten Systems kollektiv an die Wand zu stellen.
    Alle diese Wege sind dem Rechtsstaat verschlossen: die Gewalt sowieso, das Verdrängen auch. Denn die Spätfolgen sind, wie wir beim nationalsozialistischen Unrecht gesehen haben, für die Gesellschaft verheerend. Eine großzügige Amnestie findet bei den Opfern keine Akzeptanz. Das kann ich verstehen, und das müssen wir verstehen. Ich persönlich habe zwar ursprünglich eine Amnestie für die Mitarbeiter der Hauptabteilung Aufklärung des Ministeriums für Staatssicherheit für richtig gehalten. Aber ohne eine allgemeine Akzeptanz bei den Menschen verliert die Amnestie ihre friedensstiftende Wirkung; also durfte sie nicht gemacht werden.
    Bleibt nur der Weg des Rechtsstaats. Wir wollen ihn gehen. Aber gerade weil er der schwerste ist, müssen wir vertieft über ihn nachdenken. Das will ich; das wollen wir tun. Ich habe schon angedeutet: Ich werde Anfang Juli ein Forum veranstalten, in dem wir in Ruhe darüber sprechen können. Dabeisein sollen nicht nur Strafrechtler, Staatsanwälte, Richter und Rechtsanwälte, nicht nur Politiker, Journalisten und Betroffene. Ich werde versuchen, auch Historiker und Philosophen einzuladen.
    Wir müssen nicht nur den Weg des Strafrechts gangbar machen. Wir müssen vor allem darüber nachdenken, wie wir die Opfer versöhnen und Rechtsfrieden schaffen. Entscheidend ist die Zukunft. Wir wollen die Vergangenheit möglichst schnell bewältigen, um für die Zukunft frei zu sein. Aber bei aller Anstrengung: Wir brauchen Zeit. Das sage ich in besonderer Weise an Sie gerichtet, Frau Däubler-Gmelin. Die Menschen, vor allem diejenigen in den neuen Bundesländern, haben ein großes Verlangen nach Gerechtigkeit. Ich weiß es.
    Da das Unrecht ein ganzes System erfaßt hat, ist seine Bewältigung für die Justiz eine riesige Aufgabe, die sie nur schwer und zum Teil wohl auch gar nicht zu erfüllen in der Lage ist. Unsere ganze Gesellschaft muß sich der Bewältigung des DDR-Unrechts stellen und sich dieser Frage bewußt werden. Deshalb: Wir müssen leider noch etwas Geduld haben, auch wenn es bitter ist.
    Ich bitte sehr um Entschuldigung für das lange Überziehen.

    (Beifall bei der FDP, der CDU/CSU und dem Bündnis 90/GRÜNE)



Rede von Helmuth Becker
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Meine Damen und Herren, zu einer Kurzintervention nach § 27 der Geschäftsordnung hat unser Kollege Hans de With das Wort.

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    Rede von Dr. Hans de With


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Minister, Sie wissen, daß sich die SPD niemals geweigert hat, Ihnen Mittel zuzuschanzen,

    (Dr. Wolfgang Bötsch [CDU/CSU]: „Zuschanzen"?)

    wenn es darum ging, den Aufbau der Justiz drüben zu unterstützen. Für uns kam das alles, was Sie an Anforderungen vorgebracht haben, ein wenig zu spät. Aber es gibt noch einige Dinge, die Sie nicht angesprochen haben und die angesprochen werden müssen.
    Hunderte von Richtern, Staatsanwälten und Rechtspflegern haben vor Wochen, ja Monaten Anträge gestellt und sich nach drüben gemeldet. Sie sind zum Teil noch heute ohne jeden Eingangsbescheid. Hier wäre es am Platze gewesen, daß Sie mit Hilfe Ihres Ministeriums einen Mann für zuständig erklärt hätten, der diese Unwägbarkeiten bekämpft und abstellt. Ich weiß, daß das nicht ganz einfach ist,

    (Detlef Kleinert [Hannover] [FDP]: Ländersache!)

    weil Sie sagen: Das ist im Kern Ländersache. Dennoch: Hier muß der Justizminister auch einmal Ärgernisse in Kauf nehmen und muß drücken. Ich bin sicher, der ganze Bundestag würde hinter ihm stehen.
    Ich nenne ein zweites Beispiel: Es gibt Leute, die sich nach drüben gemeldet haben und erst nach langem einen Bescheid mit dem Hinweis erhielten, sie könnten nicht übernommen werden, weil nicht klar sein, wer die Pensionslasten zu welchem Prozentsatz trage. Hier muß geklärt werden, daß der Bund in die Bresche springt. Es darf nicht am Kompetenzgerangel über die zukünftige Pension scheitern, daß junge Leute, die willig sind, drüben zu arbeiten, nicht hinüber können, weil die Pension nicht gesichert ist.
    Ein letztes. Wir mußten als Rechtsausschuß in Berlin mitanhören, daß im Verfolg des Ermittlungsverfahrens gegen Schalck-Golodkowski eine Wagenladung voller Akten beschlagnahmt worden war und daß nur zwei Staatsanwälte zur Verfügung stehen, diese Tonne von Material zu überprüfen. Wir haben dann einmütig beantragt, daß auch der Bundesminister der Justiz seinen Teil dazu geben möge, daß die Arbeitsgruppe „Regierungskriminalität" auf mindestens 50 Personen aufgestockt wird. Auch das hätten Sie eigentlich viel eher merken müssen.
    Dennoch sage ich: Es ist nicht nur die Aufgabe der Länder, sondern mit Sicherheit auch des Bundes, hier helfend und unterstützend einzugreifen. Es geht nicht nur um Einzelschicksale. Es geht in diesem Fall auch um eine Gesamtaufklärung, die den Rechtsfrieden wahren kann.
    Vielen Dank.