Rede von
Norbert
Eimer
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich kenne Herrn Kollegen Jaunich als einen sehr sachkundigen und fairen Kollegen, aber, Herr Kollege Jaunich, heute ist mit Ihnen der Wahlkämpfer hier durchgegangen. Deswegen will ich auf diese Kalauer nicht eingehen.
Die hohe Lebenserwartung der Menschen in der Bundesrepublik — die durchschnittliche Lebenserwartung in den neuen Bundesländern ist etwas geringer — hat Probleme geschaffen, für die wir bisher noch keine Lösung gefunden haben. Herr Kollege Jaunich, es ist gut, wenn man dies ehrlicherweise zugibt. Wir werden das mit dem höheren Alter verbundene Risiko der Pflegebedürftigkeit und ihre Bezahlung, die Sicherung der Pflege sowie die Frage nach einem Gesamtkonzept für die Pflege in der nächsten Legislaturperiode anpacken müssen, und das wird eine sehr große Aufgabe sein.
Wir haben es heute mit Versorgungsstrukturen zu tun, die weder der demographischen Entwicklung noch den bisher dafür vorgesehenen Finanzierungsquellen entsprechen. Dabei wissen wir nicht einmal genau, wie groß die Pflegebedürftigkeit der Menschen in unserem Land ist, weil verläßliche bundesweite Angaben fehlen. Wir können jedoch davon ausgehen, daß ca. 2, 5 Millionen Menschen in unserem Land leben, die Pflege brauchen; die Zahl der pflegebedürftigen Bürger in den neuen Bundesländern ist dabei nicht mitgezählt. Von diesen Pflegebedürftigen leben ca. eine Viertelmillion, vielleicht etwas mehr, in Heimen. Die Zahl macht deutlich, daß die meisten der zu Pflegenden zu Hause versorgt werden, entweder durch Angehörige oder durch ambulante Dienste bzw. durch beide. Die Prämisse der GRÜNEN in ihrem
Eimer
Gesetzentwurf stimmt deshalb überhaupt nicht, man müsse Pflegebedürftige vor der Heimpflege schützen.
In der Begründung wird behauptet, die heutige Regelung der Pflegefinanzierung begünstige Pflegeheime, sie mache das Betreiben von Pflegeheimen zu einem profitablen Geschäft für Wohlfahrtsverbände und Sozialkonzerne, und sie halte damit die Behinderten und die Alten in der Tabuzone von Pflegeheimen und Psychiatrie fest.
Meine Damen und Herren, dies kann wohl angesichts der verzweifelten Situation von Pflegebedürftigen, die einen Heimplatz suchen, oder für die ein Heimplatz in der bisherigen Umgebung nicht gefunden wurde, als realitätsfern bezeichnet werden, um es nur ganz milde auszudrücken. In den Ballungsgebieten — das dürfte Ihnen nicht verborgen geblieben sein — haben wir einen katastrophalen Mangel an Betten in stationären Einrichtungen mit der Folge, daß ein Pflegebedürftiger, in der Regel 84 Jahre alt, seine letzten Jahre fernab von seinem bisherigen Lebensmittelpunkt und seinen Angehörigen verbringen muß.
Wir brauchen deshalb mehr wohnortnahe stationäre Einrichtungen mit einer anderen Aufgabenstellung als heute. Es geht also nicht um den Umbau der Heimversorgung, sondern es geht um die Sicherung und Bezahlung der Pflege sowohl im ambulanten als auch im stationären Bereich.
Der Pflegenotstand ist dabei, sich in Teilen dieser Republik zu einer Pflegekatastrophe auszuweiten: Betten stehen leer, weil Personal fehlt; Pflegebedürftige müssen abgewiesen werden, weil ganze Abteilungen geschlossen sind. Familienangehörige sind immer häufiger durch die Pflege überfordert, vor allem dann, wenn es sich um die ebenfalls alt gewordenen Ehepartner handelt oder um Pflegefälle, die auf Grund der Schwere der Behinderungen in die Hände von professionellen Pflegekräften gehören.
Die Zahl der Hochbetagten steigt, und damit der Pflegebedarf. In der nächsten Legislaturperiode werden wir zu einem Gesamtkonzept für die Pflege und ihre Finanzierung kommen müssen. Dies wird eine Aufgabe sein, die uns längere Zeit beschäftigen wird. Ich kann nur hoffen, daß wir dies dann nach dem Wahlkampf in einer etwas sachlicheren Atmosphäre tun können, als dies heute geschehen ist. Wir alle werden aufgerufen sein, alle Anstrengungen zu unternehmen, uns neue Gedanken einfallen zu lassen. Denn das, was bisher angeboten worden ist, befriedigt mich und viele der Betroffenen nicht. Deswegen möchte ich herzlich darum bitten, daß wir dieses Thema nicht zu einem Wahlkampfthema machen, sondern daß wir uns um dieses Thema in der Seriosität bemühen, die dafür notwendig ist. Der vorliegende Gesetzentwurf der GRÜNEN dient diesem Ziel nicht. Deswegen können wir ihm auch nicht zustimmen.
Vielen Dank.