Rede von
Thomas
Wüppesahl
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(GRÜNE)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (GRÜNE)
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, der Vorschlag des Kollegen Wolf-gramm, daß die 70 Millionen DM der PDS, die irgendwo in Oslo oder anderswo kursieren sollen, in ihre Arbeit hier im Bundestag eingebracht werden sollen — ich sehe, der Kollege Eigen nickt auch noch dazu —, ist ein klarer Aufruf zum Rechtsbruch.
Denn diese Summen sollen ja gerade ganz anders verwaltet werden. So jedenfalls habe ich den Sachverhalt bisher begriffen. Ich glaube, daß in den Ausführungen, die soeben gefallen sind, sich schon sehr viel dessen wiederfindet, was wir gleich in der Aktuellen Stunde noch erheblich massiver erleben, nämlich einen erneuten Mißbrauch dieses Plenums zum Zwecke des Wahlkampfes.
Gerade da seitens der alten Parteien in diesem Hause permanent der Vorwurf gegen die PDS erhoben wird, daß im Bereich der Finanzen nicht sauber gearbeitet würde, erweisen sie sich natürlich einen Bärendienst, wenn sie mit einer Beschlußvorlage wie der, die uns zu der heutigen Debatte vom Ältestenrat zugemutet wird, eine so gravierende Schlechterstellung der PDS besonders im finanziellen Bereich beschließen wollen, daß wirklich jeder klar denkende Kopf hier im Hause,
aber auch draußen in der Öffentlichkeit erkennen muß, worauf das hinauslaufen soll, nämlich auf eine massive Diskriminierung durch die Schlechterstellung mit finanziellen Mitteln und damit im personellen und sächlichen Bereich für die Parlamentsarbeit.
Da wir bis zum 3. Oktober die Situation hatten, daß in diesem Hause eine Gruppierung von 26 Personen den Status als Fraktion hatte, und da wir in der letzten Wahlperiode, 1983 bis 1987, eine Fraktion mit 27 Köpfen gehabt haben, ist es doch geradezu albern, wenn Sie in der Substanz verneinen wollen, ob es notwendig ist, eine Gruppe von 24 Personen mit fraktions-
ähnlichen Mitteln auszustatten, weil 24 Köpfe natürlich genausoviel Organisationsbedarf haben wie eine Fraktion mit 27 Personen.
Das ist doch die Substanz, um die diese Diskussion kreisen sollte.
Daß darüber hinaus verfassungsrechtlich ganz gewichtige Argumente dafür sprechen, einen Fraktionsstatus einzuräumen oder mindestens den fraktionsähnlichen Gruppenstatus zu gewähren,
wissen auch alle diejenigen, die diese Beschlußvorlage aus dem Ältestenrat verbrochen haben.
Es ist ein Fakt: Hier werden Abgeordnete zweiter und dritter Klasse geschaffen. Dritte Klasse bin ich; das wissen Sie ja.
Mir wollen Sie nicht einmal den Pro-Kopf-Zuschlag gewähren, den Oppositionsabgeordnete hier bekommen. Der PDS wollen Sie ein kleines Almosen anbieten: nicht einmal die Hälfte des Sockelbetrages pro Monat, 235 000 DM - es hätten über 260 000 DM sein müssen —, und nicht einmal den Oppositionszuschlag, also 8 499 DM pro Abgeordneten. Sie muten hier eine Summe von unter 7 500 DM pro Monat zu. Auch aus den ganzen anderen Titeln — internationale Zusammenarbeit, deutsch-deutsche Kooperation etc. — soll der PDS-Gruppe nichts zur Verfügung gestellt werden. Das ist nun wirklich ein Hohn und ist, wie schon ausgeführt, für jeden offene Diskriminierung, der klar denken kann.
Abgeordnete zweiter Klasse nicht nur im Bereich der sächlichen oder finanziellen Ausstattung, sondern auch in der Wahrnehmung von Rechten werden geschaffen. Hier geht es nicht um Unwesentliches, wenn darum geworben wird, daß Abgeordnete in ihren Fachausschüssen nicht nur Rede- und Antragsrecht haben, sondern auch abstimmen dürfen. Ich habe praktisch bei jeder Sitzung am eigenen Leibe gespürt, was man eigentlich noch ist, wenn man über eine Beschlußvorlage, über die man zumindest mit diskutiert hat, nicht abstimmen darf. Zum Teil gab es auch noch Vorlagen, die ich aus der Zeit meiner Fraktionsmitgliedschaft eingebracht habe.
Ich glaube, der Ältestenrat tut dem Parlament keinen Gefallen mit dieser Beschlußvorlage. Sie diskreditieren das, was in vielen Büchern als Parlamentskultur definiert ist. Sie werfen Wasser auf die Mühlen derjenigen, die eine hohe Distanz zu dem haben, was wir in Bonn als Parlamentarismus betreiben.
Ich wäre sehr verbunden, wenn dem Wunsch, den Fraktionsstatus anzuerkennen bzw. — mit Hilfsantrag — als Gruppe eine fraktionsähnliche Ausstattung zu bekommen, stattgegeben werden könnte.
Wüppesahl
Ich appelliere noch einmal an die Kolleginnen und Kollegen, an den Art. 38 des Grundgesetzes zu denken und nicht das zu exekutieren, was Ihnen Ihre Fraktionsspitzen vorgeben...