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ID1121110400

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    Plenarprotokoll 11/211 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 211. Sitzung Bonn, Freitag, den 11. Mai 1990 Inhalt: Tagesordnungspunkt 16: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die neunzehnte Anpassung der Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz sowie zur Änderung weiterer sozialrechtlicher Vorschriften (KOV-Anpassungsgesetz 1990) (Drucksachen 11/6760, 11/7097, 11/7098) Dr. Becker (Frankfurt) CDU/CSU 16613 B Schreiner SPD 16614 C Heinrich FDP 16615 B Frau Beck-Oberdorf GRÜNE 16616 B Vogt, Parl. Staatssekretär BMA 16617 B Tagesordnungspunkt 17: a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung der Gleichbehandlung von Frauen und Männern am Arbeitsplatz (Drucksache 11/6946) b) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Innenausschusses zu dem Antrag der Fraktion der SPD: Benennungen von Frauen in Ämter und Funktionen, für die die Bundesregierung ein Vorschlagsrecht hat (Drucksachen 11/3285, 11/4866) c) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Rechtsausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Frau Männle, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Fraktion der FDP: Geschlechtsbezogene Formulierung in Gesetzen, Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften zu dem Antrag der Fraktion der SPD: Geschlechtsneutrale Bezeichnungen zu dem Antrag der Fraktion DIE GRÜNEN: Geschlechtsneutrale Bezeichnungen (Drucksachen 11/1043, 11/118, 11/860, 11/2152) Vogt, Parl. Staatssekretär BMA 16619 A Frau Weiler SPD 16620 C Frau Würfel FDP 16622 D Frau Schmidt (Hamburg) GRÜNE 16623 D Frau Dr. Lehr, Bundesminister BMJFFG 16625 B Frau Hämmerle SPD 16626 B Frau Schätzle CDU/CSU 16627 C Dr. Jahn, Parl. Staatssekretär BMJ 16628 D Uldall CDU/CSU 16629 C Tagesordnungspunkt 18: Beratung der Großen Anfrage des Abgeordneten Zink, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie des Abgeordneten Dr. Thomae, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Politik für die Arbeitnehmer (Drucksachen 11/5048, 11/5828) Scharrenbroich CDU/CSU 16630 C Schreiner SPD 16631 B Heyenn SPD 16633 D Heinrich FDP 16636 D Schreiner SPD 16637 C Heyenn SPD 16638 A Frau Beck-Oberdorf GRÜNE 16639 B Scharrenbroich CDU/CSU 16641 C Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 211. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. Mai 1990 Vogt, Parl. Staatssekretär BMA 16642 B Reimann SPD 16646 C Keller CDU/CSU 16649 B Urbaniak SPD 16651 B Schemken CDU/CSU 16652 C Urbaniak SPD 16652 D Reimann SPD 16654 D Vizepräsident Stücklen 16633 C Tagesordnungspunkt 19: Beratung des Antrags der Abgeordneten Frau Männle, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Frau Folz-Steinacker, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Maßnahmen zur Wiedereingliederung in das Erwerbsleben nach Zeiten der Kindererziehung (Drucksache 11/6856) Frau Schmidt (Spiesen) CDU/CSU 16655 D Frau Dr. Niehuis SPD 16657 B Frau Walz FDP 16659 A Frau Beck-Oberdorf GRÜNE 16660 A Frau Dr. Lehr, Bundesminister BMJFFG 16661 A Nächste Sitzung 16662 Berichtigung 16662 Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 16663* A Anlage 2 Amtliche Mitteilung 16663* D Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 211. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. Mai 1990 16613 211. Sitzung Bonn, den 11. Mai 1990 Beginn: 9.00 Uhr
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    Berichtigung 210. Sitzung, Seite 16526 B, 5. Zeile von unten: Statt „ihnen" ist „Ihnen" zu lesen. Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Dr. Abelein CDU/CSU 11. 05. 90 ** Dr. Ahrens SPD 11. 05. 90 * Antretter SPD 11. 05. 90 * Bahr SPD 11. 05. 90 Frau Beer GRÜNE 11. 05. 90 Frau Blunck SPD 11. 05. 90 * Böhm (Melsungen) CDU/CSU 11. 05. 90 * Börnsen (Ritterhude) SPD 11. 05. 90 Brandt SPD 11. 05. 90 Brück SPD 11. 05. 90 Büchner (Speyer) SPD 11. 05. 90 * Bühler (Bruchsal) CDU/CSU 11. 05. 90 * Buschfort SPD 11. 05. 90 Carstensen (Nordstrand) CDU/CSU 11. 05. 90 Cronenberg (Arnsberg) FDP 11. 05. 90 Ehrbar CDU/CSU 11. 05. 90 Eigen CDU/CSU 11. 05. 90 Engelsberger CDU/CSU 11. 05. 90 Eylmann CDU/CSU 11. 05. 90 Dr. Feldmann FDP 11. 05. 90 Fellner CDU/CSU 11. 05. 90 Gallus FDP 11. 05. 90 Gattermann FDP 11. 05. 90 Dr. Geißler CDU/CSU 11. 05. 90 Dr. Götz CDU/CSU 11. 05. 90 Dr. Haack SPD 11. 05. 90 Haack (Extertal) SPD 11. 05. 90 Dr. Häfele CDU/CSU 11. 05. 90 Dr. Haussmann FDP 11. 05. 90 Frhr. Heereman von CDU/CSU 11. 05. 90 Zuydtwyck Heimann SPD 11. 05. 90 Höffkes CDU/CSU 11. 05. 90 * Frau Hoffmann (Soltau) CDU/CSU 11. 05. 90 * Dr. Hüsch CDU/CSU 11. 05. 90 Irmer FDP 11. 05. 90 * Jung (Düsseldorf) SPD 11. 05. 90 Jungmann (Wittmoldt) SPD 11. 05. 90 Kittelmann CDU/CSU 11. 05. 90 * Dr. Klejdzinski SPD 11. 05. 90 * Kossendey CDU/CSU 11.05.90 Kreuzeder GRÜNE 11.05.90 Dr.-Ing. Laermann FDP 11. 05. 90 Dr. Graf Lambsdorff FDP 11. 05. 90 Frau Limbach CDU/CSU 11. 05. 90 Lowack CDU/CSU 11.05.90 Frau Luuk SPD 11. 05. 90 * Dr. Mechtersheimer GRÜNE 11. 05. 90 Menzel SPD 11.05.90 Dr. Mertens (Bottrop) SPD 11. 05. 90 Meyer SPD 11.05.90 Dr. Müller CDU/CSU 11. 05. 90 Müller (Wesseling) CDU/CSU 11. 05. 90 Niegel CDU/CSU 11. 05. 90 * * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Frau Oesterle-Schwerin GRÜNE 11. 05. 90 Oostergetelo SPD 11. 05. 90 Petersen CDU/CSU 11. 05. 90 Dr. Pfennig CDU/CSU 11. 05. 90 Pfuhl SPD 11. 05. 90 * Poß SPD 11. 05. 90 Rappe (Hildesheim) SPD 11. 05. 90 Reddemann CDU/CSU 11. 05. 90 * Regenspurger CDU/CSU 11. 05. 90 Reuschenbach SPD 11. 05. 90 Frau Rock GRÜNE 11. 05. 90 Roth SPD 11. 05. 90 Frau Saibold GRÜNE 11. 05. 90 Dr. Scheer SPD 11. 05. 90 Scherrer SPD 11. 05. 90 Frau Schilling GRÜNE 11. 05. 90 Schmidt (München) SPD 11. 05. 90 * Frau Schmidt (Nürnberg) SPD 11. 05. 90 Schmitz (Baesweiler) CDU/CSU 11. 05. 90 von Schmude CDU/CSU 11. 05. 90 * Schröer (Mülheim) SPD 11. 05. 90 Schütz SPD 11. 05. 90 Dr. Schwörer CDU/CSU 11. 05. 90 Sielaff SPD 11. 05. 90 Dr. Soell SPD 11. 05. 90 * Dr. Sperling SPD 11. 05. 90 Steiner SPD 11. 05. 90 * Dr. Stoltenberg CDU/CSU 11. 05. 90 Dr. Uelhoff CDU/CSU 11. 05. 90 ** Dr. Voigt (Northeim) CDU/CSU 11. 05. 90 Dr. Vondran CDU/CSU 11. 05. 90 Vosen SPD 11. 05. 90 Dr. Waigel CDU/CSU 11. 05. 90 Wetzel GRÜNE 11. 05. 90 Wiefelspütz SPD 11. 05. 90 Wissmann CDU/CSU 11. 05. 90 Frau Wollny GRÜNE 11. 05. 90 Dr. Wulff CDU/CSU 11. 05. 90 * Zierer CDU/CSU 11. 05. 90 * Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht: Ausschuß für Wirtschaft Drucksache 11/256 Drucksache 11/3895 Drucksache 11/4490 Drucksache 11/5510 Drucksache 11/6278 Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Drucksache 11/4342 Drucksache 11/4989 Drucksache 11/6116 Drucksache 11/6117 Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen bzw. von einer Beratung abgesehen hat: 16664* Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 211. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. Mai 1990 Finanzausschuß Drucksache 11/6285 Nr. 2.1 Drucksache 11/6423 Nr. 2.3 Ausschuß für Wirtschaft Drucksache 11/138 Nr. 3.41 Drucksache 11/973 Nr. 2.3 Drucksache 11/3311 Nr. 2.8 Drucksache 11/4534 Nr. 2.5 Drucksache 11/5351 Nr. 2.1 Drucksache 11/5954 Nr. 2.5 Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Drucksache 11/4019 Nr. 2.32-2.34 Drucksache 11/4081 Nr. 2.10, 2.13 Drucksache 11/5197 Nr. 2.10 Drucksache 11/6423 Nr. 2.14 Drucksache 11/6629 Nr. 2.14 Ausschuß für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit Drucksache 11/6125 Nr. 12 Ausschuß für Bildung und Wissenschaft Drucksache 11/4680 Nr. 2.15 Drucksache 11/5051 Nr. 51 Drucksache 11/6324 Nr. 2.35 Drucksache 11/6423 Nr. 2.16 Drucksache 11/6502 Nr. 21 Drucksache 11/6738 Nr. 2.14, 2.15
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Edith Niehuis


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Vor zwei Wochen fand eine bundesweite sogenannte Gleichberechtigungskonferenz statt, und zwar die erste von weiteren im Rahmen einer „Konzertierten Aktion Gleichberechtigung", die von Frau Ministerin Lehr ausgerufen worden war. Diese „Konzertierte Aktion Gleichberechtigung" wurde als der frauenpolitische Schwerpunkt der 90er Jahre vorgestellt, und es wurde gesagt, am Ende des Jahrzehnts, im Jahre 2000, sollten dann die Rahmenbedingungen erarbeitet worden sein, die man für Gleichberechtigung und Partnerschaft brauche. Weitere rechtliche Maßnahmen zur Gleichstellung der Frau lehnten Sie, Frau Ministerin, gleich zu Beginn kategorisch ab.
    Was man von solch einer Politik — von „Frauenpolitik" rede ich in diesem Zusammenhang gar nicht — halten soll, hat die Reaktion der Verbände und Organisationen gegen Ende dieser Konferenz gezeigt. Auf die Beamtinnen und Beamten des Ministeriums, die noch da waren — Sie, Frau Ministerin, hatten sich schon längst aus dem Staub gemacht — , hagelte eine vernichtende Kritik ein. Solche Konferenzen machten keinen Sinn, meinten die Teilnehmerinnen. Von einer vertanen Chance war die Rede. — Herr Präsident, es fielen weitere Worte, die ich aber hier nicht gebrauchen darf, weil Sie dies sicherlich als unparlamentarisch rügen würden.
    In der Tat: Wer im Jahr 1990 als Bundesregierung noch wagt, zur Gleichstellungsfrage Laberkonferenzen einzuberufen, und sich verweigert, politisch konkret etwas zu tun, der wird zu Recht kritisiert, vernichtend kritisiert und sollte sich schleunigst aus der Frauenpolitik verabschieden.

    (Beifall bei der SPD — Frau Beck-Oberdorf [GRÜNE]: Hat sich doch schon verabschiedet! War noch nie da!)

    Das kommt jetzt. — Wen wundert es, daß der Bundesrechnungshof unter diesen Umständen feststellt, daß die Haushaltsmittel für solch eine Frauenabteilung der Bundesregierung aus dem Fenster geworfenes Geld sind? Wen wundert es, daß solch einer Frauenabteilung die Haushaltsmittel gestrichen werden sollen, wenn die zuständige Ministerin selbst öffentlich verkündet, hier bestehe kein Handlungsbedarf?
    Unter Frau Süssmuth und Frau Lehr ist die Frauenpolitik dieser Bundesregierung so heruntergewirtschaftet worden, daß es schon fast skandalös genannt werden kann.

    (Beifall bei der SPD)

    Zum Niveau dieser Frauenpolitik paßt nun auch der vorgelegte Antrag der Koalitionsparlamentarier mit dem anmaßenden Titel „Maßnahmen zur Wiedereingliederung in das Erwerbsleben nach Zeiten der Kindererziehung".
    Das Problem, um das es geht, ist seit Jahren bekannt. Regale voller Berichte, viele Modellversuche weisen darauf hin, daß und wo dringender Handlungsbedarf besteht, damit sich diese Gesellschaft nicht noch länger auf dem Rücken und auf Kosten der Frauen ausruht, die für die Familienarbeit aus der Erwerbstätigkeit ausscheiden.
    Bereits 1987 hat die SPD-Bundestagsfraktion eine Große Anfrage zu diesem Thema eingebracht, um die Bundesregierung aufzufordern, hier zu handeln. Wir haben einen weiteren Antrag eingebracht, den wir schon vor über einem Jahr hier debattiert haben, genau zu dem gleichen Thema. Völlig verspätet, gegen Ende der Legislaturperiode, legt nun die Koalition einen eigenen Antrag vor.

    (Frau Weiler [SPD]: Übermorgen sind Wahlen!)

    Diese Bummelei in einer wichtigen frauenpolitischen Frage macht überaus deutlich, daß Sie gar nicht daran interessiert sind, das Leben der vielen Mütter zu verbessern. Das haben die Mütter in der Tat nicht verdient.

    (Beifall bei der SPD)

    Was man an der zeitlichen Dimension ablesen kann, das allerdings kann man auch an dem Inhalt Ihres Antrags ablesen. Lassen Sie mich dazu an einigen Punkten Ihren Antrag verdeutlichen.
    Zuerst zu dem Sonderprogramm, das Sie so gelobt haben, zu den zwei Modellversuchen. Seit 1977 wurden 22 Modellversuche zu diesem Thema gefördert. Die Berichte zeigen: Es waren gute Modellversuche. Gerade die Beratungs-, Informations- und Motivierungsphase war einer der besterforschten Bereiche in diesen Modellversuchen. Deren Erkenntnisse werden schon heute in Frauenberatungsstellen insbesondere des Deutschen Frauenrats umgesetzt. In NordrheinWestfalen gibt es allein zehn solcher speziellen Bera-



    Frau Dr. Niehuis
    tungsstellen. Was wir brauchen, ist doch nicht ein weiterer Modellversuch, durch den bundesweit gerade einmal 17 Beratungsstellen auf drei Jahre begrenzt gefördert werden und in dem noch einmal untersucht wird, was schon 22mal untersucht worden ist, sondern was wir brauchen, ist ein flächendeckendes, beständiges Beratungsnetz, wie es im Antrag der SPD vorgesehen ist. Hier bleibt der vorliegende Antrag im Unverbindlichen. Es bleibt bei Appellen an Länder, Kommunen oder irgend jemanden, der das für Sie umsetzen soll.
    Noch schlimmer allerdings ist der Modellversuch hinsichtlich der Einarbeitungszuschüsse für Rückkehrerinnen zu bewerten. Innerhalb von fünf Jahren werden 25 Millionen DM ausgegeben. In diesem Zusammenhang hat es sicherlich einen guten Grund, daß Sie sich nur auf die 7. und 8. Novelle des AFG beziehen und die 9. Novelle des AFG vollkommen verschweigen. Denn in dieser 9. Novelle des AFG hat die Regierung den Höchstsatz für die Einarbeitungszuschüsse, die auch für Berufsrückkehrerinnen gewährt werden, von 70 % auf 50 % herabgesetzt. Diese Senkung hat 1989 katastrophale Wirkungen gezeigt. Die Einarbeitungszuschüsse sind 1989 um 20 % zurückgegangen. Es wurden über 10 000 Einarbeitungswillige weniger gefördert. Über den Modellversuch werden gerade einmal 2 500 Frauen gefördert. Das ist eine Negativbilanz. Das kann man nicht begrüßen, wie Sie das in Ihrem Antrag tun.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren von der Regierungskoalition, eine Politik, die gesetzliche Ansprüche kürzt und durch unverbindliche und zeitlich und qualitativ begrenzte Modellversuche ersetzt, ist keine Politik, die den Frauen hilft, sondern ist ein Täuschungsmanöver und ein ganz unglücklicher PR-Gag zur Bundestagswahl.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

    Im Rahmen des Modellversuchs sollen die Frauen nun in ausgewählte Berufszweige eingearbeitet werden, wie in sozialpflegerische und gesundheitspflegerische Berufe. Das ist genau der Bereich, in dem erfahrungsgemäß viele Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen nach AFG angeboten werden. Die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen werden zu 44 % von Frauen wahrgenommen und sind gerade für Berufsrückkehrerinnen sehr wertvoll. Die Kürzung, die die Bundesregierung durch die 9. Novelle bei ABM vorgenommen hat, hat dazu geführt, daß 1989 über 7 000 Frauen weniger gefördert wurden. Dagegen sind die 2 500 Frauen, die zufällig durch einen Modellversuch gefördert werden, wirklich eine äußerst lächerliche Zahl.

    (Beifall bei der SPD)

    Was Sie also getan haben, ist: Rechtsansprüche kürzen, weniger Frauen fördern und dafür ein paar läppische Modellversuche auflegen. Die Frauen brauchen keine Almosen, garniert mit wissenschaftlicher Begleitung, sondern Rechtsansprüche auf Beratung, Fortbildung, Einarbeitung und Kinderbetreuung. Wir fordern Sie auf, diese Rechtsansprüche nicht zu kürzen, sondern sie verbindlich zu schaffen. Rechtsansprüche schafft man nicht dadurch, daß man, wie Sie es in Ihrem Antrag tun, an andere appelliert, etwas zu tun, immer wieder neue Berichte anfordert, wie der
    vorgelegte Antrag es tut, sondern indem man als Bundesregierung die notwendigen gesetzlichen Maßnahmen ergreift. Es ist äußerst schmerzlich für viele Frauen, daß sich ausgerechnet die Ministerin, die sich für Frauenbelange einsetzen sollte, hier verweigert.
    In diesem Zusammenhang will ich besonders den Punkt 7, der heute in der vorherigen Debatte eine Rolle gespielt hat, ansprechen. In diesem Punkt werden die Bundesländer aufgefordert, durch ein zusätzliches Landeserziehungsgeld den Eltern die Möglichkeit zu geben, nach der Geburt ihres Kindes länger zu Hause zu bleiben, als es auf der Basis von Bundeserziehungsgeld und Erziehungsurlaub vorgesehen ist. Wenn Sie es mit der Vereinbarkeit von Beruf und Familie ernst meinen, dann darf dieser Punkt so nicht verabschiedet werden. Denn all die Mütter und Väter, die das Landeserziehungsgeld in Anspruch nehmen und damit die bundesgesetzlich geregelte Höchstdauer des Erziehungsurlaubs überschreiten, verlieren ihren entsprechenden Kündigungsschutz und laufen somit Gefahr, ihren Arbeitsplatz zu verlieren. Um anspruchsberechtigte Eltern vor solchen Spätfolgen zu schützen, muß parallel zur Einführung solcher Landeserziehungsgelder auch der Erziehungsurlaub mit Kündigungsschutz verlängert werden.

    (Frau Männle [CDU/CSU]: Das wollen wir auch!)

    — Ja, aber nicht Frau Süssmuth irgendwann in Niedersachsen. Das hätte sie hier als Frauenministerin schon lange tun können, denn die Forderung ist alt.

    (Beifall bei der SPD)

    Wenn Sie nicht wollen, daß die längere Betreuung des Kleinstkindes von Müttern und Vätern mit dem Verlust des eigenen Arbeitsplatzes erkauft wird, dann muß der Bundesgesetzgeber den Erziehungsurlaub mit Kündigungsschutz dementsprechend verlängern.
    Wir fordern Sie auf, dieses zu tun, und wir haben es auch schon im Gleichstellungsgesetz dementsprechend gesagt, und in unserem Antrag, der vor einem Jahr hier debattiert wurde, steht dieses auch schon. Tun Sie dieses nicht — ich hätte das auch gerne dem Herrn Kollegen Schemken gesagt — , müssen Sie sich vorwerfen lassen, Mütter und Väter auf kaltem Wege aus dem Erwerbsleben herauskatapultieren zu wollen. Sie hätten dieses in den Antrag, den Sie vorgelegt haben, schon mit hineinnehmen müssen, wenn die ganze Geschichte seriös sein soll.
    Die Phase der Appelle, der Ankündigungen, der Modellversuche in der Frauenpolitik ist lange vorbei wie auch die Phase von unverbindlichen Gleichberechtigungskonferenzen. Das gilt auch für den öffentlichen Dienst. Es ist doch geradezu lächerlich, wenn Sie mit Ihrem Antrag zum wievielten Male eine Teilzeitoffensive im öffentlichen Dienst ankündigen und versuchen, sich als Bundesgesetzgeber über die Runden dieser Legislaturperiode zu retten. Auch hier gehört eine vernünftige Gesetzesinitiative auf den Tisch. Wir brauchen in der Tat diese Gesetzesinitiative, weil es nötig ist, daß Mütter und Väter, die Teilzeitarbeit suchen, um Beruf und Familie miteinander vereinbaren zu können, nicht benachteiligt werden. Das heißt, der Mißbrauch von Teilzeitarbeit muß ausgeschlossen



    Frau Dr. Niehuis
    werden, und die Teilzeitarbeit ist arbeits- und sozialrechtlich der Vollzeitarbeit gleichzustellen. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an unser Gleichstellungsgesetz. Daraus können Sie sehr viel entnehmen.
    Sehr geehrte Damen und Herren von der Regierungskoalition, der von Ihnen vorgelegte Antrag ist nur Augenwischerei, und er zementiert die auf Grund Ihrer Politik eingetretene Verschlechterung der Situation all jener Frauen, die für die Kindererziehung zeitweilig ihre Erwerbstätigkeit aufgegeben haben. Er zementiert damit den frauenpolitischen Rückschritt. Sie sollten ihn lieber zurückziehen, als ihn weiter beraten zu lassen.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)



Rede von Heinz Westphal
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Walz.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Ingrid Walz


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! „Ich möchte zurück in den Beruf" — Das ist ein Gedanke, das ist ein Wunsch, den Frauen überlegen, wenn sich die Phase der Kindererziehung dem Ende zuneigt. Zehn oder mehr Jahre nicht im Beruf gewesen zu sein bedeutet für die Frauen, wenn sie wieder einsteigen wollen, auch das Bewältigen großer Probleme. Berufsrückkehrerinnen wissen meist nicht, was sie noch machen können, wozu sie noch fähig sind und an wen sie sich wegen einer Beratung wenden müssen.
    Am Anfang stehen also ein langes Suchen, Desinformation, Zeitknappheit und nicht zuletzt die vielfach unbefriedigende Aufklärung durch die Arbeitsämter. Dies entmutigt Frauen auf dem Weg in den Wiedereinstieg.
    Berufsrückkehrerinnen haben heute eine bessere Ausbildung als je zuvor. Aber der zeitweilige Ausstieg aus dem Erwerbsleben bei einem rasanten Tempo vor allem technologisch bedingter Veränderungen am Arbeitsplatz birgt für viele Frauen Gefahren und bringt große Probleme mit sich. Selbst von Frauen, die in ihren alten Beruf zurückkehren wollen, wird erwartet, daß sie sich den veränderten Bedingungen anpassen.

    (Frau Männle [CDU/CSU]: Richtig!)

    Sie müssen z. B. Kenntnisse über den Umgang mit Computern und mit verschiedenen Software-Programmen haben. Wer kann das schon mitbringen, wenn er zehn Jahre aus dem Beruf ausgeschieden war?

    (Frau Männle [CDU/CSU]: Sehr schwer!)

    — Ja. Aber auch die Familie muß mitziehen, und hier scheint mir auch ein ganz großes Problem begründet zu sein; denn dort herrscht nicht immer eitel Freude und Wohlgefallen darüber, wenn plötzlich die Frau und Mutter ihren eigenen Weg gehen möchte. Das bedeutet nämlich, um es einmal ganz menschlich zu sagen, daß das Essen vielleicht nicht mehr ganz so pünktlich auf dem Tisch steht, die Spülmaschine nicht ausgeräumt ist und die Wäsche sich irgendwo auftürmt. Die Familien tun sich deshalb sehr schwer, die Frauen gehen zu lassen oder sich mit dieser neuen Rolle der Frau und Mutter auseinanderzusetzen. Jede Veränderung bedarf deshalb einer behutsamen Einstimmung durch die Frau, und dies nicht immer nur durch die kalte Küche. Es gehört sehr viel Überredung dazu, daß die Familie dies akzeptiert. Ich glaube, jede kann ein Liedchen davon singen.

    (Frau Beck-Oberdorf [GRÜNE]: Weniger behutsam für manche Männer ist besser!)

    Für uns Liberale ist es ganz selbstverständlich, daß sich Frauen und Männer frei für ihre Positionen und ihre Rollen in der Gesellschaft entscheiden können. Bisher haben wir darunter gelitten, daß es nur ein Entweder-Oder gab, also entweder Erwerbstätigkeit oder Familientätigkeit.
    Meine Damen und Herren, die erfolgreiche Wiedereingliederung von Frauen hängt ganz wesentlich von der Haltung der Gesellschaft ab, aber auch davon, welche Qualifikation der Frau im Bildungssystem vermittelt wird. Eine leistungsgerechte Entlohnung und die Möglichkeit für die Frau, am richtigen Platz ihr Können zu zeigen, müssen hinzukommen. Deswegen haben wir in den Koalitionsvereinbarungen festgeschrieben, daß Wiedereinstiegsmaßnahmen von der Bundesregierung eingeleitet und durchgeführt werden sollen. Wir Liberalen haben lange auf die Umsetzung dieser frauenpolitischen Maßnahmen gewartet. Nicht zuletzt auf unser Drängen hin ist im Herbst 1989 das Modellprogramm zur Wiedereingliederung von Frauen angelaufen. Dabei war es ganz wichtig, daß die Unternehmen in den letzten Jahren endlich der beruflichen Wiedereingliederung von Arbeitnehmerinnen einen höheren Stellenwert eingeräumt haben. Auch daran hatte es bislang gemangelt. Die Arbeitgeber tun dies natürlich nicht uneigennützig; doch sie tun es zu Recht, stellen doch Frauen heute das größte Reservoir an Humankapital dar. Die Betriebe kommen den Arbeitnehmerinnen entgegen. Sie bieten Betriebsvereinbarungen an. Sie bieten ehemaligen Mitarbeiterinnen Weiterbildung während der Familienphase an, um sie anschließend wieder leichter in die Betriebe integrieren zu können.
    Ich meine, daß der Staat nicht alles tun muß, sondern daß hier auch eine ganz legitime Aufgabe der Betriebe besteht. Nicht jede Wiedereinstellung muß im Rahmen einer Betriebsvereinbarung oder eines Tarifvertrags geregelt werden. Nach unserer Ansicht ist auch eine Einstellungsgarantie nach Ablauf der Familienphase nicht unbedingt nötig, wenn auch erwünscht.
    Heute erleichtern ökonomisches Überlegen und die Marktsituation vielen Frauen den Wiedereinstieg. Welche mittelständische Firma wollte z. B. auf ihre erfahrene Buchhalterin, die in den Beruf zurückkehren möchte, welcher Einzelhandelsbetrieb wollte auf seine tüchtige Einkäuferin verzichten? Diese Beispiele ließen sich beliebig ergänzen.

    (Frau Weiler [SPD]: Also doch Spielball der Arbeitsmarktlage!)




    Frau Walz
    Wir meinen, daß die Chancen der Frauen im Berufsleben und bei der Wiedereingliederung heute nicht schlecht sind. Steter Tropfen höhlte anscheinend den Stein, doch aus dem Weg geräumt ist dieser Stein des Anstoßens leider immer noch nicht.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)