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ID1201601200

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 12/16 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 16. Sitzung Bonn, Freitag, den 15. März 1991 Inhalt: Tagesordnungspunkt 3: a) Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Beseitigung von Hemmnissen bei der Privatisierung von Unternehmen und zur Förderung von Investitionen (Drucksachen 12/103, 12/204, 12/216, 12/255) b) Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Spaltung der von der Treuhandanstalt verwalteten Unternehmen (Drucksachen 12/105, 12/205, 12/214, 12/254) Herbert Helmrich CDU/CSU 1001 C Dr. Herta Däubler-Gmelin SPD 1004 D Herbert Helmrich CDU/CSU 1007 A Sabine Leutheusser-Schnarrenberger FDP 1008 B Dr. Wolfgang Ullmann Bündnis 90/GRÜNE 1010 C Dr. Uwe-Jens Heuer PDS/Linke Liste . . 1012A Jürgen W. Möllemann, Bundesminister BMWi 1013D Hans-Joachim Hacker SPD 1014 B Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten CDU/ CSU 1015 C Dr. Jürgen Schmude SPD 1015D Dr. Hans de With SPD 1017 B Dr. Uwe-Jens Heuer PDS/Linke Liste . 1017D Otto Schily SPD 1018C Dr. Klaus Kinkel, Bundesminister BMJ . 1020 B Dr. Gerhard Riege PDS/Linke Liste (Erklärung nach § 32 GO) 1024 C Tagesordnungspunkt 8: a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 9. November 1990 über gute Nachbarschaft, Partnerschaft und Zusammenarbeit zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken (Drucksache 12/199) b) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 9. November 1990 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken über die Entwicklung einer umfassenden Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Wirtschaft, Industrie, Wissenschaft und Technik (Drucksache 12/198) Hans-Dietrich Genscher, Bundesminister AA 1025 B Gernot Erler SPD 1027 B Karl Lamers CDU/CSU 1030 C Dr. Hans Modrow PDS/Linke Liste . . . 1031 D Arno Schmidt (Dresden) FDP 1032 D Vera Wollenberger Bündnis 90/GRÜNE 1034 B Peter Kittelmann CDU/CSU 1035 C Otto Schily SPD 1036D Nächste Sitzung 1037 C Berichtigung 1037 Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 1038* A Anlage 2 Amtliche Mitteilung 1038* D Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 16. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. März 1991 1001 16. Sitzung Bonn, den 15. März 1991 Beginn: 9.00 Uhr
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    Berichtigung 15. Sitzung, Seite II, linke Spalte: Bei Tagesordnungspunkt 4 ist bei dem Namen „Hans-Joachim Fuchtel" statt „FDP" zu lesen: „CDU/CSU". Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Adam-Schwaetzer, Irmgard FDP 15. 03. 91 Andres, Gerd SPD 15. 03. 91 Augustin, Anneliese CDU/CSU 15. 03. 91 Bartsch, Holger SPD 15. 03. 91 Berger, Johann Anton SPD 15. 03. 91 Brandt, Willy SPD 15. 03. 91 Dr. Brecht, Eberhard SPD 15. 03. 91 Bühler (Bruchsal), Klaus CDU/CSU 15. 03. 91* Conradi, Peter SPD 15. 03. 91 Dempwolf, Gertrud CDU/CSU 15. 03. 91 Duve, Freimut SPD 15. 03. 91 Eimer (Fürth), Norbert FDP 15. 03. 91 Eylmann, Horst CDU/CSU 15. 03. 91 Dr. Fell, Karl H. CDU/CSU 15. 03. 91 Ferner, Elke SPD 15. 03. 91 Fischer (Unna), Leni CDU/CSU 15. 03. 91* Francke (Hamburg), Klaus CDU/CSU 15. 03. 91 Fuchs (Köln), Anke SPD 15. 03. 91 Funke, Rainer FDP 15. 03. 91 Gansel, Norbert SPD 15. 03. 91 Gattermann, Hans H. FDP 15. 03. 91 Dr. Gautier, Fritz SPD 15. 03. 91 Dr. von Geldern, Wolfgang CDU/CSU 15. 03. 91 Graf, Günter SPD 15. 03. 91 Gröbl, Wolfgang CDU/CSU 15. 03. 91 Grünbeck, Josef FDP 15. 03. 91 Dr. Hauchler, Ingomar SPD 15. 03. 91 Hauser (Esslingen), Otto CDU/CSU 15. 03. 91 Dr. Haussmann, Helmut FDP 15. 03. 91 Dr. Hellwig, Renate CDU/CSU 15. 03. 91 Dr. Hennig, Ottfried CDU/CSU 15. 03. 91 Jeltsch, Karin CDU/CSU 15. 03. 91 Junghanns, Ulrich CDU/CSU 15. 03. 91 Kastner, Susanne SPD 15. 03. 91 Kleinert (Hannover), Detlef FDP 15. 03. 91 Kolbe, Manfred CDU/CSU 15. 03. 91 Koschyk, Hartmut CDU/CSU 15. 03. 91 Kossendey, Thomas CDU/CSU 15. 03. 91 Kraus, Rudolf CDU/CSU 15. 03. 91 Kubicki, Wolfgang FDP 15. 03. 91 Dr. Küster, Uwe SPD 15. 03. 91 Lange, Brigitte SPD 15. 03. 91 Leidinger, Robert SPD 15. 03. 91 Lenzer, Christian CDU/CSU 15. 03. 91* Lintner, Eduard CDU/CSU 15. 03. 91 Marten, Günter CDU/CSU 15. 03. 91 Meckel, Markus SPD 15. 03. 91 Dr. Mertens (Bottrop), Franz-Josef SPD 15. 03. 91 Michels, Meinolf CDU/CSU 15. 03. 91 Dr. Müller, Günther CDU/CSU 15. 03. 91* Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Müller (Schweinfurt), Rudolf SPD 15. 03. 91 Müntefering, Franz SPD 15. 03. 91 Oostergetelo, Jan SPD 15. 03. 91 Otto (Erfurt), Norbert CDU/CSU 15. 03. 91 Paintner, Johann FDP 15. 03. 91 Dr. Pflüger, Friedbert CDU/CSU 15. 03. 91 Poß, Joachim SPD 15. 03. 91 Dr. Reinartz, Bertold CDU/CSU 15. 03. 91 Reschke, Otto SPD 15. 03. 91 Reuschenbach, Peter W. SPD 15. 03. 91 Roth, Wolfgang SPD 15. 03. 91 Rühe, Volker CDU/CSU 15. 03. 91 Schätzle, Ortrun CDU/CSU 15. 03. 91 Dr. Schäuble, Wolfgang CDU/CSU 15. 03. 91 Schaich-Walch, Gudrun SPD 15. 03. 91 Schenk, Christa Bündnis 90/ 15. 03. 91 GRÜNE Schmidt (Spiesen), Trudi CDU/CSU 15. 03. 91 Dr. Schneider (Nürnberg), Oscar CDU/CSU 15. 03. 91 Dr. Schöfberger, Rudolf SPD 15. 03. 91 Dr. Soell, Hartmut SPD 15. 03. 91* Dr. Thalheim, Gerald SPD 15. 03. 91 Dr. Töpfer, Klaus CDU/CSU 15. 03. 91 Vergin, Siegfried SPD 15. 03. 91 Voigt (Frankfurt), Karsten D. SPD 15. 03. 91 Dr. Vondran, Ruprecht CDU/CSU 15. 03. 91 Vosen, Josef SPD 15. 03. 91 Graf von Waldburg-Zeil, Alois CDU/CSU 15. 03. 91 Weiß (Berlin), Konrad Bündnis 90/ GRÜNE 15. 03. 91 Werner (Ulm), Herbert CDU/CSU 15. 03. 91 Wettig-Danielmeier, Inge SPD 15. 03. 91 Dr. Wieczorek (Auerbach), Bertram CDU/CSU 15. 03. 91 Wieczorek-Zeul, SPD 15.03.91 Heidemarie Wissmann, Matthias CDU/CSU 15. 03. 91 Zierer, Benno CDU/CSU 15. 03. 91 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage 2 Amtliche Mitteilung Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen bzw. von einer Beratung abgesehen hat: Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Drucksache 12/152 Nr. 32, 38, 46 Ausschuß für Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung Drucksache 12/210 Nr. 177
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Wolfgang Ullmann


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!
    Gemeineigentum ist Eigentum des Volkes. Die Verfügung über dieses Eigentum und seine Verwaltung soll nach näherer gesetzlicher Bestimmung solchen Rechtsträgern zustehen, welche die Gewähr dafür bieten, daß das Eigentum ausschließlich zum Wohle des ganzen Volkes dient und Machtzusammenballungen vermieden werden.
    So steht es als Art. 40 in der Verfassung des Landes Hessen vom 1. Dezember 1946.
    Was hier über Verwaltung des Volkseigentums, über die Zuständigkeit zum Verfügen über dasselbe gesagt ist, genau das sind die Gründe, die die Bürgerbewegung „Demokratie Jetzt" bewogen, dem Zentralen Runden Tisch am 12. Februar 1990 vorzuschlagen, für das volkseigene Vermögen der sichtlich ihrem Ende entgegengehenden DDR eine Treuhandverwaltung vorzusehen, die dieses Eigentum nicht herrenlos werden ließ, vielmehr auf der Ebene der neu zu errichtenden fünf Länder Bürger und Bürgerinnen dieser Länder als die gewissermaßen Erbberechtigten einsetzte. Denn schließlich war dieses ungeheure Vermögen dadurch zustande gekommen, daß die Arbeit dieser Bürger und Bürgerinnen jahrzehntelang unterbezahlt worden war, ihre Renten weit unter dem Durchschnitt des europäischen Lebensniveaus gelegen hatten und der Staat über sein Bankmonopol dieses Vermögen nach seinen Interessen hatte einsetzen und verwerten können.
    Noch höre ich, wie der Außenhandelsminister Beil in einer Ministerratssitzung sagte, man solle nicht so viel von Volkseigentum sprechen; in Wahrheit handle es sich um Staatseigentum. Deutlicher konnte er nicht sagen, was in der DDR stattgefunden hatte: die Ent-
    Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 1'). Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. März 1991 1011
    Dr. Wolfgang Ullmann
    eignung des Volkes durch den Staat, eine Enteignung, die das ungeheure Ausmaß der Verschuldung dieses Staates gegenüber seinen Bürgern und Bürgerinnen verschleiern und außer Kraft setzen sollte.
    Es war der gleiche Ministerrat, in dem jener Satz gefallen war, der dann auf die Initiative des Runden Tisches das erste Treuhandgesetz vom 1. März 1990 verabschiedete, ein Gesetz, das weit hinter den Zielsetzungen von „Demokratie Jetzt" zurückblieb. Es ordnete an, die VEB-Betriebe in Aktiengesellschaften umzubilden, so daß der größere Teil des volkseigenen Vermögens durch Umwandlung in von der Treuhand zu haltende Aktien treuhänderisch verwaltet wurde.
    Die Eigentumsfrage wurde dabei ebenso umgangen wie im jetzt noch gültigen Treuhandgesetz der Volkskammer vom 17. Juni 1990. Auch dieses Gesetz beschränkte die Zuordnung zu den schon damals absehbaren und in Entstehung begriffenen Ländern auf eine bloße Willenserklärung und schrieb vor, das volkseigene Vermögen durch Errichtung von Treuhandaktiengesellschaften zu privatisieren, deren Aktien durch Anbietung auf dem Markt zu verwerten seien.
    Wie man mittlerweile weiß, ist das ein ganz und gar undurchführbares Programm. Wer will schon Aktien erwerben, deren Wert ein undurchdringliches Geheimnis ist! So wird denn der Art. 8 mit jenem kleinen Änderungssatz zu Art. 7 Abs. 1 des Treuhandgesetzes, der die Vorschrift betreffend die Errichtung von Treuhandaktiengesellschaften durch Umwandlung in eine Kann-Bestimmung unwirksam macht, der rechtlich entscheidende Akt in dem ganzen Gesetzespaket, das uns jetzt vorliegt.
    Was die zahlreichen anderen Regelungen zum Zweck der Investitionserleichterungen anbelangt, so wird man ihre Zielsetzung begrüßen, ihre Inkraftsetzung tolerieren und die Hoffnung hegen können, daß sich die unendliche Mühsal im Rechtsausschuß doch in einigen Fällen gelohnt hat — dies alles aber mit dem beklommenen Gefühl, daß die angestrebten Verfahrenserleichterungen nicht eintreten werden, weil die zentrale Frage, die Eigentumsfrage, nach wie vor nicht gelöst ist.
    Die Treuhandanstalt selbst ist das enormste aller Eigentumsprobleme. Das liegt nicht an Herrn Rohwedder und seinen unermüdlichen Mitarbeitern, sondern an der gänzlich unzulänglichen Rechtsgrundlage, auf der sie zu arbeiten gezwungen sind.

    (Beifall beim Bündnis 90/GRÜNE und bei der SPD)

    Daher erkläre ich als Vertreter der Bürgerbewegungen: Die Initiative des Runden Tisches hatte nicht den Sinn, die zentralistische Verwaltungsstruktur der DDR zu konsolidieren und damit den Strukturwandel zur Kommunalautonomie und zur Länderwiedererrichtung zu blockieren. Denn allein in Gestalt der Treuhandverwaltung existiert noch der 15-BezirkeZentralismus der ehemaligen DDR. Er existiert um so hartnäckiger weiter, als er mittels Art. 21 und 22 des Einigungsvertrages sogar Verfassungsbestandteil des Bundes geworden ist, der damit statt der wiedererrichteten Länder in die Rechtsnachfolge der ehemaligen DDR eingetreten ist.
    Kein Wunder, daß Kommunalautonomie und Ländererrichtung paralysiert werden, solange der alte DDR-Zentralismus in Gestalt der Treuhandstruktur fortgeschrieben wird. Das ist nirgendwo deutlicher zutage getreten als in dem Rechtsstreit zwischen den Kommunen und der Treuhand über die Dezentralisierung der Energiewirtschaft. Unter Berufung auf Art. 21 und 22 des Einigungsvertrages sowie auf den das Kommunalvermögensgesetz in seiner Wirkung begrenzenden Anhang schlägt die Treuhand den Kommunen allen Ernstes vor — Zitat aus einem von Frau Breuel unterschriebenen Brief — : „Soweit Städten und Gemeinden Restitutionsansprüche zustehen, sind diese nach der Arbeitsanleitung der Bundesregierung in Geld zu entschädigen, wenn die Restitutionsansprüche zu einer höheren Beteiligung als 49 führen würden. "
    Haben die Bürgermeister der ostdeutschen Großstädte nicht recht, wenn sie diese seltsamen Entschädigungsvorschläge ablehnen und Gleichstellung mit den westdeutschen Kommunen sowie Rückübertragung der örtlichen Energieversorgungsnetze und der dazugehörigen Anlagen verlangen?

    (Beifall beim Bündnis 90/GRÜNE und bei der SPD)

    Aber in dieser Debatte gilt es auch, der zentralen Frage, der des Eigentums, den ihr gebührenden Stellenwert einzuräumen. Das Treuhandkonzept war ein Programm der Rückübertragung des Volkseigentums an die enteigneten Bürgerinnen und Bürger. Soll dieses Programm in irgendeiner Form ernst genommen werden, dann ergeben sich die folgenden Forderungen: Die Frage nach dem Eigentum und damit nach der Verfügungsgewalt über das Treuhandvermögen ist so zu beantworten, daß die Länder auf dem Boden der ehemaligen DDR die Rechtsnachfolger des ehemaligen DDR-Vermögens und darum auch die Verfügungsberechtigten sind. Entgegenstehende Regelungen des Einigungsvertrages sind außer Kraft zu setzen.
    Vermögensanteile von Ländern und Kommunen sind festzustellen und den berechtigten Trägern zuzuführen.
    Für die im ersten Staatsvertrag, im Treuhandgesetz und in Art. 25 des Einigungsvertrags vorgesehenen Bürger- und Bürgerinnenanteile ist angesichts der eingetretenen Rechts- und Eigentumsunsicherheit ein Fonds im Treuhandvermögen auszusondern, aus dem diese Anteile zu einem späteren Zeitpunkt zu bedienen sind.
    Allein so kann sich ein Weg eröffnen, den investitionsblockierenden Prinzipienstreit um Rückgabe oder Entschädigung zu beenden. Und er muß schleunigst beendet werden.
    Ist die Eigentums- und Rechtsnachfolgefrage geklärt, dann kann zwischen Rückgabe und Entschädigung jeweils so unterschieden werden, daß beides möglich wird, wo es im gegebenen Fall angemessen und nötig ist. Auf diese Weise wird geschehenes Unrecht korrigiert, Eigentum wieder auf klare Rechtsgrundlagen gestellt und die freie Selbstorganisation der Marktwirtschaft überhaupt erst möglich.



    Dr. Wolfgang Ullmann
    Um es zu wiederholen: Das Treuhandkonzept war ein Rückgabekonzept, ein Konzept der Rückgabe aus den Deformationen des bürokratischen Zentralismus in die freie Verfügung von Bürgern und Bürgerinnen freier Kommunen und Länder.

    (Beifall beim Bündnis 90/GRÜNE sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der PDS/Linke Liste)



Rede von Dr. Rita Süssmuth
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Abgeordnete Herr Professor Heuer.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Uwe-Jens Heuer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (PDS)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (PDS)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Einen Tag vor Annahme der Privatisierungsgesetze stellt sich plötzlich heraus, wie wir gestern abend hören konnten, daß die ungesteuerte Privatisierung nicht die Lösung der Wirtschaftskrise der ehemaligen DDR ist. Offensichtlich bildet die bisherige Verhaltensweise der Treuhand ein Kernproblem. Ich will nicht das Wort von der Steuerlüge durch das Wort von der Treuhandlüge ersetzen. Aber es ist für mich als Vertreter einer Oppositionspartei — offenbar sieht Herr Ullmann die Dinge ähnlich — schon erschütternd, mit welcher Selbstherrlichkeit der Kurs der ungesteuerten Privatisierung durch die Herrn Minister Waigel zugeordnete Treuhandanstalt fortgesetzt wurde und wie durch einen ablenkenden Schaukampf zwischen Koalition und SPD und innerhalb der Koalition die tieferliegenden Probleme verdeckt wurden.
    Ich sehe drei Varianten des Umgangs mit dem industriellen Staatseigentum der DDR, das jetzt der BRD zugefallen ist und von der Treuhand verwaltet wird: erstens Bevorzugung der Übertragung auf Investoren — im Ergebnis vorwiegend aus der ehemaligen BRD —, zweitens bevorzugte Übergabe an frühere Eigentümer, drittens wirkliche Verbindung von Sanierung und Privatisierung.
    Die Diskussion hier im Hause und in der Öffentlichkeit, vornehmlich seit dem 21. Februar, war beherrscht von der Auseinandersetzung zwischen den beiden ersten Varianten. Die Befürworter der ersten Variante betonten vor allem die Notwendigkeit, Gebäude und Maschinen, Anlagen und Grund und Boden möglichst rasch an potente und investitionsfreudige Bewerber zu übertragen. Das ist, wenn man so will, eine moderne kapitalistische Variante.
    Die Befürworter der zweiten Variante betonen demgegenüber die Verteidigung des Privateigentums und die Notwendigkeit, wenn nicht den Zustand von 1945, so doch wenigstens den Zustand von 1949 wiederherzustellen.
    Hier ging es offenbar neben der Vertretung der mittelständischen Interessen vor allem darum, die prinzipielle Unantastbarkeit des Privateigentums zu sanktionieren und den Weg des gemeinschaftlichen Eigentums nicht nur in der offenbar gescheiterten Variante des bisherigen Sozialismus, sondern generell zu einem Irrweg der Geschichte zu erklären.
    Die Auseinandersetzung hat nun ein rasches Ende gefunden. Am 11. März konnten wir von dem großen Kompromiß lesen, der in dem vorliegenden Gesetzentwurf seinen Ausdruck gefunden hat. Dieser Kompromiß wird jetzt innerhalb von drei Tagen vom Parlament beschlossen. In der Anhörung ist von zahlreichen Teilnehmern dargelegt worden, daß dieses Gesetz außerordentlich schwer lesbar sei. Der Kompromiß — der Grundsatz bleibt, die Abweichungen werden zur Überzahl — macht das Gesetz mit Notwendigkeit zu einem kaum noch zu übersehenden System von einander korrigierenden Vorschriften. Der Willkür werden Tür und Tor geöffnet, viele Folgen sind absolut nicht absehbar.
    Das Hauptproblem liegt aber nach meiner Ansicht woanders. Der große Streit wird jetzt nachträglich in den Zeitungen vielfach als unsinnig, als Schaukampf, als Spiegelfechterei bezeichnet. Der Bundesjustizminister betonte in der Sitzung des Rechtsausschusses am 12. März meines Erachtens zu Recht, daß es erheblich wesentlichere Investitionshemmnisse gibt als die Regelung offener Vermögensfragen. Auf die Rolle der Verwaltung und der Grundbücher wurde auch heute wieder mit Recht hingewiesen.
    Aber es muß doch stutzig machen, daß bestimmte Gruppen von Investoren kommen, etwa der Handel, der in kürzester Frist den Markt an sich gerissen hat. Gleiches gilt für Zeitschriften, Bücher usw. Die Industrie hat besondere Gründe. Offenbar ist es für viele nützlicher, einen Absatzmarkt zu haben, als zu investieren.
    Ich las in der „Frankfurter Rundschau" vom 12. März:
    Das überraschende, harte Aus für die WartburgProduktion, so mutmaßten viele, solle dem Schutz von Opel dienen.
    Es grassiere der Verdacht, daß AWE schneller sterben müsse für die Westfirmen.
    H. W. Manegold beschreibt den für ihn „ganz klaren Zusammenhang" so:
    Wer jetzt einen Wartburg kauft, der kauft in drei Jahren keinen Opel Corsa und auch keinen VW Golf.
    Auch dieses Zitat stammt aus der „Frankfurter Rundschau".
    Daß Opel so denkt, ist normal. Aber warum hat die Treuhand nicht in Eisenach geholfen? Warum gab sie der Flughafen GmbH Schönefeld keine Investkredite, trotz der idealen Bedingungen des Flughafens? Warum wird Interflug totgehandelt, wurde ihr sogar die kommerzielle Tätigkeit auf der Tourismusmesse untersagt und dieses Verbot erst auf energischen Protest hin aufgehoben?
    Die Ursache liegt einfach darin, daß die Treuhand, wie ihr Chef zu versichern nicht müde wird, privatwirtschaftlich denkt. Herr Rohwedder erklärte noch am 7. März in der ARD:
    Wir verlieren uns nicht in der Wirtschaftspolitik, in der Strukturpolitik, in der Arbeitsmarktpolitik.
    Es drängt sich die Frage nach einem Zusammenspiel von westdeutschen Unternehmen und der Treuhand auf.
    Die Braut
    — so schreibt „Die Welt" vom 13. März —



    Dr. Uwe-Jens Heuer
    die zum Verkauf ansteht, braucht nicht schön gemacht zu werden.
    Es geht um Ostbräute für 1 DM. Die Beschäftigten werden entlassen, die Maschinen verkauft; für die Gebäude bleibt die Abrißbirne; der Käufer erhält Grund und Boden, das einzige, was viele an der ehemaligen DDR noch interessiert.
    Es ist richtig, daß nur eine Minderheit der Unternehmen Ostdeuschlands heute der kapitalistischen Marktwirtschaft und der unmittelbaren Konfrontation mit dem Weltmarkt gewachsen ist. Allen anderen Neuzugängen zur EG wurde eine mehrjährige Übergangsfrist gewährt.
    Neben den Weg der Privatisierung muß nach unserer Auffassung gleichzeitig die Bereitschaft zur Sanierung treten. Das ist übrigens, wie jetzt entdeckt wird, auch im Treuhandgesetz so geregelt.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Wollen Sie Ihre Partei in die Sanierung mit einschließen?)

    Tatsächlich war aber bis heute eine solche mittelfristige Sanierung in keiner Weise die Absicht der Treuhandverwaltung. Der Präsident der Treuhandanstalt schrieb Ende vorigen Jahres an alle Unternehmen:
    Bei der Treuhandanstalt gehen jetzt in verstärktem Maße Sanierungskonzepte ein. Diese vermögen deshalb selten zu befriedigen, weil der im Treuhandgesetz verankerte Vorrang für die Privatisierung in diesen Konzepten in den meisten Fällen fehlt. Die Treuhandanstalt sieht sich nicht in der Lage, Sanierungskonzepte zu akzeptieren, die dem Grundsatz des Gesetzes, Unternehmen so rasch und so weit wie möglich zu privatisieren, nicht Rechnung tragen.
    Zum Schluß heißt es:
    Jedes Unternehmen soll einen unternehmerisch aktiven Eigentümer finden, ausnahmslos und ohne schuldhaftes Zögern.
    Ein früherer Kollege von mir, Harry Maier, jetzt in Flensburg, hat meines Erachtens sehr überzeugend gezeigt, daß zur Strukturanpassung immer die Kombination vorhandener Arbeitsplätze mit neuen Arbeitsplätzen nötig ist. Mit ordoliberalen Prinzipien ist dieser Übergang bei Erhaltung des Industriestandortes Ostdeutschland nicht zu schaffen.
    Wer aber treibt bis jetzt Wirtschaftspolitik für Ostdeutschland? Die Treuhandanstalt offensichtlich nicht. Sie tritt als Hermaphrodit auf

    (Wiefelspütz [SPD]: Was ist denn das?)

    — Zwitter, mein Herr — , als öffentlich-rechtliche Anstalt, als Staat, wenn sie verkauft, und als Finanzholding im Gesellschaftsverbund mit ihren Unternehmen, wenn sie sich weigert, Weisungen zu erteilen und wirtschaftspolitische Verantwortung zu tragen. Auch der Finanzminister und der Wirtschaftsminister betreiben bis jetzt keine Wirtschaftspolitik für Ostdeutschland. Die Länder wollen es zum Teil, haben aber kaum Einfluß.
    Wir wollen deshalb in mehreren Anträgen, die dem Hause vorliegen, auf zwei grundsätzliche Änderungen hinwirken: zum einen auf die Verstärkung der Einflußmöglichkeiten der

    (Zuruf von der CDU/CSU: PDS!)

    Vertreter der Arbeitnehmer und zum anderen auf die stärkere Berücksichtigung der regionalen Wirtschaftsstruktur und die Erhaltung von Arbeitsplätzen.
    Wir meinen darüber hinaus, daß die Regierung beauftragt werden sollte, bis zum 15. April ein Treuhandgesetz vorzulegen, das Privatisierung und Sanierung im Auftrag miteinander verbindet, staatliche und öffentliche Kontrolle verstärkt, eine gut überlegte Regionalisierung einleitet und die Beseitigung der Altschulden ermöglicht.

    (Zurufe von der CDU/CSU: Und zentralistische Normen wieder einführt! — Ihr habt doch eure Chance gehabt!)

    Wir halten es für einen absurden Zustand, daß einerseits die öffentlich-rechtlichen Körperschaften und die Treuhand berechtigt werden, so schnell wie möglich Boden zu verkaufen, um neuen Betrieben die Ansiedlung zu ermöglichen, und daß andererseits die bestehenden Betriebe liquidiert und die Beschäftigten in die Arbeitslosigkeit geschickt werden.

    (Zuruf von der FDP: Noch absurder ist, daß gerade Sie diese Vorschläge machen!)

    Ich kann mir im Gegensatz zum Bundesfinanzminister nicht vorstellen, daß auf der Grundlage desselben Gesetzes jetzt eine völlig entgegengesetzte Politik verfolgt werden kann und vielleicht in 14 Tagen eine dritte.
    Das Kapital ist unzweifelhaft ein guter Rechner; es ist aber nicht der Sitz der Vernunft. Ich hoffe, daß wirtschaftliche Vernunft durch Entscheidungen des Staates, durch den Druck der Öffentlichkeit und nicht zuletzt durch Entscheidungen dieses Hauses wirksam wird.
    Meine Damen und Herren vor allem von der Koalition, unsere Anträge wurden im Rechtsausschuß mit großer Mehrheit abgelehnt. Jetzt stellt sich heraus, daß wir, jedenfalls teilweise, die Ghostwriter des Bundeskanzlers und der Länderchefs waren. Bevor Sie nun das Abstimmungsverhalten wiederholen, überprüfen Sie, ob Sie damit nicht gegen die gestern vereinbarten Grundsätze des Bundeskanzlers und der Länderchefs verstoßen.
    Ich danke für die Aufmerksamkeit.

    (Beifall bei der PDS/Linke Liste — Zuruf von der CDU/CSU: Lassen Sie sich ebenfalls nach Moskau ausfliegen, Herr Kollege!)