Rede:
ID1200616800

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Metadaten
  • insert_drive_fileAus Protokoll: 12006

  • date_rangeDatum: 31. Januar 1991

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    Plenarprotokoll 12/6 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 6. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 31. Januar 1991 Inhalt: Erweiterung und Abwicklung der Tagesordnung 95 A Rücknahme eines in der 5. Sitzung erteilten Ordnungsrufs 95 B Tagesordnungspunkt 1: Aussprache zur Erklärung der Bundesregierung Dr. Vogel SPD 95 B Dr. Dregger CDU/CSU 107 B Dr. Schmude SPD 112C Dr. Solms FDP 113 B Conradi SPD 116D Dr. Modrow PDS/Linke Liste 118B Schulz (Berlin) Bündnis 90/GRÜNE . . . 121D Dr. Waigel, Bundesminister BMF . . . . 124 C Dr. Graf Lambsdorff FDP . . . . 126B, 168C Frau Matthäus-Maier SPD . . . . 129D, 154B Dr. Faltlhauser CDU/CSU 133B, C Genscher, Bundesminister AA 136B Gansel SPD 139C, 162C Dr. Graf Lambsdorff FDP 169A, 174B Dr. Biedenkopf, Ministerpräsident des Landes Sachsen 145 B Kühbacher, Minister des Landes Brandenburg 148B, 171C Schmitz (Baesweiler) CDU/CSU . . . 150D Dr. Kohl, Bundeskanzler 152 C Dr. Krause (Börgerende) CDU/CSU 154A, 174B Möllemann, Bundesminister BMWi . . . 154 C Dr. Jens SPD 156C Gansel SPD 157B Rühe CDU/CSU 158D Genscher FDP 163A Möllemann FDP 163B, 166D Frau Lederer PDS/Linke Liste 163 C Roth SPD 165C, 169B Dr. Krause, Bundesminister BMV . . . 169B Dr. Ullmann Bündnis 90/GRÜNE . 172A, 177A Glos CDU/CSU 174C, 177B Walther SPD 176A, 180D Roth SPD 176D Dr. Briefs PDS/Linke Liste 177 C Dr. Weng (Gerlingen) FDP 178D Nitsch CDU/CSU 181 B Dr. Seifert PDS/Linke Liste 183 C Schäfer (Offenburg) SPD 184B Gibtner CDU/CSU 187B Baum FDP 188D Frau Braband PDS/Linke Liste 190D Dr. Töpfer, Bundesminister BMU . . . 191B Schäfer (Offenburg) SPD 193A Dr. Feige Bündnis 90/GRÜNE 193D Dr. Blüm, Bundesminister BMA 195C Dreßler SPD 198B II Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 6. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 31. Januar 1991 Cronenberg (Arnsberg) FDP 204 B Dreßler SPD 204C, 209A, 220C Dr. Schumann (Kroppenstedt) PDS/Linke Liste 206 C Frau Rönsch, Bundesminister BMFS . . 207 B Dr. Ullmann Bündnis 90/GRÜNE . . . 208A, B Frau von Renesse SPD 208B, C Schwarz CDU/CSU 209 D Frau Schenk Bündnis 90/GRÜNE . . . 210C Frau Dr. Merkel CDU/CSU 212 C Frau Dr. Höll PDS/Linke Liste 213A Frau Bläss PDS/Linke Liste 213A Frau Becker-Inglau SPD 214B Frau Dr. Adam-Schwaetzer, Bundesminister BMBau 217B Reschke SPD 218B Conradi SPD 219A Scharrenbroich CDU/CSU 219D Dr. Ortleb, Bundesminister BMBW . . . 222D Kuhlwein SPD 223 C Nächste Sitzung 224 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 225* A Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 6. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 31. Januar 1991 95 6. Sitzung Bonn, den 31. Januar 1991 Beginn: 9.01 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Antretter SPD 31. 01. 91 * Bindig SPD 31. 01. 91 * Frau Blunck SPD 31. 01. 91 * Böhm (Melsungen) CDU/CSU 31. 01. 91 * Frau Brudlewsky CDU/CSU 31. 01. 91 Bühler (Bruchsal) CDU/CSU 31. 01. 91 * Buwitt CDU/CSU 31.01.91 Erler SPD 31.01.91 Frau Eymer CDU/CSU 31. 01. 91 Dr. Feldmann FDP 31. 01. 91 * Frau Fischer (Unna) CDU/CSU 31. 01. 91 * Francke (Hamburg) CDU/CSU 31. 01. 91 Gattermann FDP 31.01.91 Dr. Gysi PDS 31. 01. 91 Frau Dr. Hellwig CDU/CSU 31. 01. 91 Dr. Holtz SPD 31. 01. 91 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Kittelmann CDU/CSU 31. 01. 91 * Klinkert CDU/CSU 31.01.91 Dr. Köhler (Wolfsburg) CDU/CSU 31. 01. 91 Matschie SPD 31.01.91 Dr. Müller CDU/CSU 31. 01. 91 * Dr. Neuling CDU/CSU 31. 01. 91 Pfuhl SPD 31.01.91 Reddemann CDU/CSU 31. 01. 91 * Repnik CDU/CSU 31.01.91 Dr. Schäuble CDU/CSU 31. 01. 91 Dr. Scheer SPD 31. 01. 91 * Schmidbauer CDU/CSU 31.01.91 von Schmude CDU/CSU 31. 01. 91 * Frau Simm SPD 31. 01. 91 Dr. Soell SPD 31. 01. 91 * Dr. Sperling SPD 31. 01. 91 Spilker CDU/CSU 31.01.91 Steiner SPD 31. 01. 91 * Frau Wieczorek-Zeul SPD 31. 01. 91 Frau Wollenberger Bündnis 31. 01. 91 90/GRÜNE Wonneberger CDU/CSU 31.01.91 Zierer CDU/CSU 31. 01. 91 *
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Johannes Nitsch


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die zügige Angleichung der Lebensverhältnisse in den neuen Bundesländern ist das erklärte Ziel der Bundesregierung. Die umfassende Herstellung vergleichbarer Gegebenheiten in den wirtschaftlichen Tätigkeiten in den neuen Bundesländern ist dafür die unerläßliche Voraussetzung. Soll diese Herausforderung erfolgreich bewältigt werden, so ist sie als eine Aufgabe anzusehen, bei der ein Höchstmaß an Gemeinsamkeit vieler in unserem Staat unerläßlich ist.
    Zunächst möchte ich jedoch all denjenigen herzlich danken, die in den vergangenen Monaten darum bemüht waren, das wirtschaftliche Leben in den neuen Bundesländern nach dem bedingungslosen Bankrott der sozialistischen Kommandowirtschaft aufrechtzuerhalten und unter marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten neu zu ordnen, und das unter Arbeits- und Lebensbedingungen, die von den hier üblichen erheblich abweichen.
    Von Anfang an waren wir uns der Last der sozialistischen Hinterlassenschaft bewußt. Dennoch wissen wir heute, daß aus der Vergegenwärtigung sowohl des tatsächlichen Verfallgrades der ostdeutschen Wirtschaft als auch des zeitlich parallelen Zusammenbruchs des RGW vieles neu bedacht und mit weitergehenden Konsequenzen gehandhabt werden muß.
    Die Wirtschaftsführung hat eine in der Geschichte noch nie so dagewesene Mißachtung der natürlichen Lebensgrundlagen des eigenen Volkes verursacht. Jetzt müssen wir betroffen feststellen, daß im Grunde nichts mehr da ist, was sich aus eigener Kraft reaktivieren kann. Das ist auch die wahre Ursache dafür, daß die strukturelle Neuordnung der neuen Bundesländer nicht nur als Fassadenkosmetik oder punktuelle Reparatur zu bewerkstelligen ist, sondern mit vielen unangenehmen Konsequenzen und Schmerzen im sozialen Alltag unserer Mitbürger abläuft.
    Die Regierungskoalition hat mit den Koalitionsvereinbarungen und der Regierungserklärung des Bundeskanzlers die Weichen für die nächsten vier Jahre gestellt. In der Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik sind die Voraussetzungen geschaffen, damit es zur Angleichung der Lebensverhältnisse kommen kann.
    Die noch vorhandenen Standortnachteile in den neuen Bundesländern verursachen derzeit eine beängstigende Abwanderung von Menschen in die alten Länder. Für den Ausgleich aller Standortnachteile reichen die Investitionsbeihilfen, Sonderabschreibungen, Freibeträge und der Steuerverzicht nicht aus, so wichtig sie auch sind.
    Unter gleichen marktwirtschaftlichen Bedingungen in ganz Deutschland ist es einfacher, die Verbraucher aus den entwickelten Ländern zu versorgen. Für die Arbeitnehmer in den neuen Bundesländern entsteht so ein Sog, der sie in die Regionen zieht, in denen sie Arbeit finden. Das sind nun einmal die alten Bundesländer. Wir müssen deshalb in den neuen Ländern für dauerhaft günstige Investitionsbedingungen sorgen und die noch bestehenden Hemmnisse und Standortnachteile durch der Situation angepaßte und zeitweilig vielleicht auch von der Bundesgesetzgebung abweichende Vorschriften kompensieren.
    Einige Dinge vielleicht konkret. Erstens. Die Reduzierung und Beschleunigung aller Raumordnungs-, Planfeststellungs- und Verwaltungsgerichtsverfahren besonders im Infrastruktur- und Umweltbereich muß sichergestellt werden. Der Planungsvorlauf für Vorhaben ist derzeit gleich null. Es muß deshalb in kürzester Zeit durch Zusammenlegung von Planungsstufen und durch vom Gesetzgeber vorgegebene kürzeste Fristen bei gleitender Planung mit den Baumaßnahmen begonnen werden können. Wir können nicht mehrjährige Planungsstufen und Verwaltungsgerichtsverfahren abwarten.
    Die Engpässe in der Infrastruktur müssen schnellstens beseitigt werden. Dies ist insbesondere auch vor dem Hintergrund eines Investitionsvolumens westdeutscher Unternehmen von 27 Milliarden DM im Jahr 1991 wichtig. Nach Expertenmeinungen wären jedoch in den neuen Ländern 1991 Investitionen von 50 Milliarden DM absorbierbar. In Anbetracht der 900 Milliarden DM oder mehr, die in den nächsten Jahren zur Angleichung der Lebensverhältnisse notwendig sind, ist es auch erforderlich, daß über die 27 Milliarden DM hinaus investiert wird.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU)

    Zweitens. Die Bildung von privatem Wohneigentum gehört zu den ganz vordringlichen Aufgaben.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU)




    Nitsch
    In diesem Bereich sind ohne großen Aufwand vielfältige Effekte zu erzielen. In der ersten Stufe sind die Wohnungen des staatlichen und kommunalen Wohnungsbestandes ausschließlich den Mietern zum Kauf anzubieten.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP)

    Eine breite Eigentumsbildung setzt jedoch voraus, daß der Kaufpreis zwischen 100 und 200 DM je m2 Wohnfläche liegt. Bei der durchschnittlichen Wohnungsgröße in den neuen Bundesländern bleiben wir damit im Bereich des Anschaffungspreises eines Autos. Die Schuldenlast für den Wohnungsbestand muß, soweit sie über diese Einnahme nicht gedeckt werden kann, über das Zinsmoratorium hinaus eine Lösung erfahren, die weder die Länder belastet noch die Privatisierung verhindert.
    Durch diese Wohnungsprivatisierung erhalten die Kommunen und Länder Finanzmittel. Sie werden zudem nicht weiter mit den Subventionierungen der Betriebskosten für die Wohnungen belastet, die derzeit die Länder zu tragen haben. Wir haben das heute ja mehrfach gehört.
    Das Wichtigste ist aber: Es würde sofort eine Welle von Modernisierungs- und Sanierungsarbeiten einsetzen, die sowohl unseren Handwerkern als auch den mittelständischen Betrieben und den Kurzarbeitern mit Beschäftigung null Auftrags- und Arbeitsmöglichkeiten bringen würde.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

    Drittens. Die Treuhandanstalt ist bei der Privatisierung der ehemals volkseigenen Betriebe an ihre personellen Grenzen gestoßen. Der zeitliche Ablauf bei den Verkaufsverhandlungen muß verkürzt werden. Dazu sollte die Treuhandanstalt in größerem Umfang einschlägige Unternehmen einschalten, die in ihrem Auftrag und nach ihren Vorgaben die Privatisierung professionell durchführen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Die Privatisierung aller Betriebsteile aus den ehemaligen Kombinaten ist in die regionale Zuständigkeit der Außenstellen der Treuhandanstalt in den Ländern zu übergeben. Zur zügigen Abwicklung der Privatisierung sind als Voraussetzung für den schnelleren Verkauf auch die rechtlichen Fragen im Vermögensbereich zu klären und Ergänzungen zum Gesetz für besondere Investitionen schnellstens zu verabschieden.

    (Sehr wahr! bei der CDU/CSU)

    Es dürfen keine weiteren zeitlichen Verzögerungen auftreten, und es müssen klare und einfache Lösungen gefunden werden. Erfolge sind bald nötig, um eine Verunsicherung der Bevölkerung zu verhindern. Wer zu spät hilft, hilft nur halb.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Viertens. Die Ausführungen des Bundeskanzlers zur Forschung und Technologie in den neuen Bundesländern begrüße ich nachhaltig. Es geht in diesem Bereich allerdings nicht nur um Akademieinstitute, sondern auch um die Institute, die im Bereich der Wirtschaft, d. h. der ehemaligen Kombinate angesiedelt sind. Ich weiß, daß nicht alle Institute überleben können. Ich bin aber der Meinung, daß dort, wo Konzepte für die zukünftige Arbeit vorhanden sind, eine angemessene Grundfinanzierung als Hilfe zur Selbsthilfe für einen eingeschränkten Zeitraum bereitgestellt werden sollte. Einmal Gestorbenes läßt sich nur mit großem Kraft- und Mittelaufwand wiederbeleben oder neu ansiedeln. Ich kann Ihnen an verschiedenen Beispielen belegen, daß nach einer anfänglichen Lähmung jetzt erfolgversprechende Konzepte in den Instituten der ehemaligen Kombinate entwickelt worden sind oder werden.
    Fünftens. Eines ist in der Entwicklung der letzten Monate in den neuen Bundesländern sehr deutlich geworden: Die gepriesenen Errungenschaften des Sozialismus haben sich als Kartenhaus erwiesen. Das gilt in ganz hohem Maße für die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen. Insbesondere die Arbeitnehmer haben dies heute zu büßen. Durch die jahrzehntelange Abschottung vom Wettbewerb fehlen in den Unternehmen kompetentes Management, Marktkenntnisse und technologisches Niveau.
    Diese Leistungsschwäche der Wirtschaft in den neuen Bundesländern führt dazu, daß Betriebe mit allen sozialen Konsequenzen, die es zeitweilig in einzelnen Regionen auch der alten Bundesländer gegeben hat, stillgelegt werden müssen. Vor diesem Hintergrund sind die Sorgen und Befürchtungen der Mitbürger in den neuen Bundesländern über die weitere Beschäftigungslage sehr groß.
    Ganz große Sorge bereiten uns vor allem die Unternehmen, die bisher einen großen Anteil ihrer Produkte in das Gebiet des ehemaligen Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe exportiert haben. Dorthin sind unter dem alten Regime rund zwei Drittel aller Exporte gegangen. Länder wie Polen, Bulgarien oder Ungarn verfügen nicht über ausreichende konvertible Währungen und können deshalb die bisherigen Warenlieferungen nicht aufrechterhalten. Zudem sind auch westliche Anbieter für mittel- und osteuropäische Unternehmen unter diesen Bedingungen häufig attraktiver.
    Die Unternehmen der neuen Bundesländer müssen ihre Wirtschaftsbeziehungen zu den mittel- und osteuropäischen Unternehmen, mit denen sie seit Jahren gute Geschäftsbeziehungen unterhalten, nun selbst weiterführen. Daran führt kein Weg vorbei. Durch diese unternehmerischen Initiativen können ja immerhin bis zu 1,5 Millionen Arbeitsplätze erhalten werden.
    Es muß jedoch überlegt werden, ob die Sonderkonditionen bei den Ausfuhrbürgschaften als Exporthilfen ausreichen. Weitere Flankierungen müssen dazu beitragen, daß ein hohes Maß an Exporten auch unter marktwirtschaftlichen Bedingungen aufrechterhalten werden kann. In diesem Zusammenhang verweise ich auf das Wohnungsbauprogramm in der SU im Zusammenhang mit der Rückführung der Sowjetarmee. Es muß sichergestellt werden, daß hieran ein großer Anteil von Unternehmen aus den neuen Bundesländer mitwirkt.

    (Beifall bei der CDU/CSU)




    Nitsch
    Die bisher bekanntgewordenen Anteile reichen nach meiner Auffassung nicht aus.
    An dem 8-Milliarden-DM-Programm sollten angesichts der Probleme, die ich aufgeführt habe, mehr Bauunternehmen und Ausrüstungsbetriebe beteiligt werden. Es darf nicht unser Ziel sein, daß Unternehmen aus den alten Bundesländern ihre Konjunktur weiter hochkurbeln, während es in den neuen Bundesländer zu zusätzlichen Einbrüchen kommt.
    Sechstens. Der Aufbau der Verwaltung in den Kommunen und Ländern erfolgt zur Zeit mit kompetenten und qualifizierten Fachkräften. Jedoch wird durch die sich vergrößernden Gehaltsdifferenzen zwischen Wirtschaft und öffentlicher Verwaltung eine Besetzung der offenen Stellen in den öffentlichen Verwaltungen immer schwieriger. Die kommunalen Spitzenverbände sollten daher eine Initiative ergreifen, die Patenschaften zwischen Städten, Gemeinden und Landkreisen begründet. Die Städte, Gemeinden und Landkreise der alten Bundesländer sollten sich jeweils aktiv um den Aufbau der Verwaltung ihres Patenkreises bemühen. Das kann — wie es teilweise schon geschieht — über die zeitweise Abordnung von Mitarbeitern, aber wesentlich besser und effektiver durch einen zeitweiligen Personalaustausch erfolgen. Das wird auch zu einer besseren und schnelleren Herbeiführung der inneren Einheit beitragen.
    Im gesamten kommunalen Bereich könnte noch sehr viel mehr Unterstützung gegeben werden. Die anfängliche Euphorie ist abgeebbt. Nur wenige Beziehungen zwischen den Kommunen sind institutionalisiert. Deshalb können auch die vom Bund schon geschaffenen Rahmenbedingungen vor Ort nicht schnell genug umgesetzt und entfaltet werden.
    Siebtens. Die Finanzausstattung der Länder und Gemeinden in den neuen Bundesländern ist unzureichend. Es ist zu erwarten, daß in dem Gespräch zwischen dem Bundeskanzler und den Ministerpräsidenten der Länder Ende Februar eine bessere Finanzausstattung zustande kommt. Hier appelliere ich insbesondere an die SPD-regierten Bundesländer, ihrer gesamtstaatlichen Verantwortung gerecht zu werden. Eine Aufstockung des Fonds „Deutsche Einheit" um kreditfinanzierte 6 Milliarden DM für das Jahr 1991 reicht nicht aus. Wir brauchen eine Verbesserung der Stufenregelung bei der Umsatzsteuerverteilung unter den Ländern.
    Ich möchte auch daran erinnern, daß durch die Abwanderung unserer Menschen den westlichen Kommunen und Ländern Lohnsteuern von Arbeitnehmern zufließen, für die ihnen bisher keinerlei Kosten für Erziehung und Ausbildung entstanden sind. Mein Vorschlag ist deshalb, daß für alle Arbeitnehmer, die bis zum 9. November 1989 — oder meinetwegen auch noch früher — ihren Wohnsitz in den neuen Bundesländern hatten, die Steuern so lange zurückfließen, bis die Umsatzsteuerverteilung zwischen den Ländern voll geregelt ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Hinsken [CDU/ CSU]: Interessanter Vorschlag!)

    Zusätzlich sollte die Strukturhilfe der alten Bundesländer den neuen Bundesländern verfügbar gemacht werden.
    Ich fasse zusammen. Die Probleme in den neuen Bundesländern dürfen nicht auf die lange Bank geschoben werden. Entscheidend ist der Zeitfaktor. Sie bedürfen einer schnellen Lösung; denn die Menschen wurden über 40 Jahre lang benachteiligt und dürfen jetzt nicht ungeduldig werden. Unsere Devise muß „Jetzt handeln" heißen, um auf allen Gebieten des sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Lebens die Begeisterung für Deutschland zu erhalten.
    Ich danke Ihnen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Seifert.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Ilja Seifert


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE LINKE.)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nachdem gestern in der Regierungserklärung über sehr viele Sachverhalte sehr rasch hinweggegangen worden ist, gestatten Sie mir bitte, auf ein Thema etwas deutlicher einzugehen, und zwar aus der Sicht der Opposition. Ich möchte mich auf die Fragen des Wohnungsbaus und der Mieten konzentrieren. Denn Wohnungsfragen und Wohnraumnot sind nun einmal ein gesamtdeutsches Problem und nicht auf das Gebiet der ehemaligen DDR zu reduzieren.
    Es macht mich bedrückt, wenn ich in der Fußgängerzone von Bonn tagsüber schlafende oder bettelnde Obdachlose sehe. Genauso macht es mich bedrückt, wenn ich sehe, wie in der Mainzer Straße in Berlin-Friedrichshain die Polizei Häuser räumt, die von Menschen besetzt sind, die dort wohnen wollen,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Chaoten!)

    die dort eine Volksküche und einen Spielplatz einrichten.
    Allein durch eine bundesweite Fehlbelegungsabgabe ist dieses Problem nicht zu lösen. Es müssen einfach mehr Wohnungen gebaut werden. Sozialer Wohnungsbau, Wohngeld und soziales Mietrecht wirken nur dann wirklich zugunsten der Nutzer, wenn nicht durch künstliche Verknappung eine preistreibende Nachfrage erzeugt wird, die dann den ortsüblichen Preis hochtreibt.

    (Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Also, von künstlicher Verknappung kann ja keine Rede sein! Das ist ja Unsinn!)

    Herr Bundeskanzler, was heißt denn „Privates Wohneigentum muß attraktiv werden" ? Wollen Sie durch den Verkauf staatseigener Wohnungen die Kommunen sanieren, oder wollen Sie den Menschen in Form ihrer Wohnung, z. B. durch einen symbolischen Preis von einer Mark pro Quadratmeter, ihren Anteil am Volkseigentum nun endlich zusichern? Im ersten Fall hieße das: teure Wohnungen. Im zweiten Fall würde es der Anregung vom Herbst 1989 entsprechen und von uns selbstverständlich unterstützt werden.

    (Zustimmung bei der PDS/Linke Liste)

    Aber eine Frage: Warum ist kein Wort zum genossenschaftlichen Wohneigentum gesagt worden? Ein freiwilliger Zusammenschluß der Eigentümer wäre



    Dr. Seifert
    doch nichts Schlechtes. Er hat sich durchaus bewährt.

    (Zustimmung bei Abgeordneten der SPD)

    Sie wollen den Schutz der Mieter vor übermäßigen Mietsteigerungen verstärken. Aber notwendige Erhöhungen sollen am Einkommen orientiert werden. Wieso denn eigentlich nicht am Wohnkomfort? Überhaupt fehlt jedes Wort zur Qualität des Wohnens. Dazu gehört meines Erachtens nicht nur der Komfort der einzelnen Wohnung; dazu gehören klare städtebauliche Konzepte inklusive des öffentlichen Personennahverkehrs, inklusive der Faktoren soziales Umfeld, Schulen, Kindereinrichtungen, medizinische Versorgung, Verkaufseinrichtungen usw., inklusive der Pflicht z. B. zum behindertengerechten Bauen. Ich empfinde es durchaus als diskriminierend, daß ich meine Freunde nicht besuchen kann, weil ich die Treppen hochgetragen werden muß. „Behindertengerecht" heißt in jeder Phase der Konzipierung, Planung, Ausschreibung, Projektierung und Bauausführung, die Betroffenen selbst, und zwar verbindlich, einzubeziehen. Der Allgemeine Behindertenverband in Deutschland „Für Selbstbestimmung in Würde", der ABiD, dessen Präsident ich bin, ist bereit, dazu kompetente Hilfe zu bieten.