Ich spreche für die acht Abgeordneten des Bündnisses 90 und der GRÜNEN, um die es hier geht und um deren Rechte in diesem Parlament es geht. Ich denke, wenn wir uns hier mit der zur Beschlußfassung vorliegenden Geschäftsordnung beschäftigen, müssen wir schon davon ausgehen, daß diese Geschäftsordnung nicht nur den vielbeschworenen ordnungsmäßigen Ablauf der Parlamentsarbeit regelt, sondern zugleich auch ein Spiegelbild des demokratischen Selbstverständnisses dieses Parlaments ist.
Bei Beibehaltung der jetzigen Geschäftsordnung wären wir, die Abgeordneten von Bündnis 90 und GRÜNEN, zu weitgehender parlamentarischer Wirkungslosigkeit verurteilt. Die Listenverbindung Bündnis 90/GRÜNE stand nur im Gebiet der ehemaligen DDR zur Wahl. Nachdem diese Listenverbindung die durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts erwirkte regionalisierte Sperrklausel im Gebiet der ehemaligen DDR überwunden hat, stehen wir, die Abgeordneten, jetzt dennoch vor einer neuen Hürde — man sagt uns immer wieder, dieses Hürdenspringen, das wir nun ständig vollziehen müssen, sei Demokratie, aber wir bezweifeln das — , und zwar vor einer gesamtdeutschen Fünfprozenthürde, nämlich jener, oberhalb derer erst die Bildung von Fraktionen ermöglicht wird.
Wir beantragen, daß die Feststellung des Bundesverfassungsgerichts zum Wahlrecht entsprechend auf die Regelung der Mindestfraktionsstärke in der Ge-
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 1. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. Dezember 1990 13
Frau Köppe
schäftsordnung übertragen wird, und wir tun das deswegen, weil wir hier arbeitsfähig sein wollen, weil wir hier unsere Mitwirkungsrechte wahrnehmen wollen. Ich meine, es handelt sich dabei nicht um Almosen, sondern um die parlamentarischen Rechte, von denen wir Gebrauch machen wollen.
Die uns vorliegende Geschäftsordnung sichert großen Fraktionen sämtliche Möglichkeiten und Rechte für die parlamentarische Arbeit. Das bedeutet in der Praxis: Große Fraktionen halten sicheren Einzug in Präsidium und Ältestenrat und in die Ausschüsse; kleine Fraktionen sind benachteiligt und oft auch ausgegrenzt.
Wir wollen — deswegen haben wir einen zweiten Änderungsantrag zur Geschäftsordnung eingebracht —, daß alle Fraktionen gleichberechtigt an der Arbeit des Parlaments mitwirken können. Ich denke, daß es für die Mehrheitsfraktionen auch interessant sein könnte, die Meinung einer Minderheit zu hören.
Um jeder Fraktion diese Mitwirkung zu garantieren, ist eine Grundmandatsregelung notwendig. Demokratische Parlamentsarbeit bedeutet für uns nach unserem Demokratieverständnis — vielleicht haben wir da ein unterschiedliches — gleiche Rechte für alle Abgeordneten und Chancengleichheit für große und kleinere Fraktionen.
Wir, die acht Abgeordneten von Bündnis 90 und GRÜNEN, sind durch die Wahl ebenso legitimiert wie Abgeordnete der größeren Fraktionen.
Wir wollen in diesem Parlament nicht einfach stumm Ihrer Arbeit zusehen, sondern möchten uns an dieser Arbeit beteiligen.
Wir möchten mit Ihnen zusammen in den Ausschüssen sitzen und möchten dort mit Ihnen zusammen debattieren. Wir wollen hier unsere Ideen und unsere Anträge einbringen.
— Es wäre nett, wenn Sie mir zuhören könnten.
Deswegen fordern wir die Mehrheitsfraktionen und die großen Fraktionen dieses Parlaments auf, uns, der Minderheit, die gleichen Rechte zuzugestehen. Ich denke, ein Gradmesser für Demokratie ist auch immer der Umgang mit den Minderheiten.
Ich danke Ihnen.