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ID1122812200

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    Plenarprotokoll 11/228 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 228. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 4. Oktober 1990 Inhalt: Präsidentin Dr. Süssmuth 18015A Verzicht des Abg. Porzner auf die Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag 18017 B Eintritt des Abg. Weinhofer in den Deutschen Bundestag 18017 B Erweiterung der Tagesordnung 18017 B Tagesordnungspunkt 1: Eidesleistung von Bundesministern Präsidentin Dr. Süssmuth 18017 D Frau Dr. Bergmann-Pohl, Bundesministerin für besondere Aufgaben 18018A de Maizière, Bundesminister für besondere Aufgaben 18018A Dr. Krause, Bundesminister für besondere Aufgaben 18018B Dr. Ortleb, Bundesminister für besondere Aufgaben 18018B Dr. Walther, Bundesminister für besondere Aufgaben 18018 C Tagesordnungspunkt 2: Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung zur Politik der ersten gesamtdeutschen Bundesregierung Dr. Kohl, Bundeskanzler 18018D Brandt SPD 18029 B Dr. Dregger CDU/CSU 18032 C Dr. Knabe GRÜNE 18033 B Dr. Ullmann GRÜNE 18036 A Lafontaine, Ministerpräsident des Saarlandes 18037 D Stratmann-Mertens GRÜNE 18040 B Dr. Hirsch FDP 18041 A Dr. Gysi PDS 18043 A Wetzel GRÜNE 18044 B Stratmann-Mertens GRÜNE 18045 C Dr. Graf Lambsdorff FDP 18046A Dr. Bötsch CDU/CSU 18053 A Dr. Klejdzinski SPD 18054 B Thierse SPD 18055 C Dr. Elmer SPD 18056 C Dr. Lammert CDU/CSU 18056 D Frau Dr. Vollmer GRÜNE 18058A Dr. Wieczoreck (Auerbach) CDU/CSU 18060A Frau Unruh fraktionslos 18061 D Wüppesahl fraktionslos 18063 B Zusatztagesordnungspunkt 1: Beratung des Antrags der Fraktion DIE GRÜNEN: Anzahl der Mitglieder des Präsidiums des Deutschen Bundestages Frau Birthler GRÜNE 18065 C Bohl CDU/CSU 18066 A Jahn (Marburg) SPD 18066 C Wolfgramm (Göttingen) FDP 18067 A Frau Birthler GRÜNE 18067 C Dr. Steinitz PDS 18067 D Wüppesahl fraktionslos 18068A, D II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Oktober 1990 Zusatztagesordnungspunkt 2: Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Zehnten Gesetzes zur Änderung des Bundeswahlgesetzes sowie zur Änderung des Parteiengesetzes (Drucksache 11/8023) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 3: Erste Beratung des von der Fraktion DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bundeswahlgesetzes (Drucksache 11/8033) Dr. Schäuble, Bundesminister BMI 18070B Bernrath SPD 18071 B Frau Birthler GRÜNE 18071 D Lüder FDP 18072 D Dr. Knabe GRÜNE 18073 B Jahn (Marburg) SPD 18073 C Häfner GRÜNE 18074 B Dr. Heuer PDS 18076 B Gerster (Mainz) CDU/CSU 18077A, 18079 C Stahl (Kempen) SPD 18077 D Reddemann CDU/CSU 18078 A Westphal SPD 18079 A Wüppesahl fraktionslos 18079D, 18080D Frau Unruh fraktionslos 18080 B Zusatztagesordnungspunkt 4: Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 12. September 1990 über die abschließende Regelung in bezug auf Deutschland (Drucksache 11/8024) 18081 A Nächste Sitzung 18081 C Berichtigung 18081 Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 18083 A Anlage 2 Liste der Abgeordneten, in deren Namen der Abgeordnete Conradi eine mündliche Erklärung nach § 31 GO zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 31. August 1990 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands — Einigungsvertragsgesetz — (Drucksachen 11/7760, 11/7817, 11/7831, 11/7841, 11/7920, 11/7931, 11/7932) abgegeben hat 18083* C Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Oktober 1990 18015 228. Sitzung Berlin, den 4. Oktober 1990 Beginn: 10.00 Uhr
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    Berichtigung 225. Sitzung, Seite 17797 * C, Zeile 17: Statt „.. 2-39 Jahre. " ist „... 12-39 Jahre." zu lesen. Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Oktober 1990 18083* Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens SPD 05. 10. 90 * Büchner (Speyer) SPD 05. 10. 90 * Dr. Gautier SPD 05. 10. 90 Gerster (Worms) SPD 05. 10. 90 Grünbeck FDP 05. 10. 90 Hornhues CDU/CSU 05. 10. 90 Kalisch CDU/CSU 05. 10. 90 Kastning SPD 05. 10. 90 Müller (Düsseldorf) SPD 4. 10. 90 Frau Nickels GRÜNE 5. 10. 90 Schäfer (Offenburg) SPD 05. 10. 90 Dr. Schulte (Schwäbisch CDU/CSU 05. 10. 90 Gmünd) Steiner SPD 05. 10. 90 * Wischnewski SPD 05. 10. 90 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 2 Liste der Abgeordneten, in deren Namen der Abgeordnete Conradi eine mündliche Erklärung nach § 31 GO zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 31. August 1990 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands — Einigungsvertragsgesetz — (Drucksachen 11/7760, 11/7817, 11/7831, 11/7841, 11/7920, 11/7931, 11/7932) abgegeben hat* ) Antretter, Büchner (Speyer), Dr. von Bülow, Conradi, Duve, Egert, Erler, Fuchs (Verl), Gansel, Dr. Glotz, Frau Dr. Götte, Frau Dr. Hartenstein, Heyenn, Hiller (Lübeck), Dr. Holtz, Jungmann (Wittmoldt), Kirschner, Kühbacher, Frau Kugler, Kuhlwein, Lambinus, Lutz, Müller (Düsseldorf), Müller (Pleisweiler), Frau Odendahl, Opel, Peter (Kassel), Dr. Pick, Rixe, Schanz, Dr. Scheer, Schmidt (Salzgitter), Dr. Schöfberger, Sielaff, Frau Dr. Skarpelis-Sperk, Sonntag-Wolgast, Steiner, Dr. Struck, Frau Terborg, Toetemeyer (alle SPD) *) Siehe 226. Sitzung, Seite 17891 C
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Wolfgang Lüder


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Kollege Jahn, ich habe vorhin versucht, genau dies deutlich zu machen, daß es nämlich nach dem Bundesverfassungsgerichtsgesetz zwei Möglichkeiten gibt. Entweder beschließen wir in eigener Souveränität im Rahmen der Meßlatte, die das Verfassungsgericht gelegt hat, oder das Bundesverfassungsgericht sagt, was wir zu tun haben. Es hat uns die Freiheit gegeben, weil es um unsere Verantwortung wußte. Dieser Verantwortung wollen wir gerecht werden.
    Lassen Sie mich als Berliner noch einen Satz hinzufügen, weil es in dieser Stadt manche Mißverständnisse gegeben hat: Wir haben in dem Urteil das neue juristische Wort des Bezugsgebietes, was etwas anderes als das Wahlgebiet ist. Ich freue mich, daß es trotz dieses Wortes möglich ist, daß Berlin als ungeteiltes Land, das wir seit heute sind, einheitliche Landeslisten wählen kann und daß die Irritationen, die gekommen waren, wir müßten hier nach Wahlkreis bis 256 — das ist diese Seite des Reichtages — und dort ab 257 — das ist ab Präsidentenpalais — unterschiedlich wählen, unbegründet waren: Berlin wird einheitlich wählen und wird einheitlich als ein Bundesland an den Wahlen teilnehmen. Das ist als Konsequenz aus dem gestrigen Tag wichtig.
    Wir werden die Fünfprozentklausel in dem Gebiet, das neu zum Bund gekommen ist, von dem Gebiet,



    Lüder
    das beim Bund war, trennen. Aber einheitlich vom Wahlkreis 256 bis nach Weimar und nach Rostock ist das eine Gebiet, vom Wahlkreis 251 bis nach Straubing und nach Flensburg ist das andere Gebiet. Damit können wir gut leben. Damit werden wir auch einen Wahlkampf machen können — alle miteinander, alle aufeinander bezogen und natürlich auch gegeneinander —, der sich auf das gesamte deutsche Gebiet bezieht.
    Als letztes: Wir werden heute abend im Innenausschuß prüfen — da nehme ich etwas auf, was soeben Herr Kollege Bernrath gesagt hat — , wieweit für die jetzt zugelassene Listenvereinbarung vielleicht doch noch etwas mehr Zeit zur Konstituierung gegeben werden kann. Aber — ich füge das hinzu — wir werden dabei auch sicherstellen müssen, daß die Briefwahl möglich bleibt; denn wir wollen gerade in diesem Jahr, in dem ein großer Teil der Deutschen zum erstenmal die Möglichkeit hat, den Wahltag an einem Sonntag außerhalb seiner Wohnung zu verbringen, die Briefwahl jedem Deutschen ermöglichen und nicht durch zu kurze Fristen erschweren.
    Wir sind zuversichtlich, daß wir so ein Gesetz schaffen, dem wir morgen möglichst breit zustimmen können.
    Danke schön.

    (Beifall bei der FDP, der CDU/CSU und der SPD)



Rede von Dr. Rita Süssmuth
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Als nächster hat das Wort der Abgeordnete Häfner.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Gerald Häfner


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben in den letzten Tagen viel darüber gesprochen und auch gestritten: Was für ein Deutschland soll das werden? Die Frage nach der Gestaltung des Wahlrechts hängt damit unmittelbar zusammen. An ihr muß sich nämlich beweisen, wie ernst all die schönen Reden und die guten Vorsätze der letzten Tage hinsichtlich des rechtsstaatlichen und demokratischen Charakters dieses seit gestern vereinigten Deutschlands gemeint sind.
    Nach dem Grundgesetz geht alle Staatsgewalt vom Volke aus. Das heißt auch, daß der jetzt entstehende größere Staat von unten, von den Menschen selbst gestaltet werden muß. In dieser demokratischen Gestaltung, die sich neben den Wahlen vor allem in der Diskussion und der vom Grundgesetz nach wie vor geforderten Abstimmung über die deutsche Verfassung — Herr Kollege Ullmann hat darauf hingewiesen — , also der Diskussion und Abstimmung über die Grundlagen des künftigen politischen und sozialen Lebens, verwirklichen muß, sehe ich ein Heilmittel und ein Gegengewicht gegen den einseitigen Prozeß der Vereinigung von oben, der Vereinigung aus den Apparaten und der Exekutive.
    Der Bundespräsident sprach gestern vom „Plebiszit eines jeden Tages". Ich sage Ihnen ehrlich: Ich wäre schon froh, wenn es wenigstens das Plebiszit eines jeden Jahres gäbe.

    (Beifall bei den GRÜNEN und der PDS)

    Solange das Volk nicht unmittelbar, wie es das Grundgesetz verlangt, auch in Abstimmungen entscheiden
    kann, bleiben die Wahlen die einzige Möglichkeit,
    wie das Volk als der nach dem Grundgesetz einzige Träger der Staatsgewalt seinen politischen Willen rechtsverbindlich äußern kann.
    Vergessen wir nicht: Ohne das Wahlrecht, ohne faire und demokratische Wahlen säßen wir überhaupt nicht hier, gäbe es keinen Bundestag, keinen Bundesrat und keine Bundesregierung. Das Wahlrecht ist eine der wichtigsten und eine der sensibelsten Fragen der Demokratie. Deshalb kann es am Tage der Konstituierung des gesamtdeutschen Parlaments auch kaum ein besseres Thema geben als die Frage des Wahlrechts und damit auch der Ernsthaftigkeit von Bekundungen zu Demokratie und Verfassung. Erst recht ist das so, nachdem Sie, die Parteien der CDU/ CSU, SPD und FDP, in ganz großer antidemokratischer Koalition die Verfassung zu brechen versucht haben.

    (Beifall bei den GRÜNEN — Zuruf von der CDU/CSU: Das ist doch dummes Zeug!)

    Ich muß Ihnen nach all den hehren und wohlgesetzten Reden, die ich in den letzten Tagen gehört habe, sagen: Man kann die Verfassung nicht gleichzeitig feiern und mit Füßen treten. Man kann dieses Grundgesetz nicht als die nunmehr verbindliche Verfassung aller Deutschen auf die DDR übertragen, aber sich dort, wo seine Bestimmungen der rücksichtslosen Sicherung von Privilegien und Parteiinteressen im Wege stehen, selbst nicht daran halten. So geht es nicht!

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Ich bin froh, daß es so nicht geht. Ich bin froh, daß es neben den Parlamenten noch Gerichte gibt, die solche Anschläge auf Grundsätze und Grundrechte unserer Verfassung stoppen.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Deshalb will ich nach all den vielen Danksagungen in der heutigen Regierungserklärung und in den Reden der letzten drei Tage noch eines sagen, was Sie bei der Aufzählung von Gorbatschow bis hin zu den Nachtschichten einlegenden Bonner Ministerialbeamten immer wieder vergessen haben: Im Namen der Demokratie und der Menschen im vereinten Deutschland: Dem Bundesverfassungsgericht gebührt Dank und Beifall.

    (Beifall bei den GRÜNEN und bei Abgeordneten der PDS)

    Eigentlich müßten Sie da doch alle an der Stelle klatschen können, denke ich, auch wenn Sie in Karlsruhe unterlegen sind.

    (Bohl [CDU/CSU]: Die Freiheit nehme ich mir! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    Die Leistung unserer Karlsruher Richter liegt ja gerade darin, daß sie in einer einstimmigen Entscheidung unter großem Druck und wider alle Voraussagen den Mut hatten, sämtliche etablierten Parteien und das Bonner Parlament vor einem schon beschlossenen Verfassungsbruch zu bewahren und zu verhindern, daß das neue Deutschland mit einem Verfassungsbruch beginnt. Ich finde, das ist in der Tat lobenswert und äußerst verdienstvoll.

    (Beifall bei den GRÜNEN und der PDS)




    Häfner
    Dieser Bruch der Verfassung wird noch schlimmer dadurch, daß er wieder einmal auf Kosten der Menschen und der Parteien und der Bürgerbewegungen in der DDR gegangen wäre. Das von Ihnen beschlossene verfassungswidrige Gesetz hätte nämlich den Wählerstimmen aus der Bundesrepublik weit mehr Gewicht und Erfolgswert eingeräumt als solchen aus der DDR.

    (Widerspruch von der SPD)

    Es sollte dafür sorgen, daß die Machtfülle und die Pfründe der Parteien, die sich in Bonn so fest eingerichtet haben und die die Macht seit Jahrzehnten untereinander aufteilen,

    (Dr. Bötsch [CDU/CSU]: Das ist, mit Verlaub, dummes Zeug! — Frau Matthäus-Maier [SPD]: Das ist abwegig!)

    durch nichts, vor allem durch keine Konkurrenz gefährdet werden. Herr Bötsch, Sie wissen genau, daß ich recht habe. Sie brauchen nur das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu lesen. Da steht alles — zum Teil sogar noch deutlicher — drin!

    (Dr. Bötsch [CDU/CSU]: Sie haben es nicht gelesen!)

    — Ich kann es Ihnen erklären. Dafür müßten Sie aber einen Moment zuhören. Im Augenblick habe ich das Wort,

    (Dr. Bötsch [CDU/CSU]: Quatsch! Quätscher! Am quätschesten!)

    später sind Sie wieder dran; so geht das hier im Parlament.
    Der Trick war ebenso einfach wie unverschämt: Durch die Fiktion eines einheitlichen Wahlgebiets und einer einheitlichen Klausel wurde erreicht, daß nur noch Bonner Parteien und aus der DDR nur noch solche Parteien, die unter den großen Mantel der Bonner Parteien gekrochen sind, überhaupt eine Chance hatten, in das Parlament einziehen zu können. Alle eigenständigen DDR-Parteien — insbesondere die Bürgerbewegungen, die wichtigsten Kräfte der Herbstrevolution — sollten aus dem Parlament herausgehalten werden.

    (Dr. Bötsch [CDU/CSU]: Und jetzt ist die PDS drin!)

    So wurde, wie das Bundesverfassungsgericht ausführt, Herr Bötsch, für Parteien der ehemaligen Bundesrepublik eine effektive Klausel von etwa 6 % und für Parteien und Listen aus der ehemaligen DDR eine effektive Sperrklausel von 23,75 To errichtet. Daß das mit dem obersten Prinzip des Wahlrechts, nämlich dem Prinzip der Chancengleichheit, des gleichen Zähl- und Erfolgswertes jeder Stimme nicht vereinbar ist, erkennt auch ein Nicht-Jurist, nur die SPD wollte es und will es noch immer nicht erkennen und auch einige andere nicht.
    Sie, Herr Bötsch, Herr Vogel, Herr Schäuble und all die anderen, haben es von Anfang an gewußt; spätestens jedenfalls seit wir es Ihnen in der Ausschußsitzung immer und immer wieder vorgerechnet haben. Wir haben das Gesetz von Anfang an für verfassungswidrig gehalten. Wir haben Ihnen das Woche für Woche, Sitzung für Sitzung eindringlich erläutert. Und wir haben selbst schon in der ersten Sitzung einen verfassungskonformen Entwurf vorgelegt. Sie wollten sich damit nicht einmal befassen.
    Wir haben deshalb damals im Ausschuß und im Bundestag unsere Verfassungsklage vor dem Bundesverfassungsgericht angekündigt. Sie sahen auch
    da noch keinen Grund zur Überprüfung des Gesetzes. Nun hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, und es hat uns in allen Punkten recht gegeben. Eine „schallende Ohrfeige" nannte Lothar de Maizière den Richterspruch; mein Kollege Christian Ströbele nannte sie eine „Tracht Prügel".
    Das Karlsruher Urteil ist aber noch mehr als eine Ohrfeige: Es ist vor allem ein wichtiger Sieg für die Demokratie und ein wichtiger Sieg für die GRÜNEN als die einzige deutsche Demokratie- und Bürgerrechtspartei,

    (Dr. Bötsch [CDU/CSU]: Jetzt wissen wir es! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    die Sie von der Union noch nie gewesen sind, die die FDP vorübergehend, etwa 1972 mit ihren Freiburger Thesen, einmal hätte werden können, wovon sie heute aber weiter entfernt ist denn je, die wir schon lange sind und die wir in der Verbindung mit den Bürgerbewegungen aus der DDR noch mehr als bisher sein werden.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Wo wärt ihr ohne die Bundesrepublik?)

    Erlauben Sie mir an dieser Stelle noch einige Sätze zu dem für uns nach den Reden über unsere gemeinsame und getrennte Vergangenheit besonders aktuellen Thema Schuld und Verantwortung. Die etablierten Parteien, die allesamt an dieser Wahlrechtsmanipulation beteiligt waren und die ihr alle zugestimmt hatten, waschen ihre Hände jetzt in Unschuld. Sie erinnern mich an kleine Kinder, die eine Scheibe eingeworfen haben und nun alle mit dem Finger auf den anderen zeigen und sagen: Ich war es nicht, der war es; ich habe mit dieser Sache nichts zu tun. — Als jemand, der viel mit Kindern zu tun hat, muß ich übrigens gerade die Kinder vor diesem Vergleich schützen, denn kleine Kinder sind jedenfalls meistens weit besser als ihr sprichwörtlicher Ruf,

    (Zustimmung bei den GRÜNEN)

    und sie sind mit Sicherheit besser als die Wahlrechtsmanipulierer in Bonn.
    Ich möchte mich nebenbei bei Herrn Lüder für seine sehr abgewogene Rede bedanken, aber nach der Rede von Herrn Bernrath — das muß man sehr offen sagen — war diesmal die SPD ich sage das, obwohl die SPD unser theoretischer Wunschpartner ist — die treibende Kraft.
    Hans-Jochen Vogel, der noch immer das beste juristische Staatsexamen in Bayern nach dem Krieg geschrieben hat und deshalb ganz genau weiß, daß bei Wahlrechts- und Demokratiefragen die strikte Anwendung des Gleichheitsprinzips der oberste Grundsatz ist, hat schon im Ausschuß angesichts der verschiedenen Wahlrechtsentwürfe immer wieder die Frage erhoben: Cui bono? Also: Wem nützt das?
    Schon die Frage ist im Prinzip rechtswidrig, schon die Frage trägt den Keim des Verfassungsbruches in sich. Beim Wahlrecht geht es gerade nicht darum, zu fragen: Wem nützt es? Vielmehr sollte gefragt werden: Wie wird es allen in gleicher Weise gerecht?
    Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD-Fraktion, lieber Herr Vogel, Sie sollten die Frage „Cui bono?" lieber sich selbst dann stellen, wenn Sie selbst Grenzen des Verfassungsrechtes nicht mehr gelten lassen, wenn Sie Demokratie und Verfassung zum Spielball von Machtstreben und ängstlichen parteiegoistischen Interessen machen. Wem soll, vor allem aber: wem wird das nützen!



    Häfner
    Die SPD hat schon einmal die Demokratie nach dem Motto „keine Demokratie für die Feinde der Demokratie" empfindlich geschädigt. So etwa beim berüchtigten Radikalenerlaß, der in vielen Ländern noch immer nicht aufgehoben wurde.
    Dabei gilt das genaue Gegenteil: Demokratie ist nur dann Demokratie, wenn sie auch den angeblichen Feinden der Demokratie den gleichen Raum anbietet. Ich spreche dabei nicht von Straftaten, die geahndet werden können und geahndet werden müssen.

    (Zurufe von der SPD)

    Argumente und Überzeugungen müssen wir aber gelten lassen, auch wenn sie uns nicht passen. Das gilt auch für Sie, die Sie jetzt so laut dazwischenrufen.
    Wer den Mut dazu nicht hat, wer Positionen, die ihm persönlich nicht zusagen, ausgrenzen will, der setzt die Demokratie selbst aufs Spiel. Dabei wäre noch zu beweisen, ob es sich wirklich um Feinde der Demokratie oder nur um Feinde der eigenen Interessen und Absichten gehandelt hat. Die gefährlichsten Feinde der Demokratie sind jedenfalls diejenigen, die mit dem Finger auf angebliche Feinde der Demokratie weisen und die Demokratie selbst abbauen wollen.