Rede:
ID1121110600

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    Plenarprotokoll 11/211 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 211. Sitzung Bonn, Freitag, den 11. Mai 1990 Inhalt: Tagesordnungspunkt 16: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die neunzehnte Anpassung der Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz sowie zur Änderung weiterer sozialrechtlicher Vorschriften (KOV-Anpassungsgesetz 1990) (Drucksachen 11/6760, 11/7097, 11/7098) Dr. Becker (Frankfurt) CDU/CSU 16613 B Schreiner SPD 16614 C Heinrich FDP 16615 B Frau Beck-Oberdorf GRÜNE 16616 B Vogt, Parl. Staatssekretär BMA 16617 B Tagesordnungspunkt 17: a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung der Gleichbehandlung von Frauen und Männern am Arbeitsplatz (Drucksache 11/6946) b) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Innenausschusses zu dem Antrag der Fraktion der SPD: Benennungen von Frauen in Ämter und Funktionen, für die die Bundesregierung ein Vorschlagsrecht hat (Drucksachen 11/3285, 11/4866) c) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Rechtsausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Frau Männle, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Fraktion der FDP: Geschlechtsbezogene Formulierung in Gesetzen, Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften zu dem Antrag der Fraktion der SPD: Geschlechtsneutrale Bezeichnungen zu dem Antrag der Fraktion DIE GRÜNEN: Geschlechtsneutrale Bezeichnungen (Drucksachen 11/1043, 11/118, 11/860, 11/2152) Vogt, Parl. Staatssekretär BMA 16619 A Frau Weiler SPD 16620 C Frau Würfel FDP 16622 D Frau Schmidt (Hamburg) GRÜNE 16623 D Frau Dr. Lehr, Bundesminister BMJFFG 16625 B Frau Hämmerle SPD 16626 B Frau Schätzle CDU/CSU 16627 C Dr. Jahn, Parl. Staatssekretär BMJ 16628 D Uldall CDU/CSU 16629 C Tagesordnungspunkt 18: Beratung der Großen Anfrage des Abgeordneten Zink, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie des Abgeordneten Dr. Thomae, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Politik für die Arbeitnehmer (Drucksachen 11/5048, 11/5828) Scharrenbroich CDU/CSU 16630 C Schreiner SPD 16631 B Heyenn SPD 16633 D Heinrich FDP 16636 D Schreiner SPD 16637 C Heyenn SPD 16638 A Frau Beck-Oberdorf GRÜNE 16639 B Scharrenbroich CDU/CSU 16641 C Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 211. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. Mai 1990 Vogt, Parl. Staatssekretär BMA 16642 B Reimann SPD 16646 C Keller CDU/CSU 16649 B Urbaniak SPD 16651 B Schemken CDU/CSU 16652 C Urbaniak SPD 16652 D Reimann SPD 16654 D Vizepräsident Stücklen 16633 C Tagesordnungspunkt 19: Beratung des Antrags der Abgeordneten Frau Männle, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Frau Folz-Steinacker, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Maßnahmen zur Wiedereingliederung in das Erwerbsleben nach Zeiten der Kindererziehung (Drucksache 11/6856) Frau Schmidt (Spiesen) CDU/CSU 16655 D Frau Dr. Niehuis SPD 16657 B Frau Walz FDP 16659 A Frau Beck-Oberdorf GRÜNE 16660 A Frau Dr. Lehr, Bundesminister BMJFFG 16661 A Nächste Sitzung 16662 Berichtigung 16662 Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 16663* A Anlage 2 Amtliche Mitteilung 16663* D Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 211. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. Mai 1990 16613 211. Sitzung Bonn, den 11. Mai 1990 Beginn: 9.00 Uhr
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    Berichtigung 210. Sitzung, Seite 16526 B, 5. Zeile von unten: Statt „ihnen" ist „Ihnen" zu lesen. Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Dr. Abelein CDU/CSU 11. 05. 90 ** Dr. Ahrens SPD 11. 05. 90 * Antretter SPD 11. 05. 90 * Bahr SPD 11. 05. 90 Frau Beer GRÜNE 11. 05. 90 Frau Blunck SPD 11. 05. 90 * Böhm (Melsungen) CDU/CSU 11. 05. 90 * Börnsen (Ritterhude) SPD 11. 05. 90 Brandt SPD 11. 05. 90 Brück SPD 11. 05. 90 Büchner (Speyer) SPD 11. 05. 90 * Bühler (Bruchsal) CDU/CSU 11. 05. 90 * Buschfort SPD 11. 05. 90 Carstensen (Nordstrand) CDU/CSU 11. 05. 90 Cronenberg (Arnsberg) FDP 11. 05. 90 Ehrbar CDU/CSU 11. 05. 90 Eigen CDU/CSU 11. 05. 90 Engelsberger CDU/CSU 11. 05. 90 Eylmann CDU/CSU 11. 05. 90 Dr. Feldmann FDP 11. 05. 90 Fellner CDU/CSU 11. 05. 90 Gallus FDP 11. 05. 90 Gattermann FDP 11. 05. 90 Dr. Geißler CDU/CSU 11. 05. 90 Dr. Götz CDU/CSU 11. 05. 90 Dr. Haack SPD 11. 05. 90 Haack (Extertal) SPD 11. 05. 90 Dr. Häfele CDU/CSU 11. 05. 90 Dr. Haussmann FDP 11. 05. 90 Frhr. Heereman von CDU/CSU 11. 05. 90 Zuydtwyck Heimann SPD 11. 05. 90 Höffkes CDU/CSU 11. 05. 90 * Frau Hoffmann (Soltau) CDU/CSU 11. 05. 90 * Dr. Hüsch CDU/CSU 11. 05. 90 Irmer FDP 11. 05. 90 * Jung (Düsseldorf) SPD 11. 05. 90 Jungmann (Wittmoldt) SPD 11. 05. 90 Kittelmann CDU/CSU 11. 05. 90 * Dr. Klejdzinski SPD 11. 05. 90 * Kossendey CDU/CSU 11.05.90 Kreuzeder GRÜNE 11.05.90 Dr.-Ing. Laermann FDP 11. 05. 90 Dr. Graf Lambsdorff FDP 11. 05. 90 Frau Limbach CDU/CSU 11. 05. 90 Lowack CDU/CSU 11.05.90 Frau Luuk SPD 11. 05. 90 * Dr. Mechtersheimer GRÜNE 11. 05. 90 Menzel SPD 11.05.90 Dr. Mertens (Bottrop) SPD 11. 05. 90 Meyer SPD 11.05.90 Dr. Müller CDU/CSU 11. 05. 90 Müller (Wesseling) CDU/CSU 11. 05. 90 Niegel CDU/CSU 11. 05. 90 * * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Frau Oesterle-Schwerin GRÜNE 11. 05. 90 Oostergetelo SPD 11. 05. 90 Petersen CDU/CSU 11. 05. 90 Dr. Pfennig CDU/CSU 11. 05. 90 Pfuhl SPD 11. 05. 90 * Poß SPD 11. 05. 90 Rappe (Hildesheim) SPD 11. 05. 90 Reddemann CDU/CSU 11. 05. 90 * Regenspurger CDU/CSU 11. 05. 90 Reuschenbach SPD 11. 05. 90 Frau Rock GRÜNE 11. 05. 90 Roth SPD 11. 05. 90 Frau Saibold GRÜNE 11. 05. 90 Dr. Scheer SPD 11. 05. 90 Scherrer SPD 11. 05. 90 Frau Schilling GRÜNE 11. 05. 90 Schmidt (München) SPD 11. 05. 90 * Frau Schmidt (Nürnberg) SPD 11. 05. 90 Schmitz (Baesweiler) CDU/CSU 11. 05. 90 von Schmude CDU/CSU 11. 05. 90 * Schröer (Mülheim) SPD 11. 05. 90 Schütz SPD 11. 05. 90 Dr. Schwörer CDU/CSU 11. 05. 90 Sielaff SPD 11. 05. 90 Dr. Soell SPD 11. 05. 90 * Dr. Sperling SPD 11. 05. 90 Steiner SPD 11. 05. 90 * Dr. Stoltenberg CDU/CSU 11. 05. 90 Dr. Uelhoff CDU/CSU 11. 05. 90 ** Dr. Voigt (Northeim) CDU/CSU 11. 05. 90 Dr. Vondran CDU/CSU 11. 05. 90 Vosen SPD 11. 05. 90 Dr. Waigel CDU/CSU 11. 05. 90 Wetzel GRÜNE 11. 05. 90 Wiefelspütz SPD 11. 05. 90 Wissmann CDU/CSU 11. 05. 90 Frau Wollny GRÜNE 11. 05. 90 Dr. Wulff CDU/CSU 11. 05. 90 * Zierer CDU/CSU 11. 05. 90 * Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht: Ausschuß für Wirtschaft Drucksache 11/256 Drucksache 11/3895 Drucksache 11/4490 Drucksache 11/5510 Drucksache 11/6278 Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Drucksache 11/4342 Drucksache 11/4989 Drucksache 11/6116 Drucksache 11/6117 Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen bzw. von einer Beratung abgesehen hat: 16664* Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 211. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. Mai 1990 Finanzausschuß Drucksache 11/6285 Nr. 2.1 Drucksache 11/6423 Nr. 2.3 Ausschuß für Wirtschaft Drucksache 11/138 Nr. 3.41 Drucksache 11/973 Nr. 2.3 Drucksache 11/3311 Nr. 2.8 Drucksache 11/4534 Nr. 2.5 Drucksache 11/5351 Nr. 2.1 Drucksache 11/5954 Nr. 2.5 Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Drucksache 11/4019 Nr. 2.32-2.34 Drucksache 11/4081 Nr. 2.10, 2.13 Drucksache 11/5197 Nr. 2.10 Drucksache 11/6423 Nr. 2.14 Drucksache 11/6629 Nr. 2.14 Ausschuß für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit Drucksache 11/6125 Nr. 12 Ausschuß für Bildung und Wissenschaft Drucksache 11/4680 Nr. 2.15 Drucksache 11/5051 Nr. 51 Drucksache 11/6324 Nr. 2.35 Drucksache 11/6423 Nr. 2.16 Drucksache 11/6502 Nr. 21 Drucksache 11/6738 Nr. 2.14, 2.15
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    Rede von Ingrid Walz


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! „Ich möchte zurück in den Beruf" — Das ist ein Gedanke, das ist ein Wunsch, den Frauen überlegen, wenn sich die Phase der Kindererziehung dem Ende zuneigt. Zehn oder mehr Jahre nicht im Beruf gewesen zu sein bedeutet für die Frauen, wenn sie wieder einsteigen wollen, auch das Bewältigen großer Probleme. Berufsrückkehrerinnen wissen meist nicht, was sie noch machen können, wozu sie noch fähig sind und an wen sie sich wegen einer Beratung wenden müssen.
    Am Anfang stehen also ein langes Suchen, Desinformation, Zeitknappheit und nicht zuletzt die vielfach unbefriedigende Aufklärung durch die Arbeitsämter. Dies entmutigt Frauen auf dem Weg in den Wiedereinstieg.
    Berufsrückkehrerinnen haben heute eine bessere Ausbildung als je zuvor. Aber der zeitweilige Ausstieg aus dem Erwerbsleben bei einem rasanten Tempo vor allem technologisch bedingter Veränderungen am Arbeitsplatz birgt für viele Frauen Gefahren und bringt große Probleme mit sich. Selbst von Frauen, die in ihren alten Beruf zurückkehren wollen, wird erwartet, daß sie sich den veränderten Bedingungen anpassen.

    (Frau Männle [CDU/CSU]: Richtig!)

    Sie müssen z. B. Kenntnisse über den Umgang mit Computern und mit verschiedenen Software-Programmen haben. Wer kann das schon mitbringen, wenn er zehn Jahre aus dem Beruf ausgeschieden war?

    (Frau Männle [CDU/CSU]: Sehr schwer!)

    — Ja. Aber auch die Familie muß mitziehen, und hier scheint mir auch ein ganz großes Problem begründet zu sein; denn dort herrscht nicht immer eitel Freude und Wohlgefallen darüber, wenn plötzlich die Frau und Mutter ihren eigenen Weg gehen möchte. Das bedeutet nämlich, um es einmal ganz menschlich zu sagen, daß das Essen vielleicht nicht mehr ganz so pünktlich auf dem Tisch steht, die Spülmaschine nicht ausgeräumt ist und die Wäsche sich irgendwo auftürmt. Die Familien tun sich deshalb sehr schwer, die Frauen gehen zu lassen oder sich mit dieser neuen Rolle der Frau und Mutter auseinanderzusetzen. Jede Veränderung bedarf deshalb einer behutsamen Einstimmung durch die Frau, und dies nicht immer nur durch die kalte Küche. Es gehört sehr viel Überredung dazu, daß die Familie dies akzeptiert. Ich glaube, jede kann ein Liedchen davon singen.

    (Frau Beck-Oberdorf [GRÜNE]: Weniger behutsam für manche Männer ist besser!)

    Für uns Liberale ist es ganz selbstverständlich, daß sich Frauen und Männer frei für ihre Positionen und ihre Rollen in der Gesellschaft entscheiden können. Bisher haben wir darunter gelitten, daß es nur ein Entweder-Oder gab, also entweder Erwerbstätigkeit oder Familientätigkeit.
    Meine Damen und Herren, die erfolgreiche Wiedereingliederung von Frauen hängt ganz wesentlich von der Haltung der Gesellschaft ab, aber auch davon, welche Qualifikation der Frau im Bildungssystem vermittelt wird. Eine leistungsgerechte Entlohnung und die Möglichkeit für die Frau, am richtigen Platz ihr Können zu zeigen, müssen hinzukommen. Deswegen haben wir in den Koalitionsvereinbarungen festgeschrieben, daß Wiedereinstiegsmaßnahmen von der Bundesregierung eingeleitet und durchgeführt werden sollen. Wir Liberalen haben lange auf die Umsetzung dieser frauenpolitischen Maßnahmen gewartet. Nicht zuletzt auf unser Drängen hin ist im Herbst 1989 das Modellprogramm zur Wiedereingliederung von Frauen angelaufen. Dabei war es ganz wichtig, daß die Unternehmen in den letzten Jahren endlich der beruflichen Wiedereingliederung von Arbeitnehmerinnen einen höheren Stellenwert eingeräumt haben. Auch daran hatte es bislang gemangelt. Die Arbeitgeber tun dies natürlich nicht uneigennützig; doch sie tun es zu Recht, stellen doch Frauen heute das größte Reservoir an Humankapital dar. Die Betriebe kommen den Arbeitnehmerinnen entgegen. Sie bieten Betriebsvereinbarungen an. Sie bieten ehemaligen Mitarbeiterinnen Weiterbildung während der Familienphase an, um sie anschließend wieder leichter in die Betriebe integrieren zu können.
    Ich meine, daß der Staat nicht alles tun muß, sondern daß hier auch eine ganz legitime Aufgabe der Betriebe besteht. Nicht jede Wiedereinstellung muß im Rahmen einer Betriebsvereinbarung oder eines Tarifvertrags geregelt werden. Nach unserer Ansicht ist auch eine Einstellungsgarantie nach Ablauf der Familienphase nicht unbedingt nötig, wenn auch erwünscht.
    Heute erleichtern ökonomisches Überlegen und die Marktsituation vielen Frauen den Wiedereinstieg. Welche mittelständische Firma wollte z. B. auf ihre erfahrene Buchhalterin, die in den Beruf zurückkehren möchte, welcher Einzelhandelsbetrieb wollte auf seine tüchtige Einkäuferin verzichten? Diese Beispiele ließen sich beliebig ergänzen.

    (Frau Weiler [SPD]: Also doch Spielball der Arbeitsmarktlage!)




    Frau Walz
    Wir meinen, daß die Chancen der Frauen im Berufsleben und bei der Wiedereingliederung heute nicht schlecht sind. Steter Tropfen höhlte anscheinend den Stein, doch aus dem Weg geräumt ist dieser Stein des Anstoßens leider immer noch nicht.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Rede von Heinz Westphal
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Beck-Oberdorf.

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    Rede von Marieluise Beck-Oberdorf


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Frau Kollegin Walz, Sie kennen ja sicherlich die Berechnungen, denen zufolge wir, wenn wir in diesem Tempo weiter fortfahren, die gleichberechtigte Stellung der Frauen im Erwerbsleben etwa im Jahre 2050 oder im Jahre 2060 zu erwarten haben.

    (Frau Dr. Niehuis [SPD]: Das erleben wir ja gar nicht mehr!)

    Ich meine doch, es sollte hier etwas mehr Nachdruck und ein schnelleres Tempo, als auch dieser Antrag verspricht, an den Tag gelegt werden.
    Der Dienst an der Waffe gilt in unserer Gesellschaft mehr als der Dienst in der Kinderstube und in der Küche. Das hat 1949 schon eine der Mütter des Grundgesetzes festgestellt, nämlich Elisabeth Seibert. Das gilt heute genauso wie vor 40 Jahren: Jeder Wehrpflichtige hat das Anrecht auf einen Arbeitsplatz, der in Qualifikation und Bezahlung mit dem vor seiner Einberufung vergleichbar ist. Dies ist festgeschrieben im Arbeitsplatzsicherungsgesetz. Nach seinem Wehrdienst kann der junge Mann dann gestählt im wahrsten Sinne des Wortes seinen Platz im Erwerbsleben wieder einnehmen.
    Was für die Wehrpflicht gilt, müßte mindestens auch für die Arbeit an der kommenden Generation, für die Kindererziehung und -betreuung, aber auch für die Pflegearbeit an kranken und alten Menschen gelten.

    (Zustimmung bei der SPD)

    Aber weit gefehlt. Für die Frauen, die halb freiwillig und oftmals mehr gezwungen aus dem Beruf aussteigen, weil sie Familienarbeit machen, werden statt dessen Maßnahmen bereitgehalten, die kaum mehr als einen Tropfen auf den heißen Stein bedeuten. Jedenfalls verdienen sie nicht den Namen „Programm". Damit wird ein bißchen am Symptom kuriert, und die Bundesregierung kann sich als familienfreundlich und frauenfreundlich verkaufen.
    Letzterem gilt auch der Schaufensterantrag der CDU/CSU und der FDP, über den wir hier beraten. Sie werden sicher nicht erwarten, daß wir Beifall klatschen, auch wenn wir einige Ansätze des Programms nicht falsch finden. Ich möchte etwa die finanzielle Förderung von Beratungsstellen für den beruflichen Wiedereinstieg und die Einrichtung einer mobilen Beratungsstelle für die Frauen auf dem platten Land nennen — letzteres ist notwendig, weil Frauen natürlich nicht die sind, die das Auto zur Verfügung haben; das fahren nämlich meistens die Männer bzw. besitzen es zumindest — , Ideen übrigens, die zum Teil in den Projekten der autonomen Frauenbewegung entwickelt worden sind.
    Aber nun schauen wir doch einmal auf den Umfang des Wiedereingliederungsprogramms; es ist mehr ein Progrämmchen. Ganze 30 Millionen DM

    (Frau Männle [CDU/CSU]: Ja, 30 Millionen!)

    — ich werde Ihnen jetzt einmal vorrechnen, was das heißt — sind im Sonderprogramm der Bundesregierung vorgesehen: 5 Millionen DM für die Beratungsstellen, Laufzeit drei Jahre; 25 Millionen DM für die Motivation der Arbeitgeber, Berufsrückkehrerinnen einzustellen, und für Qualifizierungsmaßnahmen, Laufzeit fünf Jahre. Wenn wir den finanziellen Gehalt der Maßnahmen auf die 32 000 Frauen umrechnen, die nach Einschätzung der Bundesregierung jährlich wiedereinsteigen wollen, kommen wir auf 20,84 DM
    — ich wiederhole: 20,84 DM — pro Nase. Ich meine, das reicht gerade für die Briefmarken, die auf die Bewerbungsschreiben zu kleben sind.
    Es ist schon reichlich unverfroren, daß sich Frau Lehr mit solchen Zahlen überhaupt an die Öffentlichkeit wagt.
    Es ist ja nun nicht so, daß die Ursachen für die Vereinbarkeitsprobleme im Hause Lehr und im Hause Blüm unbekannt wären. Ich zitiere aus einer Studie, die Frau Lehr im Juni vergangenen Jahres auf einer Pressekonferenz zum Sonderprogramm verteilen ließ:
    Berufsarbeit ist in unserer Gesellschaft so konzipiert, daß sie das volle Engagement für die beruflichen Belange erfordert, daß alle menschlichen Lebensäußerungen im Prinzip als Störfaktoren gelten und zudem auch in der arbeitsfreien Zeit eine Entlastung der Erwerbstätigen von lästigen Alltagsaufgaben durch innerfamiliale Arbeitsteilung im Prinzip vorausgesetzt wird.
    Das sind die Realitäten, mit denen die Frauen zu kämpfen haben, die weder wegen ihrer Erwerbstätigkeit auf Kinder noch wegen ihrer Kinder auf ihren Beruf verzichten wollen.
    Wir haben verschiedene Generationen von Berufsrückkehrerinnen: Frauen zwischen 40 und 50 Jahren und älter, die längere Familienphasen eingelegt haben, insbesondere wenn sie mehrere Kinder versorgt haben, und jüngere Frauen, die zu kürzeren Familienphasen tendieren. Wir brauchen dafür unterschiedliche Maßnahmen: kurz- und mittelfristige und längerfristig vor allen Dingen die Vermeidung der Wiedereinstiegsproblematik, d. h. ein gesetzlich und tariflich verbrieftes Recht auf Rückkehr an den Arbeitsplatz nach der Familienphase.
    Frau Lehr und Herr Blüm sollten sich zusammensetzen, solange sie ihre Ressorts noch verwalten, und solche tragfähigen Konzepte für die Zukunft entwickeln. Wir stehen zur Beratung gerne zur Verfügung und werden mit unseren Modellen zur Hilfe sein — als da



    Frau Beck-Oberdorf
    sind: Quotierung der Erwerbsarbeitsplätze, Freistellungs- und Reduzierungsansprüche mit Einkommensausgleich für Mütter und Väter, Grundsicherung, Rechtsanspruch auf öffentliche Kinderbetreuung, denn auch dieser ist hier im Hohen Hause gerade verwehrt worden.

    (Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)