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ID1121802200

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    Plenarprotokoll 11/218 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 218. Sitzung Bonn, Freitag, den 22. Juni 1990 Inhalt: Gedenkworte für die Opfer der Erdbebenkatastrophe im Iran 17301 A Wahl der Rundfunkräte und Verwaltungsräte der Deutschen Welle und des Deutschlandfunks 17301 B Erweiterung der Tagesordnung 17301 C Absetzung der Punkte 1 f und 28 von der Tagesordnung 17302 A Abweichung von den Richtlinien für die Fragestunde und den Richtlinien für Aktuelle Stunden in der Sitzungswoche ab 3. September 1990 17328 C Nachträgliche Überweisung von Gesetzentwürfen an den Ausschuß für Wirtschaft bzw. an den Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau 17348 C Zusatztagesordnungspunkt 5: Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP und der Fraktion DIE GRÜNEN: Gefahren für die Demokratie in Rumänien (Drucksache 11/7467) Vizepräsidentin Renger 17302 A Duve SPD (Erklärung nach § 31 GO) . . 17303 A Zusatztagesordnungspunkt 6: Beratung des Antrags des Abgeordneten Dr. Hauchler, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Entwicklungspolitik in gesamtdeutscher Verantwortung (Drucksache 11/7387) 17303 A Zusatztagesordnungspunkt 7: Beratung des Antrags des Abgeordneten Graf von Waldburg-Zeil, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie des Abgeordneten Hoppe, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Ein gemeinsamer deutscher Beitrag für eine verstärkte Entwicklungszusammenarbeit durch Entspannung zwischen Ost und West (Drucksache 11/7473) . . . 17303 A Zusatztagesordnungspunkt 8: Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses: Sammelübersicht 166 zu Petitionen (Drucksache 11/7159) 17303 C Zusatztagesordnungspunkt 9: Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses: Sammelübersicht 167 zu Petitionen (Drucksache 11/7271) 17303 C Zusatztagesordnungspunkt 10: Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses: Sammelübersicht 168 zu Petitionen (Drucksache 11/7445) 17303 C Zusatztagesordnungspunkt 11: Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses: Sammelübersicht 169 zu Petitionen (Drucksache 11/ 7446) 17303 C Zusatztagesordnungspunkt 12: a) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschus- II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 218. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. Juni 1990 ses zu dem Antrag der Abgeordneten Frau Kelly und der Fraktion DIE GRÜNEN: Unterstützung einer Friedensordnung für Kambodscha, die eine Rückkehr der Roten Khmer an die Macht ausschließt (Drucksachen 11/6251, 11/7474) 17303D Tagesordnungspunkt 24: a) Zweite und dritte Beratung des von der Abgeordneten Frau Beck-Oberdorf, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Aufhebung der Benachteiligung von Frauen in allen gesellschaftlichen Bereichen, insbesondere in der Erwerbsarbeit (Antidiskriminierungsgesetz Teil I — ADG I) (Drucksachen 11/3266, 11/7449, 11/7450) b) Zweite und dritte Beratung des von der Abgeordneten Frau Schmidt (Nürnberg), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Gleichstellung von Frau und Mann im Berufsleben (Gleichstellungsgesetz) (Drucksachen 11/3728, 11/7449) Frau Schmidt (Hamburg) GRÜNE . . . 17304 C Frau Männle CDU/CSU 17306A Frau Nickels GRÜNE . . . . 17306B, 17308 B Frau Schmidt (Nürnberg) SPD 17306 C Frau Schmidt (Nürnberg) SPD 17309 C Frau Würfel FDP 17311C Frau Nickels GRÜNE 17313 C Frau Nickels GRÜNE 17314B Frau Seuster SPD 17315 B Frau Limbach CDU/CSU 17317 A Frau Nickels GRÜNE 17318 A Frau Dr. Sonntag-Wolgast SPD 17319B Frau Dr. Lehr, Bundesminister BMJFFG 17320D Frau Weyel SPD 17322 D Tagesordnungspunkt 25: Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Beendigung der energiewirtschaftlichen Nutzung der Kernenergie und ihrer sicherheitstechnischen Behandlung in der Übergangszeit (Kernenergieabwicklungsgesetz) (Drucksachen 11/13, 11/4654, 11/4661) Schäfer (Offenburg) SPD 17323 B Harries CDU/CSU 17325 D Schäfer (Offenburg) SPD 17326B Frau Wollny GRÜNE 17327 B Baum FDP 17328 C Dr. Friedrich CDU/CSU 17330 A Dr. Daniels (Regensburg) GRÜNE . . 17330 C Dr. Töpfer, Bundesminister BMU . . . 17331 B Tagesordnungspunkt 26: Beratung des Zweiten Berichts der Enquete Kommission Vorsorge zum Schutz der Erdatmosphäre: Schutz der tropischen Wälder (Drucksache 11/7220) Schmidbauer CDU/CSU 17333 C Frau Ganseforth SPD 17336 D Frau Dr. Segall FDP 17338 B Dr. Knabe GRÜNE 17340D Dr. Lippold (Offenbach) CDU/CSU . . . 17342 D Müller (Düsseldorf) SPD 17344 C Dr. Töpfer, Bundesminister BMU . . . 17346 D Tagesordnungspunkt 27: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu dem Antrag der Abgeordneten Frau Garbe, Frau Teubner und der Fraktion DIE GRÜNEN: Ausstieg aus der Produktion und Verwendung von PVC (Polyvinylchlorid) zu dem Antrag des Abgeordneten Müller (Düsseldorf), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Vorsorge gegen Schadensfälle in der chemischen Industrie zu dem Antrag der Abgeordneten Frau Garbe, Dr. Daniels (Regensburg) und der Fraktion DIE GRÜNEN: Änderung der Störfall-Verordnung zu dem Antrag des Abgeordneten Dr. Laufs, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie des Abgeordneten Baum, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Verbesserung der Gesundheits- und Umweltvorsorge im Chemikalienbereich (Drucksachen 11/3059, 11/714, 11/1037, 11/2348, 11/7184) Frau Garbe GRÜNE 17349 A Dr. Lippold (Offenbach) CDU/CSU . . . . 17349 D Müller (Düsseldorf) SPD 17350 D Frau Dr. Segall FDP 17351 D Dr. Töpfer, Bundesminister BMU . . . . 17352 B Frau Garbe GRÜNE (zur GO) 17353 B Dr. Rüttgers CDU/CSU (zur GO) 17354 A Nächste Sitzung 17354 D Berichtigungen 17355 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 218. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. Juni 1990 III Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 17357 * A Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Frau Kelly (DIE GRÜNEN) zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung zu dem Antrag: Unterstützung einer Friedensordnung für Kambodscha, die eine Rückkehr der Roten Khmer an die Macht ausschließt (Zusatztagesordnungspunkt 12) 17357* B Anlage 3 Amtliche Mitteilungen 17358* A Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 218. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. Juni 1990 17301 218. Sitzung Bonn, den 22. Juni 1990 Beginn: 9.00 Uhr
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    Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 218. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. Juni 1990 17355 Berichtigungen 217. Sitzung Bei der namentlichen Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Ausschusses Deutsche Einheit auf Drucksache 11/7465 ist auf Seite 17 278 D hinter „Dr. Haack" einzufügen: „Haack (Extertal)". Bei dem Endgültigen Ergebnis auf Seite 17 277 D ist bei „ja" zu lesen: „487". Bei der namentlichen Abstimmung über den Gesetzentwurf vom 18. Mai 1990 über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik ist auf Seite 17 281 D hinter „Dr. Haack" einzufügen: „Haack (Extertal)". Bei dem Endgültigen Ergebnis auf Seite 17 281 A ist bei „ja" zu lesen: „445". Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Bahr SPD 22. 06. 90 Dr. Blank CDU/CSU 22. 06. 90 Dr. von Bülow SPD 22. 06. 90 Dr. Ehmke (Bonn) SPD 22. 06. 90 Eich GRÜNE 22. 06. 90 Dr. Gautier SPD 22. 06. 90 Genscher FDP 22. 06. 90 Gerster (Mainz) CDU/CSU 22. 06. 90 Grünbeck FDP 22. 06. 90 Dr. Häfele CDU/CSU 22. 06. 90 Frau Dr. Hellwig CDU/CSU 22. 06. 90 Frau Hoffmann (Soltau) CDU/CSU 22. 06. 90 Ibrügger SPD 22. 06. 90 * Jung (Düsseldorf) SPD 22. 06. 90 Jung (Lörrach) CDU/CSU 22. 06. 90 Dr. Lammert CDU/CSU 22. 06. 90 Linsmeier CDU/CSU 22. 06. 90 Dr. Mechtersheimer GRÜNE 22. 06. 90 Dr. Mertens (Bottrop) SPD 22. 06. 90 Müller (Schweinfurt) SPD 22. 06. 90 Dr. Niese SPD 22. 06. 90 Pauli SPD 22. 06. 90 Reuschenbach SPD 22. 06. 90 Frau Rock GRÜNE 22. 06. 90 Sauer (Salzgitter) CDU/CSU 22. 06. 90 Scherrer SPD 22. 06. 90 Schmitz (Baesweiler) CDU/CSU 22. 06. 90 Schröer (Mülheim) SPD 22. 06. 90 Sieler (Amberg) SPD 22. 06. 90 Toetemeyer SPD 22. 06. 90 Frau Trenz GRÜNE 22. 06. 90 Vosen SPD 22. 06. 90 Wimmer (Neuss) CDU/CSU 22. 06. 90 Dr. Zimmermann CDU/CSU 22. 06. 90 Zywietz FDP 22. 06. 90 * für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Frau Kelly (DIE GRÜNEN) zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung zu dem Antrag: Unterstützung einer Friedensordnung für Kambodscha, die eine Rückkehr der Roten Khmer an die Macht ausschließt (Zusatztagesordnungpunkt 12) Frau Kelly (GRÜNE): Ich freue mich, daß dieser Antrag noch vor der Sommerpause einstimmig abgestimmt werden konnte. Ich stimme diesem Antrag zu, weil die Gefahr einer Rückkehr der Roten Khmer an die Macht in Kambodscha von Tag zu Tag wächst. Die Roten Khmer rücken nach neuesten Meldungen in Kambodscha weiter vor: zwei Tage nach ihrer Weigerung, ein Waffenstillstandsabkommen zu unterzeich- Anlagen zum Stenographischen Bericht nen, haben die Truppen der Roten Khmer weitere Gebietsgewinne erkämpft. Ich habe diesem Antrag zugestimmt, weil schon im Januar 1990 bei Vorlage des von mir eingebrachten ursprünglichen Antrags und bei der ersten Lesung im Bundestag wir uns alle für den Vorschlag der australischen Regierung eingesetzt haben, den Sitz Kambodschas in den Vereinten Nationen der „Widerstandskoalition" zu entziehen und erst dann neu zu besetzen, wenn - dem Vorbild Namibia entsprechend - nach allgemeiner Abrüstung unter treuhänderischer UNO-Verwaltung in freien Wahlen eine neue Regierung gebildet und im Amt ist. Inzwischen sind fast sechs Monate vergangen und, wie die „Time" im April 1990 schrieb, Kambodscha ist immer noch ein „Killing Field". Es gab Hoffnung zwischendurch. Vietnam und China hatten z. B. eine Vereinbarung zwischen Hun Sen (Kambodschas Ministerpräsident) und der Führung der Widerstandsbewegung akzeptiert, nach der das vom Bürgerkrieg zerrissene Kambodscha ein gemeinsames Regierungsgremium erhalten soll. Die chinesische und die vietnamesische Seite, so die Zeitungen, haben angeblich Konzessionen gemacht. Auch ist die Überwachungsrolle der Vereinten Nationen in dem Konflikt akzeptiert worden. Doch am 6. Juni 1990 haben die Roten Khmer in Tokio gesagt, sie seien an die von der kambodschanischen Regierung und dem Führer der Widerstandsallianz Prinz Sihanouk unterzeichneten Vereinbarung zur Beilegung des bewaffneten Kampfes nicht gebunden. In einer Mitteilung heißt es, der Versuch, den Konflikt in Kambodscha zu schlichten, sei „zum Scheitern verurteilt". Die Roten Khmer, die militärisch stärkste Fraktion des kambodschanischen Widerstandsbündnisses, hatten in Tokio die Unterzeichnung einer Vereinbarung boykottiert, die den „freiwilligen Verzicht von Waffengebrauch aller Parteien" festschreibt. Die Lage spitzt sich in Kambodscha dramatisch zu, auch deswegen weil die Volksrepublik China ihre Schützlinge, die Roten Khmer, nach wie vor reichlich mit Waffen versorgt, die immer noch ihren Weg durch Thailand nehmen. Ich habe diesem Antrag zugestimmt, denn nach wie vor, so erklärt die chinesische Regierung, wird sie die Roten Khmer mit Waffen versorgen (Radio Peking am 19. Juni 1990). Wir hier im Deutschen Bundestag haben eine große Verantwortung für das, was dort in Kambodscha geschieht, denn inzwischen haben die Roten Khmer hochmoderne Panzerabwehrwaffen aus bundesdeutscher Produktion auf dem illegalen Waffenmarkt erworben. Die Roten Khmer haben die „Armbrust" und prahlen auch noch damit! Wir haben auch eine große Verantwortung, und auch deswegen habe ich für diesen Antrag gestimmt, weil die Bundesrepublik bei den Abstimmungen in den Vereinten Nationen zum Thema Kambodscha einen anderen Weg hätte gehen können, den Weg der Enthaltung oder den Weg der Nein-Stimme, als es um den offiziellen Sitz Kambodschas hei den Vereinten Nationen ging. Bis heute wird Kambodscha bei den Vereinten Nationen von der 17358* Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 218. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. Juni 1990 „Widerstandskoalition" einschließlich der Roten Khmer vertreten. In der VN-Resolution Nr. 44/22 vom 16. November 1989 stimmte die Bundesrepublik für den „wirkungsvollen" Kampf dieser Widerstandskoalition, und ich betone noch einmal: einschließlich der Roten Khmer! Dies alles verpflichtet uns erst recht, alles nur mögliche zu tun, um eine Rückkehr der Roten Khmer an die Macht zu verhindern. Ich habe diesem Antrag zugestimmt, weil den mit ungeheuren Verbrechen gegen die Menschlichkeit belasteten Roten Khmer unverzüglich jede direkte und indirekte materielle und ideelle Unterstützung entzogen werden muß. Da China hierzu nicht bereit sein wird, müssen die westlichen Regierungen und Parlamente um so entschiedener handeln. Die jetzige Situation und die Unterstützung der Roten Khmer direkt durch China (und indirekt durch USA) hält die Überlebenden des kambodschanischen Holocaust als Geiseln, konfrontiert mit der Aussicht auf Machtergreifung oder durch eine von den USA, China, ASEAN durchgedrückte diplomatische Regelung! Anlage 3 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 1. Juni 1990 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzustimmen bzw. einen Antrag gemäß Art. 77 Abs. 2 GG nicht zu stellen. Gesetz zu Änderung des Arbeitsgerichtsgesetzes und anderer arbeitsrechtlicher Vorschriften (Arbeitsgerichtsgesetz-Änderungsgesetz) Neuntes Gesetz zur Änderung des Bundeswahlgesetzes Gesetz zur Reform des Rechts der Vormundschaft und Pflegschaft für Volljährige (Betreuungsgesetz — BtG) Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie des Rates vom 21. Dezember 1988 über eine allgemeine Regelung zur Anerkennung der Hochschuldiplome, die eine mindestens dreijährige Berufsausbildung abschließen, für die Berufe des Rechtsanwalts und des Patentanwalts Gesetz zu dem Protokoll vom 17. Oktober 1989 zu dem Abkommen vom 11. August 1971 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen in der Fassung des Protokolls vom 30. November 1978 Gesetz zu dem Abkommen vom 18. Oktober 1989 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Italienischen Republik zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen und zur Verhinderung der Steuerverkürzung Gesetz zu dem Zusatzabkommen vom 28. September 1989 zur Änderung des Abkommens vom 21. Juli 1959 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik zur Vermeidung der Doppelbesteuerungen und über gegenseitige Amts- und Rechtshilfe auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie der Gewerbesteuern und der Grundsteuern in der Fassung des Revisionsprotokolls vom 9. Juni 1969 Gesetz zu dem Zusatzprotokoll Nr. 4 vom 25. April 1989 zu der am 17. Oktober 1868 in Mannheim unterzeichneten Revidierten Rheinschiffahrtsakte Gesetz zu dem Abkommen vom 4. Juli 1989 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Volksrepublik Bulgarien über die Schiffahrt auf den Binnenwasserstraßen Gesetz zu dem Vertrag vom 10. November 1989 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Beichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht: Auswärtiger Ausschuß Drucksache 11/5331 Ausschuß für Wirtschaft Drucksache 11/5099 Ausschuß für Bildung und Wissenschaft Drucksache 11/6486 Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen bzw. von einer Beratung abgesehen hat: Finanzausschuß Drucksache 11/6941 Nr. 1, 2 Ausschuß für Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung Drucksache 11/6502 Nr. 18, 19, 20
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    Rede von Renate Schmidt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Lieber Kollege Wiefelspütz, lieber Kollege von der Wiesche, lieber Kollege Becker (Nienberge), lieber Kollege Such, lieber Kollege Meneses Vogl, lieber Kollege Seesing, lieber Kollege Gallus, lieber Kollege Eimer, lieber Kollege Neuhausen, guten Morgen.
    Liebe Kolleginnen, zu dieser Stunde sind ungefähr 2 % der männlichen Abgeordneten und gut 20 % der weiblichen Abgeordneten im Deutschen Bundestag anwesend. Ich bin auch ein bißchen müde. Ich gebe zu: Gestern hat es lange gedauert. Trotzdem wäre es schön, wenn wir diese Debatte

    (Zuruf von der SPD: Der Kollege Kolbow ist inzwischen auch hier!)

    — lieber Kollege Kolbow — nicht wieder nach dem Motto führen müßten — frei nach F. K. Waechter —: „Wahrscheinlich guckt wieder kein Schwein. " Es wäre also schön, wenn Frauenpolitik nicht immer unter Ausschluß der männlichen Öffentlichkeit geführt werden müßte.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Der Kollege Krey ist auch hier!)

    — Lieber Kollege Krey! Aber alle weiteren Herren werden jetzt nicht mehr begrüßt. Ich freue mich, daß Sie auch gekommen sind.

    (Gallus [FDP]: Die kommen jetzt alle, nachdem Sie sie persönlich begrüßen!)

    Liebe Ursula Männle, wir unterhalten uns immer so gut und sind uns in vielen Punkten über Fraktionsgrenzen hinweg einig. Darum war ich ein bißchen über das enttäuscht, was du gesagt hast; denn ich wehre mich dagegen, daß wir jetzt wieder eine Konfrontation aufbauen, wieder ein Entweder-Oder praktizieren.
    Ich gehöre zum Kuratorium der „Stiftung Taten statt Worte". Tarifvertragliche Regelungen wie die bei der NGG, wie die bei der IG Chemie und bei anderen Gewerkschaften — auch bei meiner Gewerkschaft, der HBV, die einen wegweisenden Tarifvertrag zur Teilzeitarbeit abgeschlossen hat — sind doch Bausteine. Aber dennoch muß anderes hinzukommen. Und das sind Gesetze. Wir diskutieren heute über den Entwurf eines Gesetzes zur Gleichstellung von Mann und Frau im Berufsleben. Natürlich muß zu einem solchen Gesetz noch anderes hinzukommen. Das habe ich in diesem Plenum sicherlich schon zehnmal gesagt. Dazu haben wir Anträge eingebracht. Jetzt aber wollen wir über die Gleichstellung von Frau und Mann im Beruf diskutieren.

    (Beifall bei der SPD)

    Vor ca. eineinhalb Jahren hatten wir die erste Lesung des Gleichstellungsgesetzes und des ADG der



    Frau Schmidt (Nürnberg)

    GRÜNEN. In der Debatte damals wurde wenig über die Gesetzentwürfe und viel über Familienpolitik, über § 218 — und was sonst alles noch zur Frauenpolitik gehören mag — diskutiert.
    Es war für Sie, Frau Lehr, ein wichtiges Datum, denn obwohl es eine Debatte über die Gesetzentwürfe, die Parlamentarierinnen und Parlamentarier eingebracht hatten, war, wurde das Ganze dann mit der Überschrift — dafür können Sie nichts, aber es war so — „Jungfernrede von Frau Lehr" versehen. In der Zwischenzeit wünschte ich, Sie wären nach dieser Jungfernrede mit Ihrem Ministerium wenigstens eine Verlobung oder eine nichteheliche Lebensgemeinschaft eingegangen. Mit einer Ehe rechnet ja wohl niemand mehr.

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD — Heiterkeit bei den GRÜNEN)

    Auch heute debattieren wir wieder ausschließlich über Gesetzentwürfe der Opposition, denn bei der Regierung und bei den Koalitionsfraktionen ist diese Legislaturperiode ein frauenpolitischer Leerlauf.

    (Beifall bei der SPD und der Abg. Frau Schmidt [Hamburg] [GRÜNE])

    Das hat sich ja schon in unseren Diskussionen im Ausschuß gezeigt, als die Regierung und die Koalitionsfraktionen bei mehr als 20 Vorlagen zu frauenpolitischen Themen mit gerade zwei eilends zusammengezimmerten Anträgen angetreten sind. Frau Ministerin, der Arbeitskreis „Gleichstellung von Frau und Mann" der SPD-Bundestagsfraktion beschäftigt vier Referentinnen und Referenten; Ihr Referat Frauenpolitik beschäftigt meines Wissens auf einer vergleichbaren Ebene 18 Referentinnen und Referenten. Meinen Sie nicht auch, daß das Ergebnis ein bißchen dünn ist, noch dazu nachdem der einzige Gesetzentwurf der Regierung nicht aus Ihrem Ministerium, sondern aus dem BMA kommt?
    Was haben Sie und Ihre Vorgängerin uns in dem Bereich Gleichstellung von Frau und Mann im Beruf nicht alles angekündigt,

    (Frau Dr. Sonntag-Wolgast [SPD]: Lang ist die Liste!)

    und was ist daraus geworden? Ich zitiere: „Es ist das Ziel, die Arbeitsform Teilzeit gleichberechtigt neben die Arbeitszeit Vollzeit zu stellen und Teilzeitarbeit für Frauen und Männer gleichermaßen attraktiv zu machen." — Sie, Frau Lehr, haben den Abbau der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse zugunsten sozialversicherungspflichtiger Teilzeitarbeit gefordert. Mit unserem Gesetzentwurf tun wir beides: mehr Zeitsouveränität für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit Familienpflichten, weniger ungeschützte Teilzeitarbeit, Abschaffung der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse.
    Sie wollten folgendes — ich zitiere wieder —: „Frauen, die nach einer kürzeren oder längeren Unterbrechung ihrer Erwerbstätigkeit zugunsten der Familie wieder in den Beruf zurückkehren wollen, soll umfassend geholfen werden. Die während der Unterbrechung in der Familie erworbenen Kompetenzen und Fähigkeiten sind neben berufsbezogenen Qualifikationen in stärkerem Umfang zu berücksichtigen." — Unser Gesetzentwurf sieht genau das vor.
    Sie wollten die Gleichbehandlung von Männern und Frauen am Arbeitsplatz nach Vorgabe der EG-Richtlinie effektiver ausgestalten. Wir haben mit unserem Gesetz einen Vorschlag zur Verschärfung des bisher sanktionslosen Verbotes der Benachteiligung durch Ausdehnung auf den Tatbestand der mittelbaren Diskriminierung durch Umkehr der Beweislast, durch eine Schadenersatzpflicht bei nachgewiesenen Verstößen und Ahndung der Benachteiligung als Ordnungswidrigkeit vorgelegt. Ihr Gesetzentwurf, der auch nach Ansicht der Kolleginnen der Koalitionsfraktionen unzureichend ist, befindet sich noch in den Beratungen. Wie er herauskommt, weiß kein Mensch.
    Sie sagten ferner: „Die Bundesregierung wird die Wirksamkeit der Richtlinie zur beruflichen Förderung von Frauen in der Bundesverwaltung prüfen und Schritte zur Verbesserung einleiten. " — Haben Sie nun geprüft? Wie sieht das Ergebnis aus? Unser Gesetzentwurf sieht die verbindliche Frauenförderung vor.
    Sie haben sich so geäußert: „Eine angemessene politische und gesellschaftliche Beteiligung von Frauen kann nur erreicht werden, wenn Vorurteile abgebaut und die Rahmenbedingungen für die politische und gesellschaftliche Partizipation von Frauen verbessert werden. " — Ich frage mich: Warum tun Sie nicht endlich das, was Sie sich vornehmen?
    Nun weiß ich natürlich, daß Frauenpolitik nicht einfach durchzusetzen ist. Meine Kollegen in der SPD-Bundestagsfraktion mögen es mir verzeihen, wenn ich sage: Auch in meiner Fraktion ist es natürlich kein Honigschlecken, Frauenpolitik durchzusetzen. Von der Formulierung des Vorhabens eines Gleichstellungsgesetzes bis zu seiner Verabschiedung in der Fraktion sind bei uns immerhin eineinhalb Jahre vergangen. Nicht alle Blütenträume sind dabei gereift. Darum sage ich ganz eindeutig: Viele Vorschläge — der GRÜNEN — sind mir von ihrer Anlage her sympathisch. Ich hätte an einigen Stellen gerne mehr durchgesetzt, aber es fehlt uns auch die verfassungsmäßige Grundlage dafür, weil alle Verfassungsrechtler — auch diejenigen, die unserem Vorhaben sehr aufgeschlossen gegenüberstehen — gesagt haben: Dieses Gesetz hält keiner verfassungsrechtlichen Prüfung stand. — Nur, die Konsequenz kann doch nicht sein, daß wir dann darauf verzichten. Wir haben jetzt die Chance, im Rahmen eines zweiten Staatsvertrages, im Rahmen einer gemeinsamen neuen deutschen Verfassung auf der Grundlage unseres Grundgesetzes die Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß endlich eine verbindliche Frauenförderung möglich wird, und zwar nicht nur im öffentlichen Dienst, sondern auch in der Privatwirtschaft.

    (Beifall bei der SPD und des Abg. Meneses Vogl [GRÜNE])

    Aber, Frau Lehr, unser Gesetzentwurf wurde dann eben verabschiedet, und wir werden die Chance haben, ihn in einer SPD-geführten Regierung durchzusetzen. Sie, Frau Lehr, kämpfen nicht und haben da-



    Frau Schmidt (Nürnberg)

    mit schon verloren. Sie formulieren Politik, aber versuchen gar nicht erst, sie durchzusetzen.
    Es gibt einen ganz grundsätzlichen Unterschied natürlich auch im Ziel. Wir verwenden für unsere Ziele zwar die gleichen Begriffe, aber wir verstehen an vielen Punkten unter diesen Begriffen etwas anderes. Da hast du, Ursula Männle, in deiner Kritik zwar nicht ganz recht, aber ich möchte diese Unterschiede einmal aufzeigen. Beim Durchlesen des Protokolls der ersten Lesung unserer Gesetzentwürfe ist mir das sehr klar geworden. Wenn Sie, Frau Lehr, und Sie, liebe Kolleginnen der Koalitionsfraktionen — nicht alle, aber die meisten — von Vereinbarkeit von Kindern und Beruf sprechen, dann sagen Sie zwar immer, „für Mütter und Väter" , Ihre Politik richtet sich dennoch beinahe ausschließlich an die Mütter.

    (Frau Nickels [GRÜNE]: So ist es!)

    Wenn wir von Vereinbarkeit von Kindern und Beruf sprechen, dann wollen wir, daß dieses Problem von einer Frauenfrage endlich auch zu einer Männerfrage wird.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

    Wenn Sie die Wahlfreiheit zwischen Beruf und Familie wollen, dann meinen Sie Wahlfreiheit für Mütter. Wenn wir von Wahlfreiheit sprechen, dann meinen wir die Freiheit von Mutter u n d Vater, zu entscheiden, wer wann in welchem Umfang erwerbstätig sein will und wer sich wann in welchem Umfang mehr um die Familie kümmern will. Heute haben wir keine Wahlfreiheit, sondern einen Wahlzwang für Frauen.
    Eindrucksvoll hat das Frau Funke, die neue Sozialministerin von Rheinland-Pfalz, in unserer Anhörung zu den Gesetzentwürfen geschildert. Leider konnten weder Sie, Frau Lehr, noch die Leiterin Ihres Referats Frauenpolitik an dieser Anhörung teilnehmen. Frau Funke hat dargestellt, daß 40 % aller Frauen in Karrierefunktionen keine Kinder haben, während 97 % aller Männer in vergleichbaren Positionen überdurchschnittlich viele Kinder haben. Für Frauen heißt es also auch heute noch: Beruf oder Kinder, oder zumindest: Kinder oder Karriere.
    Wir wollen das mit unserem Gesetzentwurf ändern. Wir wollen eine Verbesserung der wirtschaftlichen Situation von Frauen erreichen, weil die die Voraussetzung für eine so verstandene Wahlfreiheit überhaupt ist.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

    Sie wollen unseren Gesetzentwurf heute ablehnen. Ich prophezeie Ihnen, daß er vor dem Hintergrund der Rechtsangleichung mit der DDR notwendiger denn je ist. Sie, Frau Ministerin Lehr, waren gestern bei den Debatten zum Staatsvertrag nicht anwesend. Kolleginnen der Koalitionsfraktionen erhielten keine Gelegenheit, zum Staatsvertrag und zur Situation von Frauen in der DDR mitzudiskutieren.
    Damit bin ich bei dem Grund für die weitgehende Erfolglosigkeit konservativ-liberaler Frauenpolitik. Sie sind zu wenige, und Sie verzichten freiwilig darauf, mehr zu werden. Frau Professor Süssmuth hat zum Ende ihrer Amtszeit als Ministerin einmal gesagt:
    Ich denke, wenn eine Partei Zukunft haben will, dann entscheidet sich das mehr denn je daran, wie sie mit Männern und Frauen in der Partei umgeht und ob die Frauen erleben, daß sie ernstgenommen werden mit ihren Problemen und Bedürfnissen und — ich unterstreiche — mit ihren Fähigkeiten.
    Mir scheint, mit ihrer Zukunft sieht es nicht besonders rosig aus. Das sieht der Vorsitzende der CDU-Fraktion in Niedersachsen genauso. Er hat gesagt, nicht umzugehen gewußt habe die Union mit dem neuen Selbstbewußtsein von Frauen, mit neuen Wertorientierungen und neuen Lebensstilen. Er schließt: „Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit. " Wie wahr. Wir werden deshalb diesen Gesetzentwurf im ersten gesamtdeutschen Parlament neu einbringen — als Regierungsentwurf.

    (Beifall bei der SPD)



Rede von Dr. Annemarie Renger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat Frau Abgeordnete Würfel.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Uta Würfel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich darf an dieser Stelle ganz besonders meinen Kollegen Herrn Gallus begrüßen, der sich in zunehmendem Maße für Frauenfragen interessiert.
    Meine Damen und Herren, in den letzten Monaten haben wir alle fasziniert auf die gewaltlose Revolution in der Deutschen Demokratischen Republik, auf die Veränderung in Deutschland, in Europa, ja in der Welt geschaut. Wir haben den Vereinigungsprozeß der beiden deutschen Staaten als Parlamentarier und Parlamentarierinnen mitbegleiten können. Ich bin besonders stolz darauf, daß die Frauen in der Deutschen Demokratischen Republik maßgeblich an den tiefgreifenden Umwälzungen mitgewirkt haben und daß sie heute — wenn auch in viel zu geringer Zahl — als Politikerinnen bei der Neugestaltung der Deutschen Demokratischen Republik und eines vereinten Deutschlands mitarbeiten.
    Neben all diesen großen über die Grenzen Deutschlands weit hinausreichenden Ereignissen sollten wir jedoch unsere eigene gesellschaftliche Entwicklung nicht außer acht lassen.

    (Beifall bei der SPD)

    Ich finde sogar, daß der Blick nach „drüben" in den anderen Teil Deutschlands unsere Augen für die Zustände im eigenen Land schärft und uns die Gelegenheit gibt, über unsere gesellschaftlichen Schwächen zu diskutieren und zu beraten.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Die rasante Entwicklung des politischen Vereinigungsprozesses mit den Veränderungen in der Deutschen Demokratischen Republik hat ihren guten Grund: Während jahrelanger Bevormundung der Bevölkerung und dem Festhalten an starren Reglementierungen durch den Staatsapparat und die Partei ist in dem östlichen Teil Deutschlands nichts gestaltet, nichts zum Positiven verändert worden. Eine Evolution fand nicht statt.
    Eine Stärke unserer bundesdeutschen politischen und wirtschaftlichen Ordnung ist die Evolution, die



    Frau Würfel
    Flexibilität und die Individualität, das Aufnehmen neuer Bedürfnisse und Entwicklungen, die Fähigkeit zur Innovation und zur langsamen und auch zur schnelleren Anpassung. Die gesellschaftlichen Kräfte in der Bundesrepublik beeinflussen diese Evolution und suchen — Spürhunden gleich — immer neue Fährten. Ihnen ist es in der Regel zu verdanken, daß reagiert wird. Nicht immer spektakulär, aber kontinuierlich wird in zäher Kleinarbeit an Veränderungen gearbeitet. Die Arbeit im stillen gilt in der Regel auch frauenpolitischen Belangen.
    Frauenpolitik ist Sozialpolitik. Hier gilt es, dicke Bretter zu bohren. Daß wir es nicht mit Weichholzbrettern zu tun haben, sondern mit abgelagertem Hartholz, das wir bearbeiten müssen, brauche ich Kennern der Frauenpolitik nicht zu verraten.

    (Frau Nickels [GRÜNE]: Das sind meistens nur Kennerinnen, Frau Kollegin!)

    — Nun ja.

    (Such [GRÜNE]: Das hat sie noch nicht verinnerlicht!)

    Sie von den GRÜNEN bieten mit Ihrem Antidiskriminierungsgesetz, das eine 50%ige Quote vorsieht, allerdings so eine Art Patentrezept an. Meines Erachtens nehmen Sie Hartholzbohrungen erst gar nicht vor, sondern ergänzen nach starrem Muster. So einfach, scheint es, schaffen Sie den Ein- und Aufstieg in alle gesellschaftlichen Bereiche.
    Nun müssen wir uns fragen: Gelingt das wirklich? Ich glaube, daß auf diese Weise langfristig wenig erreicht wird. Zwar setzen Sie ein Signal, doch ich glaube, daß der schnelle Erfolg trügt. Denn wo bleibt die Garantie, daß der Erfolg auch anhält und sich tiefgreifende Veränderungen über Jahre hin ergeben?

    (Frau Nickels [GRÜNE]: Wie war es denn in den letzten 50 Jahren? — Frau Schmidt [Nürnberg] [SPD]: Darum versucht man es erst gar nicht!)

    Die Meßlatte der sichtbaren Präsenz von Frauen kann uns liberalen Frauen nicht genügen. Im übrigen habe ich das Gefühl, daß in Ihrer Partei ein gewisses Rollback, was die Männer anbelangt, bereits im Gange ist.

    (Frau Schmidt [Hamburg] [GRÜNE]: Das ist wahr! Da geht im Moment Gott sei Dank die Quote noch vor!)

    Andere Länder sind, was die Akzeptanz von Frauen in gesellschaftlichen und politischen Feldern betrifft, weiter. Aber selbst dort, wo es — mehr als bei uns — Frauen in Führungspositionen gibt, mangelt es an der wünschenswerten Dichte. Dies zu erreichen ist die Aufgabe, die die Geschichte uns, der heutigen Generation, stellt.
    Ob wir dies nun mit dem vorliegenden Gesetzentwurf der SPD erreichen könnten?

    (Frau Dr. Sonntag-Wolgast [SPD]: Das glauben wir schon!)

    Ich habe natürlich gewisse Sympathien, liebe Renate,
    das muß ich bekennen. Das habe ich ja auch schon bei
    der ersten Lesung gesagt. Dieser SPD-Gesetzentwurf
    erfordert eine genauere Überprüfung, schon allein deshalb, weil er nicht den globalen Quotenansatz des Gesetzentwurfes der GRÜNEN kennt. Richtig ist auch, daß der Gesetzentwurf der SPD auf die Beteiligung von Frauen in der Wirtschaft entscheidend Wert legt.
    Dank des enormen Wirtschaftsaufschwungs konnten die meisten Arbeitsplätze, die in den letzten Jahren geschaffen worden sind, erfreulicherweise von Frauen besetzt werden.

    (Frau Schmidt [Hamburg] [GRÜNE]: Wo?)

    In Zukunft werden die Frauen von der Wirtschaft noch weiter gebraucht werden. 10 Millionen erwerbstätige Frauen werden in den nächsten Jahren überhaupt nicht ausreichen, alle Aufgaben zu bewältigen, die in einem vereinten Deutschland auf uns zukommen.
    Der Haupttrend der Gegenwart, der Frauen zugute kommt, ist die Entwicklung unserer Gesellschaft von der Industrie- zur Dienstleistungs- und weiter zur Kommunikationsgesellschaft. Die Fließbandarbeit wird von Überwachung, Steuerung, Wartung, Beratung, Service und Kommunikation abgelöst. Gerade das kommt den qualifzierten Frauen zugute.
    Auch wenn im anderen Teil Deutschlands der Strukturwandel Schwierigkeiten für die Frauen mit sich bringen wird, — da bin ich ganz sicher — , werden ein hohes Maß an Flexibilität und Anpassung, was die Frauen dort ohne Zweifel haben, und die hohe Akzeptanz von Weiterbildungs- und Umschulungsmaßnahmen der Frauen diese Umstellung erleichtern helfen.
    Es zeigt sich, daß hier wie dort in der Arbeitswelt Fähigkeiten immer mehr geschätzt werden, die Frauen bisher in der Familienrolle — in Anführungszeichen — eingeübt haben. Bisher als typisch weiblich bezeichnete Stärken, wie Vielseitigkeit, Kreativität, Flexiblität, Einfühlungsvermögen in Menschen und Kontaktfreude, werden künftig stärker gefordert.

    (Beifall bei der FDP)

    Im Management der Unternehmen zeichnet sich seit einiger Zeit der Trend vom funktionalen Manager zum, sagen wir einmal: Menschenführer ab. Neben Schlüsselqualifikationen, wie der Fähigkeit zu vernetztem Denken und interkultureller Sensibilität, wird die soziale Kompetenz der Fach- und Führungskräfte als immer wichtiger erachtet. Soziale Kompetenz ist die Fähigkeit, mit sich selbst und anderen konstruktiv umzugehen. Voraussetzung dafür — das ist etwas, was man selbstverständlich in der Familie besonders einüben kann — ist ein hohes Maß an Einfühlungsvermögen — in diesem Fall im Management — in die Situation der zu führenden Personen.
    Mit der sozialen Kompetenz wird eine oft als typisch weiblich bezeichnete Eigenschaft zu einer wesentlichen Managementfunktion erhoben. Sicherlich ist diese Eigenschaft bei Frauen wie bei Männern vorhanden. Jedoch kommt Frauen in diesem Bereich nach allgemeiner Ansicht ein Qualifikationsvorteil zugute, den die Führungskräfte in den Unternehmen im Einzelfall erkennen und fördern müssen. Diese soziale Kompetenz gilt es in Zukunft für die Wirtschaft ver-



    Frau Würfel
    mehrt zu nutzen. Wir müssen zugestehen, daß die Gesellschaft insgesamt schon sehr lange von diesen Fähigkeiten profitiert und sie entsprechend ausgenutzt hat und ausnutzt.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Hinzu kommt der Trend unserer Gesellschaft zu mehr Individualität. Die Individualität gibt dem einzelnen mehr Freiheit, mehr Unabhängigkeit und auch mehr Chancen zur Selbstverwirklichung. Andererseits birgt dieser Hang zur Isolation auch die Gefahr der sozialen Kälte, der Ausgrenzung und der Lösung von traditionellen sozialen Bindungen.
    Die Zahl der Ehescheidungen und die Angst vor Verpflichtungen durch Kinder sowie der Ersatz von persönlicher Zuwendung durch Wohlstand drückt dies wohl aus. Viele haben inzwischen die Befürchtung, daß unser Gemeinwesen durch den wachsenden Egoismus zerstört werden könnte. Dies finde ich zwar übertrieben, aber wir müssen uns fragen, wie wir es angesichts dieser Entwicklungen schaffen, mehr Solidarität, insbesondere mehr Solidarität für die Frauen, und die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern auf allen gesellschaftlichen Ebenen durchzusetzen.
    Natürlich wollen wir liberalen Frauen keine Gleichmacherei und schon gar nicht eine Art blinder Solidarität. Es muß die vorrangige Aufgabe jedes einzelnen sein, mit seinem Selbstbewußtsein, seinem Können und seiner Verantwortungsbereitschaft für den Erhalt der Gesellschaft, der Freiheit, der Natur und der Umwelt aktiv einzutreten. Selbstbestimmung und Verantwortung, jedoch nicht Bevormundung, müssen das Leitmotiv unseres Handelns sein.

    (Beifall bei der FDP)

    Ziel liberaler Frauenpolitik ist es daher, unsere Politik freier und deshalb noch effizienter, noch sozialer zu machen. Das heißt für uns, daß zur Freiheit der Lebensgestaltung — die natürlich durch die verschiedenen Lebensentwürfe, die zur Zeit noch vorgegeben sind, stark eingeengt wird, wie es Renate Schmidt eindrucksvoll geschildert hat, und die bei uns in der Bundesrepublik eher auf dem Papier besteht — die Zeitsouveränität kommen muß. Das bedeutet vor allen Dingen, daß man immer weniger Frauen und Männern vorschreiben kann, wie wenig oder wie viel, wann und in welcher Art und Weise sie erwerbstätig sein möchten.
    Insofern kann ich einigen Passagen Ihres SPD-Gesetzentwurfs nicht folgen, in dem nun Arbeitszeiten fest vorgeschrieben werden und in dem Frauen, so sie es wollen, verboten wird, nachts zu arbeiten.

    (Frau Schmidt [Nürnberg] [SPD]: Wir versuchen nur, sie gleichberechtigt sein zu lassen und unter den gleichen Schutz zu stellen!)

    — Leider ist das, was Sie gesagt haben, hier nicht übergekommen, weil das nicht ins Mikrophon gesprochen wurde. Wenn dahinter das Ziel steht, ihnen die Gleichberechtigung nicht vorzuschreiben, sondern ihnen die Wahl zu lassen, dann bin ich natürlich damit einverstanden.
    Zurück zur Zeitsouveränität. Ich glaube, daß die Zeitsouveränität in Zukunft das Recht jedes einzelnen
    Bürgers, jedes einzelnen Erwerbstätigen sein muß. Ein Jahresarbeitszeitkonto ist der richtige Weg, nicht die starre Reglementierung einer 35- Stunden-Woche. Den Frauen nützen flexible Arbeitszeiten viel mehr als starre Arbeitszeitverkürzungen oder Verbote. Ich denke, daß auch Sie von den Sozialdemokraten dies noch einmal überlegen sollten. Es handelt sich um völlig neue Fragestellungen, auf die wir nicht die alten Antworten geben können.