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ID1122101300

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    7. Lambsdorff.: 1
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    Plenarprotokoll 11/221 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 221. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 23. August 1990 Inhalt: Begrüßung des Staatssekretärs Krause und einer Delegation aus der Deutschen Demokratischen Republik 17437 B Glückwünsche zum Geburtstag des Vizepräsidenten Stücklen 17437 B Zusatztagesordnungspunkt: Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung zur Beitrittserklärung der Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt: Aussprache zur Vorbereitung der deutschen Einheit in Verbindung mit Tagesordnungspunkt: Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu den Verträgen vom 3. August 1990 und vom 20. August 1990 zur Vorbereitung und Durchführung der ersten gesamtdeutschen Wahl des Deutschen Bundestages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik (Drucksachen 11/7624, 11/7652 (neu), 11/7716, 11/7653) Dr. Kohl, Bundeskanzler 17439 A Lafontaine, Ministerpräsident des Saarlandes 17443 D Dr. Dregger CDU/CSU 17448 C Frau Beck-Oberdorf GRÜNE 17450 C Dr. Graf Lambsdorff FDP 17451 C Bindig SPD 17453 D Frau Matthäus-Maier SPD 17454 A Trittin, Minister des Landes Niedersachsen 17455 B Dr. Waigel, Bundesminister BMF . . . . 17456 B Dr. Graf Lambsdorff FDP 17456 C Dr. Schmude SPD 17457 A Frau Unruh fraktionslos 17459 B Wüppesahl fraktionslos 17460A Zur Geschäftsordnung Jahn (Marburg) SPD . 17462C, 17464 A, 17466D Bohl CDU/CSU 17462D, 17466 D Frau Nickels GRÜNE 17463 B Wolfgramm (Göttingen) FDP . 17464D, 17467 A Hüser GRÜNE 17466 C Kleinert (Marburg) FDP 17467 B Stratmann-Mertens GRÜNE 17467 C Zusatztagesordnungspunkt: Bericht der Bundesregierung über die Tagung der WEU und EPZ-Sitzung zur Lage am Golf Genscher, Bundesminister AA 17468 B Wischnewski SPD 17470 B Lamers CDU/CSU 17473 A Frau Nickels GRÜNE 17473 C II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 221. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 23. August 1990 Dr. Lippelt (Hannover) GRÜNE . . . 17474 B Zeitler CDU/CSU 17474 C Dr. Hoyer FDP 17475 B Brück SPD 17475 C Frau Beer GRÜNE 17475 D Dr. Feldmann FDP 17477 B Dr. Müller CDU/CSU 17478 B Dr. Penner SPD 17479 A Nächste Sitzung 17479 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 17481* A Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 221. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 23. August 1990 17437 221. Sitzung Bonn, den 23. August 1990 Beginn: 15.00 Uhr
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    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Dr. Abelein CDU/CSU 23. 08. 90 Frau Adler SPD 23. 08. 90 Amling SPD 23. 08. 90 Frau Becker-Inglau SPD 23. 08. 90 Börnsen (Ritterhude) SPD 23. 08. 90 Buschbom CDU/CSU 23. 08. 90 Buschfort SPD 23. 08. 90 Dr. Daniels (Regensburg) GRÜNE 23. 08. 90 Daweke CDU/CSU 23. 08. 90 Dr. Ehrenberg SPD 23. 08. 90 Frau Eid GRÜNE 23. 08. 90 Engelsberger CDU/CSU 23. 08. 90 Frau Flinner GRÜNE 23. 08. 90 Frau Frieß GRÜNE 23. 08. 90 Frau Fuchs (Köln) SPD 23. 08. 90 Ganz (St. Wendel) CDU/CSU 23. 08. 90 Frau Geiger CDU/CSU 23. 08. 90 Gerster (Worms) SPD 23. 08. 90 Glos CDU/CSU 23. 08. 90 Grünbeck FDP 23. 08. 90 Grunenberg SPD 23. 08. 90 Dr. Haack SPD 23. 08. 90 Dr. Häfele CDU/CSU 23. 08. 90 Häuser SPD 23. 08. 90 Frau Dr. Hartenstein SPD 23. 08. 90 Heinrich FDP 23. 08. 90 Hinsken CDU/CSU 23. 08. 90 Höffkes CDU/CSU 23. 08. 90 Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Frau Hoffmann (Soltau) CDU/CSU 23. 08. 90 Hoss GRÜNE 23.08. 90 Dr. Jobst CDU/CSU 23. 08. 90 Frau Karwatzki CDU/CSU 23. 08. 90 Kirschner SPD 23.08. 90 Dr. Kunz (Weiden) CDU/CSU 23. 08. 90 Dr.-Ing. Laermann FDP 23. 08. 90 Frau Limbach CDU/CSU 23. 08. 90 Lowack CDU/CSU 23 .08. 90 Frau Männle CDU/CSU 23. 08. 90 Menzel SPD 23. 08. 90 Pesch CDU/CSU 23. 08. 90 Petersen CDU/CSU 23. 08. 90 Dr. Pick SPD 23. 08. 90 Reuschenbach SPD 23. 08. 90 Frau Saibold GRÜNE 23. 08. 90 Frau Schilling GRÜNE 23. 08. 90 Schmidbauer CDU/CSU 23. 08. 90 Frau Schmidt (Hamburg) GRÜNE 23. 08. 90 Schmidt (München) SPD 23. 08. 90 Dr. Schöfberger SPD 23. 08. 90 Schulhoff CDU/CSU 23. 08. 90 Seehofer CDU/CSU 23. 08. 90 Frau Dr. Segall FDP 23. 08. 90 Stahl (Kempen) SPD 23. 08. 90 Frau Verhülsdonk CDU/CSU 23. 08. 90 Frau Weiler SPD 23. 08. 90 von der Wiesche SPD 23. 08. 90 Wilz CDU/CSU 23. 08. 90 Windelen CDU/CSU 23. 08. 90 Frau Wollny GRÜNE 23. 08. 90
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Marieluise Beck-Oberdorf


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Frauen in der DDR und hier! Der Begriff der Freiheit hat in dieser Debatte in allen Beiträgen eine große Rolle gespielt. Ich möchte mich damit auseinandersetzen, wieviel Freiheit bei dieser Vereinigung für die Frauen übrigbleiben wird oder ob hier nicht ein Vereinigungsvertrag ansteht, in dem an der Beschneidung von Freiheiten für Frauen gearbeitet wird.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Daß die Rechte und Chancen der Frauen in der deutsch-deutschen Gemengelage bei den Herren Kohl und de Maizière nicht gut aufgehoben sind, ist uns hinlänglich bekannt. Richtig gruselig aber wird es, wenn wir uns vorstellen, wer am Dienstag morgen in der Koalitionsrunde zum Abtreibungsstrafrecht zusammengesessen hat. Da saßen die Herren Bötsch, Stoiber, Dregger, Schäuble, Seiters und Lambsdorff, was ich nicht beanstanden würde, wenn die Herren Skat gespielt hätten.

    (Heiterkeit und Beifall bei den GRÜNEN)

    Aber nein, diese Herren nahmen sich das Recht, in einer existentiellen Frage über das Leben von Frauen zu entscheiden,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Von Kindern!)

    nämlich darüber, ob und unter welchen Bedingungen Frauen darüber entscheiden können, ob sie eine Schwangerschaft austragen oder nicht. Die Tatsache, daß diese Männerrunde sich überhaupt anmaßt, so tiefgreifend in das Leben von Frauen einzugreifen, ist schon empörend genug.

    (Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

    Es gehört nicht viel dazu, sich vorzustellen, daß diese Herren nicht einmal ahnen, was in einer Frau vorgeht, die gegen ihren Willen schwanger geworden ist. Wenn diese Männer es sich vorstellen könnten, wenn sie diese Situation am eigenen Leibe erfahren könnten, würden sie kaum an solch zynischen Bevormundungsgesetzen basteln, wie es jetzt wieder einmal getan worden ist. Dazu paßt auch, wie diese Herren alle die Frauen beiseite geschoben haben, die in den vergangenen Monaten über eine Neuregelung des § 218 StGB nachgedacht haben, die sowieso schon lange ansteht, jetzt aber durch die Vereinigung noch einmal brisanter geworden ist. Die Frauen aus der Politik durften nicht mehr als gedemütigte Kommentare in den Abendnachrichten von sich geben. Das ist
    Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 221. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 23. August 1990 17451
    Frau Beck-Oberdorf
    der Geist, meine Herren, der dieser Runde entspricht.
    Ich glaube, daß der Kommentator — übrigens ein männlicher Kommentator — einer Tageszeitung recht hat, wenn er konstatiert, daß es bei der von Ihnen jetzt vorgelegten Regelung um mehr geht als um Politik. Es geht um politische Unterwerfung und Demütigung. Aber es geht auch um das Sichdemütigenlassen, und das geht insbesondere an die Frauen der FDP.

    (Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

    Ich will mich in diesem kurzen Beitrag gar nicht so sehr damit auseinandersetzen, daß das von Ihnen jetzt vorgelegte Wohnortprinzip rechtspolitisch absolut skandalös ist. Wichtiger ist mir, daß es vielleicht wenigstens dieses eine Mal den Männern nicht gelingen möge, die Frauen weiter zu demütigen und zu unterwerfen. — Ich würde Sie bitten, Frau Präsidentin, für Ruhe zu sorgen. Ich finde den Krach sehr störend. Ich finde, auch dies ist ein Zeichen von Mißachtung: wenn Sie nicht bereit sind, sich mit solchen Beiträgen auseinanderzusetzen und den Rednern zuzuhören.

    (Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

    Schon lange ist in unserer Gesellschaft — und das nicht nur unter den Frauen — das Bewußtsein verankert, daß die Frage, ob eine Schwangerschaft ausgetragen oder abgebrochen werden soll, von derjenigen beantwortet und entschieden werden muß, in deren Körper der Embryo heranwächst, und daß diese Frage im Strafrecht nichts zu suchen hat. Das hat inzwischen sogar Ihre Kollegin Süssmuth vertreten.
    Können Sie sich vorstellen, meine Herren, daß in Ihrem Körper ein Kind heranwächst, das Sie nicht wollen, das Sie nicht zur Welt bringen wollen, es vielleicht auch nicht können, weil die Lebensumstände es nicht zulassen, und daß Sie per Gesetz dazu gezwungen würden? Es ist an der Zeit — und jede Frau in der DDR und auch hier weiß das — , endlich mit den Gesetzen zur Bevormundung von Frauen in diesen Fragen Schluß zu machen. Das würde ehrlicherweise die Streichung des § 218 bedeuten.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Aber wenigstens — und das wäre das mindeste — stünde jetzt an, nicht hinter die DDR-Fristenregelung zurückzufallen, die wenigstens für einen Zeitraum von zwölf Wochen die Entscheidung allein der betroffenen Frau überläßt. Das wissen die Frauen von der SPD, und das weiß auch die FDP.

    (Frau Matthäus-Maier [SPD]: Und die Männer von der SPD!)

    Deswegen legen wir heute einen Antrag vor, der genau diese Regelung vorschlägt. Ich fordere alle Frauen und Männer in diesem Hause auf, ja ich möchte sie fast beschwören: Ergreifen Sie wenigstens einmal die Chance, Druck von Frauen wegzunehmen, statt ihn auch noch zu verstärken!

    (Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

    Wir GRÜNEN werden dem Antrag der SPD zur Festschreibung des Tatortprinzips zustimmen, weil wir helfen wollen, jede Verschlechterung für Frauen zu unterbinden. Aber, mit so wenig kann sich die SPD
    nicht davonschleichen. Es müssen mehr Initiativen von Ihnen kommen.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    In der nächsten Legislaturperiode wird dann die Zeit gekommen sein, unter den Frauen in der Gesellschaft und letztlich dann in diesem Hause noch einmal darum zu streiten, daß der § 218 endlich aus dem Strafgesetzbuch gestrichen wird.

    (Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)



Rede von Dr. Rita Süssmuth
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Abgeordnete Graf Lambsdorff.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Graf Otto Lambsdorff


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Heute morgen um 3 Uhr kam Jubel in der Volkskammer auf, als der PDS-Vorsitzende Gysi den Untergang der Deutschen Demokratischen Republik konstatierte. Der endlich gefaßte Beschluß der Volkskammer über den Beitritt nach Art. 23 GG zum 3. Oktober 1990 zieht den Schlußstrich unter mehr als 40 Jahre kommunistischer Zwangsherrschaft im anderen Teil unseres Vaterlandes.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Wir, die FDP in Ost und in West, sagen: Das ist mehr als ein notarieller formaler Akt. Es ist der Sieg der Freiheit über die Unfreiheit, der Menschenrechte über Gewaltherrschaft, der Sieg des Geistes der Demokratie über den Ungeist der Diktatur.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Aber, Herr Ministerpräsident, ich möchte in dem Zusammenhang eine Anmerkung zu Ihrer Bemerkung zum Thema Einwanderung aus Osteuropa machen. Wenn wir die offenen Grenzen in Europa wollen, dann ist nicht mit verwaltungstechnischen Tricks und Mitteln dagegen anzugehen, sondern dadurch, daß man in diesen Ländern hilft, wirtschaftlich und auch politisch stabile Verhältnisse zu schaffen und den Menschen das Bleiben zu ermöglichen. Das kann die einzige Anwort sein.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Es ist, meine Damen und Herren, heute wahrlich Anlaß zur Freude für alle Deutschen. Ja, wir sind ein Volk, wir sind ein Land, und wir werden wieder ein Staat. Wir sind frei, wir entscheiden über unser Schicksal selbst. Für meine Partei und meine Fraktion sage ich deshalb in so einfachem und klarem Deutsch wie nur möglich: Wir freuen uns heute.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Wir waren immer für frühen Beitritt und frühe Wahlen. Deshalb stimmen wir dem Wahlrechtsvertrag selbstverständlich zu.
    Nun, meine Damen und Herren, niemand von uns verkennt die Probleme. Aber sehen wir die Probleme eigentlich in den richtigen Proportionen, oder — besser gesagt — diskutieren wir sie in den richtigen Proportionen? Wir sind es gewohnt, wir haben es geübt und gelernt, kontrovers zu diskutieren. Aus den Reaktionen auch unseres Publikums wissen wir, daß das häufig genug auf Unverständnis und Kritik stößt. Überfordern wir nicht die Menschen in der DDR
    17452 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 221. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 23. August 1990
    Dr. Graf Lambsdorff
    manchmal mit der Form unserer Auseinandersetzungen? Mancher Brief, manches Gespräch zeigt mir jedenfalls, daß es schwerfällt, nach vierzig Jahren von einem zum anderen Tag mit so viel Meinungsvielfalt in dieser Form konfrontiert zu werden. Ist denn der rote Faden noch erkennbar, dem wir folgen wollen zu dem für uns Liberale jedenfalls selbstverständlichen Ziel: ein Volk, ein Land, ein Staat, eine Gesellschaft, eine Sozialordnung, ein Lebensstandard oder, Herr Ministerpräsident, wie Sie sagen, Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse; damit bin ich einverstanden; so können Sie das auch nennen.
    Sie haben auch die kulturelle Dimension angesprochen. Sie haben gemeint, Sie wollten diese kulturelle Dimension bewältigen helfen, zum Beispiel mit — die beiden Namen haben Sie genannt — Christa Wolf und Günter Grass. Wer die ganze Auseinandersetzung, angefangen bei Frank Schirrmacher und Hellmuth Karasek mit Christa Wolf und mit Günter Grass verfolgt hat, der wird hinzufügen müssen, daß Reiner Kunze und seine Freunde in dieser Auseinandersetzung eine erhebliche Rolle spielen

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    und wohl eine bessere Rolle gespielt haben, als wir das bei den von Ihnen genannten erlebt haben.

    (Frau Dr. Vollmer [GRÜNE]: Sie suchen sich immer die aus, die für Sie bequemer sind!)

    Aber Sie haben vernünftiger- und richtigerweise nicht etwa Hermann Kant genannt und erst recht nicht Herrn Höppner, der immer noch Mitglied der Volkskammer ist und dessen Auseinandersetzung mit Reiner Kunze nach dem Mordanschlag bei den Olympischen Spielen in München ja nur zu gut bekannt ist. Wir wissen um das Elend der kulturellen Dimension, wenn wir alleine die Diskussion um die Neugründung eines gesamtdeutschen Pen-Clubs verfolgen.
    Wir sehen, wie schwierig das ist mit freien Schriftstellern und Künstlern auf unserer Seite und zum guten Teil staatsbesoldeten Schriftstellern, Mitgliedern des Schriftstellerverbandes auf der anderen Seite. Als Mitglied aus dem Schriftstellerverband ausgeschlossen zu werden, hieß ja nicht nur, aus einer Organisation ausgeschlossen zu werden, sondern es hieß, Privilegien, ja Gehalt, die Lebensgrundlage zu verlieren. Das war die Wirklichkeit der DDR. Es wird schwer genug werden. Aber ich stimme Ihnen zu, daß es notwendig ist, diese Diskussion zu führen.
    Meine Damen und Herren, wir wissen, es muß um Einzelheiten gerungen und gestritten werden. Aber es bedrückt uns schon etwas, daß unsere von diesem Pult hier ausgesprochene Befürchtung sich täglich bestätigt, wonach jeder Tag Wahlkampf mehr ein Tag zuviel ist, um die Ziele in der DDR besser erreichen zu können.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Wir erhöhen die Unsicherheit der Menschen in der DDR und in der Bundesrepublik. Ich fürchte, wir destabilisieren Vertrauen. Damit verzögern wir — der Herr Bundeskanzler hat es richtig gesagt — Investitionen. Bei Investitionsentscheidungen in der Marktwirtschaft sind Risiken, sind Unsicherheiten unvermeidlich. Es ist ja gerade die Essenz der unternehmerischen Entscheidungen, Risiken abzuwägen und dann eben doch Entscheidungen zu treffen. Die Risiken des Marktes, der Produktion, des Vertriebs, der Zinsentwicklung, das ist und bleibt Unternehmensrisiko. Aber der Staat darf diesen Entscheidungsrahmen nicht einengen. Er darf nicht vermeidbare, zusätzliche Unsicherheiten schaffen.
    Der Staat, meine Damen und Herren, das sind nicht nur die Regierenden, das sind, gerade in dieser Lage, wir alle, auch die Opposition. Wer dauernd über Steuererhöhungen redet, muß sich nicht wundern, wenn Unternehmer vorsichtshalber einkalkulieren, daß der Staat ihr Tun auch durch solche Schritte weiter erschweren könnte.

    (Zuruf des Abg. Conradi [SPD]) — Natürlich war das ein Fehler!

    Jeder noch so gut gemeinte Vorschlag verstärkt die Wartehaltung, wenn aus einem solchen Vorschlag nicht schnell Entscheidung wird. Ja oder nein; Klarheit muß herrschen.
    Die wirtschaftspolitischen Probleme der DDR sind gravierend. Wer hat das denn nicht gewußt? Allerdings sind es nicht Probleme, die die Bundesregierung, der Staatsvertrag, die Wirtschafts- und Währungsunion oder die Soziale Marktwirtschaft verursacht haben. Es ist der riesige Schutthaufen, den der Sozialismus dort hinterläßt, und der muß weggeräumt werden.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Das geht nicht über Nacht. Auch in der Bundesrepublik haben wir den Wohlstand, über den wir heute verfügen, nicht in drei Monaten erreichen können. Angst und Panikmache sind in dieser Lage schlechte Ratgeber; sie verschlimmern die Dinge nur noch. Gefordert sind Besonnenheit und ein klarer marktwirtschaftlicher Kurs, damit der Rechtsrahmen der Sozialen Marktwirtschaft, den die DDR ja so zügig eingeführt hat, durch praktisches Handeln ausgefüllt werden kann. Darum geht es jetzt.
    Es bewegt sich doch, meine Damen und Herren, viel mehr in die richtige Richtung, als die Medien uns erkennen lassen. Seit Jahresbeginn wurden in der DDR 136 000 Gewerbeanmeldungen registriert, im Juli allein 36 000. Es liegen zahlreiche Anträge auf zinsgünstige Kredite aus dem ERP-Programm vor. Das Zusagevolumen umfaßt 4,7 Milliarden DM. Das Eigenkapitalhilfeprogramm läuft. Nach den Preisturbulenzen der ersten Tage zeigt sich — der Bundeskanzler hat es erwähnt; es ist doch wichtig, dies zu sagen —, daß die Preise um 5,5 Prozent niedriger liegen als im Durchschnitt des vergangenen Jahres. Für öffentliche Investitionen stehen erhebliche Mittel bereit.
    Der Stromvertrag — Herr Ministerpräsident, Sie haben es erwähnt — konnte nach Ausräumen der wichtigsten wettbewerbspolitischen Bedenken abgeschlossen werden. Es gibt nicht mehr die monopolartige Situation — hier haben Sie Unrecht — , die die Kommunen und die regionale Verteilung vom Stromgeschäft und von der Stromlieferung in der DDR ausschließt. Das ist in Ordnung gebracht worden, vielleicht nicht ganz so weit, wie wir es hier haben und
    Deutscher Bundestag — 11 Wahlperiode — 221. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 23. August 1990 17453
    Dr. Graf Lambsdorff
    wie wir es gewohnt sind. Aber es ist gegenüber dem ersten Vertragsentwurf eine deutliche Verbesserung erreicht worden. Wir finden es gut, daß der Vertrag jetzt abgeschlossen worden ist; denn damit stehen 1,9 Milliarden DM zur Soforthilfe für das DDR-Stromnetz zur Verfügung.
    Durch die Kraftwerkshilfe wird die Stromversorgung für die DDR, insbesondere auch in den kommenden Wintermonaten, sichergestellt. Es ist ein Vertrag zur Sicherung und zum Ausbau der Gasversorgung abgeschlossen worden. Die rasche Verbesserung der Kommunikationsmöglichkeiten, die zentral ist für die Funktionsweise marktwirtschaftlicher Mechanismen, geschieht. Die Post hat für den Netzausbau bis 1997 55 Milliarden DM eingeplant.
    Das alles sind doch positive Fakten und Daten, die wir nicht unter den Tisch kehren dürfen. Gewiß, die DDR-Wirtschaft befindet sich in der Übergangsphase. Aber wenn der Schutt der Vergangenheit weggeräumt ist, besteht eine ausgesprochen positive Perspektive in mittlerer Frist. Je konsequenter, je eindeutiger und je zügiger ein klarer marktwirtschaftlicher Kurs umgesetzt wird, um so schneller werden die neuen Bundesländer Anschluß an unser Niveau finden.
    Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, die Volkskammer hat ihren Beschluß an drei Voraussetzungen geknüpft:
    Erstens. Ende der Zwei-plus-Vier-Gespräche. Das ist gewährleistet. Die FDP dankt dem Bundesaußenminister für seine hochprofessionelle, meisterhafte Behandlung dieser Themen.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Zweitens. Länderbildung in der DDR, so daß am 14. Oktober gewählt werden kann. Das ist gesichert.
    Drittens. Abschluß der Beratungen zum Einigungsvertrag zum 3. Oktober. Zu diesem Punkt, meine Damen und Herren, sind jetzt wir gefordert.
    Nehmen wir doch zur Kenntnis: 80% der Abgeordneten der Volkskammer fordern das von uns, im übrigen auch die Sozialdemokratische Fraktion, die zugestimmt hat. Ich halte es wahrlich für unverantwortlich, wollten jetzt wir den Beitritt wegen einer Verweigerung des Einigungsvertrages zum 3. Oktober in Frage stellen. Die damit verbundenen Probleme sind lösbar

    (Voigt [Frankfurt] [SPD]: Also muß die Regierung vernünftige Inhalte herbeischaffen!)

    — natürlich, Herr Voigt — , allerdings nur, wenn wir nicht längst einvernehmlich zwischen Bonn und Ost-Berlin Geregeltes in Frage stellen.
    Meine Damen und Herren, das gilt z. B. für die Eigentumsfrage. Herr Ministerpräsident, Sie haben das erwähnt.

    (Frau Matthäus-Maier [SPD]: Die haben Sie doch hochgezogen!)

    Es ist ungleich wichtiger, sich mit diesem Problem im Hinblick auf Gegenwart und Zukunft zu befassen, als die für die Vergangenheit getroffene Regelung noch einmal in Frage zu stellen. Wir haben doch eine Einigung erzielt. Sie wird doch zum Bestandteil des Vertrages, und zwar nur das, was im Protokoll längst festgehalten ist. Warum sollte man das denn um Himmels willen alles wieder aufrühren?
    Es geht in der Tat darum — da sind wir vielleicht anderer Meinung; aber so ist es doch geregelt, und Sie haben dem bisher ja auch zugestimmt — , daß Rückgabe vor Entschädigung geht und daß dort, wo Rückgabe aus gemeinnützigen, sozialen oder technischen Gründen nicht möglich ist, Entschädigung gewährt wird. Richtig ist, daß der Produktionsfaktor Grund und Boden in einer Marktwirtschaft verfügbar sein muß, weil es sonst keine Investitionen und keine neuen Arbeitsplätze gibt.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Das ist aber die Frage Gegenwart und Zukunft; die Vergangenheitsregelung sollten wir jetzt doch so bestehen lassen, wie wir sie besprochen haben. Die FDP hat Vorschläge gemacht, wie ein Erwerber gegen Ansprüche gesichert werden kann, ohne daß Einbußen früherer Berechtigter entschädigungslos bleiben müßten.