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    1. —: 2
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    3. Lambsdorff: 1
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    Plenarprotokoll 11i220 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 220. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 9. August 1990 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 17379 A Absetzung des Punktes 2 von der Tagesordnung 17379B Stellungnahmen zur geschäftsordnungsrechtlichen Situation Bohl CDU/CSU 17379 C Frau Dr. Däubler-Gmelin SPD 17380 B Baum FDP 17381 A Häfner GRÜNE 17381 C Zusatztagesordnungspunkt 1: Aussprache zur Vorbereitung der deutschen Einheit Dr. Graf Lambsdorff FDP 17382 D Brück SPD 17384 C Dr. Lippelt (Hannover) GRÜNE 17384 D Lafontaine, Ministerpräsident des Saarlandes 17388A Stratmann-Mertens GRÜNE 17392 A Dr. Graf Lambsdorff FDP 17393 A Dr. Waigel, Bundesminister BMF 17394 A Dr. Ehrenberg SPD 17395 A Huonker SPD 17396 A Frau Matthäus-Maier SPD 17399 C Frau Dr. Vollmer GRÜNE 17400 C Rühe CDU/CSU 17404 B Klose SPD 17406 D Breuer CDU/CSU 17408 A Rühe CDU/CSU 17410 A Seiters, Bundesminister BK 17410 D Stratmann-Mertens GRÜNE 17411 C Dr. Haussmann, Bundesminister BMWi 17413 A Stobbe SPD 17414 C Dr. Blüm, Bundesminister BMA 17417 A Schreiner SPD 17418 B Dr. Penner SPD 17419 B Frau Matthäus-Maier SPD 17420 C Dr. Ehmke (Bonn) SPD 17421 A Gattermann FDP 17423 A Dr. Schäuble, Bundesminister BMI 17423 D Frau Dr. Däubler-Gmelin SPD 17425 A Dr. Sperling SPD 17425 B Frau Unruh fraktionslos 17426 D Wüppesahl fraktionslos 17428A Mischnick FDP 17430 B Namentliche Abstimmungen 17431 B, C Ergebnisse 17431C, 17433 B Nächste Sitzung 17434 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 17435* A Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Czaja, Dewitz, Sauer (Salzgitter), Lowack, Windelen, Jäger, Lummer, Schulze (Berlin), Nelle, Rossmanith, Dr. Kappes und Böhm (Melsungen) Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP zur vereinbarten Aussprache zur Vorbereitung der deutschen Einheit (Drucksache 11/7657) 17435* B Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 220. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 9. August 1990 17379 220. Sitzung Bonn, den 9. August 1990 Beginn: 10.07 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Dr. Abelein CDU/CSU 09. 08. 90 Dr. Biedenkopf CDU/CSU 09. 08. 90 Buschfort SPD 09.08.90 Dr. Daniels (Regensburg) GRÜNE 09. 08. 90 Dr. Dollinger CDU/CSU 09. 08. 90 Duve SPD 09.08.90 Frau Folz-Steinacker FDP 09. 08. 90 Frau Garbe GRÜNE 09. 08. 90 Frau Geiger CDU/CSU 09. 08. 90 Grünbeck FDP 09.08.90 Dr. Göhner CDU/CSU 09. 08. 90 Dr. Häfele CDU/CSU 09. 08. 90 Frau Dr. Hellwig CDU/CSU 09. 08. 90 Frau Hoffmann (Soltau) CDU/CSU 09. 08. 90 Hoss GRÜNE 09.08.90 Kalisch CDU/CSU 09.08.90 Dr. Knabe GRÜNE 09. 08. 90 Kreuzeder GRÜNE 09.08.90 Lennartz SPD 09.08.90 Lenzer CDU/CSU 09.08.90 Frau Luuk SPD 09. 08. 90 Dr. Mahlo CDU/CSU 09. 08. 90 Meneses Vogl GRÜNE 09. 08. 90 Niegel CDU/CSU 09.08.90 Dr. Pfennig CDU/CSU 09. 08. 90 Pfuhl SPD 09.08.90 Rauen CDU/CSU 09.08.90 Dr. Riedl (München) CDU/CSU 09. 08. 90 Frau Rock GRÜNE 09. 08. 90 Frau Schilling GRÜNE 09. 08. 90 Schmidt (München) SPD 09. 08. 90 Frau Schmidt (Nürnberg) SPD 09. 08. 90 Dr. Schneider (Nürnberg) CDU/CSU 09. 08. 90 Dr. Schöfberger SPD 09. 08. 90 Schreiber CDU/CSU 09.08.90 Schulhoff CDU/CSU 09.08.90 Frau Dr. Segall FDP 09. 08. 90 Dr. Soell SPD 09. 08. 90 Frau Trenz GRÜNE 09. 08. 90 Waltemathe SPD 09.08.90 Dr. de With SPD 09. 08. 90 Zink CDU/CSU 09.08.90 Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Czaja, Dewitz, Sauer (Salzgitter), Lowack, Windelen, Jäger, Lummer, Schulze (Berlin), Nelle, Rosmanith, Dr. Kappes und Böhm (Melsungen) (alle CDU/CSU) zum Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP zur vereinbarten Aussprache zur Vorbereitung der deutschen Einheit (Drucksache 11/7657) (Zusatztagesordnungspunkt 1) Unser Abstimmungsverhalten zu Drucksache 11/7657 verbinden wir mit der nachdrücklichen Aufforderung Anlagen zum Stenographischen Bericht an die Bundesregierung, in einer Zusatzvereinbarung die Wahlberechtigung aller deutschen Staatsangehörigen, wo immer sie leben, zu ermöglichen, und stützen uns dabei auf folgende Gründe: 1. Der jetzige § 12 des Bundeswahlgesetzes entspricht nicht in allen Teilen den verfassungsrechtlichen Erfordernissen einer ersten gesamtdeutschen Wahl. Diese ist von einmaliger, überragender Bedeutung, da sie als einen „wichtigen Schritt zur Herstellung der Deutschen Einheit die Wahl des Deutschen Bundestages durch das ganze Deutsche Volk" regeln soll (so zweiter Präambelsatz des Vertrages). Nach allgemeiner Rechtsauffassung ist das Deutsche Volk im Sinne des Grundgesetzes, von dem nach Art. 20 GG „alle Staatsgewalt ausgeht" , die Summe aller deutschen Staatsangehörigen. Dies hat eben erst (in Sachen Kommunalwahlrecht für Ausländer) vor dem Zweiten Senat des Bundesverfassungsgerichts Prof. Papier namens der Bundesregierung vorgetragen. Allen, die deutsche Staatsangehörige sind, muß, soweit sie es wünschen, die Beteiligung an der Wahl möglich sein. Dies verlangt das Demokratieprinzip des Art. 20 Abs. 2 GG. 2. Die Wahlberechtigung ist in der Bundesrepublik Deutschland und in den westlichen Demokratien nicht an den Wohnsitz im Wahlgebiet gebunden. Nach § 12 des Bundeswahlgesetzes sind u. a. alle deutschen Staatsangehörigen in den 21 Mitgliedstaaten des Europarates, einschließlich aller deutschen Staatsangehörigen im EG-Gebiet und deutschen Staatsangehörigen in anderen Staaten, sofern sie nicht mehr als 10 Jahre dort ihren ordentlichen Wohnsitz haben, in der Regel wahlberechtigt. Vom Prinzip der „Seßhaftigkeit" wurde bei der Wahlberechtigung seit langem zugunsten des Demokratieprinzips abgegangen. Größere Gruppen deutscher Staatsangehöriger vom Wahlvorgang auszuschließen wäre nicht systemgerecht. Nicht wahlberechtigt sind jetzt deutsche Staatsangehörige, die über 10 Jahre im Ausland leben, insbesondere aber auch - bei gesamtdeutschen Wahlen besonders gravierend - alle deutschen Staatsangehörigen, „die vor Inkrafttreten der (Ost-) Verträge die deutsche Staatsangehörigkeit besaßen" (BVerfG E 40,171). Das gilt nach deutschem Staatsangehörigkeitsrecht auch für deren Nachkommen. Allen deutschen Staatsangehörigen, auch jenen, die bei Beginn der Vertreibungsmaßnahmen die deutsche Staatsangehörigkeit besaßen und die sich darauf berufen, sowie ihre Nachkommen, - auch wenn ihnen später die polnische Staatsangehörigkeit oktroyiert wurde - „steht diese Staatsangehörigkeit weiter zu" (BVerfG E 40,171). Denn es kann u. a. auch den Ostverträgen nicht die Wirkung beigemessen werden, „daß die Gebiete östlich von Oder und Neiße mit dem Inkrafttreten der Ostverträge aus der rechtlichen Zugehörigkeit zu Deutschland entlassen und der Souveränität, also sowohl der territorialen wie der personalen Hoheitsgewalt der Sowjetunion und Polens endgültig unterstellt worden seien" (BVerfG E 40,171). 17436* Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 220. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 9. August 1990 Das Bundesverfassungsgericht begründet dies auch mit völkerrechtlichen Hinweisen, u. a. mit den von polnischer Seite entgegengenommenen Erklärungen des Bundesaußenministers Scheel im November 1970, mit der über den Notenwechsel mit den Verbündeten vor Vertragsunterschrift unterrichteten Warschauer Regierung, mit dem für die Vertragsmächte erkennbaren Willen der Bundesrepublik, „nicht über den territorialen Status Deutschlands zu verfügen", mit dem Wortlaut von Art. IV des Warschauer Gewaltverzichtsvertrages (BVerfGE 40,171-174). „Nach alledem haben die Vertragspartner die Bundesrepublik Deutschland nicht für befugt halten können, Verfügungen zu treffen, die eine friedensvertragliche Regelung vorwegnehmen". Politische Absichtserklärungen, die weitergehen, können die Vertragsentscheidungen eines gesamtdeutschen Souveräns nicht präjudizieren und die Rechtslage der besonders bedrängten Deutschen nicht verändern. Unser Grundgesetz und seine Auslegung durch das Bundesverfassungsgericht haben bis zu einer rechtmäßigen Entscheidung des gesamtdeutschen Souveräns mit rechtlicher Verbindlichkeit für das Handeln der deutschen Verfassungsorgane festgeschrieben, daß „Deutschland" rechtlich als Staat und Völkerrechtssubjekt vorerst in den Grenzen von 1937 fortbesteht. 3. Das Wahlrecht gehört zu den wichtigsten Rechten eines Staatsangehörigen. Die Ausgrenzung gerade der bedrängten deutschen Staatsangehörigen durch Ausschluß von der Ausübung des Wahlrechts bei den ersten gesamtdeutschen Wahlen würde einen besonders gravierenden Verstoß gegen Art. 38 Abs. 1 GG, Art. 3 Abs. 1 GG, gegen das Demokratieprinzip des Art. 20 Abs. 2 GG, gegen die von Verfassungs wegen auch für diese Deutschen bestehende Schutzpflicht bedeuten und nicht systemgerecht sein. „Der Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl (Art. 38 Abs. 1 GG) untersagt den unberechtigten Ausschluß von Staatsbürgern von der Teilnahme an der Wahl (BVerfG E 36,141). Er verbietet dem Gesetzgeber, bestimmte Bevölkerungsgruppen aus politischen ... Gründen von der Ausübung des Wahlrechts auszuschließen" (BVerfG E 28,229; 36,141). Anders als bei früheren Wahlen müssen diese deutschen Staatsangehörigen bei Wahlen „zur Herstellung der staatlichen Einheit Deutschlands" und zu deren Vorbereitung wahlberechtigt sein, da das gesamte Deutsche Volk aufgefordert bleibt, in freier Selbstbestimmung die Einheit und Freiheit Deutschlands zu vollenden. Man darf die Deutschen in diesen vorerst noch nicht „aus Deutschland entlassenen Teilen" jenseits von Oder und Neiße nicht anders behandeln als die im Gebiet der DDR lebenden Deutschen oder gar als Deutsche z. B. in der Türkei oder in Argentinien. Ob eine spätere Verfassungsänderung den Deutschlandbegriff „aushebeln" könnte, wird anhand von Art. 25 GG und Art. 79 Abs. 3 GG zu prüfen sein; sie kann aber keinesfalls Grund- und Menschenrechte deutscher Staatsangehöriger beseitigen oder ungeschützt sein lassen. Jedenfalls sind jetzt die Deutschen aus allen Teilen Deutschlands am Wahlvorgang zu beteiligen.
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    Rede von Dr. Graf Otto Lambsdorff


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Weil die Entscheidung über den Weg der Vereinigung der beiden deutschen Staaten eine Entscheidung der Wähler der DDR ist. Art. 23 des Grundgesetzes setzt eine Willenserklärung der DDR voraus. Die müssen entscheiden; und denen lassen wir diese Entscheidung.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, der saarländische Ministerpräsident sagt, die frühe Wahl schaffe keinen Arbeitsplatz mehr.

    (Zurufe von der SPD: So ist es!)

    Dies, Herr Lafontaine, ist ökonomisch genau falsch.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Widerspruch bei der SPD)

    Die DDR braucht Arbeitsplätze. Für die Arbeitsplätze braucht sie Investitionen. Die Investitionen sind bisher hinter unseren Erwartungen zurückgeblieben.

    (Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Kann man wohl sagen!)

    — Hinter Ihren nicht? — Die möglichen Investoren schreckt eine Regierung mit eingeschränkter Souveränität, vor allem aber eine ihnen fremde, eine für sie unsichere Rechtslandschaft. Eines haben wir nämlich alle miteinander nicht richtig gesehen: die tiefgreifende Zerstörung bürgerlicher westlicher Rechtsgrundlagen im Wirtschaftsrecht der DDR durch 40 Jahre Kommunismus.

    (Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Nicht zu glauben!)

    Das muß zu Ende gehen. Glücklicherweise ist im Einigungsvertrag vorgesehen, daß mit dem Beitritt grundsätzlich bundesdeutsches Recht auf dem Gebiet der DDR gilt, wobei Ausnahmen selbstverständlich möglich sind, aber einzeln festgelegt werden müssen.
    Wir behaupten nicht, daß die frühe Wahl eine Investitionslawine lostreten werde oder daß sich die Probleme von selbst lösten. Aber Beitritt und schnelle Wahl verbessern die psychologische Situation, verbessern die Rahmenbedingungen und die Vertrauensgrundlage. Psychologie — das weiß jeder, der sich mit Wirtschaft und Wirtschaftspolitik beschäftigt, ist bei Investitionsentscheidungen die halbe Miete.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Hinzu kommt eines: Wir sind doch längst im Wahlkampf.

    (Lachen bei der SPD — Beifall bei Abgeordneten der SPD und der GRÜNEN)

    Wir sind alle längst im Wahlkampf, und wir wissen es doch alle. Jeder Tag, den dieser Wahlkampf länger dauert als unbedingt nötig, ist ein Tag, der für die DDR von Übel ist.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Das Strickmuster ist schon jetzt sichtbar: Regierung und Koalition sind in der Gefahr, die Lage in der DDR schöner zu reden, als sie ist, und Defizite mit Geld zuzudecken.

    (Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Die Liberalen tun das seit Wochen!)

    Die Opposition spricht von „Krise" , von „Chaos", von „Katastrophe", sie malt schwarz in schwarz. Glauben Sie, das schafft Arbeitsplätze?

    (Opel [SPD]: Das ist die Wahrheit!)

    Soll das bis zum 2. Dezember so weitergehen, und soll das der DDR helfen, soll das Investitionen und Beschäftigung bringen?

    (Dr. Vogel [SPD]: Euer Termin!)

    Nein, meine Damen und Herren von der Opposition, wer wirklich die Menschen in der DDR im Auge hat und wer sie besser kennt als der Ministerpräsident des Saarlands, der muß doch sagen: Schluß mit dem Übergangsstadium; Beitritt und Wahl schnell!

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, schon jetzt beginnt der fruchtlose, der unnütze, ja der schädliche Streit. Ein katastrophaler Fehler sei die schnelle Einführung der D-Mark am 1. Juli gewesen; so sagt die SPD. Oder sagt es doch nur ihr Kanzlerkandidat? Der SPD-Fraktionsvorsitzende in der Volkskammer, Richard Schröder, gestern abend wörtlich: „Die Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion war richtig." Punkt; ohne jeden Zusatz!
    Haben Sie vergessen oder verdrängt, daß Sie es waren, die zuerst auf die schnelle Währungsunion gedrängt haben?

    (Zustimmung bei der CDU/CSU)

    Frau Matthäus-Maier in ihrem Interview in der „Zeit" , und die Diskussion hier! Ich gestehe Ihnen ja zu, am Ende hatten Sie recht, und wir sind den Weg gegangen, wenn auch in etwas abgeänderter Form. Haben Sie vergessen oder verdrängt, wie es damals hieß: Entweder die D-Mark kommt zu uns, oder wir kommen zur D-Mark? Haben Sie die Übersiedlerprobleme einfach abgeheftet? Wohl denkbar, wenn man miterleben muß, daß der Ministerpräsident des Saarlandes jetzt das Grundrecht auf Asyl einschränken will.
    Meine Damen und Herren, so wird die SPD zu einer Partei, deren einziger Grundsatz es ist, keine Grundsätze mehr zu haben.

    (Lebhafter Beifall bei der FDP und bei der CDU/CSU — Lachen bei der SPD — Abg. Häfner [GRÜNE] meldet sich zu einer Zwischenfrage)



Rede von Dr. Rita Süssmuth
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Graf Lambsdorff — —

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Graf Otto Lambsdorff


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Nein; es tut mir leid.
    Meine Damen und Herren, die Kritiker sprechen von Chaos, die Kritiker sprechen von Desaster, die Kritiker sprechen von Katastrophe — —

    (Anhaltende Zurufe von der SPD)

    — Meine Damen und Herren, die Kritiker sprechen von Chaos, sie sprechen von Desaster, sie sprechen von Katastrophe in der DDR. Was soll das eigentlich? Ist das Lust am Untergang? Ist das Masochismus? Es wäre doch unser aller deutsches Chaos, unser aller deutsches Desaster.

    (Zustimmung bei der FDP und der CDU/ CSU)

    17386 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 220. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 9. August 1990
    Dr. Graf Lambsdorff
    Hat denn jemand erwartet, daß 40 Jahre sozialistische Mißwirtschaft durch sechs Wochen Soziale Marktwirtschaft überwunden werden können?

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Haben wir nicht gewußt, daß sich die massive verdeckte Arbeitslosigkeit in offene Arbeitslosigkeit verwandeln würde? 60 % der Arbeitsplätze gingen verloren, sagt Frau Engelen-Kefer heute. Niemand, meine Damen und Herren, darf die Probleme verniedlichen. Aber wir können uns doch nicht selber hinterher zu tumben Toren erklären!

    (Zurufe von der SPD: Doch!)

    — Wenn Sie es wollen, tun Sie es. Ich habe nichts dagegen. Aber nicht für uns!

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Gewiß, meine Damen und Herren, einiges ist schlechter gekommen als vermutet. Die Lage der Wirtschaft der DDR ist noch schwieriger, als wir es vorher gesehen haben.

    (Müller [Pleisweiler] [SPD]: Sie haben es doch immer bestritten!)

    Es gab manche zwar verständliche, aber schädliche Unerfahrenheit der dort Regierenden. Und es gibt die schreckliche faktische und psychologische Hinterlassenschaft des SED-Regimes.

    (Dr. Dregger [CDU/CSU]: So ist es!) Es ist ein Berg von Problemen; wohl wahr.

    Es sind auch Fehler gemacht worden auf allen Seiten. Die Treuhandanstalt ist viel zu spät in Gang gekommen. Deshalb hat sie im Juli Geld mit der Gießkanne verteilt, auch an absolut nicht lebensfähige Betriebe. Die Umwandlung staatlicher in private Monopole, arbeitsrechtliche Investitionserschwernisse vielfältiger Art, die sich die DDR noch nicht leisten kann

    (Müller [Pleisweiler] [SPD]: Wer ist denn da an der Regierung?)

    — unter anderem die SPD in der DDR; die stellt dort den Arbeitsminister —, die immer noch anhaltende Selbstbedienung der Altfunktionäre in den DDR-Betrieben, das Verbot privater Satellitennutzung für die Herstellung von Telekommunikationsverbindungen durch das Postministerium der DDR, realitätsferne Tarifabschlüsse, mangelnde Haushaltsdisziplin — ja, es ist wahr, es sind auch Fehler gemacht worden auf vielen Seiten.
    In diesem Zusammenhang, meine Damen und Herren, zur Haushaltsdisziplin nur ein Wort. Es wird bei uns keine Steuererhöhungen zur Finanzierung der deutschen Einheit geben.

    (Dr. Vogel [SPD]: Gut aufschreiben! Keep smiling! — Weitere Zurufe von der SPD)

    Wir brauchen sie nicht. Wir würden unsere Wirtschaft belasten, und wir würden ja auch die DDR belasten, meine Damen und Herren, denn wir sind bald auch steuerlich ein Land. Was soll das Ganze?
    In dem Zusammenhang will ich nur eines anmerken.

    (Dr. Vogel [SPD]: Wie wollen Sie es denn?)

    Wir hören — bisher ist da nichts entschieden —, daß es vielleicht den Bundeshaushalt 1991 erst im nächsten Jahr geben soll.

    (Zurufe von der SPD: Aha! — Weitere Zurufe von der SPD)

    Das muß sehr sorgfältig überlegt werden, und Vor- und Nachteile müssen abgewogen werden, ob wir wirklich zu diesem Verfahren übergehen sollen.

    (Unruhe bei der SPD)

    — Bei jedem Anflug von Nachdenklichkeit wird man durch ziemliches Getöse gestört. Aber lassen wir es so sein.
    Meine Damen und Herren, wir sollten aufhören, ein düsteres DDR-Gemälde zu malen. Die Menschen brauchen Optimismus. Sie brauchen Zuversicht, und sie haben es nötig, daß man ihnen Mut macht.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Zu Recht beklagt unser Kollege Ehrenberg, dessen Einsatz in der DDR ich mit Respekt erwähne, daß immer nur über die Fehlleistungen von Kombinaten und großen Unternehmenseinheiten gesprochen wird und daß die vielfältigen Initiativen von Mittelständlern, von Selbständigen in der DDR und auch solchen, die aus der Bundesrepublik kommen, kaum Erwähnung finden. Warum sagt denn keiner, daß es den Rentnern — entgegen der Hetzkampagne der PDS vor der Volkskammerwahl — so vernünftig geht, daß niemand mehr darüber redet und keine Klagen hochkommen? Sind wir dazu da, nur die negativen Punkte aufzulisten?

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Frau Unruh [fraktionslos]: Das stimmt nun nicht!)

    Die Menschen in der DDR fragen mit Recht nach der Zukunft von Arbeitsplätzen, Wohnungen, der allgemeinen Versorgung, der Landwirtschaft, der Umwelt. Was, meine Damen und Herren, muß geschehen, damit wir hier weiterkommen?
    Erstens. Die Treuhandanstalt muß schnell voll funktionsfähig werden. Sie hat die wichtige Aufgabe, die sanierungsfähigen Betriebe herauszufinden, ihnen über die Liquiditätsklemme der nächsten Monate zu helfen und dabei gleichzeitig zu sortieren, wem nicht mehr geholfen werden kann und welche Betriebe geschlossen werden müssen.
    Der Hinweis auf die notwendige Schließung von konkursreifen Betrieben ist bitter, insbesondere, wenn man an regionale Schwerpunkte wie im Kupfererzbergbau denkt. Aber dieser Wirtschaftszweig kann in Deutschland und eben auch in der DDR nicht mehr rentabel betrieben werden. Man kann hier nur schließen.

    (Müller [Pleisweiler] [SPD]: Uranbergbau!)

    — Uranbergbau ganz sicher auch, abgesehen von all den unmenschlichen Belastungen, die den dort Arbeitenden zugemutet worden sind. Kriminelle Veranstaltungen waren und sind das!

    (Dr. Bötsch [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

    Es ist besser, jetzt schnelle und scharfe Schnitte zu machen und den Betroffenen Arbeitslosengeld zu
    Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 220. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 9. August 1990 17387
    Dr. Graf Lambsdorff
    zahlen, als ihnen vorzugaukeln, ihre Betriebe könnten noch einmal rentabel werden.
    Ich stimme auch hier mit Frau Engelen-Kefer überein — es steht heute in der Zeitung —, marode Betriebe sollten besser heute als morgen geschlossen werden. Sie hat recht.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Aber, meine Damen und Herren, noch viel wichtiger als das Arbeitslosengeld sind Qualifizierung, Umschulung, Weiterbildung, Ausbildung. Das muß ermöglicht werden, und regionale Investitionsprogramme zur Schaffung neuer Arbeitsplätze müssen angekurbelt werden. Das ist in der DDR jetzt vonnöten.

    (Frau Dr. Vollmer [GRÜNE]: Und der Wirtschaftsminister?)

    Erhaltungssubventionen, Herr Ministerpräsident des Saarlandes — ich denke, da sind wir uns einig — würden nur zu Erscheinungen führen, wie wir sie in der Vergangenheit — teilweise gemeinsam — in Ihrem Bundesland zu bewältigen versucht haben. Für sie gab es noch eine energiepolitische Rechtfertigung; die läßt sich so in der DDR nicht finden.
    Die Bauwirtschaft bietet der DDR die Chance, auf breiter Front und schnell neue Arbeitsplätze zu schaffen. Es gibt gewaltige Beschäftigungsmöglichkeiten. Jeder, der in die DDR fährt, braucht sich ja nur umzusehen. Sie müssen ergriffen, sie müssen genutzt werden. Marktwirtschaftliche Wohnungswirtschaft ist keine sozial unverträgliche Veranstaltung. Sie will die Wohnbedingungen aller Gruppen der Gesellschaft einschließlich der sozial Schwachen, wie es Rentner und Alleinerziehende sind, verbessern.
    Der seit 1936 geltende Mietstopp in der DDR muß wenigstens für neue Investitionen aufgegeben werden. Sonst kommen sie nicht. Schrittweise muß die Mietanpassung im Gleichklang mit der Einkommenssteigerung vollzogen werden. Die heutigen Mieten decken nicht einmal die öffentlichen Gebühren für den Grundbesitz. Sozial Schwache und Rentner müssen über die Einführung des Wohngeldes einen angemessenen Ausgleich für höhere Belastungen erhalten.
    In der Frage der Sanierung der Umwelt ist mir für die DDR am allerwenigsten bange. Die Einführung moderner Techniken auf dem Weltmarktstandard — und was neu kommt, wird Weltmarktstandard sein; man wird ja nicht für veraltete Modelle dort investieren — bei der Elektrizitätserzeugung, in der Industrie, der Übergang auf moderne und schadstoffarme Motoren im Verkehrsbereich und die Umstellung der Hausheizungen auf andere Brennstoffe werden dazu führen, daß in relativ kurzer Zeit eine starke Verbesserung der Luftqualität erreicht werden kann.
    Die Preislawine im Einzelhandel der DDR nach Einführung der D-Mark beruht nicht zuletzt auf den veralteten Betriebsstrukturen in der DDR und auf der Tatsache, daß die alten SED/PDS-Kader diese Betriebsstrukturen noch beherrschen und beeinflussen können.
    Ich habe Vorschläge zur Intensivierung des Wettbewerbs gemacht, und ich bin sicher, daß gemeinsame
    Anstrengung und das Abschneiden der alten Zöpfe Besserung versprechen.
    Die Landwirtschaft in der DDR ist durch die schnelle Umstellung auf westliche Erzeugnisse schwer getroffen. Die Einbeziehung in den Agrarmarkt der Europäischen Gemeinschaft am 1. August wird helfen. Eins ist aber auch hier klar: Mit der alten Wasserkopfwirtschaft wird eine leistungsfähige DDR-Landwirtschaft in Zukunft nicht mehr leben können. Umstrukturierung macht auch vor den ländlichen Gebieten der DDR nicht halt.
    Die unklaren Eigentumsverhältnisse — wir wissen es doch alle — sind ein großes Hindernis. Die FDP hat darauf gedrungen, die Verletzungen privaten Eigentums in der Vergangenheit, soweit es überhaupt noch geht — diese Einschränkung muß man nach der 40jährigen Entwicklung machen —, zu regeln. Aber diese vergangenheitsbezogene Regelung, die jetzt im Einigungsvertrag festgeschrieben werden soll, sollte als Basis für eine Zukunftsregelung gelten.
    Der Produktionsfaktor Grund und Boden muß in einer Marktwirtschaft verfügbar sein. Sonst kann man nicht investieren.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Und das ist zur Zeit die Lage der DDR.

    Deshalb meinen wir, es wäre gut, wenn die Bundesregierung umgehend mit der Regierung der DDR darüber spräche, wie man, nachdem die Klärung der vergangenen Verletzungen in der Eigentumsfrage nun behandelt und geregelt worden ist, zukunftsgewandt darüber sprechen kann, ob man Erwerber von Grund und Boden von Ansprüchen früherer Berechtigter freistellen kann. Das ist eine schwierige Frage.
    Aber alles das — die beschränkte Zeit hier erlaubte nicht, mehr darzustellen — und vieles mehr, meine Damen und Herren, muß jetzt angepackt werden. Es kann besser und schneller und wirksamer und überzeugender angepackt werden, wenn wir alle Schritte zur staatlichen Einheit so schnell wie möglich tun.
    Deshalb fordern die Freien Demokraten mit dem Koalitionspartner als beste Lösung den schnellen Beitritt und schnelle Wahlen.
    Aber ich sage auch sehr nachdrücklich: Wir werden uns einem Beitrittsersuchen der DDR, das von Wahlen abgekoppelt ist, selbstverständlich nicht entziehen.

    (Unruhe und vereinzelter Beifall bei der SPD)

    Das bleibt die Entscheidung der DDR.

    (Jahn [Marburg] [SPD]: Könnt ihr ja auch gar nicht!)

    Ich sage nur: Dies ist die zweitbeste Lösung, und es ist nicht die beste Lösung.

    (Dr. Vogel [SPD]: Es ist eine Lösung! — Jahn [Marburg] [SPD]: Eine sehr gute Lösung!)

    — Ja, es gibt eben immer auch noch einmal etwas Besseres als das, was sehr gut ist oder was Sie sehr gut finden, Herr Kollege Jahn.
    17388 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 220. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 9. August 1990
    Dr. Graf Lambsdorff
    Heute geht es darum, die Bitte der Volkskammer zu erfüllen und Beitritt und Wahlen am 14. Oktober 1990 zu ermöglichen.
    Wir, die Freien Demokraten, halten das für wichtig. Wir halten das für notwendig. Wir sind der Überzeugung, daß den Menschen in der DDR und der Einheit unseres Vaterlandes auf diese Weise am besten und am schnellsten gedient werden kann. Deshalb stimmen wir der Entschließung der Koalitionsfraktionen zu.
    Ich danke Ihnen.

    (Anhaltender Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)