Rede von
Dr.
Gerhard
Riege
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(PDS/LL)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (PDS/LL)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Empfehlung des Ältestenrats, die auf unseren Antrag hin begründet worden ist, den Hauptantrag auf Anerkennung als Fraktion abzulehnen und den Hilfsantrag auf Anerkennung als Gruppe mit bestimmten Modifikationen zu bejahen, kann ich für mich und meine Kollegen, die die Anträge eingebracht haben, nicht zustimmend zur Kenntnis nehmen.
Ich möchte etwas zum Motiv unseres Antrags sagen und auch darauf verweisen, daß das, was heute ent-
Dr. Riege
schieden wird, im Unterschied zu dem, was Sie, Frau Präsidentin, soeben gesagt haben, mir doch etwas zu sein scheint, was auch eine gewisse präjudizierende Wirkung haben wird.
Die Bemerkung, das, was heute entschieden wird, sei etwas für wenige Tage oder Wochen, glaube ich nach den Usancen des Hauses nicht so verstehen zu können.
— Man nimmt ja nicht nur das zur Kenntnis, was man in diesem Saal unmittelbar mitbewirkt. Sie können von Ihrer Tätigkeit so überzeugt sein, daß sie auch schon bisher die Aufmerksamkeit eines Beobachters außerhalb dieses Bereichs gefunden hat.
Lassen Sie mich bitte noch folgendes sagen. Es gibt ein formelles Argument, das vorgetragen worden ist: Die Geschäftsordnung verlange als Voraussetzung für die Fraktionsbildung 5 % der Mitglieder des Hauses. Der Ältestenrat hat keinerlei Veranlassung gesehen
— wie es in der Beschlußempfehlung heißt —, von dieser Quote abzusehen.
Ich möchte aber auf folgendes verweisen. Der in Betracht gezogene § 10 der Geschäftsordnung enthält ja noch eine andere Aussage als die, daß mindestens 5 % der Mitglieder des Bundestags von der Stärke her die Voraussetzung für die Bildung einer Fraktion sind. Es gibt einen weiteren Satz in § 10 Abs. 1, wonach abweichend davon eine Entscheidung getroffen werden kann, die der Bundestag zu bestätigen hat. Diese Möglichkeit sollte gesehen und genutzt werden.
Dafür sehe ich Gründe. Die Fraktion der PDS war in der Volkskammer ja keine kleine Fraktion. Wir hatten 66 Mitglieder. Daß durch eine Entscheidung, die in den zwischenstaatlichen Verträgen getroffen worden ist, eine Situation eingetreten ist, die unsere Mitglieder von 66 auf 24 reduziert, darf dieser Abgeordnetengruppe nicht angelastet werden.
Als Grund sehe ich erstens den Umstand, daß diese Abgeordneten auf die gleiche Weise wie alle anderen im demokratischen Wahlprozeß legitimiert worden sind. Ich kann nicht anerkennen, daß es hier eine differenzierte Bewertung gibt. Nicht nur die abstrakte Bewertung ist unterschiedlich, sondern es kommt zu einer differenzierten Bewertung und zu veränderten Möglichkeiten, unserem Mandat, das in gleicher Weise begründet worden ist, Rechnung zu tragen.
Ich sehe das, was dem Hohen Haus als Empfehlung gegeben wird, nicht in Übereinstimmung mit dem Geist der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu dem Wahlvertrag und dazu, wie die wahlrechtliche Ausgestaltung vorgenommen werden soll. Eine Chancengleichheit wird vom Bundesverfassungsgericht explizit angeregt und gefordert. Genau das wird in der Entscheidung, die heute empfohlen wird, nicht bejaht.
Ich habe kein Verständnis dafür,
daß es den Abgeordneten meiner Gruppe, wenn sie auch Antragsrechte haben sollen, die sich aus § 75 der Geschäftsordnung ergeben, und z. B. auch Gesetzesinitiativen einbringen können, verwehrt sein soll, in den Entscheidungsprozeß über diese Anträge z. B. Entschließungsanträge zu Gesetzentwürfen einzubringen. Eine Logik kann ich in diesem Zusammenhang überhaupt nicht erkennen.
Ich habe auch kein Verständnis dafür, daß wir in den Ausschüssen nur eine beratende Mitwirkung zeigen dürfen. Die werden wir selbstredend ausüben, aber das kann nicht das sein, was unserem Selbstverständnis entspricht.
Beratende Teilnahme im Ältestenrat ist das Analo-gon.
Etwas Größe des Bundestages in bezug auf unseren Antrag würde ich für sehr günstig erachten.