Rede von
Dr.
Alexander
Warrikoff
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Mit dem Einigungsvertrag hat sich ja dort zunächst nichts geändert,
und Sie können uns keine Vorwürfe dafür machen, daß die sogenannten sozialistischen Errungenschaften vorsahen, daß dort eine allgemeine Kündigungsfrist für alle von nur zwei Wochen galt. Das können Sie uns nicht vorhalten.
Wir werden das ändern, und ich werde jetzt vortragen, was wir im Auge haben.
— Herr Kollege, ich habe höflich geantwortet. Aber Sie haben mich gefragt, bevor ich überhaupt vorgetragen habe, was wir wollen. Ich würde dringend empfehlen, Ihre Kritik an dem, was wir vorhaben, erst dann zu üben, wenn Sie gehört haben, was ich jetzt sagen möchte. — Wenn Sie gestatten, Frau Präsidentin, möchte ich jetzt fortfahren.
Der Unterschied zwischen Arbeitern und Angestellten war also möglicherweise schon früher in dem Ausmaß, wie er praktiziert wurde, nicht haltbar. Heute ist er, wie gesagt, auf alle Fälle falsch. Es gibt Arbeiter,
Dr. Warrikoff
die höchstqualifizierte Arbeit mit entsprechenden Anforderungen an das Verantwortungsbewußtsein leisten, und es gibt Angestellte, auf die dies nicht zutrifft. Das Bundesverfassungsgericht stellt fest, daß mehr als ein Drittel aller Angestellten mit den Worten des Verfassungsgerichts „Einfache Angestellte" sind. Ihr Tätigkeitsgebiet umfaßt, wie das Gericht definiert, Arbeiten, die ohne besondere Vorbildung und ohne herausgehobene Qualifikation erledigt werden können. Arbeitsplätze dieser Art vor allem für Angestellte bestehen in allen Regionen in relativ großer Zahl. Dagegen gibt es sowohl Angestellte wie gewerbliche Arbeitnehmer, die so qualifiziert und spezialisiert sind, daß nur wenige Arbeitsplätze für sie in Frage kommen;
ich wiederhole: unabhängig von der Frage, ob es sich um Arbeiter oder Angestellte handelt.
Ich möchte hier das Bundesverfassungsgericht wörtlich zitieren.
Ich tue das um so lieber, als ich festgestellt habe, daß die Kollegin Steinhauer, die ja mit Sicherheit, wie ich sie kenne, das Urteil sorgfältig gelesen hat, völlig darauf verzichtet hat, auf den Schwerpunkt der Argumentation des Gerichts einzugehen. Sie hat das vermutlich deswegen getan, weil es mit ihrer Auffassung nicht übereinstimmt. Ich zitiere jetzt also wörtlich:
Je spezieller das Interesse des Arbeitsuchenden ausgeprägt ist, desto beschränkter ist das einschlägige Stellenangebot. Entsprechend schwieriger ist es für ihn, das Passende zu finden, und entsprechend aufwendiger und zeitraubender ist seine Suche.
Um es noch einmal zu betonen: All dies ist völlig unabhängig von der Eigenschaft des Arbeitnehmers als Arbeiter oder Angesteller.
Aus der Sicht des Arbeitgebers ist das Bild übrigens völlig identisch.
Es ist sehr viel einfacher, Ersatz zu finden, wenn ein Arbeitnehmer kündigt, der einfache Tätigkeiten ausübt, als wenn dies ein Spezialist tut.
Wenn Sie ein wenig zugehört hätten und dem Gedanken gefolgt wären, würden Sie wissen, was jetzt kommt. Aber ich sage es Ihnen noch einmal ganz deutlich. Der Gesetzesvorschlag weist damit den falschen Weg. Ganz pauschal für alle Arbeitnehmer gleiche Kündigungsfristen — ganz unabhängig von der Art des Arbeitsplatzes — zu verlangen ist ebenso falsch wie die Zuweisung bestimmter unterschiedlicher Kündigungsfristen jeweils für Arbeiter oder Angestellte.
Damit Sie jetzt hören, daß das nicht nur unsere oder meine Auffassung ist, sondern eben auch vom Verfassungsgericht so geteilt wird, möchte ich feststellen, daß das Bundesverfassungsgericht völlig zu Recht nicht etwa fragt, ob der Gesetzgeber Gruppen von Arbeitnehmern bestimmen sollte, denen für eine be-
sonders zeitaufwendige Arbeitsplatzsuche längere Kündigungsfristen zuzubilligen sind, sondern nur nach dem Wie fragt. Es geht also um eine Orientierung ausschließlich an der Qualifizierung und Spezialisierung der Arbeitnehmer.
Diese Frage nach dem Wie zu beantworten ist selbstverständlich dem Gesetzgeber vorbehalten. Aber das Bundesverfassungsgericht gibt uns Hilfen. Es sagt — ich wiederhole: total unabhängig von der Einteilung in Angestellte und Arbeiter, die in der Tat überholt ist; ich zitiere einigermaßen wörtlich —, daß es bei der Unterschiedlichkeit der Kündigungsfristen, die man vorsehen sollte, auf Merkmale wie vorberufliche Ausbildung, Qualifizierung, Spezialisierung, Verantwortungsbereiche und Führungspositionen ankommt. Das sind die Termini des Bundesverfassungsgerichtes.
An diesen Vorstellungen muß sich die künftige Regelung orientieren, nicht aber an einer Einebnung der Kündigungsfristen für alle Arbeitnehmer, wie dies die SPD vorschlägt.