Rede von
Manfred
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- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Herr Präsident! Herr Kollege Hirsch und Herr Kollege Paterna, es ist in der Tat so, daß wir in der letzten Innenausschußsitzung an den Beratungen nicht teilgenommen haben, weil wir nicht teilnehmen konnten. Das liegt einfach an dem Stil, wie in diesem Parlament mit solchen Gesetzen umgegangen wird. Heute abend gibt es z. B. lediglich eine Debatte von 30 Minuten. Und wenn im Innenausschuß zwischen den einzelnen Tagesordnungspunkten hin und her gesprungen wird, dann ist es uns von der Kapazität her einfach nicht mehr möglich, an der Beratung jedes Tagesordnungspunktes teilzunehmen, weil wir auch noch andere Aufgaben wahrzunehmen haben. Daran Hegt es, daß wir an der Beratung nicht teilgenommen haben. Es ist der Stil dieses
Parlamentes, mit solchen Gesetzesvorhaben so umzugehen.
Meine Damen und Herren, selbst wenn dieses von der Bundesregierung eingebrachte Gesetz zur Errichtung eines Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik jetzt gegen unseren Willen und bevor überhaupt die mitberatenden Ausschüsse ihre Empfehlungen formulieren konnten, durchgepaukt werden sollte, dürfen wir uns nicht dem Trugschluß hingeben, daß damit wirkliche Sicherheit in der Informationstechnik erreicht werden kann. Nach wie vor gilt die Aussage des angesehenen Informatikprofessors Brunnstein, daß wir, was die Funktionssicherheit von EDV-Systemen anbelange — „Der Spiegel" hat das auch berichtet — noch weitgehend im dunkeln herumstocherten. Ein Tschernobyl in der Informationstechnik liege durchaus im Bereich des Wahrscheinlichen, und überdies sei Sicherheit, die davon ausgehe, daß die Verfahren geheim seien, eigentlich keine Sicherheit.
Aber nicht nur die Wissenschaft, sondern auch die Wirtschaft, in deren Interesse dieses neue Amt ja insbesondere arbeiten soll, bleibt skeptisch. Die spezifischen Anforderungen der Sicherheitsbehörden deckten sich durchaus nicht immer mit denen der Anwender — so der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau —, und in der Praxis sei zu erwarten, daß sich lange Warteschlangen vor dem BSI bildeten, weil die Prüfung zu langwierig und eine wirkliche Kontrolle dennoch nicht zu leisten sei, das also dem Wettbewerb eher schade als nütze.
Auch unsere grundsätzliche Kritik an der verfassungsrechtlich bedenklichen Doppelfunktion des BSI, die von Datenschützern und sogar von der Gesellschaft für Informatik in ihrer Stellungnahme zum BSI übernommen wurde, ist durch die Änderungsvorschläge der Koalition im Innenausschuß nicht gegenstandslos geworden. Es kann nicht angehen, daß das Amt einerseits Techniksysteme entwickelt, die die Vertraulichkeit von Kommunikation sicherstellen sollen, und andererseits diejenigen schützt, die sie aufheben wollen, wenn auch nur „zur Beobachtung terroristischer Bestrebungen oder nachrichtendienstlicher Tätigkeiten". Wir wissen ja, wie weit diese Begriffe mit dem § 129 a des Strafgesetzbuchs ausgelegt werden können.
Immerhin hat sich die Bundesregierung insofern als lernfähig erwiesen, als sie nun die Unterstützungser-suchen durch die Sicherheitsdienste aktenkundig machen lassen will, womit zumindest eine Kontrollgrundlage geschaffen worden ist. Nur: Wer soll denn eine effektive Kontrolle über die Tätigkeit dieser ehemals hochgeheimen BND-Stelle ausüben? Der Innenausschuß ist nach eigenen Angaben weder von der Arbeitsbelastung noch von der Kompetenz her dafür gerüstet.
Aber tatsächlich scheint eine erfolgversprechende Kontrolle gar nicht beabsichtigt zu sein. Warum sonst ist die gut begründete Forderung der SPD nach Einsetzung eines Unterausschusses des Innenausschus-
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ses sowie eines berichterstattenden Sachverständigengremiums ebenso abgelehnt worden, Herr Hirsch, wie unser Vorschlag eines Parlamentsbeauftragten und eines pluralistisch zusammengesetzten Beirats? Offensichtlich ist es — das muß hier ganz deutlich gesagt werden — mit der Umwandlung der BND-Dienststelle in eine zivile Behörde doch gar nicht so ernst gemeint.
Aber ich lasse mich in diesem Punkt gerne eines Besseren belehren. Insbesondere warte ich auf die Verwirklichung der Zusage des Innenministers während der ersten Lesung, daß „unabhängigen Experten Einblick in die mathematischen Prinzipien kommerziell genutzter Verschlüsselungssysteme gewährt werden" solle.
Völlig unverständlich ist mir die harsche Ablehnung einer Technikfolgenabschätzung, die ihren Namen verdient. Die Argumentation, daß die Analyse sozialer Auswirkungen weit über die Aufgaben dieser Einrichtung hinausgehe, sagt mehr über die Intention der Bundesregierung aus als die im Vorwort des Gesetzes genannte Zielsetzung, die Verletzlichkeit der modernen Industriegesellschaft zu begrenzen. Auch Herrn Minister Riesenhuber kann diese Verweigerung, Verantwortung für die Folgen staatlichen Handelns zu übernehmen, kaum in sein PR-Konzept passen.
Außerdem frage ich mich, ob es wohl Schwierigkeiten mit der im dritten Nachtragshaushalt bestätigten Übernahme von 40 Stasi-Experten des zentralen Chiffrierorgans der ehemaligen DDR in das künftige BSI geben wird.
Um auf all die ungeklärten Fragen der Arbeitsweise des Bundesamtes zumindest annähernde Antworten zu bekommen, erwarte ich im nächsten Frühjahr und im Jahr darauf eine umfassende Berichterstattung. Die GRÜNEN werden es sich jedoch nicht nehmen lassen, die Tätigkeit des BSI weiterhin genauestens zu beobachten.
Ich danke Ihnen.