Rede:
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    Plenarprotokoll 12/2 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 2. Sitzung Bonn, Montag, den 14. Januar 1991 Inhalt: Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung zur Lage in der Golfregion und in Litauen Dr. Kohl, Bundeskanzler 21 B Brandt SPD 24 C Dr. Bötsch CDU/CSU 28 D Dr. Vogel SPD 30 C Dr. Graf Lambsdorff FDP 32 B Duve SPD 33 D Dr. Gysi PDS/LL 34 C Frau Wollenberger Bündnis 90/GRÜNE . 36A Dr. Stoltenberg, Bundesminister BMVg . . 38B Dr. Seifert PDS/LL 40 A Schulz (Berlin) Bündnis 90/GRÜNE (zur GO) 40 C Dr. Gysi PDS/LL (zur GO) 40 D Namentliche Abstimmung 40 D Frau Wieczorek-Zeul SPD (Erklärung nach §31 GO) 41A Nächste Sitzung 42 D Berichtigung 42 Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 43* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 2. Sitzung. Bonn, Montag, den 14. Januar 1991 21 2. Sitzung Bonn, den 14. Januar 1991 Beginn: 14.01 Uhr
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    *) Das endgültige Ergebnis und die Namensliste werden als Anlage im Plenarprotokoll 12/3 am 17. 1. 1991 abgedruckt. Berichtigung 1. Sitzung, Seite 17 A*. In die Liste der entschuldigten Abgeordneten ist einzufügen: Dr. Schäuble, CDU/ CSU, 20. 12. 90. Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Böhm (Melsungen) CDU/CSU 14. 1. 91 * Buwitt CDU/CSU 14. 1. 91 Conradi SPD 14. 1. 91 Dr. Diederich (Berlin) SPD 14. 1. 91 Frau Fischer (Gräfenhainichen) SPD 14. 1. 91 Gattermann FDP 14. 1. 91 Grünbeck FDP 14. 1. 91 Kretkowski SPD 14. 1. 91 Dr. Modrow PDS 14. 1. 91 Rappe (Hildesheim) SPD 14. 1. 91 Rühe CDU/CSU 14. 1. 91 Dr. Schäuble CDU/CSU 14. 1. 91 Dr. Schöfberger SPD 14. 1. 91 Spilker CDU/CSU 14. 1. 91 Dr. Vondran CDU/CSU 14. 1. 91 Vosen SPD 14. 1. 91 Frau Wiechatzek CDU/CSU 14. 1. 91 Zierer CDU/CSU 14. 1. 91 * * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates
Rede von Dr. Rita Süssmuth
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die erste Sitzung im Jahr 1991, jene Sitzung, von der wir nichts dringender erhoffen, als daß wir zum Friedenserhalt und zur Wiederherstellung von Gewaltlosigkeit beitragen können. Ich denke, die Bürger und Bürgerinnen draußen erwarten von uns, daß wir uns hier heute besonders entsprechend dem Thema auseinandersetzen. Ich begrüße sie ganz herzlich.
Ich rufe den einzigen Tagesordnungspunkt der heutigen Sitzung auf:
Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung zur Lage in der Golfregion und in Litauen
Hierzu sind Entschließungsanträge der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP sowie der Fraktion der SPD angekündigt worden. Es liegen außerdem Entschließungsanträge der Abgeordneten der PDS und des Bündnisses 90/GRÜNE vor. Weiter sind Entschließungsanträge zur Lage in Litauen angekündigt worden.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache drei Stunden vorgesehen. — Ich sehe keinen Widerspruch.
Ich möchte Sie vorab auch informieren, daß der Außenminister noch nicht hier anwesend sein kann, weil er bei der europäischen Außenministerkonferenz ist.
Sobald wir trotz der etwas widrigen Umstände alle im Saal Platz genommen haben, werde ich dem Bundeskanzler das Wort zur Regierungserklärung erteilen.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Helmut Kohl


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In großer Sorge um den Frieden und in großer Sorge um die Menschenrechte sind wir heute hier zusammengekommen.
    Über das Wochenende ist in Litauen militärische Gewalt angewendet worden, die eine große Zahl von Toten und Verletzten gefordert hat.
    Morgen läuft die Frist ab, die die Völkergemeinschaft dem Irak für die Räumung Kuwaits gesetzt hat. Alle bisherigen Versuche, den Konflikt mit friedlichen Mitteln zu lösen, sind an der Weigerung der irakischen Führung gescheitert, die gewaltsame Annexion
    Kuwaits rückgängig zu machen. Auch das Gespräch zwischen dem amerikanischen und dem irakischen Außenminister in Genf hat bisher nichts an der irakischen Haltung zu ändern vermocht, obwohl die amerikanische Seite den Ernst der Lage deutlich gemacht hat.
    Ebenso haben wir erlebt, daß die Friedensmission des Generalsekretärs der Vereinten Nationen, die auch von der Bundesregierung und ihren Partnern in der Europäischen Gemeinschaft sowie den Vereinigten Staaten mit großem Nachdruck unterstützt wurde, leider ohne greifbares Ergebnis geblieben ist. Dies ist um so enttäuschender, als die vom Generalsekretär dem Irak in Bagdad unterbreiteten Überlegungen ausdrücklich eine Nichtangriffsgarantie im Falle der Räumung Kuwaits sowie die Stationierung einer UN-Friedenstruppe in Kuwait umfaßten.
    Eine militärische Auseinandersetzung kann auch jetzt noch abgewendet werden. Es liegt allein bei dem irakischen Präsidenten, die entsprechenden Bedingungen zu schaffen. Die Bedingungen für eine friedliche Lösung sind klar und eindeutig: Der Irak muß sich aus Kuwait zurückziehen, und die Souveränität Kuwaits muß wiederhergestellt werden. Dies ist und bleibt die Forderung der Staatengemeinschaft an den Präsidenten des Irak.
    Ein Rückblick, meine Damen und Herren, verdeutlicht das Ausmaß der Aggression. Der Friede ist nicht erst jetzt gefährdet. Er wurde am 2. August 1990 gebrochen, und zwar vom Irak. Der Irak besetzte und annektierte Kuwait mit fadenscheinigen Begründungen, vertrieb viele seiner Einwohner und zwang den Verbleibenden gegen ihren Willen die irakische Staatsangehörigkeit auf. Gesetzlosigkeit und Willkür, Angst, Hunger und Not bestimmen seither das tägliche Leben der kuwaitischen Bevölkerung. Kuwait, ein souveräner Staat, soll nach dem Willen des Irak ausgelöscht werden und von der politischen Landkarte verschwinden. Der Irak hat damit grundlegende Ordnungsprinzipien für das Zusammenleben der Völker eklatant verletzt.
    Die Staatengemeinschaft durfte und konnte diesen Rechtsbruch nicht hinnehmen. Eine Hinnahme hätte den Irak zu weiteren Übergriffen ermutigt. Jeder, meine Damen und Herren, muß sich darüber im klaren sein: Wenn die Völkergemeinschaft es zuläßt, daß



    Bundeskanzler Dr. Kohl
    die staatliche Existenz eines ihrer Mitglieder gewaltsam ausgelöscht wird, dann hätte dies unabsehbare Folgen auch in anderen Teilen der Welt.
    Ich denke, gerade wir, die Deutschen, sollten für diesen Zusammenhang besonders sensibel sein. Daher galt und gilt es, den Anfängen zu wehren und dem irakischen Vorgehen entschiedenen Widerstand entgegenzusetzen.
    Die Völkergemeinschaft ist diesem Gewaltakt und der hartnäckigen Mißachtung der Resolutionen des Sicherheitsrats durch den Irak mit großer Geschlossenheit und Entschiedenheit begegnet. 12 Resolutionen, die der Sicherheitsrat seit dem 2. August 1990 verabschiedet hat, um das Recht wiederherzustellen, sind Ausdruck einer internationalen Solidarität, wie wir sie bisher in dieser Form nicht gekannt haben. Nicht zuletzt dieser Solidarität ist es zu verdanken, daß die irakische Regierung die von ihr völkerrechtswidrig festgehaltenen ausländischen Geiseln, darunter auch deutsche, freigelassen hat.
    Zugleich, meine Damen und Herren, ist deutlich geworden: Die Forderungen des Sicherheitsrats nach vollständigem Abzug des Irak aus Kuwait sind der verbindliche Wille der gesamten Staatengemeinschaft. Die Souveränität des Mitglieds der Vereinten Nationen Kuwait muß vollständig wiederhergestellt werden.
    Am 29. November vergangenen Jahres hat der Sicherheitsrat mit seiner Resolution 678 die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen ermächtigt, alle erforderlichen Mittel einzusetzen, wenn der Irak nicht die einschlägigen Resolutionen zur Golfkrise bis zum Ablauf des morgigen Tages vollständig befolgt. Die multinationalen Streitkräfte am Golf stehen dort mit ausdrücklicher Zustimmung der Vereinten Nationen. Sollten sie zum Einsatz kommen, so würde dies in Übereinstimmung mit deren Beschlüssen geschehen. Die Resolution 678 ist eine letzte Warnung der Weltorganisation an den Irak. Zugleich — dies will ich betonen — hält sie das Tor für eine friedliche Lösung bis zuletzt offen.
    Ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich die aktive Rolle, die die Vereinten Nationen und ihr Generalsekretär bei dem Versuch einer friedlichen Lösung des Golfkonfliktes spielen, ausdrücklich würdigen. Die Handlungsfähigkeit der Vereinten Nationen — das ist erfreulich — hat deutlich in dem Maße gewonnen, in dem wir aus dem Schatten des Ost-West-Konflikts herausgetreten sind. Der Sicherheitsrat kann damit seine ihm zugedachte Rolle als Instrument kollektiver Sicherheit voll wahrnehmen. Diese Entwicklung hat neue Möglichkeiten eröffnet, regionale Konflikte dem Urteil der Völkergemeinschaft zu unterwerfen und dieses, falls erforderlich, auch durchzusetzen. Dies gibt Hoffnung für die Zukunft. Wir werden alles daran setzen, um die Rolle der Vereinten Nationen als Hüter von Recht und Frieden zu stärken.
    Die Bundesregierung hat die Entschließungen des Sicherheitsrats in jeder Phase der Golfkrise mitgetragen. Wir haben dies in der Überzeugung getan, daß das Recht dem Unrecht niemals weichen darf, daß, wie auch unsere eigene Geschichte lehrt, Aggressoren beizeiten entgegengetreten werden muß und daß
    die Wahrung von Recht und Frieden in jeder einzelnen Region der Welt die gesamte Völkergemeinschaft angeht.
    Wir haben in dieser kritischen Lage engen Schulterschluß mit unseren Partnern in der Europäischen Gemeinschaft und im Bündnis gehalten, insbesondere mit den Vereinigten Staaten.
    Wir wissen, daß unsere amerikanischen, britischen und französischen Verbündeten die Hauptlast bei der Verteidigung von Recht und Freiheit in diesem Konflikt tragen. Sie haben Anspruch auf unsere Solidarität.
    Wir haben Solidarität auch dort gezeigt, wo die von der Golfkrise besonders hart getroffenen befreundeten Länder — ich nenne Ägypten, Jordanien und die Türkei — unserer Hilfe bedurften. Solange Golfkrise und Embargo andauern, werden wir auch weiterhin an der internationalen Lastenteilung verantwortlich mitwirken. Jeder muß wissen, daß dies für die Bundesrepublik Deutschland finanzielle Belastungen mit sich bringt. Zugleich, meine Damen und Herren, erwarten wir jedoch, daß insbesondere die ölexportierenden Golfstaaten, deren finanzielle Möglichkeiten durch die gestiegenen Ölpreise in erheblichem Maße zugenommen haben, ihrerseits einen maßgeblichen Anteil der Lasten mittragen.
    Auf Ersuchen der Türkei hat das Nordatlantische Bündnis Anfang Januar die Luftkomponente des multinationalen Beweglichen Eingreifverbandes für den Befehlsbereich Europa aktiviert. Hieran sind — entsprechend den seit den 70er Jahren bestehenden Bündnisplänen für den Bereich der Südosttürkei — außer uns unsere Partner Belgien und Italien beteiligt.
    Bei ihrer Zustimmung zur Verlegung dieser Einheiten in die Türkei hat sich die Bundesregierung davon leiten lassen, daß dies als ein Zeichen der Solidarität dazu beiträgt, vor einem Angriff auf die Türkei abzuschrecken und den Frieden zu wahren.
    Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, seit der Invasion und der Annexion Kuwaits durch den Irak hat es zahlreiche und vielfältige Initiativen gegeben, um diesen Konflikt friedlich beizulegen. Die Bundesregierung hat selbstverständlich ihrerseits nichts unversucht gelassen, um mit ihren Partnern und Verbündeten auf der Grundlage der Resolutionen des Sicherheitsrates zu einer friedlichen Lösung beizutragen. Wir haben diese Aktivitäten in den vergangenen Wochen und Tagen noch erheblich verstärkt.
    Sie umfaßten ständige Konsultationen mit unseren Partnern und Verbündeten, intensive Kontakte mit befreundeten Regierungen der arabischen Welt und der Blockfreien-Bewegung. Ich selbst habe in den letzten Tagen — um nur einige zu nennen — mit Präsident Bush und Außenminister Baker, mit Staatspräsident Mitterrand, Ministerpräsident Mulroney, mit Präsident Özal und König Hussein von Jordanien eingehend über die Golfkrise gesprochen. Ich verweise in diesem Zusammenhang auch auf den großen persönlichen Einsatz von Bundesaußenminister HansDietrich Genscher.



    Bundeskanzler Dr. Kohl
    Die Bundesregierung, meine Damen und Herren, hat sich bei ihren Bemühungen vor allem von zwei Beweggründen leiten lassen: Gerade wir Deutschen wissen nur zu genau, was Krieg bedeutet. Deshalb setzen wir uns leidenschaftlich dafür ein, wenn irgend möglich eine militärische Auseinandersetzung zu vermeiden. Zugleich wissen wir aber auch um die fatalen Folgen einer Beschwichtigungspolitik, die sich mit den Rechtsbruch abfindet und damit zu weiteren Aggressionen ermutigt.
    Die irakische Seite versucht, die Kuwaitfrage mit anderen Problemen der Region, insbesondere mit der Palästinenserfrage, zu verknüpfen. Dies haben wir — zusammen mit unseren Partnern und Verbündeten — zurückgewiesen. Diese Probleme müssen unabhängig voneinander gelöst werden. Aber ich füge hinzu: Sie müssen gelöst werden. Das heißt auch, daß wir mit unseren Partnern ebenfalls einig sind: Nach der Beilegung des Golfkonfliktes müssen wir uns, und zwar unverzüglich und mit großem Nachdruck, noch stärker als bisher, den anderen Fragen der Region zuwenden.
    Dies hat die Europäische Gemeinschaft in Luxemburg zu Beginn dieses Monats klar zum Ausdruck gebracht. Es sind neue, erhebliche Anstrengungen erforderlich, um auch im Nahen Osten eine dauerhafte Friedensordnung zu erreichen, die das Selbstbestimmungsrecht des palästinensischen Volkes mit dem Recht auf Existenz und Sicherheit aller Staaten in der Region, einschließlich Israels, in Einklang bringt. Alle Beteiligten müssen erkennen, daß die Regelung dieser Fragen keinen Aufschub mehr duldet. Dabei ist vor allem der Wille zum Ausgleich und die Bereitschaft zum Kompromiß gefordert. Es muß auch im Nahen Osten gelingen, Gegensätze zu überwinden und dauerhafte, stabile Sicherheitsstrukturen zu entwickeln.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Dazu gehören nicht zuletzt Absprachen über die Begrenzung von Streitkräften und Waffensystemen und der vollständige Verzicht auf die Herstellung und den Besitz von Massenvernichtungsmitteln.
    Meine Damen und Herren, zur Stabilisierung der Verhältnisse in der Region sind aber auch erhöhte Anstrengungen zur wirtschaftlichen Entwicklung und zur Überwindung sozialer Unterschiede unerläßlich. Wir könnten uns gut vorstellen — und ich habe diesen Gedanken in den letzten Monaten immer wieder vertreten —, daß sich dieses Ziel im Rahmen eines umfassenden Entwicklungsplanes für den Nahen und Mittleren Osten erreichen ließe. Dies setzt natürlich zuvor eine umfassende Lösung aller politischen Fragen voraus. Die Bundesrepublik Deutschland jedenfalls ist bereit, einen Beitrag zur Entwicklung zu leisten. Ich füge aber hinzu: Auch hier gilt, daß vor allem jene Länder der Region gefordert sind, die auf Grund ihrer wirtschaftlichen Ressourcen dazu in der Lage sind, mehr zu tun als bisher.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Dies alles, meine Damen und Herren, sind wichtige Aufgaben für die Zukunft, die keiner aus den Augen verlieren sollte. Heute aber, in diesen Stunden, geht es vor allem darum, das Existenzrecht Kuwaits, eines
    von vielen kleinen Staaten der Region, zu wahren und jede nur denkbare Chance zu einer friedlichen Lösung des Konflikts zu nutzen.
    Wenn nicht noch in Bagdad die Vernunft die Oberhand gewinnt, was wir alle nur hoffen können, müssen wir mit einem der schwersten militärischen Konflikte seit Ende des Zweiten Weltkriegs rechnen. Dies kann vor dem Hintergrund des am Golf vorhandenen militärischen Potentials, zu dem bekanntlich Massenvernichtungswaffen gehören, gar nicht ernst genug genommen werden. Die Leidtragenden einer solchen Auseinandersetzung wären in erster Linie die Menschen, die in dieser Region leben. Wir wollen dies in keinem Augenblick vergessen. Die gesamte Region hätte aber auch unter den politischen und wirtschaftlichen Folgen einer solchen Auseinandersetzung zu leiden.
    Wir haben bilateral und gemeinsam mit unseren Partnern in der EG alles in unseren Kräften Stehende getan, um diese letzte Konsequenz zu verhindern. Wir werden uns auch weiterhin für die Wiederherstellung des Rechts mit friedlichen Mitteln einsetzen, solange irgendeine Chance dafür besteht. Ich selbst habe der irakischen Führung mehrere vertrauliche Botschaften zukommen lassen und sie eindringlich vor den Konsequenzen gewarnt, wenn sie das Datum des 15. Januar verstreichen läßt. Die irakische Führung hat, soweit wir dies zur Stunde erkennen können, diese Warnung bisher nicht beachtet. Sie ist offenbar nicht bereit, von ihrem Rechtsbruch abzugehen und sich aus Kuwait zurückzuziehen.
    Aber auch heute ist es noch nicht zu spät. Präsident Saddam Hussein hat den Schlüssel zu Krieg und Frieden in der Hand. Deshalb nehme ich die Gelegenheit wahr, auch von dieser Stelle an ihn zu appellieren: Entschließen Sie sich jetzt zum Rückzug Ihrer Truppen aus Kuwait! Ersparen Sie Ihrem Volk, ersparen Sie der ganzen Region Krieg!
    Wir Deutschen, insbesondere die nach dem Zweiten Weltkrieg aufgewachsenen Generationen, haben das Glück gehabt, fast ein halbes Jahrhundert in Frieden leben zu dürfen. Wir sind nicht in der gleichen exponierten Lage wie unsere Verbündeten, deren Soldaten am Golf stehen. Wir sollten aber in keinem Augenblick vergessen, daß sie dort zusammen mit den Angehörigen der multinationalen Streitkräfte Recht und Gerechtigkeit verteidigen. Recht und Gerechtigkeit sind Voraussetzung und Grundlage allen Friedens.
    Unsere Politik, vor allem in den letzten Jahren, hat dazu beigetragen, den Frieden in Europa auf eine stabile Grundlage zu stellen. Was wir in Europa erreicht haben — und wenn ich „wir" sage, schließe ich alle Bundesregierungen seit Gründung der Bundesrepublik hier ausdrücklich ein — , muß zum Modell des friedlichen Zusammenlebens in anderen Teilen der Welt werden. Dies ist vor allem auch unser Wunsch für den Nahen und Mittleren Osten, eine Region, in der drei Weltreligionen ihren Ursprung haben.
    Friede kann dauerhaft und verläßlich nur auf dem Boden von Recht und Gerechtigkeit gedeihen. Unser Einsatz für den Frieden, für die Achtung der Menschenrechte und gegen die Anwendung von Gewalt gelten weltweit. Deshalb ist auch unsere einige und



    Bundeskanzler Dr. Kohl
    unzweideutige Haltung angesichts der militärischen Gewaltmaßnahmen, die über das Wochenende in Litauen ergriffen worden sind, gefordert. Wir beklagen die Vielzahl von Todesopfern und Verletzten, und den Hinterbliebenen gilt unsere herzliche Anteilnahme.

    (Beifall im ganzen Hause)

    Wir sind zutiefst besorgt über die Zukunft der Umgestaltung, der Reformen und der Politik des „Neuen Denkens" in der Sowjetunion, die in den vergangenen Jahren dem Land so hohes internationales Ansehen eingetragen und neue, vielversprechende Perspektiven der Zusammenarbeit eröffnet haben. Ich habe mich deshalb gestern noch einmal mit einer Botschaft an den Präsidenten der Sowjetunion, Michail Gorbatschow, gewandt und, gestützt auf die von uns gemeinsam verabschiedete „Charta von Paris für ein neues Europa" und auf die KSZE-Prinzipien an ihn appelliert, jeder weiteren Gewaltanwendung Einhalt zu gebieten, zum Weg des Dialogs und der Verständigung zurückzukehren und sicherzustellen, daß die in Litauen und in anderen Unionsrepubliken getroffene freie Wahl geachtet wird.
    Noch in der vergangenen Woche hat die sowjetische Führung versichert, es werde nicht zu einer Gewaltanwendung im Baltikum kommen. Präsident Gorbatschow hat gestern über den stellvertretenden Außenminister der Bundesregierung mitteilen lassen, daß die Einsatzbefehle vom Wochenende nicht von ihm selbst erteilt worden seien und er sehr zuversichtlich hoffe, eine Lösung mit politischen Mitteln zu erreichen.
    Heute morgen ist erneut von verantwortlicher Seite in Moskau erklärt worden, daß die Einsatzbefehle nicht vom Zentrum aus erteilt worden seien. Ich vertraue darauf, daß Präsident Gorbatschow in dieser Frage Klarheit schaffen kann.
    Der Föderationsrat der UdSSR hat auf Initiative von ihm beschlossen, eine hochrangige Delegation nach Wilna zu entsenden, die gestern dort eingetroffen ist und ihre Gespräche aufgenommen hat. Ich hoffe sehr, daß damit ein vom Willen zur Verständigung getragener Dialog zwischen Moskau und Wilna wieder in Gang kommt. Insbesondere — ich denke, das findet die Zustimmung des ganzen Hauses — muß die normale Arbeit der gewählten Vertreter des litauischen Volkes gewährleistet sein.

    (Beifall im ganzen Hause)

    Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, unser großes Ziel bleibt der Aufbau einer gesamteuropäischen Friedensordnung, die allen Ländern und Völkern unseres Kontinents zugute kommt. Wir sind zutiefst davon überzeugt — das ist auch eine wichtige Erfahrung der deutschen Geschichte gerade in diesem Jahrhundert — , daß die Achtung der Menschenrechte und der Grundfreiheiten wesentliche Voraussetzungen für einen Fortschritt beim Aufbau dieser Friedensordnung ist. Die Ereignisse von Wilna — jeder von uns verspürt dies — waren ein schwerer Rückschlag auf diesem Weg.
    Wir alle hoffen, daß die friedliche und freiheitliche Entwicklung in der Sowjetunion fortgesetzt wird. Wir sind zutiefst überzeugt: Nur Demokratie, Menschen-
    rechte und Rechtsstaatlichkeit sind die großen Ideale, denen die Zukunft gehört, und sie sind vor allem das Fundament einer dauerhaften und gerechten Friedensordnung in Europa. Ich denke, gemeinsam wollen wir für dieses Ziel unseren Beitrag leisten.

    (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU und Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD — Von der Tribüne werden Flugblätter herabgeworfen — Zurufe von der Tribüne: Keine Bundeswehr an den Golf! — Beifall bei der PDS/LL und dem Bündnis 90/ GRÜNE)