Rede von
Dr.
Herta
Däubler-Gmelin
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir Sozialdemokraten haben diese Aktuelle Stunde aus vier Gründen beantragt. Erstens. Uns beunruhigen die immer neuen und immer zahlreicher werdenden Berichte in Rundfunk, Fernsehen und Zeitungen über Schiebereien mit SED-, jetzt PDS-Millionen. Sie verärgern uns, sie empören uns; nicht nur uns, sondern Menschen aus allen 16 Bundesländern unseres Landes beschweren sich in Briefen und in Versammlungen, daß die in 40 Jahren zusammengerafften Riesenvermögen den alten Blockparteien ganz offensichtlich noch immer nicht entzogen sind,
daß sie dem Aufbau der Demokratie immer noch nicht zugeführt wurden und daß sie bisher den Menschen in den fünf neuen Bundesländern nicht zugute kommen.
Das schmerzt sie, das ärgert sie, meine Damen und Herren, genauso wie die Tatsache, daß die alten Seil-
schaften noch da sind, und auch, daß Herr Schalck-Golodkowski weiter unbehelligt von Strafbefehlen oder sonstigen Strafverfolgungsmaßnahmen die Sonne am Tegernsee genießen kann.
Wir sagen: Das muß anders werden. Wir wollen wissen, was da eigentlich vor sich geht. Wir wollen wissen: Was ist in den letzten Monaten mit den Milliarden der alten SED — jetzt PDS — passiert? Die Volkskammer hatte ja am 31. Mai eine Verfügungssperre für alle Vermögen aller alten Blockparteien in der DDR und der mit ihnen verbundenen Massenorganisationen angeordnet.
Die damalige Regierung de Maiziere sollte sicherstellen, daß sie auch eingehalten wird. Das hat sie offensichtlich nicht getan. Ob das nun aus Unvermögen passiert ist oder aus Mangel an Entschlossenheit, das sei hier dahingestellt.
Wir wollen es heute genau wissen, meine Damen und Herren: Wieviel ist eigentlich in den vergangenen Monaten tatsächlich verschoben worden an Tarnfirmen, an Tarnkonten im In- und Ausland? Wir wollen wissen: Wieviel von den Milliarden ist noch da?
Wir wollen zum dritten wissen: Ist das nur die Spitze des Eisbergs, was wir da in den Medien lesen, so etwa, daß 100 SED-Millionen einfach so das Konto wechseln auf recht verschlungenen Pfaden, die aber wundersamerweise immer wieder bei der PDS landen, die davon natürlich nichts weiß, daß da PDS-Mitarbeiter buchen und umbuchen, Tarnfirmen' einschalten und Geld abheben, Mitstreiter, die dann doch wieder keiner kennen will, obwohl zumindest eine der handelnden Personen Kreisvorsitzender im Saalekreis ist,
das da offensichtlich Parteien auch weiter über Immobilien, Häuser, Mieten, Geldbeträge und Zinserträge verfügen?
Wie ist das eigentlich: Trifft das nur auf das ehemalige SED-, jetzt PDS-Vermögen zu, oder haben das die übrigen alten Blockparteien in den vergangen Monaten auch so gemacht?
Darüber, meine Damen und Herren, wollen wir jetzt Klarheit, schon deshalb, weil wir uns — und das ist unser vierter Punkt — alle miteinander im Einigungsvertrag erfolgreich darum bemüht haben, daß die Bundesregierung ab der deutschen Einheit die Verantwortung für das alles via Treuhandanstalt übernimmt. Sie hat die Verantwortung dafür, daß ab diesem Zeitpunkt nichts mehr verschoben wird und daß die Parteimilliarden nach Recht und Gesetz verwendet werden.
Jetzt hören und lesen wir aber, daß die Schiebereien auch nach der Einheit nicht aufgehört haben, trotz der Treuhand, trotz des Einigungsvertrages. Deshalb wollen wir dreierlei wissen.
Frau Dr. Däubler-Gmelin
Erstens. Was hat die Bundesregierung getan, um Sicherungen einzubauen, daß es eben nicht mehr so weiterläuft wie unter der Verantwortung der Regierung de Maiziere?
Zweitens. Was hat die Bundesregierung getan, um die eingetretenen Verstöße zu ahnden und vor Gericht zu bringen?
Drittens. Was hat die Bundesregierung getan, um die verschobenen Millionen — wieviel auch immer es sein mögen — wiederzubekommen?
Meine Damen und Herren, wir waren uns in diesem Hause weitgehend darüber einig, daß das in 40 Jahren zusammengeraffte Vermögen der SED und der alten Blockparteien der Demokratie und den Menschen in den fünf neuen Bundesländern nutzbar gemacht werden muß und daß die ungleichen Vermögenschancen die Chancengleichheit im Bundestagswahlkampf nicht verletzen dürfen. Wir sagen: Alle Worte und all guter Wille nützen nichts, jetzt brauchen wir Klarheit. Wir fordern die Bundesregierung in ihrer Verantwortlichkeit auf, uns zu sagen, was los ist. Wir fordern sie auf, die notwendigen Konsequenzen zu ziehen.