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ID1122805100

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 11/228 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 228. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 4. Oktober 1990 Inhalt: Präsidentin Dr. Süssmuth 18015A Verzicht des Abg. Porzner auf die Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag 18017 B Eintritt des Abg. Weinhofer in den Deutschen Bundestag 18017 B Erweiterung der Tagesordnung 18017 B Tagesordnungspunkt 1: Eidesleistung von Bundesministern Präsidentin Dr. Süssmuth 18017 D Frau Dr. Bergmann-Pohl, Bundesministerin für besondere Aufgaben 18018A de Maizière, Bundesminister für besondere Aufgaben 18018A Dr. Krause, Bundesminister für besondere Aufgaben 18018B Dr. Ortleb, Bundesminister für besondere Aufgaben 18018B Dr. Walther, Bundesminister für besondere Aufgaben 18018 C Tagesordnungspunkt 2: Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung zur Politik der ersten gesamtdeutschen Bundesregierung Dr. Kohl, Bundeskanzler 18018D Brandt SPD 18029 B Dr. Dregger CDU/CSU 18032 C Dr. Knabe GRÜNE 18033 B Dr. Ullmann GRÜNE 18036 A Lafontaine, Ministerpräsident des Saarlandes 18037 D Stratmann-Mertens GRÜNE 18040 B Dr. Hirsch FDP 18041 A Dr. Gysi PDS 18043 A Wetzel GRÜNE 18044 B Stratmann-Mertens GRÜNE 18045 C Dr. Graf Lambsdorff FDP 18046A Dr. Bötsch CDU/CSU 18053 A Dr. Klejdzinski SPD 18054 B Thierse SPD 18055 C Dr. Elmer SPD 18056 C Dr. Lammert CDU/CSU 18056 D Frau Dr. Vollmer GRÜNE 18058A Dr. Wieczoreck (Auerbach) CDU/CSU 18060A Frau Unruh fraktionslos 18061 D Wüppesahl fraktionslos 18063 B Zusatztagesordnungspunkt 1: Beratung des Antrags der Fraktion DIE GRÜNEN: Anzahl der Mitglieder des Präsidiums des Deutschen Bundestages Frau Birthler GRÜNE 18065 C Bohl CDU/CSU 18066 A Jahn (Marburg) SPD 18066 C Wolfgramm (Göttingen) FDP 18067 A Frau Birthler GRÜNE 18067 C Dr. Steinitz PDS 18067 D Wüppesahl fraktionslos 18068A, D II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Oktober 1990 Zusatztagesordnungspunkt 2: Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Zehnten Gesetzes zur Änderung des Bundeswahlgesetzes sowie zur Änderung des Parteiengesetzes (Drucksache 11/8023) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 3: Erste Beratung des von der Fraktion DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bundeswahlgesetzes (Drucksache 11/8033) Dr. Schäuble, Bundesminister BMI 18070B Bernrath SPD 18071 B Frau Birthler GRÜNE 18071 D Lüder FDP 18072 D Dr. Knabe GRÜNE 18073 B Jahn (Marburg) SPD 18073 C Häfner GRÜNE 18074 B Dr. Heuer PDS 18076 B Gerster (Mainz) CDU/CSU 18077A, 18079 C Stahl (Kempen) SPD 18077 D Reddemann CDU/CSU 18078 A Westphal SPD 18079 A Wüppesahl fraktionslos 18079D, 18080D Frau Unruh fraktionslos 18080 B Zusatztagesordnungspunkt 4: Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 12. September 1990 über die abschließende Regelung in bezug auf Deutschland (Drucksache 11/8024) 18081 A Nächste Sitzung 18081 C Berichtigung 18081 Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 18083 A Anlage 2 Liste der Abgeordneten, in deren Namen der Abgeordnete Conradi eine mündliche Erklärung nach § 31 GO zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 31. August 1990 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands — Einigungsvertragsgesetz — (Drucksachen 11/7760, 11/7817, 11/7831, 11/7841, 11/7920, 11/7931, 11/7932) abgegeben hat 18083* C Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Oktober 1990 18015 228. Sitzung Berlin, den 4. Oktober 1990 Beginn: 10.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Berichtigung 225. Sitzung, Seite 17797 * C, Zeile 17: Statt „.. 2-39 Jahre. " ist „... 12-39 Jahre." zu lesen. Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Oktober 1990 18083* Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens SPD 05. 10. 90 * Büchner (Speyer) SPD 05. 10. 90 * Dr. Gautier SPD 05. 10. 90 Gerster (Worms) SPD 05. 10. 90 Grünbeck FDP 05. 10. 90 Hornhues CDU/CSU 05. 10. 90 Kalisch CDU/CSU 05. 10. 90 Kastning SPD 05. 10. 90 Müller (Düsseldorf) SPD 4. 10. 90 Frau Nickels GRÜNE 5. 10. 90 Schäfer (Offenburg) SPD 05. 10. 90 Dr. Schulte (Schwäbisch CDU/CSU 05. 10. 90 Gmünd) Steiner SPD 05. 10. 90 * Wischnewski SPD 05. 10. 90 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 2 Liste der Abgeordneten, in deren Namen der Abgeordnete Conradi eine mündliche Erklärung nach § 31 GO zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 31. August 1990 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands — Einigungsvertragsgesetz — (Drucksachen 11/7760, 11/7817, 11/7831, 11/7841, 11/7920, 11/7931, 11/7932) abgegeben hat* ) Antretter, Büchner (Speyer), Dr. von Bülow, Conradi, Duve, Egert, Erler, Fuchs (Verl), Gansel, Dr. Glotz, Frau Dr. Götte, Frau Dr. Hartenstein, Heyenn, Hiller (Lübeck), Dr. Holtz, Jungmann (Wittmoldt), Kirschner, Kühbacher, Frau Kugler, Kuhlwein, Lambinus, Lutz, Müller (Düsseldorf), Müller (Pleisweiler), Frau Odendahl, Opel, Peter (Kassel), Dr. Pick, Rixe, Schanz, Dr. Scheer, Schmidt (Salzgitter), Dr. Schöfberger, Sielaff, Frau Dr. Skarpelis-Sperk, Sonntag-Wolgast, Steiner, Dr. Struck, Frau Terborg, Toetemeyer (alle SPD) *) Siehe 226. Sitzung, Seite 17891 C
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    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (PDS)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: ()

    Herr Abgeordneter, Sie haben mich mißverstanden.

    (Widerspruch bei Abgeordneten der FDP)

    — Was ich sage, entscheide immer noch ich selbst. Sie entscheiden schon fast alles andere.
    Es ging um eine andere Frage. Ich wiederhole es auch hier. Ich habe gesagt: Erstens kann man diese ganze Geschichte nicht ohne den Gesamtzusammenhang in Europa, den Kalten Krieg und die Teilung in Warschauer Vertrag und NATO sehen.
    Zweitens habe ich gesagt: Was ich der Führung am meisten übelnehme, ist, daß sie nicht ab 14. August darauf hingearbeitet hat, diese Mauer zu beseitigen, sondern darauf hingearbeitet hat, sie über Jahrzehnte zu verfestigen. Ich bleibe dabei, daß dies einer der größten politischen Fehler war — von anderen ganz abgesehen, die später noch hinzukamen, insbesondere nach 1985 und den Reformen in der Sowjetunion.

    (Beifall bei der PDS — Frau Matthäus-Maier [SPD]: Das war keine Antwort!)



Rede von Dieter-Julius Cronenberg
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Abgeordneter, nun ist es soweit, daß Ihre Redezeit wirklich abgelaufen ist.



Vizepräsident Cronenberg
Das Wort hat der Abgeordnete Dr, Otto Graf Lambsdorff.

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    Rede von Dr. Graf Otto Lambsdorff


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Verehrter Herr Kollege Brandt. Ihre Anmerkung ist offenbar schnell gehört worden. Von den großen Worten sind wir in dieser Debatte inzwischen ein wenig abgekommen. Das mag zufriedenstellen.
    Ich zitiere sinngemäß Bert Brecht: Wenn einem die Wahlergebnisse nicht gefallen, dann suche man sich ein neues Volk. Und ich zitiere sinngemäß Oskar Lafontaine, wie wir ihn eben gehört haben: Die große Mehrheit draußen ist vernünftiger als die Regierungsmehrheit. Sie hat aber uns gewählt, Herr Ministerpräsident. Sie bezeugt bei Umfragen, daß sie uns für vernünftig hält; sie wird es bei Wahlen ganz genauso tun — darauf können Sie sich verlassen.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, andere vor mir haben es gesagt, und ich stehe nicht an, es für die Fraktion der Freien Demokraten zu wiederholen: Das erste Wort an diesem Tag der deutschen Einheit, auf der ersten Sitzung unseres gesamtdeutschen Parlaments muß ein Wort tiefen und ernsten Dankes und dankbarer Freude sein.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

    Wir, jedenfalls die meisten von uns, haben über Jahrzehnte auf diesen Tag gehofft. Wir haben das Ziel der Einheit nie aus den Augen verloren. Wir haben gewiß auf vielfältige, auf oft unterschiedliche Weise darauf hingearbeitet, wir haben über den richtigen Weg dorthin gestritten, aber wir hatten immer ein gemeinsames Ziel. Wir sind zuweilen kleinmütig gewesen. Wir müssen uns auch eingestehen: Auch wenn wir stets wußten, daß der Gedanke der deutschen Einheit über 40 Jahre hinweg von niemandem zerstört werden konnte, so haben wir doch oft gezweifelt, selber den Tag zu erleben, an dem die Deutschen wieder in einem Land, in einem Staat leben können. Der Zweifel war verständlich. Niemand braucht sich dessen zu schämen.
    Daß es anders gekommen ist, daß es besser gekommen ist, das macht doch das Glück der Deutschen in diesen Tagen aus. Daß wir die Einheit im Einvernehmen, mit der Zustimmung, ja mit der tatkräftigen Unterstützung unserer Nachbarn und der befreundeten Völker errungen haben, das erhöht diese Freude, erlaubt sie erst eigentlich, und deshalb danken wir ihnen an diesem Tage.
    Meine Damen und Herren, der 3. Oktober 1990 ist für uns kein Tag des Triumphes, er ist kein Tag nationaler Überheblichkeit. Wo um alles in der Welt nehmen Sie, Herr Lafontaine, Ihre Motivation dafür her, unter den heutigen Gegebenheiten auf den deutschen Nationalstaat einzuschlagen? Wer wollte den denn? Wer gestern und vorgestern alle Reden in ihrer Tonart gehört hat, dem muß doch aufgegangen sein: Wir sind weit weg von Großmannssucht.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Wer, Herr Gysi, hat das Wort „Großmacht" in den Mund genommen?

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Es ist ja richtig, daß es Nationalismus auch in Teilen Europas gibt, weil es eben Kommunisten mit dikatorischer Faust nicht gelungen ist, Nationalismus in Jugoslawien, Bulgarien, Rumänien und anderen Gegenden niederzuhalten. Aber daß wir, die Deutschen, nach unseren Erfahrungen weit vom Nationalstaat und vom Nationalismus weg sind, das wollen wir uns doch gegenseitig nicht bezweifeln. Was soll das denn?

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Nein, meine Damen und Herren, wir sind nicht überheblich, und wir täten auch nicht recht daran, wenn wir heute nicht auch Demut empfänden, und zwar Demut vor Entscheidungen der Geschichte, die wir im Westen Deutschlands gewiß mit unserer Politik beeinflußt haben — das Bild von der Stafette, Herr Brandt, hat mir gut gefallen — , die wir aber doch nicht selber getroffen haben und die wir auch gar nicht selber haben treffen können.
    Bestätigt und gestärkt sehen wir uns freilich in dem Bewußtsein und in der Erkenntnis, die all unsere Politik in der alten, in der kleineren Bundesrepublik seit ihrem Beginn immer bestimmt hat: daß die Freiheit der Menschen zwar lange unterdrückt und niedergehalten werden kann, aber nicht zerstörbar ist.
    Meine Damen und Herren, wir danken denen, die für diese Freiheit ihr Leben gelassen haben, die in die Zuchthäuser des Regimes gingen oder Bespitzelungen und Benachteiligungen aller Art auf sich nahmen.
    Dies ist nicht der Tag der Einheit allein, dies ist der Tag der Einheit in Freiheit und Recht. Wir im Westen Deutschlands haben sie immer nur so verstanden, und die Bürger der DDR haben nichts anderes gewollt. Dieses einst so fern scheinende Ziel ist Wirklichkeit geworden, mehr noch, es konnte nur Wirklichkeit werden, weil der Schrei nach Freiheit, der Ruf nach dem Staat der Bürgerrechte, auch den Teil Europas ergriff, der über Jahrzehnte in erniedrigender Knechtschaft eines Systems gehalten wurde, das den Völkern einst die Erfüllung allen irdischen Glücks versprochen hatte. Machen Sie nicht den Versuch, Herr Gysi, die Verirrungen, Fehler und Fehlleistungen dieses Systems bei Personen abzuladen. Nein, das System, das Sie über viele Jahre mit vertreten haben, trägt die Schuld!

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Dr. Mechtersheimer [GRÜNE])

    Wir wären nicht wieder zusammen ohne den Wandel in der Sowjetunion, ohne die Freiheitsbewegungen der Menschen in Budapest, in Warschau und in Prag. Wir danken ihnen dafür, und wir danken ihren Regierungen, die auch für die Freiheit in der DDR, wie sie damals bestand, Schleusen geöffnet haben. Wir werden das niemals vergessen.
    Wir in Deutschland vergessen nicht, was vor einem Jahr in den Städten der DDR geschah, in Leipzig, in Dresden, im östlichen Teil Berlins. Im Ausland und bei



    Dr. Graf Lambsdorff
    uns selbst hat man oft daran gezweifelt, daß die Deutschen zum Aufstand für die Freiheit fähig seien. Nie sind solche Zweifler deutlicher eines Besseren belehrt worden als durch die Volksbewegungen des vergangenen Jahres.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

    Diese friedliche Revolution für Freiheit, Recht und Einheit wird immer zu den großen Stunden der deutschen Geschichte gehören. Wir im Westen Deutschlands haben sie nicht vollbracht. Wir sind und bleiben dankbar dafür, daß wir diese Revolution miterleben konnten. Sie hat ein verhaßtes System der Unterdrükkung und Ineffizienz fast über Nacht davongejagt. Sie hat Deutschland, sie hat Europa verändert, ohne einen Tropfen Blut zu vergießen, und sie hat die Tyrannei einer sozialistischen Einheitspartei nicht mit Rache vergolten, sondern bemüht sich um Gerechtigkeit.
    Für uns, die wir im Westen diesen Sturm in Deutschland, in Mittel- und Osteuropa erlebt haben, erwächst aus der Dankbarkeit Verpflichtung. Die Freude über die Einheit der Deutschen, über die Freiheiten östlich unserer Grenzen wäre allzu beliebig, wenn wir uns nicht gerade heute zu dieser Verantwortung bekennen würden. Ja, wir sind ein Volk. Deutschland ist eins geworden. Das sagt sich inzwischen fast wie eine Selbstverständlichkeit. Es ist auch heute noch nicht selbstverständlich.

    (Dr. Bötsch [CDU/CSU]: Sehr wahr!)

    Die Verwirklichung dieser Einheit steht noch bevor. Sie wird ihre Zeit brauchen. Ich meine damit gar nicht vor allem die Einebnung der gewaltigen ökonomischen, sozialen und umweltpolitischen Diskrepanzen zwischen beiden Teilen unseres Landes. Der Sozialismus in der DDR hat eine umweltverseuchte Wirtschaftswüste hinterlassen, die unsere schlechtesten Erwartungen noch übertroffen hat. Jeder in diesem Hause weiß das. Ich brauche das nicht in Einzelheiten zu belegen.
    Eines, Herr Lafontaine, haben wir vorher an dieser Stelle gesagt: daß staatliche, politische und rechtliche Einheit die eine Sache ist und daß die zweite die Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse, der Einkommensverhältnisse, der Sozialverhältnisse ist. Dieses Ziel haben wir zu erreichen. Darauf brauchen Sie uns nicht aufmerksam zu machen, darüber brauchen Sie uns nicht zu belehren.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Ich habe von dieser Stelle aus gesagt, wie schwer es sein wird, den Menschen in der DDR zu erklären — um es auf den Punkt zu bringen — , daß die Lebensverhältnisse in der Bernauer Straße, Ostseite, und der Bernauer Straße, Westseite, noch für einige Zeit unterschiedlich sein werden und unterschiedlich sein müssen. Das ist nicht einfach zu verstehen. Ich weiß das. Nach vierzig Jahren dieser Zustände Geduld zu fordern ist auch nicht einfach. Aber es ist auch nicht so leicht, den Bundesbürgern zu sagen: Das geht alles innerhalb ganz kurzer Zeit zu euren Lasten. Ich komme noch zu den Kosten, zu Ihrer Lieblingsdiskussion.
    Ich will an dieser Stelle freimütig eingestehen, meine Damen und Herren, daß mir, obwohl ich mich mit der Wirtschaft der DDR vorher zu befassen versucht habe, das volle Ausmaß sozialistischer Ausbeutung und Zerstörung erst in den letzten Monaten wirklich klargeworden ist. Wir hatten da keine Illusionen.

    (Dr. Klejdzinski [SPD]: Nach der Währungsunion oder vorher?)

    — Das hängt mit der Währungsunion überhaupt nicht zusammen. Wenn die Währungsunion am 1. Juli nicht gekommen wäre und wir der DDR unsere Währung nicht gegeben hätten — das wissen Sie ganz genau, verehrter Herr Zwischenrufer — , dann hätten sich Hunderttausende weiter in Bewegung gesetzt. Wie hieß es denn in der DDR —

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    ist denn unser Gedächtnis vollständig vernagelt? — : Entweder die D-Mark kommt zu uns, oder wir kommen zur D-Mark. Das war die Parole.

    (Beifall bei Abgeordneten der FDP der CDU/ CSU und der SPD)

    Es wären die gegangen, die wir für den Aufbau und den Wiederaufbau der DDR am dringendsten benötigen. Wie kann man diese These, Herr Kanzlerkandidat, eigentlich öffentlich vertreten? Vielleicht hören Sie wieder zu.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, all das kann überhaupt kein Grund zur Resignation sein. Sie haben recht, Herr Brandt: Natürlich schaffen wir das. Wir müssen es schaffen. Es ist Ansporn zu vermehrter Anstrengung.
    Heute ist eigentlich nicht der Tag, um wirtschaftspolitische Programme zu erörtern. Trotzdem werde ich nach Ihrer Rede, Herr Lafontaine, auf einiges eingehen.

    (Zuruf von der FDP und der CDU/CSU: Er hört überhaupt nicht zu!)

    — Da hätte Herr Gysi vielleicht recht: daß wir die Debatten hier nur noch für die Fernsehzuschauer betreiben und nicht mehr unter uns und auch gar nicht mehr auf andere eingehen können. Das könnten wir dann wirklich bleiben lassen.
    Die Freien Demokraten haben in der bisherigen Bundesrepublik Deutschland unbeirrt und gegen viele Widerstände die Prinzipien der Sozialen Marktwirtschaft verteidigt und sie immer wieder ausgebaut. Wir sind überzeugt, daß diese Wirtschafts- und Sozialordnung, konsequent angewandt, auch der bisherigen DDR den Wohlstand und das Wachstum bescheren wird, das im Westen Deutschlands wie selbstverständlich hingenommen wird. Daß das seine Zeit brauchen wird, bestreitet niemand. Daß es Geld kostet, Herr Brandt und andere, bestreitet auch niemand. Wir haben das immer wieder gesagt. Natürlich muß über die Kosten diskutiert werden. Selbstverständlich müssen Leistungen erbracht werden. Aber der Begriff Kosten alleine, verehrte Frau Kollegin Matthäus-Maier, beinhaltet überhaupt keine Differenzierung mehr zwischen dem, was die staatlichen



    Dr. Graf Lambsdorff
    Haushalte einerseits, und dem, was private Investitionen und Kapitalmärkte andererseits zu leisten haben.
    Aber eines muß ich nun auch sagen. Oscar hat einmal geschrieben: — Entschuldigung, ich meine Oscar Wilde — :

    (Heiterkeit bei der FDP, der CDU/CSU und der SPD)

    Es gibt Menschen, die immer nur nach dem Preis und nie nach dem Wert fragen. An diesen Oscar, Herr Lafontaine, sollten Sie sich gelegentlich halten.

    (Beifall der FDP und der CDU/CSU)

    Ich behaupte nicht, meine Damen und Herren, daß wir die Katastrophenökonomie der DDR in kurzer Zeit heilen können. Der wirtschaftliche Tiefpunkt ist noch gar nicht erreicht. Die Talsohle ist noch längst nicht durchschritten. Niemand sollte den Neubürgern der größeren Bundesrepublik etwas vormachen. Der Wiederaufbau wird Jahre erfordern, Geduld und harte Arbeit dazu.

    (Zuruf von der SPD: Das habe ich im Wahlkampf nie gehört!)

    — Das habe ich alles im Volkskammerwahlkampf landauf, landab in der DDR gesagt. Ich kann Ihnen das Manuskript zuschicken. Täuschen Sie sich nicht. Ich mag alles mögliche sagen, was Ihnen nicht gefällt. Aber ich gehe nicht zu den Leuten und sage ihnen das Gegenteil von dem, was ich glaube und was meine Einsicht ist.
    Man braucht nur hinzugucken und sieht, daß das nicht über Nacht geht.
    Der Wiederaufbau, meine Damen und Herren, wird Jahre erfordern. Es bedarf Geduld und harter Arbeit dazu, und zwar eigener Arbeit und nicht etwa nur der Hoffnung, die Obrigkeit werde es schon richten. Wir hier müssen die Voraussetzungen schaffen, daß Arbeitswille sich auch verwirklichen kann. Und wenn Sie fragen, was denn schlimmer sei, verdeckte oder offene Arbeitslosigkeit, muß man sagen: Der Fehler der verdeckten Arbeitslosigkeit ist der, daß erstens sich alle daran gewöhnen und zweitens die Bekämpfung mit gezielten, auch politischen Mitteln, gar nicht möglich ist, weil sie in der Statistik lügenhaft verborgen wird. Das ist bei Ihnen gemacht worden.

    (Beifall bei der FDP, der CDU/CSU und der SPD)

    Wir kennen alle die Hindernisse, die marktwirtschaftlicher Entfaltung heute noch entgegenstehen. Das fängt — es ist ja erwähnt worden — beim fehlenden Telefon an und hört bei ungelösten Eigentumsfragen, trotz neuer Gesetze, noch lange nicht auf.

    (Frau Matthäus-Maier [SPD]: Ihre Schuld!)

    Wir könnten ja noch etwas mehr darüber nachdenken, was man auch mit privaten Möglichkeiten in der DDR tun kann. Zum Beispiel ist der Vorschlag des früheren Bauministers, verschenkt doch — gerichtet an die Kommunen — Wohnungen zu Eigentum an die Mieter, ihr könnt sie nicht in Ordnung halten!, völlig vernünftig, unkonventionell und richtig.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

    Ich empfehle jedem, der einmal wissen will, wie sich private Eigeninitiative in der DDR bei den kleinen Leuten auswirkt, in die Städte zu fahren, nicht nur über das äußere Bild der Bausubstanz zu klagen, sondern einmal an eine Klingel zu treten, zu drücken und in die Wohnung eines DDR-Bürgers zu gehen, um zu sehen, daß der natürlich nichts für die Außenfassade tun kann, daß der Hausflur des Hauses miserabel aussieht, wie sich die Leute aber innen ihre eigene Wohnung und ihre eigene Welt erhalten haben, weil sie sich selber dafür eingesetzt haben. Das ist das Bild unserer Mitbürger in der DDR.

    (Beifall bei der FDP, der CDU/CSU und der SPD)

    Ich habe gar keinen Zweifel: Wir können und wir werden diese Hindernisse überwinden, mit westlicher Unterstützung, von Staat und Wirtschaft, aber nicht mit westlicher Hilfe allein. Und es rührt sich ja viel mehr in der DDR.

    (Kühbacher [SPD]: Die Versicherungen können auch investieren!)

    — Das ist vollständig richtig. Ich habe ja häufig genug gesagt, daß auf dem Versicherungssektor einer Ihren Schlachtruf, Herr Bundeskanzler, vor der Volkskammerwahl falsch verstanden hat: Allianz für Deutschland.

    (Große Heiterkeit)

    Meine sehr verehrten Damen und Herren, einige Bemerkungen zu dem, was wir hier in der Diskussion gehört haben, sind wohl doch notwendig: Das die Kosten ein Lotteriespiel seien, ist schlicht falsch. Und daß wir selbstverständlich, bevor wir an die Finanzierung auch über die Kapitalmärkte zu gehen haben, die möglich und vertretbar ist — was Sie über Realzinsen gesagt haben, Herr Lafontaine, ist genauso falsch wie das, was Sie in der Debatte vor wenigen Wochen über die Erhöhung der Zinsen nach dem 1. Juli gesagt haben; es stimmt einfach nicht — —

    (Kraus [CDU/CSU]: Der weiß es doch nicht besser! — Weitere Zurufe von der SPD und der PDS)

    — Das stimmt nicht. Sie können die Zahlen nachlesen: In der Zeit nach dem 1. Juli ist die Durchschnittsrendite festverzinslicher Wertpapiere in der Bundesrepublik Deutschland gesunken und nicht gestiegen. Das Gegenteil hat er in der Debatte behauptet.

    (Widerspruch der Abg. Frau Matthäus-Maier [SPD])

    — Natürlich hat er. Lest doch nach. Frau MatthäusMaier, Sie packe ich ja nicht in dieselbe Tüte. Sie verstehen mehr davon. Das gebe ich ja gerne zu.

    (Beifall bei der FDP — Kraus [CDU/CSU]: Aber zuwenig! — Dr. Bötsch [CDU/CSU]: Es reicht aber doch nicht ganz! —Zurufe von der SPD)

    — Mit „Tüte" meine ich hier wirklich nur den Behälter, sonst nichts.
    Meine Damen und Herren, ohne Steuererhöhungen wird es nicht gehen. Bei Ihnen geht nichts ohne



    Dr. Graf Lambsdorff
    Steuererhöhungen, das kennen wir schon, das ist sozialdemokratische Wirtschaftspolitik immer gewesen.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Sie fragen nach der Klimaschutzsteuer. Wir haben ausdrücklich gesagt: Wir brauchen eine international abgestimmte Klimaschutzsteuer auf energiepolitischem Gebiet — darüber kann man vernünftig reden — , aber keine Verzerrung der Wettbewerbsverhältnisse. Sie wollen 50 Pfennig auf den Liter Benzin. Den ersten Schritt hat Ihnen Saddam Hussein schon abgenommen. Ich weiß nicht, ob Sie den zweiten nun auch immer noch tun wollen.
    Sie reden davon, daß Sie über Einkommen-, Körperschaft- und Lohnsteuer Ausgleich schaffen würden. Den schaffen Sie selbstverständlich nicht. Sie belasten mit dieser Steuer den von Ihnen vielzitierten und angeblich von Ihnen geschützten „kleinen" Mann, verkünden dazu die Ergänzungsabgabe, um dem Neidkomplex zu frönen, wohl wissend, daß das Aufkommen aus der Ergänzungsabgabe das finanzielle Problem überhaupt nicht lösen kann. Das ist Ihre Steuerpolitik.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Sie sprechen vom tatenlos hingenommenen Anstieg der Realzinsen wegen unsolider Finanzpolitik. Meine Damen und Herren, man muß einen Hühnerhof-Horizont haben, wenn man nur den Kapitalmarkt Bundesrepublik sieht. Der Kapitalmarkt ist heute ein weltweiter Kapitalmarkt. Er leidet unter amerikanischen Finanzierungsdefiziten, Leistungsbilanzdefiziten, die finanziert werden müssen, unter der Ölkrise. Das bestimmt die Zinsentwicklung. Außerdem sind hohe Realzinsen — so der Bundesbankpräsident vor zwei oder drei Wochen — immer eine Begleiterscheiung einer hochlaufenden Konjunktur, verehrter Ministerpräsident. Auch dieses könnten Sie zur Kenntnis nehmen.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Sie sprechen von den Hypothekenzinsen: Jawohl, sie sind in der Bundesrepublik von 8 auf 9,5 % und manchmal auch etwas höher gestiegen. Das stört den einen oder anderen; das ist auch richtig. In der DDR, so sagen Sie, hätten wir überhaupt keine Kenntnis davon genommen, daß es Zinssätze von 1,5 % gab, die jetzt bei 9 % liegen. Ich schicke Ihnen die Druckschrift zu, in der steht, daß die Freie Demokratische Partei eine begrenzte Zinsverbilligung genau für diese Menschen verlangt. Wenn Sie das nicht lesen, sollten Sie nicht sagen, wir hätten keine Kenntnis genommen.

    (Beifall bei der FDP — Zurufe von der SPD)

    — Nun mal langsam! Man muß erst einmal Vorschläge machen, und wir werden die Mittel dann dafür einsetzen.

    (Zurufe von der SPD)

    — Meine Damen und Herren, wir sind immer noch nicht allein an der Regierung; das werden wir auch so schnell nicht schaffen. Das waren wir bei Ihnen auch nicht.

    (Zuruf von der SPD: Jetzt ist der Kanzler schuld!)

    Herr Lafontaine, Ihr Vorschlag staatlicher Industriepolitik verzögert den notwendigen, wirklich rabiaten — ich benutze das Wort absichtlich — Umbau der früheren DDR, den ganzen Aufbauprozeß und die Angleichung der Lebens- und Sozialverhältnisse um einen unendlichen Zeitraum.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Ich will noch auf einige Einzelheiten eingehen. Herr Lafontaine, so kann und darf man nach meiner Meinung nicht argumentieren: die Waffenexportpolitik der Bundesregierung kritisieren — übrigens stammen die Richtlinien noch aus der alten Koalition — und dann gleich als Beispiel anführen: Gas in den Irak liefern. Ist das Waffenexportpolitik, oder ist das Gesetzesverletzung, die wir verurteilen und die keiner von uns will, für die wir die Gesetze verschärft haben? Das ist doch nicht die Exportpolitik der Bundesregierung!

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Sie wissen, wir sind dafür, daß der Jäger 90 nicht fliegt. Sie sagen, daß mit dem Jäger 90 100 Milliarden DM eingespart werden können. Sie benutzen offensichtlich bei Einsparungsbeträgen ein besonders großes Fernglas oder ein Vergrößerungsglas, damit Sie auf 100 Milliarden DM kommen. Kein Mensch tut das sonst. Sie reden von sich ausweitenden militärischen Tiefflügen, und Sie wissen ganz genau, daß sie zurückgeführt, eingeschränkt und begrenzt worden sind. Wir wünschen uns, daß das weitergeht. Verkünden Sie doch nicht das Gegenteil der Wahrheit!

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Aber die Frage, die Sie dann gestellt haben, gegen wen die üben, stellt die gesamte Existenzberechtigung der Bundeswehr in Frage. Sie wollen offensichtlich nicht sagen: Für wen üben die, für wen haben wir die Bundeswehr? Brauchen Sie Feindbilder?

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Herr Kollege Gysi, wer verdient am schnellen Anschluß? Ich hoffe, daß alle Bürger der DDR sehr bald so gut und so viel verdienen wie die meisten — jedenfalls wie der Durchschnitt — der Bundesbürger. Mir wäre sehr damit gedient, wenn wir das erreichen würden. Aber mit Neidparolen bringen Sie überhaupt nichts zuwege.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

    Ihr gleichmäßiges Verteilen auf unterstem Niveau haben die Leute 40 Jahre lang gehabt, davon haben sie
    die Nase voll, um nicht zu sagen: die Schnauze voll.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, die nach dem 18. März gebildete Regierung de Maizière hat für diese Arbeit erste Grundlagen gelegt, und ich will dieser Regierung auch im Namen meiner Fraktion unseren Dank und unsere Anerkennung für die ungeheure Arbeitsleistung sagen, die sie in den wenigen Monaten vollbracht hat, um den Aufbau eines zuschanden gewirtschafteten Landes in die Wege zu leiten.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)




    Dr. Graf Lambsdorff
    Sie hat sich verdient gemacht bei der Einübung der Demokratie nach über 40 Jahren Diktatur; sie hat mit Problemen kämpfen müssen, von denen wir uns im Westen vorher überhaupt keine Vorstellungen machen konnten, und sie hat es unter dem höheren Ziel der deutschen Einheit getan.
    Wir danken auch der ersten frei gewählten Volkskammer der DDR, die ihre Existenz ebenfalls beendet hat. Manchmal habe ich beim Zuhören gedacht, der Bundestag könne etwas gewinnen durch die Unmittelbarkeit, durch die Lebhaftigkeit mancher Debatte in der Volkskammer — nicht aller Debatten, wie ich hinzufügen will.

    (Beifall bei der FDP)

    Aber wir haben nicht feststellen können, daß die Volkskammer in devoter Grundhaltung debattiert habe, wie Herr Gysi in seiner Schlußrede am Montag kritisiert hat. Es waren doch wohl die früheren Volkskammern, gegründet auf Wahlfälschung und SED-Diktatur, die sich mit ihren einstimmigen Fließbandentscheidungen devot verhalten haben, Herr Gysi.

    (Beifall bei der FDP, der CDU/CSU und der SPD)

    Sie beklagen das Bild, das wir hier abgeben, kaum daß Sie hier sind. Tun Sie etwas zur Verbesserung; denn wir sind sicher alle lernfähig. Aber das Bild, das die früheren Volkskammern unter dem Vorsitz der entsprechenden Herren damals abgegeben haben, wollen wir hier nicht sehen — damit wir Klarheit haben.

    (Beifall bei der FDP, der CDU/CSU und der SPD)

    Wenn es wirklich dazu gekommen sein sollte, daß Radaranlagen nach Frankfurt/Oder verschleppt worden sein sollten — ich habe davon nichts gehört —, dann werden wir uns dagegen zur Wehr setzen. Es ist auch Ihr Recht, darauf hinzuweisen. Aber sagen Sie wenigstens einmal ein Wort darüber, was im Uranerzbergbau in Aue mit den Menschen über viele Jahrzehnte geschehen ist!

    (Beifall bei der FDP, der CDU/CSU und der SPD)

    Unser Dank gilt auch allen Bürgern, die in den vergangenen Monaten in Gemeinden, Kreisen, Bezirken, in den neu zu bildenden Ländern Verantwortung auf sich genommen haben. Wir wissen, wir ahnen von den täglichen Schwierigkeiten, den Sorgen, den oft unlösbaren Hemmnissen, die ihrer Arbeit entgegenstanden und immer noch entgegenstehen. Wir hören von den vielen Unzulänglichkeiten. Wir wollen helfen, damit fertig zu werden. Deswegen erwarten wir von der Bundesregierung, von den alten Bundesländern, von den Kommunen, von ihren Verbänden jede nur denkbare personelle Unterstützung, um in dem beigetretenen Teil Deutschlands schnell eine effiziente Verwaltung aufzubauen.
    Wie wahr, Herr Lafontaine: Die föderalistische Tradition hat sich bewährt und ist wichtig. Aber genau in dieser Situation hat sich der Föderalismus nicht bewährt mit dieser Finanzausgleichsregelung und mit
    dieser Mehrheits- und Stimmenfestlegung, kurz bevor die DDR beigetreten ist.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Die Einigung Deutschlands ist nicht vollendet, auch wenn wir uns heute über die Einheit freuen. In Wahrheit fängt sie heute erst an. Sie ist auch keine Frage von Wirtschaft und Verwaltung allein oder der Gesetze, die nun in ganz Deutschland gelten, so wichtig und bedeutsam das alles ist. Ich meine, daß diese Wiedervereinigung der Deutschen als Bürger eines Staates unsere allererste Aufgabe sein muß. Wir wollen keine zweitklassigen Bürger, Herr Gysi.
    Ich will übrigens auch einen Tisch für Sie. Hier wird baulich noch einiges verändert werden. Im 1. Deutschen Bundestag saß die Bundesregierung auch so hoch. Das hat sich dann auch geändert.

    (Heiterkeit und Beifall bei der FDP, der CDU/ CSU und der SPD)