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ID1122802100

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 11/228 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 228. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 4. Oktober 1990 Inhalt: Präsidentin Dr. Süssmuth 18015A Verzicht des Abg. Porzner auf die Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag 18017 B Eintritt des Abg. Weinhofer in den Deutschen Bundestag 18017 B Erweiterung der Tagesordnung 18017 B Tagesordnungspunkt 1: Eidesleistung von Bundesministern Präsidentin Dr. Süssmuth 18017 D Frau Dr. Bergmann-Pohl, Bundesministerin für besondere Aufgaben 18018A de Maizière, Bundesminister für besondere Aufgaben 18018A Dr. Krause, Bundesminister für besondere Aufgaben 18018B Dr. Ortleb, Bundesminister für besondere Aufgaben 18018B Dr. Walther, Bundesminister für besondere Aufgaben 18018 C Tagesordnungspunkt 2: Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung zur Politik der ersten gesamtdeutschen Bundesregierung Dr. Kohl, Bundeskanzler 18018D Brandt SPD 18029 B Dr. Dregger CDU/CSU 18032 C Dr. Knabe GRÜNE 18033 B Dr. Ullmann GRÜNE 18036 A Lafontaine, Ministerpräsident des Saarlandes 18037 D Stratmann-Mertens GRÜNE 18040 B Dr. Hirsch FDP 18041 A Dr. Gysi PDS 18043 A Wetzel GRÜNE 18044 B Stratmann-Mertens GRÜNE 18045 C Dr. Graf Lambsdorff FDP 18046A Dr. Bötsch CDU/CSU 18053 A Dr. Klejdzinski SPD 18054 B Thierse SPD 18055 C Dr. Elmer SPD 18056 C Dr. Lammert CDU/CSU 18056 D Frau Dr. Vollmer GRÜNE 18058A Dr. Wieczoreck (Auerbach) CDU/CSU 18060A Frau Unruh fraktionslos 18061 D Wüppesahl fraktionslos 18063 B Zusatztagesordnungspunkt 1: Beratung des Antrags der Fraktion DIE GRÜNEN: Anzahl der Mitglieder des Präsidiums des Deutschen Bundestages Frau Birthler GRÜNE 18065 C Bohl CDU/CSU 18066 A Jahn (Marburg) SPD 18066 C Wolfgramm (Göttingen) FDP 18067 A Frau Birthler GRÜNE 18067 C Dr. Steinitz PDS 18067 D Wüppesahl fraktionslos 18068A, D II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Oktober 1990 Zusatztagesordnungspunkt 2: Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Zehnten Gesetzes zur Änderung des Bundeswahlgesetzes sowie zur Änderung des Parteiengesetzes (Drucksache 11/8023) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 3: Erste Beratung des von der Fraktion DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bundeswahlgesetzes (Drucksache 11/8033) Dr. Schäuble, Bundesminister BMI 18070B Bernrath SPD 18071 B Frau Birthler GRÜNE 18071 D Lüder FDP 18072 D Dr. Knabe GRÜNE 18073 B Jahn (Marburg) SPD 18073 C Häfner GRÜNE 18074 B Dr. Heuer PDS 18076 B Gerster (Mainz) CDU/CSU 18077A, 18079 C Stahl (Kempen) SPD 18077 D Reddemann CDU/CSU 18078 A Westphal SPD 18079 A Wüppesahl fraktionslos 18079D, 18080D Frau Unruh fraktionslos 18080 B Zusatztagesordnungspunkt 4: Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 12. September 1990 über die abschließende Regelung in bezug auf Deutschland (Drucksache 11/8024) 18081 A Nächste Sitzung 18081 C Berichtigung 18081 Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 18083 A Anlage 2 Liste der Abgeordneten, in deren Namen der Abgeordnete Conradi eine mündliche Erklärung nach § 31 GO zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 31. August 1990 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands — Einigungsvertragsgesetz — (Drucksachen 11/7760, 11/7817, 11/7831, 11/7841, 11/7920, 11/7931, 11/7932) abgegeben hat 18083* C Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Oktober 1990 18015 228. Sitzung Berlin, den 4. Oktober 1990 Beginn: 10.00 Uhr
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    Berichtigung 225. Sitzung, Seite 17797 * C, Zeile 17: Statt „.. 2-39 Jahre. " ist „... 12-39 Jahre." zu lesen. Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Oktober 1990 18083* Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens SPD 05. 10. 90 * Büchner (Speyer) SPD 05. 10. 90 * Dr. Gautier SPD 05. 10. 90 Gerster (Worms) SPD 05. 10. 90 Grünbeck FDP 05. 10. 90 Hornhues CDU/CSU 05. 10. 90 Kalisch CDU/CSU 05. 10. 90 Kastning SPD 05. 10. 90 Müller (Düsseldorf) SPD 4. 10. 90 Frau Nickels GRÜNE 5. 10. 90 Schäfer (Offenburg) SPD 05. 10. 90 Dr. Schulte (Schwäbisch CDU/CSU 05. 10. 90 Gmünd) Steiner SPD 05. 10. 90 * Wischnewski SPD 05. 10. 90 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 2 Liste der Abgeordneten, in deren Namen der Abgeordnete Conradi eine mündliche Erklärung nach § 31 GO zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 31. August 1990 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands — Einigungsvertragsgesetz — (Drucksachen 11/7760, 11/7817, 11/7831, 11/7841, 11/7920, 11/7931, 11/7932) abgegeben hat* ) Antretter, Büchner (Speyer), Dr. von Bülow, Conradi, Duve, Egert, Erler, Fuchs (Verl), Gansel, Dr. Glotz, Frau Dr. Götte, Frau Dr. Hartenstein, Heyenn, Hiller (Lübeck), Dr. Holtz, Jungmann (Wittmoldt), Kirschner, Kühbacher, Frau Kugler, Kuhlwein, Lambinus, Lutz, Müller (Düsseldorf), Müller (Pleisweiler), Frau Odendahl, Opel, Peter (Kassel), Dr. Pick, Rixe, Schanz, Dr. Scheer, Schmidt (Salzgitter), Dr. Schöfberger, Sielaff, Frau Dr. Skarpelis-Sperk, Sonntag-Wolgast, Steiner, Dr. Struck, Frau Terborg, Toetemeyer (alle SPD) *) Siehe 226. Sitzung, Seite 17891 C
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    Rede von Dr. Alfred Dregger


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Verehrter Herr Kollege, Sie wissen, daß dieses Wahlgesetz ein Kompromiß ist. Ich darf Ihnen sagen, daß ich und auch die Fraktion von vornherein lieber ein anderes Gesetz gesehen hätten. Wir sind gern bereit, daran mitzuwirken, nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ein Wahlgesetz zu schaffen, das allgemeine Zustimmung finden kann.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, wir im freien Teil Deutschlands haben zum Erfolg der deutschen Revolution das beigetragen, was nur bei uns geleistet werden konnte. Es geht vor allem um drei politische Tatbestände. Der erste: Die Union aus CDU und CSU hat vierzig Jahre hindurch unbeirrt am Ziel der Einheit und Freiheit Deutschlands festgehalten, gegen den Rat, aber auch gegen den Willen anderer. Das war eine unentbehrliche Voraussetzung für den Erfolg der Einheits- und Freiheitsbewegung in der DDR. Hätten wir nämlich nicht auf der einen deutschen Staatsbürgerschaft bestanden, dann hätten unsere Botschaften in Budapest, Prag und Warschau den Flüchtlingen aus der DDR keine Reisepässe der Bundesrepublik Deutschland ausstellen können.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP)

    Deshalb sage ich: Die von uns verteidigte einheitliche deutsche Staatsangehörigkeit hat zum Zusammenbruch des SED-Regimes nicht weniger beigetragen als die Tatsache, daß diesmal — anders als 1953 — dank Gorbatschow die russischen Panzer in den Kasernen geblieben sind.
    Auch die Erfassungsstelle in Salzgitter, aus deren Finanzierung sich die sozialdemokratisch regierten Bundesländer leider zurückgezogen hatten, darf nicht unerwähnt bleiben. Gewiß, die Erfassungsstelle hat den Stasi-Terror nicht verhindern können, aber sie hat ihn wahrscheinlich gebremst. Heute gibt sie die Möglichkeit, die Verbrechen des SED-Regimes, die größer und schwerer sind, als alle vermutet haben, in einem rechtsstaatlichen Verfahren zu ahnden.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Neben dem Festhalten an der Einheit und der Freiheit Deutschlands war es die Soziale Marktwirtschaft, die uns auch für das Ziel der deutschen Einheit politisch handlungsfähig gemacht hat. Ohne sie wäre die relativ kleine Bundesrepublik Deutschland heute nicht das führende Industrieland in Europa, das drittgrößte Industrieland der Welt und, abwechselnd mit den USA, der größte Exporteur der Erde.
    Hinzu kommt, daß die Ergebnisse der Sozialen Marktwirtschaft die kommunistische Propaganda jeden Tag aufs neue ad absurdum geführt haben. Wir, die CDU/CSU, haben mit Ludwig Erhard an der Spitze dieses erfolgreichste Wirtschafts- und Gesellschaftsmodell der Gegenwart entwickelt und mit Hilfe der FDP gegen den Widerstand der SPD durchgesetzt. Darauf sind wir stolz, und daran halten wir fest, auch jetzt,

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    wenn es darum geht, die neuen Bundesländer von Mecklenburg-Vorpommern bis Thüringen zu entwikkeln. Sie sind ja durch den Sozialismus jahrzehntelang aufs schwerste geschädigt worden.
    Überfordert uns die Wiedervereinigung finanziell? Das ist eine Frage, die von der SPD einige Male aufgeworfen wurde. Ich meine: nein. Die Bundesrepublik Deutschland hat glänzende Wirtschafts- und Finanzdaten und geht mit konsolidierten Haushalten bei Bund, Ländern und Gemeinden in die Belastungsphase der ersten Jahre der Einheit. Ich will nur drei Daten nennen: Der Zuwachs des Bruttosozialproduktes liegt seit einigen Jahren real bei 4 % und darüber; das ist eine Rekordposition in Europa. Seit Mitte 1983 hat sich die Zahl der Arbeitsplätze in Westdeutschland um über zwei Millionen vermehrt. Die Kurzarbeit spielt heute gesamtwirtschaftlich keine Rolle mehr. Die Zahl der offenen Stellen wächst. Dank der Steuerreform von 1986 bis 1990 mit einem Entlastungsvolumen von 50 Milliarden DM wird die Steuerquote in diesem Jahr mit 22,5 % den niedrigsten Stand seit 30 Jahren haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Trotzdem oder gerade deshalb wachsen die Staatseinnahmen. Das macht die deutsche Wirtschaft investitionsfähig und begründet den Wohlstand der breiten Schichten unseres Volkes. Kein Zweifel, meine Damen und Herren: Wir sind für die Einheit wirt-



    Dr. Dregger
    schaftlich und finanziell heute besser gerüstet als je zuvor.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Die Lage in der ehemaligen DDR ist in der Zeit des Übergangs natürlich schwierig. Der Weg von einer maroden Staatswirtschaft zu einer international wettbewerbsfähigen Sozialen Marktwirtschaft führt unvermeidlich durch ein Tal. Aber der Erfolg in wenigen Jahren steht außer jedem Zweifel. Erste Hoffnungszeichen sind erkennbar: Der Bundeskanzler hat in der Regierungserklärung einige Daten wiedergegeben. Ich möchte mich auf den Monatsbericht der Bundesbank für September beziehen, also das Neueste, was zu erhalten war. Die Bundesbank schreibt dort:
    Schon heute hat sich die Versorgungslage der DDR dank der freien Verfügbarkeit des westlichen Warenangebots und des günstigen Umtauschs der Ersparnisse der Bevölkerung bei Einführung der D-Mark wesentlich verbessert. Im Juli blieben die Verbraucherpreise um 5,5 % hinter ihrem Stand — in Mark (Ost) — vor Einsetzen der Preisfreigabe im vergangenen April und damit auch gegenüber dem Vorjahr zurück. Gleichzeitig
    — so heißt es im Septemberbericht der Bundesbank —
    wurden die Löhne und Gehälter bis zum Sommer zum Teil ganz beträchtlich angehoben, und zwar im allgemeinen weit stärker, als es dem Anstieg der Abzüge nach der Einführung des Steuer- und Sozialversicherungssystems der Bundesrepublik in der DDR entsprochen hätte.
    Fazit der Bundesbank — ich zitiere — :
    Die Realeinkommen weiter Teile der Bevölkerung wurden daher erheblich gestärkt.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP)

    Noch eine erfreuliche Nachricht: 140 000 junge Menschen in der früheren DDR haben eine Lehrstelle gefunden. Damit ist die Zahl derjenigen, die noch einen Ausbildungsplatz suchen, auf ca. 15 000 gesunken. Jetzt, meine Damen und Herren, geht es um die Stärkung der Produktivität und die Gründung neuer Handwerks-, Dienstleistungs- und Industrieunternehmen. Die vom Bundeskanzler genannten Zahlen sind ermutigend.
    Wir brauchen in der DDR jetzt das, was nach dem Kriege Westdeutschland aus den Trümmern an die Spitze der Weltrangliste geführt hat: die freien, sich selbst verantwortenden Wirtschaftsbürger. Bis sie sich voll entfaltet haben, wird noch eine Weile vergehen. Der Kahlschlag der sozialistischen Genossendiktatur, der staatlichen Kommandowirtschaft wirkt noch nach. Aber die sozialistischen Barrieren fallen jetzt weg. Es wird sich sehr schnell zeigen: Demokratie und Marktwirtschaft bedingen einander. Eine funktionierende rechtsstaatliche Demokratie ist zugleich die wichtigste Voraussetzung für den wirtschaftlichen Erfolg.
    Auch unter diesem Aspekt haben wir Anlaß zur Freude, daß gestern 16 Millionen Deutsche nach mehr als einem halben Jahrhundert der Unfreiheit eine Verfassungsgarantie für ihre Grundrechte, für ihre persönliche Freiheit und damit für ihre Menschenwürde erhalten haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU, der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

    Ein Drittes möchte ich als entscheidenden politischen Tatbestand sowohl für die Wiederherstellung der Einheit und Freiheit Deutschlands als auch für seine zukünftige Politik hervorheben. Konrad Adenauer hat in den fünfziger Jahren die Weichen für eine Außenpolitik gestellt, die den Weg zur Einheit geöffnet hat. Am Anfang stand die klare Entscheidung für den Westen. Diese Entscheidung war moralisch und politisch richtig. Ohne sie hätten wir heute keine Verbündeten im Westen und keine Optionen im Osten. Der Ring des Mißtrauens hätte sich längst wieder um unser Land geschlossen.
    Die damalige Entscheidung war moralisch richtig, weil wir dadurch in eine Gemeinschaft von Staaten eintraten, für die Freiheit, Demokratie und Menschenrechte zur Staatsräson gehören. Sie war politisch richtig, weil wir Einheit und Freiheit für Deutschland und Europa aus eigener Kraft nicht hätten erreichen können. Dazu brauchten wir den Rückhalt und den Beistand der freien Welt.
    Im Deutschlandvertrag von 1952 haben sich unsere Alliierten die Zielsetzung der von Konrad Adenauer konzipierten Deutschlandpolitik zu eigen gemacht. Die Lösung der offenen deutschen Frage wurde so zu einer Sache des gesamten Westens. Das war Konrad Adenauers große historische Leistung, deren bahnbrechende Bedeutung für die Zukunft nicht nur Deutschlands, sondern Europas uns heute bewußt ist; denn sie wirkt über den Tag der Vereinigung Deutschlands hinaus fort.
    Was Konrad Adenauer begonnen hat, wurde von Helmut Kohl bei seiner historischen Begegnung mit Michail Gorbatschow am 16. Juli im Kaukasus vollendet. Das vereinte Deutschland ist Mitglied der Europäischen Gemeinschaft und der Nordatlantischen Allianz.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Die Sowjetunion stimmt dem zu. Das Ergebnis ist Stabilität für Deutschland und für das sich wandelnde Europa.
    Das neue Deutschland tritt damit unter glücklicheren Bedingungen in die Geschichte ein, als es dem Bismarck-Reich nach 1871 vergönnt war. Dieses stand bald allein. Wir dagegen sind Verbündete des Westens und wichtige Partner des Ostens. So muß es bleiben — im Interesse des Friedens und der gesamteuropäischen Zusammenarbeit.
    Von besonderer Bedeutung ist und bleibt unser Verhältnis zu den USA. Ohne ihre Anwesenheit in Europa hätten wir uns weder in der Berlin-Krise noch in anderen schwierigen Situationen behaupten können. Keiner unserer Verbündeten hat uns im deutschen Einigungsprozeß mehr unterstützt als die Amerikaner, allen voran Präsident Bush. Auch in Zukunft bleiben wir auf ihre Unterstützung angewiesen.
    Das gilt insbesondere für die Sicherheitspolitik, in der Europa — trotz deutschen Drängens — bisher keine nennenswerten Einigungsfortschritte gemacht hat. Das berührt meines Erachtens auch die euro-



    Dr. Dregger
    päische Einigungspolitik insgesamt. Ich jedenfalls kann mir nur schwer eine europäische Währungsunion vorstellen, wenn es nicht auch zu einer europäischen Sicherheitsunion kommt. Beide Felder der Politik berühren die politische Existenz der beteiligten europäischen Staaten. Es ist schwer einsehbar, daß nur das eine Feld zum Gegenstand der Einigungspolitik gemacht wird, das andere aber nicht. Zur politischen Union Europas gehört, daß in den kommenden Jahren beide Gebiete zum Gegenstand der politischen Einigung werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Westbindung heißt nicht, Abwendung vom Osten. Rußland ist seit dem Beginn des 18. Jahrhunderts europäische Großmacht. Es will auch in Zukunft Einfluß auf die europäische Entwicklung haben. Wir stemmen uns dem nicht entgegen. Im Gegenteil, wir fördern es im KSZE-Prozeß mit dem Ziel, bündnisübergreifende Strukturen in Europa zu schaffen. Allerdings ersetzt die KSZE weder die NATO noch die Bundeswehr. Wir haben in dieser Stunde allen Anlaß, unseren Soldaten und unseren Alliierten für ihren Friedensdienst in Deutschland zu danken. Ohne ihn wäre der friedliche Wandel in Europa nicht möglich gewesen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Aber wir arbeiten an der Entmilitarisierung der OstWest-Beziehungen. Wir wissen: Die Sowjetunion braucht — wie alle — volle Regale und zufriedene Menschen. Das kann sie nicht durch militärische Überrüstung erreichen, sondern nur durch Zusammenarbeit mit dem Westen.
    Als größtem Handelspartner der Sowjetunion fällt uns dabei eine besondere Verantwortung zu. Wir werden sie mit Engagement und Besonnenheit wahrnehmen. Der am 3. September in Moskau paraphierte Partnerschaftsvertrag zwischen der Sowjetunion und uns, von dem der Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung bereits gesprochen hat, schafft dafür eine Grundlage. Wir können uns dabei auf wechselseitig gute Erfahrungen in der technisch-ökonomischen Zusammenarbeit stützen. Letztlich ist diese Aufgabe für uns keine Last, sondern eine große Zukunftschance, die wir möglichst im Zusammenwirken mit den anderen europäischen Staaten jedenfalls im Interesse ganz Europas wahrnehmen werden.
    Die Redner beim gestrigen Staatsakt und auch die meisten heute haben alle Deutschen aufgefordert, gerade jetzt in Solidarität zusammenzustehen. In diese Solidarität sollten wir vor allem auch die Deutschen einbeziehen, die durch die Grenzregelung mit Polen in besonderer Weise betroffen werden. Ich meine damit diejenigen, die aus ihrer Heimat in Ost- und Westpreußen, in Danzig, in Pommern, in Ostbrandenburg und in Nieder- und Oberschlesien vertrieben worden sind. Ich meine damit ferner diejenigen, die heute dort als deutsche Minderheit leben.
    Zu dieser Solidarität gehört nach meiner Auffassung, daß in dem künftigen Vertragswerk mit Polen nicht nur der Grenzverlauf beschrieben, sondern auch der Charakter dieser Grenze geregelt wird. Sie muß einen europäischen Charakter erhalten, wie es in
    Westeuropa erreicht wurde. Das Recht auf die Heimat und die Volksgruppenrechte der Deutschen müssen in diesem Vertragskomplex ihren Niederschlag finden.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Ich bitte die deutschen Heimatvertriebenen und die Deutschen, die jenseits von Oder und Neiße leben, eindringlich, sich dieser konstruktiven Aufgabe zuzuwenden und an ihrer Erfüllung engagiert mitzuarbeiten.
    Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion steht den ostdeutschen Heimatvertriebenen und den in ihrer Heimat verbliebenen Deutschen auch in Zukunft als Gesprächspartner selbstverständlich zur Verfügung. Ich meine, meine Damen und Herren, Sie können doch nicht diese Gruppen unseres Volkes von der Solidarität ausschließen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Meine Damen und Herren, die Wiederherstellung der Einheit Deutschlands schafft nicht nur Freiheit und Wohlstand, sie schafft auch Frieden. Die militärische Konfrontation auf deutschem Boden ist beendet. Der Streitkräfteabbau und der Rückzug der sowjetischen Streitkräfte aus Ungarn, der Tschechoslowakei, der DDR und demnächst auch aus Polen erhöht unsere Sicherheit.
    Für den Abzug aus der DDR zahlen wir an die Sowjetunion 13 Milliarden DM. Das ist viel Geld; aber es ist eine gute Investition auch im Hinblick auf die künftige Zusammenarbeit zwischen Deutschland und der Sowjetunion.
    Schon jetzt erlauben uns diese Veränderungen, die Wehrpflicht von 15 Monaten auf 12 Monate zu verkürzen.
    In der Golfkrise arbeiten die USA und die Sowjetunion im Rahmen der UNO zum ersten Mal zusammen. Dazu wäre es ohne die Friedens- und Einigungspolitik in Europa, die ganz wesentlich von Bundeskanzler Helmut Kohl und seinem Außenminister Hans-Dietrich Genscher mitgetragen worden ist, nicht gekommen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Der Dreiklang unserer Nationalhymne ist seit gestern Wirklichkeit: Einigkeit und Recht und Freiheit für das deutsche Vaterland. Für dieses Ziel sind vor einem Jahr die Deutschen in Leipzig, in Dresden, in Berlin, in der gesamten ehemaligen DDR auf die Straßen gegangen. Sie haben sich in freien Wahlen für ein einiges und freies Deutschland entschieden, in dem sie sich nach zwölf Jahren brauner und 40 Jahren roter Diktatur endlich wieder heimisch fühlen wollen.
    Das vereinte Deutschland ist kein Provisorium — Herr Ministerpräsident Lafontaine, so haben Sie sich ausgedrückt.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Können Sie sich vorstellen, daß ein französischer Politiker Frankreich als Provisorium bezeichnen würde? Nein, das geteilte Deutschland war ein Provisorium, und ein illegitimes dazu. Das vereinte Deutschland ist unser Vaterland, das wir lieben und an dem wir festhalten.
    Meine Damen und Herren, wer ein gestörtes Verhältnis zu seinem Vaterland hat, der wird auch Europa nicht bauen können; denn die politische Union Europas wird ein Bund seiner Völker sein, deren Staaten,



    Dr. Dregger
    anders als in den USA, nicht nur administrative Einheiten sind, sondern auch das Gehäuse nationaler Kulturen, die zu Weltkulturen wurden. Die Vielfalt der Kulturen ist der Reichtum Europas. Halten wir an ihm fest!

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Deutschland ist heute ein Pfeiler der Stabilität des Friedens und der Zusammenarbeit. Das Vertrauen, das ihm in Ost und West zur Zeit mehr als früher entgegengebracht wird, zu bewahren und zu mehren, sollte unsere allerwichtigste Zukunftsaufgabe sein.
    In diesem Sinne wünsche ich im Namen der ersten gesamtdeutschen CDU/CSU-Bundestagsfraktion der ersten gesamtdeutschen Regierung unter Bundeskanzler Helmut Kohl Glück und Gottes Segen, von dem wir uns in den hinter uns liegenden Jahren getragen fühlten und auf den wir auch in Zukunft hoffen.
    Ich danke Ihnen.

    (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU — Beifall bei der FDP)



Rede von Heinz Westphal
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Ullmann.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Wolfgang Ullmann


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Schwerter zweier Weltkriege, des Kalten Krieges und des Klassenkampfes umzuschmieden zu Pflugscharen der Demokratie, das ist die Aufgabe, vor die der Vollzug der Einigung Deutschlands uns stellt.

    (Beifall bei den GRÜNEN und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

    Das Denkmal, das uns diese Aufgabe auszudrücken hilft, steht neben dem Palast der Vereinten Nationen in New York. Eine Wandinschrift auf dem Platz der Vereinten Nationen erinnert zusätzlich an das JesajaWort, das der Bildhauer darstellen wollte. Das Denkmal selbst war ein Geschenk der Sowjetunion an die Vereinten Nationen.
    Die jungen Leute der Friedensbewegung in unserem Land, die dieses Zeichen Anfang der achtziger Jahre als Aufnäher an ihren Ärmeln trugen, wurden polizeilich verfolgt und mehr als einmal mißhandelt. So umschreibt dieses Symbol die Dimensionen der Aufgabe, die vor uns steht.

    (Beifall bei den GRÜNEN und bei Abgeordneten der PDS sowie des Abg. Heinrich [FDP])

    Denn zwischen die Verantwortungsträger der heutigen Welt und unsere Nachbarn im Westen und im Osten sehen wir uns gestellt, wenn wir die Debatte darüber aufnehmen, wie sich Vereinigung und Demokratisierung im deutschen Vereinigungsprozeß zueinander verhalten.
    Die Bürgerbewegungen Osteuropas, von denen die in der ehemaligen DDR immer nur ein Teil gewesen sind, haben besondere Erfahrungen, aber auch besondere Impulse in diesem Vereinigungsprozeß zu vertreten, zuallererst den entschiedenen Willen, an Freiheit und Demokratie den ihren Völkern gebührenden Anteil zu gewinnen.
    Seit dem Ende des Ersten Weltkrieges fordern die osteuropäischen Völker ihre Freiheit, und noch heute sind sie weit entfernt davon, sie in dem Umfang erlangt zu haben, daß Demokratie der selbstverständliche Inhalt des politischen Alltags geworden wäre.
    Es war dieser Zusammenhang, in dem auch die Bürgerbewegungen unseres Landes nach dem Ende der deutschen Teilung verlangt haben. Einer der entscheidenden Texte dieser Bewegung aus dem Jahre 1987, der aus einer Protestaktion aus Anlaß des 25. Jahrestages des Mauerbaus hervorgegangen ist, trägt die Überschrift „Absage an Prinzip und Praxis der Abgrenzung". Der Text selbst, der sich dann hauptsächlich mit Fragen der Reisefreiheit nach Ost und West beschäftigt, stellte seine Forderungen im Interesse des demokratischen Dialogs freier und mündiger Bürger.
    Was nun Leute der Bürgerbewegungen von anderen unterschied, die über die Spaltung Europas und Deutschlands nachdachten, war ein klares Bewußtsein davon, daß die Übertragung der Grundsätze westlicher Demokratie in die Osthälfte Europas ohne deren beträchtliche Ergänzung und Erweiterung nicht gelingen kann.

    (Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der PDS)

    Solchen Übertragungsversuchen drohte das gleiche Schicksal wie Wilsons 14 Punkten: Formuliert als Programm der Befreiung osteuropäischer Völker, zerbrach es am Widerstand derer, die nicht einsahen, daß demokratische Freiheiten etwas anderes sind als individuelle Rechte, die man zusprechen oder versagen kann. Worum es vielmehr geht, ist, das durchzusetzen, was Wilson die Herrschaft des Rechtes genannt hat: einen politisch-sozialen Zustand, in dem solche Rechte zuallererst durchsetzbar und darum auch zuerkennbar werden. Mit anderen Worten: Demokratie ist nicht nur eine innenpolitische Frage nach einer bestimmten Verfassungsform, sie ist auch eine außenpolitische Forderung, die nach einer Völkerdemokratie als der Voraussetzung dafür,

    (Beifall bei Abgeordneten der GRÜNEN und der SPD)

    daß externe politische Abhängigkeiten nicht Demokratisierung nach innen verhindern.

    (Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS)

    Sie ist auch eine Forderung nach Wirtschaftsdemokratie, d. h. die Forderung danach, daß wirtschaftliche Macht so aufgeteilt wird, daß an ihr partizipiert werden kann, wie es für jede Unabhängigkeit unerläßlich ist, ohne die individuelle demokratische Rechte nicht wahrgenommen werden können.

    (Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS)

    Mit Freude und Dankbarkeit habe ich wahrgenommen, was zu dieser Sache in der Regierungserklärung gesagt worden ist, freilich nicht ohne zu bemerken, daß gerade die Konkretisierungen auf dem Gebiet der Wirtschaft weithin gefehlt haben, und mich zu erin-



    Dr. Ullmann
    nern, daß das Visagesetz diesem Programm recht schlecht entspricht.

    (Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

    Erstmalig in der europäischen Nachkriegsgeschichte können die gestellten Forderungen auch in Osteuropa erfüllt werden. Es ist das der praktisch-politische Grund dafür, daß die Bürgerbewegungen eine Verfassungsdiskussion fordern. Die deutsche Verfassung ist ein Teilaspekt, nicht der unwesentlichste der europäischen Einigung. Es bleibt dabei: Art. 79 Abs. 3 des Grundgesetzes, d. h. föderale Struktur und föderale Gesetzgebung samt Grundrechtskatalog, sind die unrevidierbare Voraussetzung jeder Diskussion über die Deutsche Verfassung.

    (Beifall bei Abgeordneten der GRÜNEN und der SPD)

    Aber in welche Richtung soll sich diese Diskussion bewegen? Wer, meine Damen und Herren, in diesem Gebäude einen neuen Abschnitt deutscher Politik eröffnet, muß sich dazu erklären, wie er sich zu jenen Traditionen zu verhalten gedenkt, deren Symbol das Berliner Reichstagsgebäude ist. Daß in diesem Hohen Hause niemand die Absicht hat, dem verhängnisvollen Zweiten und dem katastrophalen Dritten Reich ein Viertes hinzuzufügen, das kann vorausgesetzt werden. Aber genügen die sattsam bekannten Absichtserklärungen und die oft wiederholten Hinweise auf die europäische Einbindung, um falschen Weichenstellungen zu wehren? Die Absage an das Zweite und Dritte Reich muß jetzt eine endgültige verfassungsrechtliche Gestalt annehmen.

    (Beifall bei den GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD — Dr. Bötsch [CDU/CSU]: Das haben wir schon im Grundgesetz!)

    Es ist nicht Mißtrauen gegenüber dem Verantwortungsbewußtsein deutscher Politik, sondern nüchternes Abwägen der tatsächlichen Machtverhältnisse, wenn gefragt wird, ob ein vereinigtes Deutschland als wirtschaftlicher und politischer Machtkomplex nicht eine kritische Größe erreicht, die den Interessen der Nachbarn nicht gleichgültig sein kann.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Die geforderte Absage kann verfassungsrechtlich nur die Gestalt eines Bundes deutscher Länder haben,

    (Beifall bei Abgeordneten der GRÜNEN — Dr. Bötsch [CDU/CSU]: Ja, von wegen!)

    d. h. die eines erweiterten Föderalismus, in dem Art. 31 des Grundgesetzes einen anderen Sinn und Inhalt bekäme und sich die Frage stellte, ob das Zentrum der Exekutive dieses Bundes deutscher Länder ferner so gestaltet bleiben kann, wie es Art. 65 Satz 1 des Grundgesetzes voraussetzt.
    Ein zweiter Sachbereich drängt sich auf. Kern der inhumanen Gesetzgebung des Dritten Reiches war die Außerkraftsetzung des Gleichheitsprinzips, Art. 3 des Grundgesetzes.

    (Dr. Bötsch [CDU/CSU]: Wir haben nicht die Verfassung des Dritten Reiches zu korrigieren! Wir haben das Grundgesetz seit vierzig Jahren!)

    Eine nicht nur deklaratorische Absage an diese Tradition kann heute nur die Gestalt einer verfassungsrechtlichen Festlegung haben, die das Gleichheitsprinzip ausweitet, auf die sozialrechtliche Absicherung der Frauenrechte und die volle politische Gleichstellung der Frau abhebt, auf eine exklusiv menschenrechtliche und politische, nicht phyletische Begründung des Staatsbürgerrechtes samt allen Konsequenzen für das Asylrecht sowie die schnellstmögliche Ratifikation der UNO-Anti-Apartheid-Konvention;

    (Beifall bei den GRÜNEN und bei Abgeordneten der PDS)

    denn der Zusammenhang ist offenkundig: Die Folgen der Umweltzerstörung in der Zweidrittelwelt erreichen uns in Gestalt der Flüchtlingsmassen, die vor den Toren der reichen Industriestaaten lagern. Ist es ausgerechnet den Deutschen erlaubt, das diskriminierende Wort Wirtschaftsasylanten dort zu gebrauchen, wo die Zerstörung jeglicher Lebensqualität keinen anderen Ausweg als die Flucht zuläßt?

    (Beifall bei den GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der PDS)

    Alle wissen es: Es gibt nur das eine ökologische Globalsystem, das uns mit jenen Teilen der Welt verbindet, wo die Folgen statt der Profite unserer Wirtschaft ankommen.
    Die christlichen Kirchen haben darum den konziliaren Prozeß für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung in Gang gesetzt. Stellt sich aber für uns im geeinten Deutschland die Frage nach einer Erweiterung der Demokratie — und ohne diese Erweiterung, Herr Abgeordneter Dregger, wird es für den einen Teil der Deutschen, deren Länder sie soeben als „Entwicklungsländer" bezeichnet haben, nur zu einer Demokratie niedrigerer Stufe kommen — , so kann diese Erweiterung nur in Richtung auf die Gerechtigkeit und den Frieden jenes Prozesses gehen. Sie wären dann jene Pflugscharen der Demokratie, von denen eingangs die Rede war. „Der Acker aber ist die Welt", möchte man mit jenem bekannten Jesus-Logion hinzufügen. Und ist es nicht eine merkwürdige Welt, in der sich denen, die über eine neue Epoche in der Geschichte der Demokratie nachdenken, solche Aussprüche auf die Lippen drängen?
    Ich danke Ihnen.

    (Beifall bei den GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD, der PDS und der FDP)