Rede von
Eckhard
Stratmann
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE GRÜNEN/BÜNDNIS 90)
In den mir verbleibenden fünf Minuten möchte ich einerseits unseren Antrag zum Thema der verdeckten Parteienfinanzierung begründen und andererseits, da wir nun einmal die Chance haben, hier mit dem Kanzlerkandidaten der SPD sprechen zu können, ein paar kritische Fragen an Herrn Lafontaine richten.
Wir betrachten die Übernahme des Parteivermögens der Blockparteien durch CDU und FDP und die Übernahme des Parteivermögens der SED durch die PDS als eine verdeckte Parteienfinanzierung, durch die die Praxis der Selbstbereicherung der Parteien fortgesetzt wird, die wir von verschiedenen Parteien auch aus diesem Bundestag in den vergangenen Jahren kennengelernt haben. Wir betrachten diese verdeckte Parteienfinanzierung als einen Verstoß gegen den Verfassungsgrundsatz der Chancengleichheit der Parteien bei den bevorstehenden Wahlen. Deshalb haben wir einen Antrag eingebracht, nach dem sowohl das Vermögen der Blockparteien als auch der PDS unverzüglich auf der Basis von zu verabschiedenden Gesetzen eingezogen werden soll. Die Vermögenswerte sollen unverzüglich durch Verkauf liquide gemacht werden, und die so zustande gekommenen liquiden Mittel sollen für einen doppelten Zweck ausgegeben werden.
Wir wollen erstens eine Umwelt- und Sozialstiftung mit den Milliardenbeträgen, die dadurch zustande kommen, einrichten. Diese Umwelt- und Sozialstiftung soll mit ihren Mitteln gesellschaftliche und politische Initiativen zur Förderung der ökologischen und sozialen Lebensbedingungen in den Ländern der DDR — wir betonen: in den Ländern der DDR — fördern.
Zweitens wollen wir mit den dadurch zustande gekommenen Milliardenmitteln die dringend notwendige Anschubfinanzierung zur Aufstockung der Mindestaltersrente in der DDR fördern. Denn die alten Menschen in der DDR, insbesondere die alten Frauen in der DDR, sind die Hauptleidtragenden der ökonomischen und infolge dessen der sozialen Krise. Sie
17412 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 220. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 9. August 1990
Stratmann-Mertens
sind von der sozialen Krise noch mehr betroffen als die Arbeitslosen in der DDR.
Wir haben in einem Punkt eine Differenz zu dem Antrag der SPD. Die politische Stoßrichtung in der Sache unterstützen wir, aber die SPD fordert in ihrem Antrag die Durchsetzung des Volkskammerbeschlusses vom 31. Mai. Wenn Sie sich diesen Volkskammerbeschluß angucken, war er ein Putsch des Parlaments, der Volkskammer, am 31. Mai. Vormittags kam zur Überraschung aller, selbst der SPD-Fraktion und der CDU-Fraktion, ein weitgehender Antrag über Vermögenswerte in der Größenordnung von 10 Milliarden DM auf den Tisch. Nach kurzer Aussprache wurde dieser Antrag wenige Stunden später mit einer parlamentarischen Mehrheit durchgezogen. Sowohl die Volkskammerfraktion von Bündnis 90 und Grünen als auch die PDS haben gegen dieses Verfahren energischen Widerstand geleistet. Wir teilen diesen Widerstand
und sind deshalb strikt dagegen, einen Volkskammerbeschluß, der nur als parlamentarischer Putschismus bezeichnet werden kann, hier zum Gegenstand und zur Grundlage eines Antrages des Bundestages zu machen.
Wir sind ebenfalls dagegen, daß eine Kommission zur treuhänderischen Kontrolle des Vermögens der Blockparteien und der PDS vom Ministerpräsidenten der Blockpartei CDU eingesetzt wird. Der Ministerpräsident der CDU soll zur Durchführung der Arbeit der Kommission verpflichtet werden, obwohl er eigene materielle Interessen an der Nichtarbeit dieser Kommission hat.
Daß die Kommission ihre Arbeit nicht erfüllt hat, liegt einerseits an dem, was Herr Seiters gerade gesagt hat, aber andererseits daran, daß sowohl die Blockpartei CDU in der DDR, Herr de Maizière, als auch die CDU-West gar kein Interesse daran haben können, daß das Vermögen der Blockpartei CDU eingezogen wird,
weil die verdeckte politische Absicht die ist, daß sich die hochverschuldete CDU — die CDU ist die höchstverschuldete Partei in der Bundesrepublik — mit dem widerrechtlich angeeigneten Vermögen der Blockpartei CDU-Ost saniert.
Das halten wir für einen Verfassungsverstoß.
Wir halten das für verfassungswidrig, weil es gegen den Verfassungsgrundsatz der Chancengleichheit verstößt. Und wir halten das für unlauteren Wettbewerb bei den bevorstehenden Wahlen.
Daß die FDP das mit der Blockpartei des Bundes Freier Demokraten mitmacht, verwundert überhaupt nicht, wenn sich die FDP nach wie vor, auch am Wochenende, einen gesamtdeutschen Vorsitzenden erhalten will, der in Sachen Parteienfinanzierung nur als Experte bezeichnet werden kann.
Und die gesamtdeutsche FDP wird sich den Skandal erlauben, einen solchen
Steuerhinterziehungsexperten noch zu halten und sich gleichzeitig das widerrechtlich zustande gekommene Blockparteienvermögen des BFD noch anzueignen.
Herr Lafontaine, recht unvermittelt, weil die Zeit sehr knapp ist, ein paar Fragen an Sie!
Herr Lafontaine, wir müssen uns hier nicht gegenseitig die notwendige Kritik an dem Überrumpelungskurs der CDU und der Bundesregierung bestätigen. Da stimmen wir überein. Aber ich habe Sie in der Zwischenfrage etwas gefragt. Sie vertreten ja nicht Ihre persönliche Meinung, sondern Sie werden auch im bevorstehenden Wahlkampf die Meinung der SPD und die politische Haltung der SPD, der Partei und der Bundestagsfraktion, zu vertreten haben.