Frau Matthäus-Maier, was die Frauen in der DDR angeht, so erhalten wir mit der Übergangsregelung, die geplant und verabredet ist, genau deren Rechtssituation. Sie verbessert sich nicht, und sie verschlechtert sich nicht. Nach diesen Frauen haben Sie gefragt.
Zweitens. Machen Sie bitte einen sauberen Unterschied zwischen den Besitzenden und den Eigentümern. Das ist nämlich in der DDR eine ganz wichtige Frage. In der DDR sind die bürgerlichen Eigentumsbegriffe in Form von Nutzungsrechten völlig verändert und unterlaufen worden.
Wir haben doch in dem Protokoll zur Regelung der offenen Vermögensfragen festgelegt, daß in den Fällen, wo widerrechtlich enteignet worden ist, eine Rückgabe erfolgen muß, wenn das geht. In den Fällen, wo es inzwischen redlich erworbene dingliche Nutzungsrechte oder schuldrechtliche Nutzungsrechte — das ist ein Begriff, den es in unserem Rechtssystem überhaupt nicht gibt und mit dem man sich erst einmal bekannt machen muß — gibt, sollen diese geschützt werden. Wir wollen doch niemanden aus seinem Eigenheim, aus seiner Einfamilienwohnung oder aus seiner Datscha vertreiben, wenn er dies redlich erworben hat.
So bleibt es. Der Grundsatz lautet „Restitution". Wo dies nicht möglich ist, heißt der Grundsatz „Entschädigung" . Ganz wichtig ist, daß die Entschädigungsfrage bei Zukunftsentscheidungen bei denen Investitionen notwendig sind, an die erste Stelle gerückt wird.
Dafür müssen Grund und Boden her, dafür muß er verfügbar werden.
Wir halten doch nicht stur Prinzipien durch, wenn wir sehen, daß man damit die marktwirtschaftliche Entwicklung und die Entwicklung hin zu Arbeitsplätzen nicht in den Griff bekommen kann. Mehr Flexibilität und Anpassungsfähigkeit, als wir gezeigt haben, und vernünftigere Anworten auf diese Fragen, als wir sie gegeben haben und geben, kann ich mir beim besten
Willen nicht vorstellen. — Irgendwann darf man sich auch einmal loben, meine Damen und Herren.
Wir haben ja — ich sage das noch einmal — die Vorschläge gemacht, wie man den Erwerber von Grund und Boden, der sich eventuell Ansprüchen früherer Berechtigter gegenübersieht, vor solchen Ansprüchen schützen kann — ich meine, man muß ihn davor schützen, denn sonst erwirbt er nämlich nicht — und wie man gleichzeitig den früheren Berechtigten nicht einfach enteignet.
Merkwürdigerweise ist das übrigens im amerikanischen Recht und im amerikanischen Grundstücksverkehr eine ganz normale Einrichtung, weil sie über ein so sauberes Grundstücks- und Katasterwesen, wie wir es hier haben, nicht verfügen und man sich dort einfach durch den Abschluß einer Versicherung gegen Ansprüche möglicher früherer Berechtigter schützen kann und von diesen Ansprüchen dann freigestellt wird. Wenn man es bei uns über eine Versicherungslösung machen kann, ist es gut, und wenn man es über eine staatliche Garantielösung machen muß, ist es unter den heutigen Umständen ebenfalls gut.
Jedenfalls muß Grund und Boden her, damit Investitionen erfolgen können und Arbeitsplätze geschaffen werden können. Man kann das gar nicht oft genug sagen.
In den gleichen Bereich, Herr Ministerpräsident, gehört das Thema der Altkredite. Frau Matthäus-Maier, es ist nicht richtig, jetzt alle Altkredite zu streichen, weil man damit das falsche Signal an diejenigen geben würde, die ohnehin pleite gehen und pleite gehen müssen, wenn die strukturellen Anpassungen vor sich gehen.
Aber dort, wo es sanierungsfähige Betriebe gibt — der Wertmaßstab kann und sollte z. B. darin liegen, daß sich bei der Treuhandanstalt jemand meldet und sagt, er sei ein Übernehmer aus Saarbrücken, er wolle den Betrieb kaufen, man solle ihm den Altkredit erlassen, dann gehe es — , wo also jemand bereit ist, sie zu sanieren, sollte die Treuhandanstalt den Altkredit erlassen und ihn von der Kreditbank übernehmen. Das Interesse des potentiellen Übernehmers sollte Gewähr genug sein. Die Treuhandanstalt kann sie nicht alle untersuchen. So viele Wirtschaftsprüfer und so viele Gutachter gibt es gar nicht.
Der zweite Fall: Wenn jemand die Reprivatisierung ihm nach 1972 weggenommener Betriebe beantragt, also einer aus der DDR oder ein inzwischen Geflüchteter, und den Altkredit loswerden will, dann wird man nicht sein Interesse einfach an die Stelle des Bewertungsgutachtens setzen können. Aber dann wird man sagen können und müssen: Du kriegst ein Moratorium; du brauchst nicht Zinsen und Tilgung zu leisten; die übernimmt die Treuhandanstalt solange. Sie können nämlich nicht wegfallen; sonst kann die Deutsche Kreditbank die Guthaben auf den Sparkonten nicht verzinsen. Aber du bekommst ein Moratorium; in dieser Zeit prüfen wir. Wenn dann die Prü-
Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 221. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 23. August 1990 17455
Dr. Graf Lambsdorff
fung zu dem Ergebnis führt, der Laden ist ohne Altkredite sanierungsfähig, die ja zumeist zu Unrecht entstanden sind — man muß doch wissen, wie da Kredite aufgedrückt worden sind;
jawohl — , dann streichen wir eben die Kredite. Das ist doch ein praktischer und vernünftiger Ansatz, mit dem man weiterkommen kann. Da müßten wir uns eigentlich schnell verständigen können, Herr Ministerpräsident.
Meine Damen und Herren, die Verhandlungen zum Einigungsvertrag könnten bei gutem Willen wirklich bald zum Abschluß geführt werden. Aber manchmal fragen wir uns — Herr Ministerpräsident, da spreche ich Sie nun nicht in Ihrer Rolle als Kanzlerkandidat, sondern als Ministerpräsident an —, wer eigentlich die größeren Probleme macht: die neuen Bundesländer, vertreten durch die Noch-DDR, oder die Bundesländer bei uns.
Nach Auffassung der FDP sind die Finanzierungsvorschläge der Länder das Minimum dessen, was den Ländern der DDR gegeben werden muß. Aber offenbar hört beim Geld nicht nur die Gemütlichkeit auf, sondern auch die deutsch-deutsche Solidarität und eine vernünftige Handhabung des Föderalismus, meine Damen und Herren.
Wie sähe, verehrter Herr Lafontaine, das Saarland heute aus, wenn sich Bund und Länder nach der Rückgliederung so hartleibig angestellt hätten, wie wir es jetzt gegenüber den neuen Bundesländern der DDR erleben?
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich wiederhole: Dieser Tag ist Anlaß zur Freude für alle Deutschen. Er ist es auch und nicht zuletzt, weil er das neue größere Deutschland nach Europa bringt, weil wir mit der Teilung Deutschlands auch die Teilung Europas überwinden. Gerade heute, in Zeiten, da drohende Kriegswolken im Mittleren Osten aufziehen
— wir beschäftigen uns ja nachher damit —, unterstreichen wir den Beitrag zum Frieden in Europa und in der Welt, den die Deutschen leisten wollen und leisten werden.
Lassen Sie uns doch, meine Damen und Herren
— die heutige Debatte vermittelt ja einen gewissen Eindruck davon —, bei allem Meinungsstreit zusammenstehen für Gerechtigkeit, für Frieden und für Freiheit nicht nur bei uns!
Ich danke Ihnen.