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    Plenarprotokoll 11/210 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 210. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 10. Mai 1990 Inhalt: Erinnerung an Jahrestage: Ende des Zweiten Weltkrieges (1945), Erklärung von Außenminister Robert Schuman zur Errichtung der Montan-Union (1950) und Ende des Besatzungsstatuts (1955) 16469A Eintritt des Abg. Brunner in den Deutschen Bundestag für den ausgeschiedenen Abg. Biehle 16469D Erweiterung und Abwicklung der Tagesordnung 16535 C Begrüßung einer Delegation der Abgeordnetenkammer des Königreichs Belgien . . 16470 B Tagesordnungspunkt 3: Abgabe von Erklärungen der Bundesregierung — zur Sondertagung des Europäischen Rats am 28. April 1990 in Dublin — durch den Bundeskanzler —— zum NATO-Außenminister-Treffen am 3. Mai 1990 und zu den Zwei-plus-Vier Gesprächen auf Ebene der Außenminister am 5. Mai 1990 — durch den Bundesminister des Auswärtigen — Dr. Kohl, Bundeskanzler 16470 C Genscher, Bundesminister AA 16474 D Dr. Vogel SPD 16478 A Dr. Hornhues CDU/CSU 16481 B Dr. Lippelt (Hannover) GRÜNE 16483 D Dr. Solms FDP 16486 A Dr. Ehmke (Bonn) SPD 16487 D Frau Geiger CDU/CSU 16490 C Hoss GRÜNE 16493 B Frau Wieczorek-Zeul SPD 16494 B Voigt (Frankfurt) SPD 16496 A Frau Unruh fraktionslos 16498 B Wüppesahl fraktionslos 16499A Tagesordnungspunkt 4: Erste Beratung des von den Abgeordneten Stratmann-Mertens, Frau Frieß, Hoss, Kleinert (Marburg) und der Fraktion DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Verbot der Aussperrung (Drucksache 11/7056) Stratmann-Mertens GRÜNE 16500 D Dr. Warrikoff CDU/CSU 16502 C Stratmann-Mertens GRÜNE 16504 A Andres SPD 16504 D Stratmann-Mertens GRÜNE 16505 C Dr. Warrikoff CDU/CSU 16506 D Heinrich FDP 16507 B Such GRÜNE 16509 A Zusatztagesordnungspunkt 2: Aktuelle Stunde betr. Haltung der Bundesregierung zur Hungerkatastrophe in Äthiopien Frau Dr. Hamm-Brücher FDP 16518D Dr. Holtz SPD 16519 C Dr. Köhler (Wolfsburg) CDU/CSU . . . . 16520 C Frau Eid GRÜNE 16521B, 16524 B Frau Dr. Adam-Schwaetzer, Staatsminister AA 16521 D II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 210. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Mai 1990 Großmann SPD 16522 D Dr. Pohlmeier CDU/CSU 16523 C Baum FDP 16524 D Dr. Warnke, Bundesminister BMZ . . . 16525 C Frau Dr. Niehuis SPD 16526 C Vogel (Ennepetal) CDU/CSU 16527 B Toetemeyer SPD 16528 A Zusatztagesordnungspunkt 3: Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP und der Fraktion DIE GRÜNEN: Einsetzung des Ausschusses Deutsche Einheit (Drucksache 11/7074) Jahn (Marburg) SPD 16528 D Dr. Rüttgers CDU/CSU 16529 C Hüser GRÜNE 16530 D Mischnick FDP 16531 D Wüppesahl fraktionslos 16532 C Seiters, Bundesminister BK 16533 D Wüppesahl fraktionslos 16534 A Tagesordnungspunkt 5: Überweisung im vereinfachten Verfahren a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neufassung des Bundesumzugskostengesetzes und zur Änderung sonstiger umzugskostenrechtlicher und reisekostenrechtlicher Vorschriften (Drucksache 11/6829) b) Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Wittmann, Marschewski, Eylmann, Dr. Stark (Nürtingen), Dr. Hüsch, Seesing, Hörster, Helmrich, Geis und Genossen und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Kleinert (Hannover), Funke, Irmer und der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte (Drucksache 11/6715) c) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Aussetzung der Brennrechtsveranlagung 1992/93 (Drucksache 11/6905) d) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Binnenschiffsverkehrsgesetzes (Drucksache 11/6779) 16535 D Tagesordnungspunkt 14: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Vierzehnten Gesetzes zur Änderung des Soldatengesetzes (Drucksache 11/6906) . 16536 B Zusatztagesordnungspunkt 4: Erste Beratung des von dem Abgeordneten Glos, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie des Abgeordneten Gattermann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Abbau von Hemmnissen bei Investitionen in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR-Investitionsgesetz) (Drucksache 11/7073) 16536B Zusatztagesordnungspunkt 5: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Vierten Agrarsozialen Ergänzungsgesetzes (Drucksache 11/7064) 16536 C Zusatztagesordnungspunkt 10: Beratung des Antrags der Fraktion der SPD: Entwicklungszusammenarbeit mit Vietnam (Drucksache 11/6734) . . . . 16536 C Zusatztagesordnungspunkt 11: Beratung des Antrags der Abgeordneten Frau Augustin, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie des Abgeordneten Hoppe, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Entwicklungszusammenarbeit mit Vietnam (Drucksache 11/7060) 16536 C Beratungen ohne Aussprache a) Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 4. Juli 1989 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Volksrepublik Bulgarien über die Schiffahrt auf den Binnenwasserstraßen (Drucksachen 11/6034, 11/6877) b) Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Protokoll vom 17. Oktober 1989 zu dem Abkommen vom 11. August 1971 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen in der Fassung des Protokolls vom 30. November 1978 (Drucksachen 11/6531, 11/7071) Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 18. Oktober 1989 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Italienischen Republik zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen und zur Verhinderung der Steuerverkürzung (Drucksachen 11/6532, 11/7071) Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 210. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Mai 1990 III Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Zusatzabkommen vom 28. September 1989 zur Änderung des Abkommens vom 21. Juli 1959 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und über gegenseitige Amts- und Rechtshilfe auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie der Gewerbesteuern und der Grundsteuern in der Fassung des Revisionsprotokolls vom 9. Juni 1969 (Drucksachen 11/6533, 11/7071) c) Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 10. November 1989 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen (Drucksachen 11/6741, 11/6907 [neu], 11/7091) d) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses (3. Ausschuß) zu dem Antrag des Abgeordneten Bohl, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie des Abgeordneten Irmer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Gleichstellung der deutschen Sprache als Amtssprache in europäischen Gremien (Drucksachen 11/5953, 11/6632) e) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag für eine Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 2764/75 über die Regeln für die Berechnung eines Teilbetrages der Abschöpfung für geschlachtete Schweine und Nr. 2766/75 über die Liste der Erzeugnisse, für welche Einschleusungspreise festgesetzt werden und über die Regeln, nach denen der Einschleusungspreis für geschlachtete Schweine festgesetzt wird und Vorschlag für eine Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 2765/75 über die im Fall einer erheblichen Preiserhöhung auf dem Schweinefleischsektor anzuwendenden Grundregeln (Drucksachen 11/5497 Nr. 2.14, 11/6634) f) Beschlußempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu der Unterrichtung durch das Europäische Parlament: Entschließung zu den Ergebnissen der Anwendung der Einheitlichen Akte (Drucksachen 11/3408, 11/6525) g) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Mitteilung der Kommission über die Weiterentwicklung der Zivilluftfahrt in der Gemeinschaft (Drucksachen 11/5497 Nr. 2.21, 11/6500) h) Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses: Sammelübersicht 159 zu Petitionen (Drucksache 11/6825) 16537 A Zusatztagesordnungspunkt 6: Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses: Sammelübersicht 160 zu Petitionen (Drucksache 11/6986) 16538 C Zusatztagesordnungspunkt 7: Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses: Sammelübersicht 161 zu Petitionen (Drucksache 11/6987) 16538 C Zusatztagesordnungspunkt 8: Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP und der Fraktion DIE GRÜNEN: Wahlen in Myanmar (Birma) (Drucksache 11/7066) . . . . 16538 C Zusatztagesordnungspunkt 12: Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Überplanmäßige Ausgabe bei Kapitel 27 02 Titel 685 21 — Förderung besonderer Hilfsmaßnahmen gesamtdeutschen Charakters (Drucksachen 11/6521, 11/6990) 16538 D Zusatztagesordnungspunkt 13: Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Weitere außerplanmäßige Ausgabe im Haushaltsjahr 1990 bei Kapitel 60 04 apl. Titel 688 51 — Reise-Devisenfonds (Drucksachen 11/6436, 11/6991) 16538D Zusatztagesordnungspunkt 14: Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Außerplanmäßige Ausgabe im Haushaltsjahr 1990 bei Kapitel 60 04 apl. Titel 885 01 —Aufstockung des ERP-Sondervermögens zugunsten der DDR — im ERP-Wirtschaftsplan apl. Kapitel 6 Titel 868 01 — Finanzierungshilfen für Investitionen in der DDR und Berlin (Ost) (Drucksachen 11/6620, 11/6992) . . . 16538 D Zusatztagesordnungspunkt 15: Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Überplanmäßige Ausgabe bei Kapitel 05 02 Titel 686 12 — Humanitäre Hilfe im Ausland — (Drucksachen 11/6425, 11/6993) 16539A IV Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 210. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Mai 1990 Zusatztagesordnungspunkt 16: Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Außerplanmäßige Ausgabe bei Kapitel 05 02 apl. Titel 686 11 — Nahrungsmittelversorgung in der UdSSR — (Drucksachen 11/6504, 11/6994) 16539A Tagesordnungspunkt 7: a) Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Gesetz zur Erleichterung des Wohnungsbaus im Planungs- und Baurecht sowie zur Änderung mietrechtlicher Vorschriften (Wohnungsbau-Erleichterungsgesetz) (Drucksachen 11/5972, 11/6508, 11/6540, 11/6636, 11/6902, 11/7018) b) Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Gesetz über die Statistik der Straßenverkehrsunfälle (Straßenverkehrsunfallstatistikgesetz) (Drucksachen 11/5464, 11/6320, 11/6901, 11/7019) Dr. Hüsch CDU/CSU 16540C, 16542 A Conradi SPD (Erklärung nach § 31 GO) . 16541 A Tagesordnungspunkt 8: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Arbeitsgerichtsgesetzes und anderer arbeitsrechtlicher Vorschriften (Arbeitsgerichtsgesetz-Änderungsgesetz) (Drucksachen 11/5465, 11/7096) Dr. Warrikoff CDU/CSU 16542 C Frau Steinhauer SPD 16544 A Kleinert (Hannover) FDP 16546 A Hoss GRÜNE 16547 B Vogt, Parl. Staatssekretär BMA 16548 A Tagesordnungspunkt 9: a) Beratung der Großen Anfrage des Abgeordneten Dr. Wernitz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Umweltverträgliche Landwirtschaft (Drucksachen 11/4879, 11/6146) b) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu dem Antrag der Abgeordneten Frau Garbe, Kreuzeder und der Fraktion DIE GRÜNEN: Schutz vor Pflanzenbehandlungsmitteln (Drucksachen 11/276, 11/6555) Dr. Wernitz SPD 16550 A Kroll-Schlüter CDU/CSU 16551 D Oostergetelo SPD 16553 C Frau Flinner GRÜNE 16553 D Heinrich FDP 16555 B Bredehorn FDP 16555 D Dr. von Geldern, Parl. Staatssekretär BML 16558 A Oostergetelo SPD 16559 D Frau Weyel SPD 16559 D Heinrich FDP 16561 A Dr. Göhner CDU/CSU 16562 B Frau Weyel SPD 16563 A Tagesordnungspunkt 10: Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Wiedereinführung des Weihnachts-Freibetrags (Drucksachen 11/5370, 11/6263, 11/6264) Poß SPD 16564 B Jäger CDU/CSU 16565A, 16567 B Dr. Faltlhauser CDU/CSU 16568 B Hüser GRÜNE 16570 B Dr. Solms FDP 16571 B Poß SPD 16571D, 16572 D Carstens, Parl. Staatssekretär BMF . . . . 16573 B Poß SPD 16573 C Tagesordnungspunkt 11: a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Frau Eid, Volmer und der Fraktion DIE GRÜNEN: Armutsbekämpfung in der Dritten Welt (Drucksache 11/6088) b) Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP: Armutsbekämpfung in der Dritten Welt durch Hilfe zur Selbsthilfe (Drucksache 11/6137) Schreiber CDU/CSU 16575 D Frau Eid GRÜNE 16577 C Frau Folz-Steinacker FDP 16578 D Schanz SPD 16580 B Dr. Warnke, Bundesminister BMZ . . . 16582 B Tagesordnungspunkt 12: Beratung der Großen Anfrage des Abgeordneten Weiss (München), weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE GRÜNEN: Bahnpolitik in Nordrhein-Westfalen — Zur Lage der Zweigstrecken der Deutschen Bundesbahn („Nebenbahnen") (Drucksache 11/5080) Frau Rock GRÜNE 16583 D Bauer CDU/CSU 16585 A Hasenfratz SPD 16586 D Richter FDP 16588 C Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär BMV . 16589 D Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 210. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Mai 1990 V Tagesordnungspunkt 13: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu den Zusatzprotokollen I und II zu den Genfer Rotkreuz-Abkommen von 1949 (Drucksache 11/6770) 16590 A Tagesordnungspunkt 15: Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Daniels (Regensburg), Hüser und der Fraktion DIE GRÜNEN: Nichtgenehmigungsfähigkeit des Atomkraftwerkes Mülheim-Kärlich (Drucksache 11/5983) 16590B Zusatztagesordnungspunkt 9: Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Neunten Gesetzes zur Änderung des Bundeswahlgesetzes (Drucksache 11/7072) Lüder FDP 16590D Wartenberg (Berlin) SPD 16591 B Kalisch CDU/CSU 16593 A Egert SPD 16594 C Lüder FDP 16594 D Meneses Vogl GRÜNE 16595 B Frau Dr. Pfarr, Senatorin des Landes Berlin 16596 C Vizepräsidentin Renger 16596 D Tagesordnungspunkt 2 (Fortsetzung): Fragestunde — Drucksache 11/7058 vom 4. Mai 1990 — Stand der Verhandlungen über das deutschiranische Niederlassungsabkommen von 1924 MdlAnfr 5 Schreiner SPD Antw StMin Frau Dr. Adam-Schwaetzer AA 16509 D ZusFr Schreiner SPD 16509 D ZusFr Dr. Emmerlich SPD 16510B Finanzierung der geplanten Novelle zum Bundesnaturschutzgesetz MdlAnfr 23, 24 Brauer GRÜNE Antw PStSekr Gröbl BMU . . 16510C, 16511A ZusFr Brauer GRÜNE . . . . 16510D, 16511A Wahrung der Gegenseitigkeit, insbesondere bei der Hinnahme der Mehrstaatigkeit, im Zusammenhang mit dem deutsch-iranischen Niederlassungsabkommen MdlAnfr 35 Schreiner SPD Antw PStSekr Spranger BMI 16511 C ZusFr Schreiner SPD 16512A ZusFr Dr. Emmerlich SPD 16513A ZusFr Andres SPD 16513 A Zahlungen an den Versicherungsdetektiv Mauss vom Bundeskriminalamt; Begründung für die vom BKA behauptete Lebensgefahr für Mauss MdlAnfr 36, 37 Dr. Emmerlich SPD Antw PStSekr Spranger BMI . 16513B, 16514 B ZusFr Dr. Emmerlich SPD . . 16513D, 16514 C ZusFr Schreiner SPD 16514A, 16515B ZusFr Andres SPD 16514A, 16515A ZusFr Opel SPD 16514 D ZusFr Kirschner SPD 16515 A Förderung der Sprach- und Kulturarbeit der Friesen im Rahmen der Minderheitenförderung MdlAnfr 41 Opel SPD Antw PStSekr Spranger BMI 16515 C ZusFr Opel SPD 16515 D ZusFr Andres SPD 16516 A Verhinderung von Spekulationsgewinnen beim Umtausch von DDR-Mark in D-Mark; Höhe des Bargeldumlaufs und der DDR-Konten MdlAnfr 44, 45 Kirschner SPD Antw PStSekr Dr. Voss BMF 16516B, 16517 D ZusFr Kirschner SPD 16516C, 16517D ZusFr Andres SPD 16517 A ZusFr Opel SPD 16517A, 16518B ZusFr Schreiner SPD 16517C, 16518C Vizepräsidentin Renger 16512 C Nächste Sitzung 16597 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 16599* A Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Reden zu Punkt 13 der Tagesordnung (Entwurf eines Gesetzes zu den Zusatzprotokollen I und II zu den Genfer Rotkreuz-Abkommen von 1949) . 16599* C Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zu Punkt 15 der Tagesordnung (Antrag der Fraktion DIE VI Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 210. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Mai 1990 GRÜNEN betr. Nichtgenehmigungsfähigkeit des Atomkraftwerkes Mülheim-Kärlich) 16602* C Anlage 4 Ausgaben für die Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung von 1979 bis 1981 und 1987 bis 1989 MdlAnfr 3, 4 — Drs 11/7058 — Frau Schulte (Hameln) SPD SchrAntw BMin Klein BPA 16608* B Anlage 5 Erklärung für die außergewöhnlich hohe Zahl von Tiefflügen vom 2. bis 4. Mai 1990; Anteil der verbündeten Streitkräfte und der Bundesluftwaffe MdlAnfr 15, 16 — Drs 11/7058 — Dr. Kübler SPD SchrAntw PStSekr Wimmer BMVg . . . 16608* C Anlage 6 Verringerung des Kohlendioxids zum Schutz der Erdatmosphäre; Kohlendioxideinsparungen durch den Ausbau der Kernenergie; Anreicherung des bei der Wiederaufarbeitung deutscher Atomabfälle anfallenden Urans MdlAnfr 25, 26 — Drs 11/7058 — Dr. Daniels (Regensburg) GRÜNE SchrAntw PStSekr Gröbl BMU 16609* A Anlage 7 Verbesserung des Mieterschutzes durch Änderung des Miethöhegesetzes MdlAnfr 27 — Drs 11/7058 — Müntefering SPD SchrAntw PStSekr Echternach BMBau . . 16609* B Anlage 8 Änderung des Miethöhegesetzes zur Reduzierung der Mieterhöhungsmöglichkeiten MdlAnfr 28 — Drs 11/7058 — Menzel SPD SchrAntw PStSekr Echternach BMBau . . 16609* C Anlage 9 Abbau der Mietsteigerungen MdlAnfr 29 — Drs 11/7058 — Reschke SPD SchrAntw PStSekr Echternach BMBau . . 16609* C Anlage 10 Einbeziehung des gesamten Wohnungsbestands in die Erstellung von Mietspiegeln MdlAnfr 30 — Drs 11/7058 — Häuser SPD SchrAntw PStSekr Echternach BMBau . . 16609* D Anlage 11 Befristete Verhinderung der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen und Verlängerung des Kündigungsschutzes bei Geltendmachung von Eigenbedarf MdlAnfr 31 — Drs 11/7058 — Weiermann SPD SchrAntw PStSekr Echternach BMBau . . 16610* A Anlage 12 Präzisierung der Kriterien für Wohnungskündigungen wegen Eigenbedarfs MdlAnfr 32 — Drs 11/7058 — Conradi SPD SchrAntw PStSekr Echternach BMBau . . 16610* B Anlage 13 Rücknahme der Mietrechtsänderungen von 1983 angesichts des verstärkten Anstiegs der Mieten MdlAnfr 33 — Drs 11/7058 — Großmann SPD SchrAntw PStSekr Echternach BMBau . . 16610* C Anlage 14 Vorlage des angekündigten Gesetzentwurfs zur Verbesserung des Mieterschutzes MdlAnfr 34 — Drs 11/7058 — Scherrer SPD SchrAntw PStSekr Echternach BMBau . . 16610* D Anlage 15 Aufhebung der Visumpflicht für die CSFR MdlAnfr 38 — Drs 11/7058 — Lowack CDU/CSU SchrAntw PStSekr Spranger BMI . . . . 16611* A Anlage 16 Abschluß der Verhandlungen mit den Partnern des Schengener Abkommens über die Einführung des visafreien Verkehrs mit der CSFR; Eröffnung neuer Grenzübergänge MdlAnfr 39, 40 — Drs 11/7058 — Stiegler SPD SchrAntw PStSekr Spranger BMI . . . . 16611* B Anlage 17 Zivile Nutzung der US-Kaserne in Stuttgart angesichts der Wohnungsnot MdlAnfr 42, 43 — Drs 11/7058 — Frau Walz FDP SchrAntw PStSekr Dr. Voss BMF . . . . 16611* C Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 210. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Mai 1990 16469 210. Sitzung Bonn, den 10. Mai 1990 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens SPD 11. 05. 90 * Antretter SPD 11. 05. 90 * Bahr SPD 11. 05. 90 Frau Blunck SPD 11. 05. 90 * Böhm (Melsungen) CDU/CSU 11. 05. 90 * Brandt SPD 11. 05. 90 Brück SPD 11. 05. 90 Büchner (Speyer) SPD 11. 05. 90 * Bühler (Bruchsal) CDU/CSU 11. 05. 90 * Frau Conrad SPD 10. 05. 90 Ehrbar CDU/CSU 11. 05. 90 Dr. Feldmann FDP 11. 05. 90 * Frau Fischer CDU/CSU 10. 05. 90 * Frau Fuchs (Köln) SPD 10. 05. 90 Gallus FDP 11. 05. 90 Dr. Geißler CDU/CSU 10. 05. 90 Dr. Götz CDU/CSU 11. 05. 90 Dr. Haack SPD 11. 05. 90 Haack (Eitertal) SPD 11. 05. 90 Höffkes CDU/CSU 11. 05. 90 * Frau Hoffmann (Soltau) CDU/CSU 11. 05. 90 * Irmer FDP 11. 05. 90 * Jaunich SPD 10. 05. 90 Kittelmann CDU/CSU 11. 05. 90 * Dr. Klejdzinski SPD 11. 05. 90 * Kreuzeder GRÜNE 11. 05. 90 Dr.-Ing. Laermann FDP 11. 05. 90 Frau Limbach CDU/CSU 11. 05. 90 Frau Luuk SPD 11. 05. 90 * Möllemann FDP 10. 05. 90 Dr. Müller CDU/CSU 11. 05. 90 * Müller (Wesseling) CDU/CSU 11. 05. 90 Niegel CDU/CSU 11. 05. 90 * Niggemeier SPD 10. 05. 90 Frau Oesterle-Schwerin GRÜNE 11. 05. 90 Petersen CDU/CSU 11. 05. 90 Pfuhl SPD 11. 05. 90 * Reddemann CDU/CSU 11. 05. 90 * Regenspurger CDU/CSU 11. 05. 90 Frau Saibold GRÜNE 11. 05. 90 Schäfer (Mainz) FDP 10. 05. 90 Dr. Scheer SPD 11. 05. 90 * Frau Schilling GRÜNE 11. 05. 90 Schmidt (München) SPD 11. 05. 90 * von Schmude CDU/CSU 11. 05. 90 * Schröer (Mülheim) SPD 10. 05. 90 Dr. Soell SPD 11. 05. 90 * Dr. Sperling SPD 11. 05. 90 Steiner SPD 11. 05. 90 * Stobbe SPD 10. 05. 90 Dr. Stoltenberg CDU/CSU 11. 05. 90 Vosen SPD 11. 05. 90 Wiefelspütz SPD 11. 05. 90 Frau Wollny GRÜNE 11. 05. 90 Dr. Wulff CDU/CSU 11. 05. 90 * Zierer CDU/CSU 11. 05. 90 * * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Reden zu Punkt 13 der Tagesordnung (Entwurf eines Gesetzes zu den Zusatzprotokollen I und II zu den Genfer Rotkreuz-Abkommen von 1949) Vogel (Ennepetal)(CDU/CSU): Namens der CDU/ CSU-Bundestagsfraktion begrüße ich die Vorlage des Gesetzentwurfs zu den Zusatzprotokollen I und II zu den Genfer Rotkreuz-Abkommen von 1949. Die Bundesregierung kommt damit einer Aufforderung des Bundestages vom 19. Januar 1990 nach, die Ratifizierung der schon 1977 unterzeichneten Zusatzprotokolle unverzüglich einzuleiten. Sie löst damit gleichzeitig eine Zusage ein, die der Bundeskanzler in seiner Rede vor der 39. Ordentlichen Bundesversammlung des Deutschen Roten Kreuzes am 4. November 1989 gegeben hat. Ich habe darauf schon in der Debatte am 19. Januar 1990 Bezug genommen. Der Unterausschuß für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe hatte seit seiner Bildung nach der Bundestagswahl 1987 darauf gedrängt, das Ratifizierungsverfahren einzuleiten. In den nun anstehenden Ausschußberatungen wird gewiß die Frage der Abgabe einer sogenannten Nuklearerklärung bei der Ratifizierung eine Rolle spielen. Der vorgesehene Wortlaut dieser Erklärung ist in Ziffer 1 der Anlage 3 des Entwurfs enthalten. Keinen Zweifel möchte ich vorab daran entstehen lassen, daß im Vordergrund des Bemühens der Koalitionsfraktionen stehen wird, das Ratifizierungsgesetz noch in dieser Legislaturperiode zu verabschieden. Hinweisen möchte ich auch noch einmal darauf, daß die Frage einer sog. Nuklearerklärung nicht Gegenstand des Ratifizierungsgesetzes sein kann. Zur Sache selbst nur einige Bemerkungen: Die Beratungen in den Bundestagsausschüssen will ich nicht vorwegnehmen. Hinweisen möchte ich aber darauf, daß unsere NATO-Verbündeten Belgien, Italien, Niederlande und Spanien bereits Nuklearerklärungen abgegeben haben, die der von der Bundesregierung beabsichtigten Erklärung entsprechen. Frankreich hat mitgeteilt, daß es nicht beabsichtige, das Zusatzprotokoll I, auf das es hier ankommt, zu ratifizieren. Es hat sich dabei auf die schon während der 4. Tagung der Genfer Diplomatischen Konferenz erklärten Gründe berufen: daß die vom I. Zusatzprotokoll eingeführten Bestimmungen über den Einsatz von Waffen sich nicht auf nukleare Waffen beziehen. Großbritannien und die Vereinigten Staaten von Nord-Amerika haben schon bei der Unterzeichnung des I. Zusatzprotokolls entsprechende Erklärungen abgegeben. Das bedeutet, daß alle NATO-Verbündeten, die Truppen in der Bundesrepublik Deutschland stationiert haben - ausgenommen Kanada -, die Auffassung der Bundesregierung teilen, daß das I. Zusatzprotokoll nur auf den Einsatz konventioneller Waffen Anwendung findet. Ich habe schon am 19. Januar 1990 auf den wichtigen Gesichtspunkt hingewiesen, daß die Verflechtung der Bundeswehr in der NATO möglichst einheit- 16600 * Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 210. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Mai 1990 liche Auffassungen auch zum humanitären Völkerrecht erfordert. Daß dies der Entstehungsgeschichte des I. Zusatzprotokolls entspricht, legt die Bundesregierung in Ziffer 7 der Denkschrift näher dar. Darauf möchte ich nur hinweisen. Im übrigen will ich jetzt bei der ersten Lesung den Beratungen in den Ausschüssen nicht vorgreifen. Verheugen (SPD): Die SPD-Bundestagsfraktion begrüßt es, daß ihr jahrelanges Drängen nun endlich dazu geführt hat, daß die Bundesregierung dem Deuschen Bundestag die Ratifizierung der Zusatzprotokolle zu den Genfer Rotkreuzabkommen vorschlägt. Seit der Unterzeichnung der Protokolle sind jetzt immerhin fast 13 Jahre vergangen. Mit der Ratifizierung der Protokolle wird sich die Bundesrepublik Deutschland zu einem wichtigen Fortschritt des humanitären Kriegsvölkerrechts entschließen. Man kann gewiß skeptische Fragen stellen, ob die zum Teil sehr ins Einzelne gehenden, manchmal fast bürokratisch anmutenden Regelungen, die dem Schutz der Zivilbevölkerung in Kriegen und Bürgerkriegen dienen sollen, wirklich einen realen Bezug zu den Kriegsbildern haben, die in der militärischen Diskussion heute zugrunde gelegt werden. Aber dies wäre eine sehr europazentrische Betrachtungsweise. Die Gefahr bewaffneter Konflikte, wie alle Erfahrungen seit dem Zweiten Weltkrieg deutlich zeigen, ist außerhalb Europas sehr viel größer, und sie wächst immer noch. Wenn es gelingen könnte, daß das neue Völkerrecht einen Beitrag zur Mäßigung in den Kriegen leistet, die zur Zeit auf der Welt ausgetragen werden und die wir in Zukunft noch befürchten müssen, dann ist das ein Ergebnis, das man nicht geringschätzen sollte. Unsere Freude über den heute erreichten Stand der Diskussion über die Zusatzprotokolle ist jedoch nicht ungetrübt. Aus den Anlagen zum Gesetzentwurf der Bundesregierung ergibt sich, daß die Bundesregierung die Absicht hat, eine sogenannte Nuklearerklärung abzugeben, wonach die vom I. Zusatzprotokoll eingeführten Bestimmungen nur auf konventionelle Waffen Anwendung finden sollen. Diese Absicht, die sich jetzt konkretisiert hat, war der Kern des Streits in den letzten Jahren und ist es auch heute noch. Diese beabsichtigte Nuklearerklärung führt dazu, daß heute nicht einmal sicher gesagt werden kann, ob es zu einer Zustimmung aller Fraktionen zum Ratifizierungsgesetz kommen wird. Wir werden uns in den weiteren Beratungen intensiv darum bemühen, die Bundesregierung von der Nuklearerklärung abzubringen. Sie widerspricht Inhalt, Zielsetzung und Entstehungsgeschichte des Vertrages. Sie bedeutet, daß für nukleare Auseinandersetzungen das Völkerrecht außer Kraft gesetzt werden soll. Mit anderen Worten: Angriffe wie die auf Coventry oder Dresden wären dann verboten, Angriffe wie die auf Hiroshima und Nagasaki wären erlaubt. Der Nuklearvorbehalt ist Ausfluß einer überständigen, schon lange nicht mehr vertretbaren westlichen Bündnisstrategie, in deren Konzept von der flexiblen Erwiderung der Ersteinsatz von Atomwaffen ausdrücklich vorgesehen ist. Ich kann mir nicht vorstellen, daß irgendwer in der Bundesrepublik ernsthaft noch an dieser Strategie festhalten will. Alle Begründungen, die ihre Befürworter zu nennen pflegen, sind durch die rasante Entwicklung im Ost-West-Verhältnis gegenstandslos geworden. Jetzt einen Nuklearvorbehalt auszusprechen, bedeutet eine schwere Störung des laufenden Abrüstungsprozesses und der Bemühungen um vertrauensbildende Maßnahmen. Die SPD wird dieser Erklärung unter keinen Umständen zustimmen. Das Verhalten der Bundesregierung ist eine unerträglliche Zumutung. Sie legt uns Abkommen zur Ratifizierung vor, die sie dann durch die Hintertür praktisch gegenstandslos macht. Dr. Hirsch (FDP) : Die beiden Zusatzabkommen, um deren Ratifizierung es geht, stammen aus dem Jahre 1977. Es ist ein erstaunlicher Vorgang, daß sie erst jetzt zur Ratifizierung durch den Bundestag vorgelegt werden, nachdem die Bundesregierung selbst an der Ausarbeitung dieser Abkommen maßgeblich beteiligt war, und das muß man rühmend hervorheben. Ich kann und brauche die Geschichte dieser 13 Jahre hier nicht darzustellen, aber zweifellos tragen diese Abkommen die Spuren der Vergangenheit. Der Streit um die atomare Vorbehaltsklausel — also darüber, ob die in den Zusatzabkommen vorgesehenen Grundsätze der humanitären Kriegsführung, insbesondere des Schutzes der Zivilbevölkerung auch auf den Einsatz atomarer Massenvernichtungsmittel Anwendung finden sollen — ist nur denkbar vor dem Hintergrund einer Abschreckungsdoktrin, vor dem Hintergrund der militärischen Doktrin, daß der Frieden nur durch die Furcht vor der Schrecklichkeit des Krieges bewahrt werden könne und daß gerade darum der Einsatz atomarer Massenvernichtungsmittel nicht behindert werden dürfe. Natürlich kann man so den Frieden erhalten, man kann aber so nicht in Frieden leben. Mir ist der Verzicht auf die alsbaldige Ratifizierung immer als eine Art Resignation auf einem Gebiet erschienen, auf dem jeder Fortschritt zu mehr Humanität notwendig und unverzichtbar ist. Man muß daran erinnern, daß die maßlose Brutalisierung des Kriegsbegriffes durch hemmungslose, absichtliche Einbeziehung der Zivilbevölkerung als Ziel militärischer Maßnahmen eine Frucht des Zweiten Weltkriegs war. Die Entwicklung des Kriegsvölkerrechts insbesondere im 19. Jahrhundert wurde in schamloser Weise abgebrochen. Es wird also mit diesen Zusatzabkommen nicht etwas unerhört Neues gewagt, sondern der Versuch unternommen, zum klassischen Kriegsvölkerrecht zurückzukehren und diese Absicht nicht nur durch die Berufung auf allgemeine völkerrechtliche Grundsätze zu verfolgen. Man kann nicht ernsthaft bestreiten, daß die Zusatzabkommen nach der Vorstellung der Vertragspartner die atomaren Waffen nicht erfassen. Man kann aber nicht bezweifeln, daß es zu begrüßen wäre, wenn eine Verabschiedung ohne atomare Vorbehaltsklausel möglich wäre. Wir haben aber unsere Verpflichtungen der NATO gegenüber zu respektieren, und wir sollten deswegen die Tatsache, daß wir hier einen Schritt weiterkommen, deswegen nicht geringachten. Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 210. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Mai 1990 16601* Man kann daran zweifeln, in welchem Umfang das Kriegsvölkerrecht das tatsächliche Verhalten kriegsführender Staaten zu beeinflussen vermag. Trotzdem ist es von großer Bedeutung, Maßstäbe zu setzen, den Willen der Völkergemeinschaft zur formulieren und die Grenzen festzuschreiben, jenseits deren vom Völkerrecht gedeckte Kriegshandlungen zum Massenmord werden. In dieser Frage gehen wir mit diesen Zusatzabkommen einen Schritt weiter. Es ist ein Schritt auf dem Weg zur generellen Ächtung von Kriegen und zu der doch sehr naheliegenden Erkenntnis, daß es eine Militarisierung der Politik ist, den Frieden auf die Existenz bestimmter Waffen zu gründen, auf die Fähigkeit, sich umzubringen, und nicht auf die Einsicht, daß es möglich und notwendig ist, politische Probleme durch Zusammenarbeit zu lösen. Wir werden alles tun, um zu einer baldigen Verabschiedung der Vorlagen zu kommen. Eich (GRÜNE): Das vorliegende Gesetz zur Ratifizierung der Zusatzprotokolle I und II zur Genfer Konvention zum Humanitären Kriegsvölkerrecht wird heute, 13 Jahre nach der Paraphierung, endlich in den Bundestag eingebracht. Allein dieser Umstand verlangte nach einer intensiveren Auseinandersetzung der Hintergründe. Denn diese lange Zeit hat einen Grund auf den ich zu sprechen kommen werde. Aber auch wegen der umfangreichen Problematik, die die beiden Zusatzprotokolle beinhalten, ist es ein schlechter Witz, ganze 30 Minuten Debatte für die erste Lesung anzusetzen. Doch nun zur Sache. Ich will zwei Dinge herausgreifen. Erstens: Die Zusatzprotokolle wurden auf Initiative des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) zwischen 1972 und 1976 ausgehandelt und 1977 paraphiert. Damit sollten Regeln des Humanitären Kriegsvölkerrechts an die umfassende Vernichtungswirkung moderner Massenvernichtungswaffen angeglichen werden. Internationaler Rechtskonsens ist, daß mit Ratifikation nach Art. 51 des ZP I ein Atomwaffeneinsatz völkerrechtswidrig würde. Besonders die Atomwaffenstaaten zögerten daher mit der Ratifikation. Immerhin hat die Sowjetunion 1989 unterschrieben. Die NATO-Staaten dagegen befürchteten zu Recht, daß mit der Ratifizierung auch die NATO-Strategie mit ihrer Drohung eines Ersteinsatzes von Atomwaffen völkerrechtswidrig würde. Daher einigten sie sich auf eine Zusatzerklärung, die besagt, daß nach Verständnis der NATO-Staaten diese Ergänzungen zum Humanitären Kriegsvölkerrecht für Atomwaffeneinsätze nicht gelten. Eine solche Interpretation ist eine politische Frechheit. Sie widerspricht der Grundabsicht, mit der diese Zusatzprotokolle überhaupt geschaffen wurden. Nach überwiegender Rechtsmeinung ist diese Interpretation nicht haltbar. Die Zusatzprotokolle ächten unter anderem die unterschiedslose Kriegführung, eine Kriegführung ohne Rücksicht, wer Kombattant und wer Zivilist ist. Und Sie besitzen die Unverfrorenheit gerade den großen „Gleichmacher" Atombombe als nicht gemeint zu bezeichnen, das größte Massenvernichtungsmittel unserer Zeit. Die offensichtliche juristische Unhaltbarkeit ist es wohl auch gewesen, die 1987 Präsident Reagan zu der Entscheidung brachte, zwar das Zusatzprotokoll II, nicht aber Zusatzprotokoll I ratifizieren zu lassen. Auch die Bundesregierung schreibt auf der letzten Seite der Drucksache einen solchen Atomwaffenvorbehalt fest: „Nach dem Verständnis der Bundesrepublik Deutschland sind die vom I. Zusatzprotokoll eingeführten Bestimmungen über den Einsatz von Waffen in der Absicht aufgestellt worden, nur auf konventionelle Waffen Anwendung zu finden ..." Warum, bitte schön, muß die BRD so etwas erklären, wo sie doch angeblich gar kein Atomwaffenstaat ist und gar keine Atomwaffen einsetzen kann? Meine Damen und Herren, hier wird nicht nur die NATO-Strategie geschützt, sondern auch die Rechtmäßigkeit einer Drohung mit eigenen Atomwaffen offengehalten. Meine Damen und Herren, die beste Maßnahme, ihre atomare Unschuld zu beweisen, ist, den Nuklearvorbehalt zurückzuziehen. Zum zweiten. Ein zweiter strittiger Punkt der Verhandlungen seinerzeit war die Frage der Behandlung von Kämpfenden und der Zivilbevölkerung bei Befreiungskriegen. Hier geht es vor allem um Zusatzprotokoll II und betrifft in erster Linie die Länder der sogenannten Dritten Welt. Die Bundesregierung behauptet, sich gerade in Mittelamerika für die Einhaltung der Menschenrechte einzusetzen und generell eine Politik zu betreiben, die der Friedensstiftung in dieser Region förderlich sein soll. Wir haben die Bundesregierung wiederholt aufgefordert, gegen die Verletzung des Zusatzprotokolls II durch die Regierungsstreitkräfte in El Salvador bei der dortigen Regierung oder den zuständigen internationalen Gremien zu protestieren. So riegeln zum Beispiel die Regierungsstreitkräfte die Konfliktgebiete in El Salvador auch für die Zivilbevölkerung systematisch ab, was ein klarer Verstoß gegen Zusatzprotokoll II ist. Das gleiche gilt für die Behinderung von europäischen Hilfeleistungen an die Zivilbevölkerung in El Salvador. Bisher hat die Bundesregierung sich damit herausgeredet, daß ein solcher Protest nur zwischen Vertragspartnern erlaubt sei. Wir sind gespannt, ob sie, wenn die Ratifikation erfolgt ist, dann endlich gegen die Verletzung der Zusatzprotokolle aktiv wird. Wir fordern allerdings, daß diese Ratifikation auf jeden Fall ohne den Nuklearvorbehalt erfolgt. Sie können sicher sein, daß wir — so oder so — die Völkerrechtswidrigkeit der NATO-Strategie nach Ratifikation prüfen lassen werden und gegebenenfalls einklagen. Frau Dr. Adam-Schwaetzer, Staatsministerin beim Bundesminister des Auswärtigen: Staatsminister Schäfer hat in der Sitzung des Deutschen Bundestages vom 19. Januar 1990 die baldige Einleitung des Ratifizierungsverfahrens zu den Genfer Zusatzprotokollen angekündigt. Die Bundesregierung hat Wort gehalten. Der Vertragsgesetzentwurf mit ausführlichen Begründungen in der Denkschrift liegt Ihnen vor. Ich fasse mich deshalb kurz. Die Bedeutung der Zusatzprotokolle liegt in der Konkretisierung und Weiterentwicklung der völkerrechtlichen Pflicht, ein Minimum an Humanität auch im Kriege zu wahren. Auch wenn wir gegenwärtig 16602* Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 210. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Mai 1990 Erfolge bei der Sicherung des Friedens in Europa erleben, dürfen wir nicht außer acht lassen, daß in vielen Teilen der Welt weiterhin Kriege mit unmenschlicher Härte zum Teil sogar gegen die eigene Bevölkerung geführt werden. Die Zusatzprotokolle sollen dazu beitragen, unnötiges Leiden zu verhindern. Ich möchte an dieser Stelle an Staatsminister Alois Mertes erinnern, dem die Zusatzprotokolle aus diesem Grund bis zu seinem Tod im Jahre 1985 ein wichtiges Anliegen gewesen sind. Alle Fraktionen des Deutschen Bundestages sind sich heute darüber einig, daß der Beitritt der Bundesrepublik möglichst bald erfolgen soll. Weltweit sind bisher 92 Länder, darunter 9 NATO-Staaten, Vertragspartei des I. Zusatzprotokolls. Weitere Ratifizierungen von Staaten des westlichen Bündnisses stehen bevor. Von den Staaten des Warschauer Pakts haben Ungarn, die Sowjetunion und zu Beginn des Jahres die Tschechoslowakei ratifiziert. Die Bundesregierung geht davon aus, daß unsere Ratifizierung den Beitritt weiterer Staaten nach sich ziehen wird und wir damit dem Ziel der Universalität einen großen Schritt näherkommen werden, auch wenn Frankeich und die USA eine Ratifizierung des I. Zusatzprotokolls nach wie vor ablehnen. Die Zusatzprotokolle sind ein umfangreiches und zum Teil sehr detailliertes Regelungswerk einer Materie, die bislang nur unzureichend in einer Vielzahl von zum Teil noch aus dem letzten Jahrhundert stammenden völkerrechtlichen Verträgen, zum Teil völkergewohnheitsrechtlich und zum Teil gar nicht geregelt war. Die zentralen Bestimmungen des I. Zusatzprotokolls befassen sich mit dem Schutz von Verwundeten, Kranken und Schiffbrüchigen, sie beschränken die Mittel und Methoden der Kriegführung und stärken den Schutz der Zivilbevölkerung. Mit dem II. Zusatzprotokoll wird der Versuch gemacht, die Wahrung grundlegender Rechtsgarantien auch in nicht-internationalen Konflikten zu sichern, die bislang völkerrechtlich weitgehend nicht erfaßt waren. Die Zusatzprotokolle sind das Ergebnis einer Abwägung zwischen militärischen Bedürfnissen einerseits und humanitären Erfordernissen andererseits. Sie folgen damit der realistischen und deshalb erfolgreichen Tradition der internationalen Rotkreuzbewegung, die vor 125 Jahren als Reaktion auf die Schrecken von Solferino ihren Ausgang genommen hat und von der der Anstoß zur Ausarbeitung der Zusatzprotokolle ausgegangen ist. Durch unsere Ratifikation stärken wir nicht nur das humanitäre Völkerrecht, sondern auch die internationale Rotkreuzbewegung. Die Bundesregierung steht voll hinter den Aussagen der Zusatzprotokolle. Sie hat auf der Konferenz, die zur Ausarbeitung der Protokolle führte, aktiv mitgearbeitet. Ihre Initiativen haben in einer Anzahl von Artikeln Niederschlag gefunden. Mit Vorlage des Vertragsgesetzentwurfs möchte die Bundesregierung ihren Beitrag zum Zustandekommen dieses wichtigen Vertragswerkes zum Abschluß bringen. Sie baut darauf, daß die Ratifizierung der Zusatzprotokolle noch in dieser Legislaturperiode zustande kommen kann. Anlage 3 Antwort Zu Protokoll gegebene Reden zu Punkt 15 der Tagesordnung (Antrag der Fraktion DIE GRÜNEN betr. Nichtgenehmigungsfähigkeit des Atomkraftwerkes Mülheim-Kärlich) Harries (CDU/CSU): Das von der RWE betriebene Kernkraftwerk Mülheim-Kärlich war einige Monate in Betrieb. Durch Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts in letzter Instanz ist die erteilte erste Teilgenehmigung 1988 aufgehoben worden. Das Kernkraftwerk wurde wieder abgeschaltet. Ein neues Genehmigungsverfahren ist inzwischen wieder eingeleitet. — Dies kurz zur Vorgeschichte. Die Fraktion der GRÜNEN hat beantragt, das eingeleitete neue Genehmigungsverfahren sofort einzustellen und die endgültige Stillegung durch den Bundesumweltminister zu veranlassen. Zur Begründung beruft sich die Fraktion der GRÜNEN 1. auf die bekannte Konzeption, daß die Technik zur Nutzung der Atomernergie nicht beherrschbar sei, 2. auf nicht zu heilende formelle und materielle Fehler und 3. auf die fehlende Entsorgungsmöglichkeit. Atomrechtlich und verfahrensrechtlich ist in der Tat eine schwierige und bisher nicht gekannte und damit außergewöhnliche Situation entstanden: Für das Kernkraftwerk Mülheim-Kärlich sind insgesamt acht Teilgenehmigungen und zwei weitere Nachträge erteilt worden. Dadurch, daß das Bundesverwaltungsgericht die erste Teilgenehmigung aus dem Jahre 1975 durch Urteil vom September 1988 aufgehoben hat, ist nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts die Grundlage nachträglich für alle Genehmigungen entfallen. Die entstandene Legitmationslücke muß jetzt wieder — und damit nachträglich — geschlossen werden. Die Begründung der Fraktion der GRÜNEN für ihre im Deutschen Bundestag heute eingebrachten Anträge überzeugt nicht. Wieder und wieder wird vorgetragen, daß die Nutzung der Atomenergie nicht beherrschbar und Teufelswerk sei. Auch die ständige Wiederholung macht diese Aussage nicht richtig. So stimmt nicht der Hinweis auf den Beinahe-Gau 1986 beim Atomkraftwerk Biblis. Dort haben zwar Menschen vorübergehend nicht nach Vorschrift gearbeitet, aber die Technik hat immer funktioniert. Ein Gau oder Beinahe-Gau hat weder stattgefunden noch stand er bevor. Das gilt im übrigen auch für den zitierten spanischen Atommeiler. Es fehlt bis heute einfach eine überzeugende Antwort der GRÜNEN zu aktuellen Fragen, z. B. zur Sicherstellung der Energieversorgung vor dem Hintergrund der Klimadebatte zu weiteren Umweltproblemen und zum steigenden Energiebedarf der Menschheit in der Welt. Die GRÜNEN argumentieren nur vordergründig und falsch. Es stimmt auch nicht, daß die Entsorgung nicht gelöst sei. Im internationalen Vergleich steht die Bundesrepublik gut da. Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 210. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Mai 1990 16603* Die erteilten Genehmigungen für die Kernkraftwerke befinden sich auch im Einklang mit dem deutschen Atomrecht. Ich verweise in diesem Zusammenhang auf die bestehenden Verträge zur Wiederaufarbeitung mit England und Frankreich. Ich verweise auf die dort bestehende vorübergehende Lagermöglichkeit für abgebrannte Brennstäbe. Ich verweise auf die Arbeiten am möglicherweise kommenden Endlager in Gorleben. Ich verweise auf die bestehende jahrelange Zwischenlagermöglichkeit auf die Vorbereitung für „Konrad" und auf die im Bau befindliche Pilotkonditionierungsanlage. Schließlich übersieht die Fraktion der GRÜNEN in vollem Umfang, daß das Bundesverwaltungsgericht durch das schon kurz zitierte Urteil aus dem Jahre 1986, mit dem die erste Teilgenehmigung aufgehoben worden ist, ausdrücklich gesagt hat, daß die Genehmigung nachgeholt werden kann. Eine nachträgliche Heilung ist damit möglich. Ob sie erfolgen wird und erfolgen kann, ist eine ganz andere Frage. Wichtig ist, daß Antragsteller und Genehmigungsbehörde das atomrechtliche Verfahren wieder eingeleitet haben. Dieses Verfahren ist nicht abgeschlossen. Das Urteil enthält folgende drei wichtige Hinweise: Erstens betont das Gericht, daß ein Ermittlungs- und Bewertungsdefizit, das zur Aufhebung einer Teilgenehmigung führt, grundsätzlich auch dann noch ausgeglichen werden könne, wenn die Anlage bereits errichtet sei. Zweitens hat das Gericht bestätigt, daß durch die Aufhebung der ersten Teilgenehmigung die zweite und weitere, nachfolgende Teilgenehmigungen in ihrem rechtlichen Bestand nicht ohne weiteres berührt seien. Sie seien unverändert wirksam. Drittens müsse aber im Rahmen des neuen Verfahrens geprüft werden, ob sich durch die Neuregelung Rückwirkungen auf bereits bestandskräftige Teilgenehmigungen ergeben. Zur Zeit werden die vom Antragsteller eingereichten Unterlagen sowie die Gutachten der vom Antragsteller beauftragten Sachverständigen überprüft. Schwerpunkt der Prüfung sind u. a. Fragen der Geologie, der Seismologie, der Hydrologie und der Bevölkerungsdichte sowie der Verkehrswege, also alle die Punkte, die von den GRÜNEN kritisch angesprochen worden sind. Auch die Genehmigungsbehörde, das Ministerium für Umwelt und Gesundheit von Rheinland-Pfalz, hat Gutachten in Auftrag gegeben. Das neue Genehmigungsverfahren läuft. Gutachten sind eingeholt, sie werden geprüft. Erst nach dessen Abschluß ergeht eine Entscheidung. Es fehlt damit jede Veranlassung, heute das Verfahren durch den Bundesumweltminister endgültig einstellen zu lassen und das Werk endgültig stillzulegen. Wir leben in einem Rechtsstaat. Das vorgeschriebene Verfahren muß und kann seinen Gang gehen. Reuter (SPD): Die SPD-Bundestagsfraktion hat sich schon vor geraumer Zeit mit den Problemen des Atomkraftwerkes Mülheim/Kärlich befaßt. Denn Tatsache ist, daß dieser Reaktor von Anfang an mehr Schlagzeilen als Strom produziert hat. Wir haben die gravierenden Sicherheitsmängel dieses Reaktortyps bereits im Jahre 1987 in einer Kleinen Anfrage an die Bundesregierung unter die Lupe genommen. Die Anlage in Mülheim/Kärlich ist nämlich in wesentlichen Teilen baugleich mit Three Miles Island in Harrisburg, USA. Ich muß wohl nicht mehr besonders darauf hinweisen, daß die Menschheit seinerzeit beim Reaktorunfall von Harrisburg an der Schwelle einer Atomkatastrophe größten Ausmaßes stand. Besonders wichtig erscheint mir in diesem Zusammenhang, daß weder die zweifellos vorhandenen Sicherungssysteme noch die vorausschauenden Planungen der Ingenieure das Schlimmste verhindern konnten, sondern einzig und allein die „Schlauheit des Materials", wie damals gesagt wurde. Das Durchschmelzen des Reaktorkerns kam glücklicherweise zum Stillstand, ohne daß ein Wissenschaftler oder Politiker bis heute weiß, aus welchen Gründen. Ein weiterer Unfall eines baugleichen Reaktors ereignete sich übrigens 1985 in Kalifornien. Innerhalb einer Stunde traten damals elf Fehlfunktionen auf, bevor es der Bedienungsmannschaft im letzten Augenblick gelang, den Reaktor abzuschalten. In den Vereinigten Staaten wird seit vielen Jahren davon gesprochen, daß der Druckwasserreaktortyp, wie er auch in Mülheim/Kärlich steht, der unsicherste Reaktortyp sei, den es gibt. Ein ehemaliges Mitglied der US-Atomaufsichtsbehörde bezeichnete ihn sogar als eine hoffnungslose Fehlkonstruktion. Die Antwort der Bundesregierung auf unsere damalige Kleine Anfrage zur Sicherheit des Atomkraftwerks Mülheim/Kärlich berücksichtigte allerdings die ernsthaften Bedenken auch qualifizierter deutscher Wissenschaftler nicht. Sie machte es sich einfach und behauptete u. a. daß der Unfall im Kernkraftwerk Three Miles Island in seinen entscheidenden Ursachen nicht auf irgendwelche Merkmale zurückzuführen war, die der Auslegung des Kernkraftwerkes Mülheim/Kärlich vergleichbar seien. Woher nimmt die Bundesregierung diese Kenntnis? Trotz weiterer problematischer Details der Anlage in Mülheim/Kärlich, wie z. B. Kühlwasserverlustanfälligkeit, schwer kontrollierbare Reaktion der Wärmetauscher, Schwächen des sogenannten integrierten Blockregelsystems, wurden von der Bundesregierung alle Bedenken zurückgewiesen. Sie hat den Reaktortyp Mülheim/Kärlich quasi gesundgebetet und ihre Augen vor den vorhandenen Problemen verschlossen. Eine solche Taktik ist nicht gerade geeignet, daß ständig wachsende Mißtrauen der Bevölkerung gegenüber dieser Technologie abzubauen. Die Bundesregierung hat auch das Parlament getäuscht, indem sie den Eindruck vermittelte, mit dem Genehmigungsverfahren für Mülheim/Kärlich sei alles in bester Ordnung. Tatsächlich beweisen einschlägige Gerichtsurteile, daß die Genehmigungsbehörde in Rheinland-Pfalz ihre Aufgabe nicht erfüllt und gravierende Fehler gemacht hat. Im Verfahren sollen wesentliche Teile der Anlage „vergessen" worden sein. Eine nachträglich erteilte Genehmigung, und zwar 16604* Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 210. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Mai 1990 nach dem Bau des Reaktors, könnte in Zukunft jedem Mißbrauch Tür und Tor öffnen. Mit dem vorliegenden Antrag wird verlangt, daß das Atomkraftwerk Mülheim/Kärlich nicht genehmigt wird. Begründet wird dies zum einen mit formaljuristischen Mängeln im Genehmigungsverfahren, zum anderen mit Problemen der geologischen Situation des Reaktorstandorts und technisch bedingter Sicherheitsmängel. Die sehr umfassende Antragsbegründung enthält viele Punkte, die die SPD-Bundestagsfraktion aus ihrer Sicht unterstützen kann. Allerdings ist nach meiner Ansicht der Deutsche Bundestag kaum in der Lage, ein Genehmigungsverfahren sachkundig und objektiv zu bewerten, das mittlerweile mehrere 100 Aktenbände füllen dürfte. Aufgabe des Parlaments kann es nur sein, die notwendigen Gesetze zu schaffen, um solche Verfahren vernünftig abzuwickeln. Es ist dann Aufgabe der Genehmigungsbehörden, diese Gesetze zu beachten. Natürlich sind Formfragen wie die rechtzeitige Anhoning der Öffentlichkeit bei der Genehmigung so risikoreicher und komplexer Anlagen wie Atomkraftwerke von besonderer Bedeutung. Noch wichtiger als alle formaljuristischen Spitzfindigkeiten ist aber die Frage nach der Sicherheit einer solchen Anlage. Wir dürfen nicht zulassen, daß es in Sicherheitsfragen einen Rabatt gibt. Sicherheit muß vor Wirtschaftlichkeit gehen. In diesem Punkt, so denke ich, gibt es einen Konsens aller im Bundestag vertretenen Parteien. Ich habe allerdings erhebliche Zweifel, ob auch bei der Genehmigung und beim Betrieb von Kernkraftwerken danach verfahren wird. Im Dezember 1987 kam es zu einem schweren Störfall im Kernkraftwerk Biblis, im August 1988 in Gundremmingen, im Mai und September 1988 in Stade, im Dezember 1988 in Brokdorf und im Reaktor Emsland in Lingen, im Februar 1989 im Reaktor Grafenrheinfeld — eine Liste, die sich auch in Zukunft fortsetzen wird, möglicherweise mit katastrophalen Folgen — , wenn wir nicht bald die richtigen Entscheidungen treffen. Hinzu kommt die nach wie vor nicht gelöste Entsorgungsfrage. Es bleibt nur ein Fazit: Die Technologie der Kernkraftnutzung ist für den Menschen nicht beherrschbar. Gerade die Erfahrungen des Atomskandal-Untersuchungsausschusses haben dies erneut deutlich gemacht und unsere kritischen Vorbehalte in hohem Maße bestätigt. Die SPD-Bundestagsfraktion hat in ihrem Entwurf eines Kernenergieabwicklungsgesetzes vom Sommer letzten Jahres einen gangbaren Weg aufgezeigt, wie die energiewirtschaftliche Nutzung der Kernenergie beendet werden kann. Sie hat umfangreiche Strategien entwickelt, wie durch Maßnahmen der Energieeinsparung und alternativer Methoden der Energiegewinnung sichergestellt werden kann, daß die Wirtschaft nicht in Krisen gerät. Der Reaktorunfall von Tschernobyl hat das bis dahin oft als rein hypothetisch angesehene Risiko Realität werden lassen. Ein vergleichbarer Unfall in der dicht besiedelten Bundesrepublik Deutschland würde katastrophale Auswirkungen haben. Rettungsmaßnahmen sind kaum zu organisieren. Immer mehr wird auch die Wirtschaftlichkeit des Einsatzes von Kernenergie bezweifelt. Deshalb fordern wir eine Energiepolitik ohne Atomkraft. Die mit der Kernenergie verbundenen existenzbedrohenden Risiken sind auf die Dauer nicht zu verantworten. Wer jetzt nicht umsteuert, blockiert die Zukunft. Neues Denken muß sich durchsetzen. Frau Dr. Segall (FDP) : Wir stehen einem weltweit ansteigenden Energiebedarf gegenüber. Wie die Anhörungen der Enquete-Kommission „Vorsorge zum Schutz der Erdatmosphäre " letzte Woche gezeigt haben, führen zum Teil selbst die Schutzanstrengungen gegenüber den Gefahren der Ozonlochbildung, also dem Ausstieg aus der FCKW-Produktion und -Verwendung, zu einem Anstieg des Energiebedarfs. So sind die bisher vorhandenen Ersatzstoffe im Kühlmittelbereich energetisch wesentlich kostspieliger als der bisherige Einsatz von FCKW. Um einen Anstieg der CO2-Emissionen zu vermeiden, dürfen wir zur Dekkung des zusätzlichen Energiebedarfs aber auf keinen Fall auf fossile Energiestoffe zurückgreifen. Wegen der Gefahren des Treibhauseffektes ist vielmehr ein Rückzug aus den fossilen Brennstoffen erforderlich. Dieser Rückzug verlangt aber den Einsatz von Kernenergie. Diese Einsicht in die Notwendigkeit der Kernenergienutzung darf allerdings nicht dazu führen, daß der Bau von Kernkraftwerken ohne eine rechtlich einwandfreie Grundlage bzw. juristisch fehlerfreie Genehmigung erfolgt. Bei der Errichtung des Atomkraftwerkes Mühlheim-Kärlich sind im Rahmen des Genehmigungsverfahrens Fehler gemacht worden, die äußerst bedauerlich sind, da durch ein solchermaßen fehlerhaftes Vorgehen die Akzeptanz in der Bevölkerung gegenüber Kernanlagen vermindert wird. So wurde die erste Teilerrichtungsgenehmigung für das Kernkraftwerk Mühlheim-Kärlich vom 9. Januar 1975 durch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes vom 9. September 1988 aufgehoben, weil das Genehmigungsverfahren nicht den Vorschriften des Atomgesetzes entsprach. Die erste Teilgenehmigung wurde nämlich für einen genau bestimmten Standort mit einem einheitlichen Gebäudekomplex, der sogenannten Kompaktbauweise, erteilt. Im Verlauf des Genehmigungsverfahrens ist dann das Baukonzept geändert worden; statt des einheitlichen Aufbaus erfolgte eine Aufteilung der Anlage in die zwei Bereiche Reaktorgebäude und Maschinenhaus. Diese Neukonzeption wurde jedoch bei der Erteilung der ersten Teilerrichtungsgenehmigung noch nicht berücksichtigt. Um die Rechtmäßigkeit der Anlage insgesamt festzustellen, muß nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes die „fehlerhafte durch eine fehlerfreie erste Teilgenehmigung" ersetzt werden. Innerhalb des nun erforderlichen neuen Verfahrens zur Erteilung der ersten Teilgenehmigung ist in erster Linie zu prüfen, ob der großräumige Standort der Anlage im Hinblick auf die im einzelnen bereits genehmigte und Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 210. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Mai 1990 16605* errichtete Anlage unter Sicherheitsgesichtspunkten rechtlich unbedenklich ist. Die Behauptung der GRÜNEN, daß die sicherheitstechnische Auslegung des Kernkraftwerkes Mühlheim-Kärlich nicht dem erforderlichen Stand von Wissenschaft und Technik entspreche, ist falsch. Die Fragen der Sicherheit und Detailgestaltung der Anlage sind im Rahmen des atomrechtlichen Genehmigungsverfahrens eingehend überprüft und genehmigt worden. Dieser Komplex ist Bestand anderer Teilerrichtungsgenehmigungen, die nur dann neu überprüft werden müßten, wenn sich bei der Beurteilung des großräumigen Standortes herausstellen sollte, daß besondere standortbedingte Risiken zusätzliche, bislang noch nicht berücksichtigte Sicherheitsvorkehrungen am Kernkraftwerk selbst erforderlich machen. Entscheidend für das laufende Genehmigungsverfahren ist also die Beurteilung des großräumigen Standortes. Die hierzu notwendigen Untersuchungen werden derzeit durch die zuständige atomrechtliche Genehmigungsbehörde, den rheinland-pfälzischen Umweltminister, durchgeführt und sollen demnächst abgeschlossen werden. Zur Problematik des Vulkanismus sind von der Genehmigungsbehörde seismologische und geologische Gutachten eingeholt worden. Somit ist auch die von den GRÜNEN aufgestellte Behauptung, es würden Untersuchungen bezüglich der Erdbebengefährdung unterlassen, schlichtweg unzutreffend. Innerhalb der Untersuchungen erfolgen ferner auch Prüfungen zu Fragen der Hydrologie, Meteorologie, Radioökologie, der Bevölkerungsdichte und der Verkehrswege. Insofern bleibt abzuwarten, zu welchem Ergebnis die einzelnen Gutachten kommen; erst dann kann über die erste Teilgenehmigung und damit über die gesamte Rechtslage der Anlage in Mühlheim-Kärlich entschieden werden. Es besteht also kein Grund, jetzt auf die Landesregierung von Rheinland-Pfalz einzuwirken, das Genehmigungsverfahren sofort einzustellen, da dieses neue Genehmigungsverfahren rechtmäßig verläuft. Erst am Ende dieses Verfahrens kann darüber entschieden werden, ob das Kernkraftwerk Mühlheim-Kärlich in Betrieb geht oder nicht. Dr. Daniels (Regensburg) (GRÜNE): Sehr geehrte Damen und Herren! Heute abend wird im Bundestag das erste Mal etwas ausführlicher über den weltweit teuersten und störanfälligsten Atomreaktor debattiert. Und das trotz der anhaltenden Skandale seit nunmehr 20 Jahren. Geplant wurde das Atomkraftwerk von 1970 bis 1973. Gebaut wurde es von 1975 bis 1987. Gemauschelt wurde von 1970 bis 1990, Tendenz anhaltend, wie erst jetzt aus Materialien des Untersuchungsausschusses im Mainzer Landtag hervorgeht. Heute wissen wir, daß der Reaktor in Mülheim-Kärlich vergleichbar mit den DDR-Reaktoren Bruno Leuschner ist. Daher wollen wir ihn dem damaligen Hauptverantwortlichen Helmut Kohl widmen. Helmut Kohl I wurde von BBC, der berühmten Erbauerin des Harrisburg-Reaktors, seit 1973 gebaut. Die erste Teilgenehmigung wurde zwei Jahre später erteilt, nachdem Sachzwänge in Beton gegossen waren. Kein Wunder, daß die erste Teilgenehmigung überstürzt und fachlich nicht haltbar war. Selbst der atomkraftfreundliche TÜV Rheinland hatte seine Begutachtung und Prüfung für die erste TG zu dem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen, als die erste TG schon erteilt war. Aus veröffentlichten Telefonnotizen geht hervor, daß der TÜV Rheinland „wegen der schwierigen Standortfrage und wegen des Reaktortyps noch Fragen zu klären hatte". Aber genau diese Punkte bilden die Grundlagen einer ersten Teilgenehmigung. Etwas später bemerkte man die fehlerhafte Planung. Man stellte auch fest, daß der geplante Standort selbst eingefleischten AKW-Fanatikern zu heiß war, und verlegte ihn einfach. Gebaut wurde an einer anderen Stelle — und das ist zynische Realsatire — , gerade auf d e r Stelle, die die Gutachter vorher aussparen wollten. Diese nördliche Scholle ist von Störungen und Braunkohletonen durchzogen. Errichtet wurde auch ein von der Konstruktion verändertes Atomkraftwerk. Eine erneute Genehmigung hielten Kohl & Company nicht mehr für notwendig. Sie wußten auch warum. Ich zitiere aus der Beschlußvorlage der Staatskanzlei Rheinland-Pfalz vom 13. Dezember 79 für die Sitzung des Ministerrates vier Tage später: Ein neues Verfahren über die Gesamtanlage wäre prozeßrechtlich problematisch und tatsächlich wenig erfolgversprechend, weil dabei auf den neuesten Stand der Technik abgestellt werden müßte, auf den die teilweise schon sechs Jahre alte Anlage nach Angaben des RWE kaum noch in allen Teilen zu bringen ist. Das heißt, seit mindestens 1979 wissen wir, daß Helmut Kohl I nie ordnungsgemäß genehmigt werden konnte und auch schon vor elf Jahren aus rein technischen Gründen nicht mehr hätte weitergebaut werden dürfen. Glücklicherweise hat das Bundesverwaltungsgericht in Berlin im September 1988 endlich die Notbremse gezogen und festgestellt, daß es so nun wirklich nicht geht. Es wäre für diese neue Anlage auf einem anderen Standort ein ordentliches Genehmigungsverfahren notwendig. Die Anlage müßte nach dem Stand der Technik genehmigt werden. Dies ist nicht der Fall. Alle wesentlichen Teile entsprechen heute nicht mehr dem Stand der Technik. Vom Reaktordruckbehälter über die Dampferzeuger bis hin zur Konzeption des gesamten Primärkreislaufes, von der Anordnung der Schweißnähte über den Werkstoff des Sicherheitsbehälters bis hin zu den Auslegungsprinzipien gegen Störfälle — nichts, aber auch gar nichts davon könnte heute genehmigt werden. Und das hat ja Gründe. Helmut Kohl I ist störanfällig. Helmut Kohl I ist sogar unser Bester: Kein anderer Reaktor kann so viele Störfälle in so kurzer Zeit bieten. Von Dezember 1985 bis Dezember 1988 — also keine drei Jahre — zählt die Bürgerinitiative ARGUS 96 Störfälle. Die beeindruckende Liste können Sie gerne von mir bekommen. Also allein schon die Technik erzwingt eine Stillegung des Reaktors. 16606* Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 210. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Mai 1990 Die äußeren Gegebenheiten tun dies noch viel mehr. Weder die Geologie noch die Seismologie sind entsprechend berücksichtigt. Ein abschließendes geologisches Gutachten, das die geänderte Reaktorlage und alle bisher vorgelegten Untersuchungsergebnisse berücksichtigt, wurde bis heute nicht erstellt. Das Neuwieder Becken — der Standort des Reaktors — muß auf Grund der Erdbebengefährdung des Rheingrabens zu einer geologischen Schwächezone gerechnet werden. Meine Damen und Herren, nehmen Sie den schlimmsten Fall an: Ein Tiefflieger — und davon gibt es gerade in Rheinland-Pfalz mehr als genug — trifft. Im 20 km Umkreis leben fast eine halbe Million Menschen. Eine schnelle Evakuierung ist ausgeschlossen. Die Menschen in der Umgebung müssen bei einer erneuten Inbetriebnahme mit diesem Risiko leben. Es wird ihnen von den politisch Verantwortlichen zugemutet. Wer kann das überhaupt verantworten? Lassen Sie mich nun auf das neue Genehmigungsverfahren zu sprechen kommen. Das Bundesverwaltungsgericht hat ein ordentliches Genehmigungsverfahren gefordert. In Rheinland-Pfalz mußte der Erörterungstermin wiederholt werden. Auch der zweite verlief nicht rechtmäßig. Schlimmer ist, daß nicht alle anstehenden Punkte und Probleme debattiert wurden. Alle Teilgenehmigungen hätten diskutiert werden müssen, aber das muß nun in den kommenden Eröterungsterminen nachgeholt werden. Bei den Debatten um die 1. TG wurden nicht einmal alle Gutachten für die Öffentlichkeit ausgelegt. Weitere Schwachpunkte können Sie im Detail dem Antrag entnehmen. Brauchen wir den Reaktor heute noch? In der Vorlage für den Ministerrat von 1974 wird ohne das Atomkraftwerk schon 1977 — ich zitiere — „die Stromversorgung aus dem Verbundnetz mit Schwierigkeiten verbunden sein" . Weiter heißt es: „Eine weitere Verschiebung des Baubeginns ließe daher befürchten, daß die ausreichende Versorgung im Regierungsbezirk Koblenz im Herbst 1978 nicht sichergestellt werden könnte. " Und weiter: „Eine Alternative zur anderweitigen Versorgung ist nicht gegeben. " Heute ist laut Landesregierung der Reaktor für die Stromversorgung nicht mehr nötig. Die RWE will laut Pressemitteilung den Reaktor für die DDR nutzen. Meine Damen und Herren, Helmut Kohl I ist auch ein Lehrstück für gelungene Steuerhinterziehung: RWE gründete eine Firma in Luxemburg — die SCN. SCN wickelt alle Finanzen ab. Sollte SCN irgendwann einmal Gewinn machen, werden die geringen Steuern in Luxemburg bleiben. In der Bundesrepublik werden keine Steuern bezahlt. Dies ist recht geschickt, denn es spart eine Menge Geld. Helmut Kohl I wird jedoch langfristig Miese machen — aber auch hier hilft die zwielichtige Konstruktion: RWE zahlt Pacht — unabhängig davon, ob der Pannenreaktor läuft oder nicht. Die Pachtkosten reduzieren den Gewinn des RWE in der Bundesrepublik. Diese Pachtkosten liegen aber wesentlich höher, als wenn man bei RWE Abschreibungskosten ansetzen würde. Die Folge sind bisher Steuerersparnisse in Höhe von 1,23 Milliarden DM. So finanzieren wir alle den Reaktor doppelt — erst über den Strompreis und über die Steuern gleich noch einmal. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, auch die nordrhein-westfälische Landesregierung hilft bei diesem Geschäft kräftig mit: Die Energiepreisaufsicht in Düsseldorf und das RWE wissen mindestens seit 1979, daß das Atomkraftwerk Mülheim-Kärlich nie sicheren und kostengünstigen Strom liefern wird, wie es in der Bundestarifordnung Elektrizität vorgeschrieben ist. Trotzdem erlaubt sie RWE, 350 Millionen DM jährlich für den Reaktor über den Stromverkauf zusätzlich einzunehmen. Jeder Strombezieher zahlt die Zeche — und das auch noch rechtswidrig. So scheint selbst die SPD-Landespreisaufsicht auch vom RWE bestochen zu sein. Wenn wir die Gesamtkosten auf den bisher erzeugten Strom aus dem Reaktor umlegen, kommen wir auf einen Kilowattstundenpreis von über 70 Pfennig. Damit sind wir beim Preisniveau von Solaranlagen zur Stromerzeugung angelangt. Helmut Kohl I ist auch ein klassischer Fall politischen Sumpfs: Heute muß Umweltminister Beth in Rheinland-Pfalz den Reaktor genehmigen — für das RWE. Früher war Herr Beth in seiner Eigenschaft als Landrat im Regionalbeirat des RWE, er war im Verwaltungsbeirat des RWE, und er war Vertreter des Verbandes kommunaler Aktionäre beim RWE. Kann sich jemand anderes beim RWE wohler fühlen als er? Liebe Kolleginnen von der FDP, Sie wollten diese Debatte zwar verhindern — das kann ich von Ihrer Seite verstehen —, aber Ihr Parteikollege Professor Reisinger aus dem Landtag in Rheinland-Pfalz hätte das nicht gut gefunden. Er kennt alle diese Unterlagen und kommt daher zu einer sehr kritischen Einschätzung. Ich hoffe, daß wir im Ausschuß für Reaktorsicherheit genügend Zeit für eine fundierte Bewertung finden werden, bevor die Genehmigungsbehörde den Reaktor wieder ans Netz läßt. Gröbl, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Mit der Aufhebung der 1. Teilerrichtungsgenehmigung für das Kernkraftwerk Mühlheim-Kärlich durch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 9. September 1988 ist eine außergewöhnliche, verfahrensrechtlich komplizierte Situation entstanden, die Anlaß zu Mißverständnissen und Fehlinterpretationen gegeben hat. Betroffen sind hiervon vor allem zwei Fragen: Erstens, welche Auswirkungen hat die Aufhebung der 1. Teilerrichtungsgenehmigung auf den Bestand der übrigen Teilgenehmigungen? Zweitens, was ist Gegenstand des jetzt nachzuholenden Genehmigungsschritts? Zu beiden Punkten hat das Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung Stellung genommen — allerdings in ganz anderem Sinne, als es in der tendenziösen und verfälschenden Darstellung zum Ausdruck kommt, derer sich die Fraktion DIE GRÜNEN zur Begründung ihres Beschlußantrags bedient. Erlauben Sie mir deshalb zunächst einige klarstellende Bemerkungen zum Inhalt und zu den Konsequenzen des genannten Urteils. Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 210. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Mai 1990 16607* Das Bundesverwaltungsgericht hat die Aufhebung der 1. Teilerrichtungsgenehmigung darauf gestützt, daß diese Genehmigung im Jahre 1975 für eine Anlage erteilt worden sei, „die so nicht mehr errichtet werden sollte". Gemeint ist damit folgendes: Im Verlauf des Genehmigungsverfahrens war der Antragsteller von der ursprünglich geplanten Kompaktbauweise (Errichtung des Kernkraftwerks in einem zusammenhängenden Gebäudekomplex) wieder abgerückt. Die Neukonzeption der Gebäudeanordnung (Trennung von Reaktorgebäude und Maschinenhaus) wurde jedoch bei Erteilung der 1. Teilerrichtungsgenehmigung noch nicht berücksichtigt. Das Bundesverwaltungsgericht sieht hierin ein Ermittlungs- und Bewertungsdefizit: Die Eignung des großräumigen Standorts habe nicht unabhängig vom Grundkonzept der Anlage geprüft und bewertet werden dürfen. Mit dieser Entscheidung hat das Kernkraftwerk Mülheim-Kärlich, um den genehmigungsrechtlichen Stellenwert des Urteils kurz zu skizzieren, zwar ein Teilelement seiner Genehmigungsbasis verloren, damit ist aber keineswegs gesagt, daß die Anlage nicht genehmigungsfähig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat betont, daß die Mängel, die zur Aufhebung der 1. Teilerrichtungsgenehmigung geführt haben, durch entsprechende „Nachbesserungen" — d. h. Ersetzung des fehlerhaften durch einen fehlerfreien Genehmigungsakt — geheilt werden können. Gegenstand der hierfür erforderlichen Prüfungen ist die Eignung des großräumigen Standorts der Anlage. Es geht konkret darum, ob dieser großräumige Standort im Hinblick auf die im einzelnen bereits genehmigte und errichtete Anlage unter Sicherheitsgesichtspunkten rechtlich unbedenklich ist. Der kleinräumige Standort des Kernkraftwerks auf dem Untergrund des Betriebsgeländes sowie die sicherheitstechnische Auslegung und Detailgestaltung der Anlage bedürfen dagegen im vorliegenden Verfahren grundsätzlich keiner erneuten Überprüfung. Sie sind Regelungsgegenstand anderer Teilgenehmigungen, deren rechtlicher Bestand durch die Aufhebung der 1. Teilerrichtungsgenehmigung — so das Bundesverwaltungsgericht wörtlich — „nicht ohne weiteres und gleichsam automatisch berührt" wird. Diese weiteren Teilgenehmigungen wären — in einem gesonderten Verfahren — nur dann zu ersetzen bzw. zu ergänzen, wenn sich bei der jetzt anstehenden Beurteilung des großräumigen Standorts herausstellen sollte, daß besondere standortbedingte Risiken zusätzliche, bislang noch nicht berücksichtigte Sicherheitsvorkehrungen am Kernkraftwerk selbst erforderlich machen. Die in der Begründung des erörterten Beschlußantrags erhobenen Einwände gegen die sicherheitstechnische Konzeption der Anlage weisen jedoch keinen derartigen Standortbezug auf. Schon deshalb sind sie im vorliegenden Zusammenhang fehl am Platze. Im übrigen haben diese standortunabhängigen Bedenken aber auch keine sachliche Berechtigung: Die sicherheitstechnische Auslegung des Kernkraftwerkes Mülheim-Kärlich ist im Rahmen des atomrechtlichen Genehmigungsverfahrens eingehend überprüft worden; sie entspricht danach dem erforderlichen Stand von Wissenschaft und Technik. Für das laufende Genehmigungsverfahren entscheidend ist, wie gesagt, die Beurteilung des großräumigen Standortes. Die hierzu notwendigen Untersuchungen werden derzeit durch die zuständige atomrechtliche Genehmigungsbehörde, den rheinland-pfälzischen Umweltminister, durchgeführt und sollen demnächst abgeschlossen werden. Schwerpunkte der Prüfung sind Fragen der Geologie, Hydrologie, Meteorologie, Radioökologie, der Bevölkerungsdichte und Verkehrswege sowie der Seismologie. Zur Problematik des Vulkanismus sind von der Genehmigungsbehörde seismologische und geologische Gutachten eingeholt worden. Die von der Fraktion DIE GRÜNEN aufgestellte Behauptung, Untersuchungen zur Erdbebengefährdung des Kernkraftwerkes Mülheim-Kärlich würden unterlassen, ist somit unzutreffend. Da seismologische Aspekte zu den für die Beurteilung des großräumigen Anlagenstandorts maßgeblichen Gesichtspunkten gehören, sind sie im vorliegenden Verfahren selbstverständlich angemessen zu berücksichtigen. Zu welchem Ergebnis die atomrechtliche Genehmigungsbehörde bei ihren Prüfungen gelangen wird, kann naturgemäß erst nach Abschluß sämtlicher für ihre Entscheidung erforderlichen Untersuchungen gesagt werden. Eine vorweggenommene Bewertung bzw. Prognose über den Ausgang des Verfahrens wird es von meiner Seite — auch im Rahmen dieser Debatte — nicht geben. Ich würde es für unseriös halten, durch bundesaufsichtliche Äußerungen zur Genehmigungsfähigkeit des Kernkraftwerks Mülheim-Kärlich in den derzeit noch laufenden Prüfprozeß einzugreifen. Der Bundesumweltminister hat es sich zum Grundsatz gemacht, Stellungnahmen zu Fragen der kerntechnischen Sicherheit nur auf einer soliden Bewertungsgrundlage abzugeben. Dabei wird es auch im vorliegenden Fall bleiben. Die Abgabe voreiliger und unsubstantiierter Schnellschußanalysen überlasse ich hier gerne den GRÜNEN. Lassen Sie mich aber zum Schluß noch auf die Vorwürfe im Hinblick auf die Öffentlichkeitsbeteiligung eingehen. Wenn dazu in der Begründung des Beschlußantrags behauptet wird, die Genehmigungsbehörde habe bestimmte Einwendungen Betroffener ausschließen bzw. deren Erörterung verhindern wollen, so kann dies nur als abwegig bezeichnet werden. Tatsächlich waren auf Grund des Inhalts der Bekanntmachung und der besonderen hier gegebenen Umstände sowohl die Identität der Anlage als auch der Stand des Verfahrens und der Gegenstand der zu treffenden Regelung ohne größere Schwierigkeiten erkennbar. Die Bekanntmachung genügte daher ihrer Funktion, potentiellen Einwendern die Beurteilung ihrer Betroffenheit und gegebenenfalls die Wahrnehmung ihrer Rechte zu ermöglichen. Dies wird durch die Zahl der innerhalb der Auslegungsfrist vorgebrachten Einwendungen eindrucksvoll unterstrichen; immerhin wurden 66 000 Einwendungen erhoben. Die Bekanntmachungen vom 19. April und 16. November 1989 wurden in der Öffentlichkeit also offensichtlich keineswegs mißverstanden. Wenn die Antragsteller Gegenteiliges suggerieren wollen, so geht dies an den Tatsachen vorbei. Nicht zu beanstanden ist ferner auch der Umfang der ausgelegten Unterlagen. Zur Beurteilung der Eig- 16608* Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 210. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Mai 1990 nung des großräumigen Standortes der Anlage waren die ausgelegten Unterlagen mehr als ausreichend. Auch was den übrigen Ablauf der Erörterungstermine anbelangt, bestand kein Anlaß zu bundesaufsichtlichem Einschreiten. Nachdem Zweifel an der Rechtmäßigkeit der im ersten Termin angeordneten Sicherheitskontrollen aufgekommen waren, hat die Genehmigungsbehörde den Einwendern Gelegenheit gegeben, ihre Bedenken in einem weiteren Erörterungstermin vorzutragen. Sie ist auch im übrigen nach Kräften bestrebt gewesen, den Betroffenen die Wahrnehmung ihrer Rechte zu ermöglichen. So wurden auf Antrag Akteneinsicht gewährt sowie Unterlagen und Gutachten zur Verfügung gestellt. Darüber hinaus gewährt die Genehmigungsbehörde jenen Einwendern, die entsprechende Anträge gestellt haben, auch weiterhin Einsicht in sämtliche für das Genehmigungsverfahren relevanten Unterlagen einschließlich der Gutachten. Außerdem ist ihnen Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme gegeben worden. Vor diesem Hintergrund erweisen sich die in der Begründung des Beschlußantrags geäußerten Vorwürfe insgesamt als unberechtigt und haltlos. Ich empfehle Ihnen daher, den vorliegenden Beschlußantrag abzulehnen. Anlage 4 Antwort des Bundesministers Klein auf die Fragen der Abgeordneten Frau Schulte (Hameln) (SPD) (Drucksache 10/7058 Fragen 3 und 4): Wie hoch war der Gesamtaufwand, der — jeweils in den Einzeljahren — von 1979 bis 1981 und von 1987 bis 1989 durch Informationsschriften, Zeitungs- und Zeitschriftenanzeigen sowie Zeitungs- und Zeitschriftenbeilagen der Bundesregierung entstand? Wie hoch war der Anteil dieser Ausgaben an den jeweiligen Gesamtausgaben des Bundeshaushalts? Die Maßnahmen der Öffentlichkeitsarbeit und ihre Kosten werden seit 1978 im Bulletin der Bundesregierung vierteljährlich veröffentlicht. Dies geht auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 2. März 1977 zurück, in dem einzelne Maßnahmen im Wahljahr 1976 für verfassungswidrig erklärt wurden. Ausweislich dieser Übersichten betrug der Gesamtaufwand für die dort dargestellten Maßnahmen der Öffentlichkeitsarbeit: 1979 19 602 700 DM 1980 23 843 731 DM 1981 19 199 508 DM Für 1987 bis 1989 lauten die Zahlen wie folgt: 1987 21 585 380 DM 1988 32 200 209 DM 1989 44 556 785 DM Die Anteile an den Gesamtausgaben des Bundeshaushalts betragen: 1979 0,096 Promille von 203,4 Milliarden DM 1980 0,110 Promille von 215,7 Milliarden DM 1981 0,082 Promille von 233,0 Milliarden DM 1987 0,080 Promille von 269,0 Milliarden DM 1988 0,116 Promille von 275,0 Milliarden DM 1989 0,153 Promille von 289,8 Milliarden DM Diese Zahlen machen deutlich, daß 1987 die Ausgaben für Maßnahmen der Öffentlichkeitsarbeit relativ niedriger lagen als in allen drei Vergleichsjahren von 1979 bis 1981, im Vergleich zu 1980 sogar nach dem absoluten Betrag. Zu 1988 und 1989:Über die weitreichenden Reformen im Steuerrecht, im Gesundheitswesen und in der Altersversorgung mußte die Öffentlichkeit ausführlich informiert werden; dafür standen auch besondere Mittel im Haushalt zur Verfügung. Für die zahlreichen Besucher aus der DDR wurde Ende 1989 eine Informationsaktion erforderlich, für die rund 8 Millionen DM bereitgestellt wurden. Diese vier Anlässe waren der Grund für die Steigerungen in den Haushalten 1988 und 1989. Anlage 5 Antwort des Parl. Staatssekretärs Wimmer auf die Fragen des Abgeordneten Dr. Kübler (SPD) (Drucksache 11/7058 Fragen 15 und 16) : Wie erklärt die Bundesregierung, daß trotz internationaler Entspannung und trotz der Ankündigung der Bundesregierung, die Notwendigkeit von Tiefflügen zu überprüfen, in der Zeit vom 2. bis 4. Mai 1990 Tiefflugübungen in außergewöhnlichem Ausmaß über der Bundesrepublik Deutschland abgehalten wurden, und ist die Bundesregierung bereit, bis zum Abschluß ihrer Überprüfung ein Moratorium für Tiefflugübungen oder zumindest eine wesentliche Reduzierung der Tiefflugübungen vorzunehmen? Wie viele Tiefflugübungen haben in der Zeit vom 2. bis 4. Mai 1990 über der Bundesrepublik Deutschland stattgefunden, und wie verteilen sie sich auf die Luftwaffen der Bundeswehr und der Alliierten Streitkräfte? Zu Frage 15: Der Bundesregierung liegen keine Hinweise vor, daß in der Zeit vom 2. bis 4. Mai 1990 Tiefflugeinsätze in „außergewöhnlichem Ausmaß" — ich nehme hier Bezug auf meine Antwort zu Frage 2 — über der Bundesrepublik Deutschland abgehalten wurden. Die Bundesregierung hat erklärt, daß derzeit die Möglichkeiten weiterer substantieller Entlastungen bezüglich der Tiefflugausbildung geprüft werden. Die Untersuchungen hierzu sind noch nicht abgeschlossen. Eine gründliche Abstimmung mit den Verbündeten ist erforderlich. Ein Moratorium für Tiefflugeinsätze ist nicht vertretbar. Zu Frage 16: In der Zeit vom 2. bis 4. Mai 1990 hat die Bundesluftwaffe 465 Tiefflugeinsätze über dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland durchgeführt. Im gleichen Zeitraum haben die Verbündeten 864 Tiefflugeinsätze über dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland durchgeführt. Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 210. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Mai 1990 16609* Anlage 6 Antwort des Parl. Staatssekretärs Gröbl auf die Fragen des Abgeordneten Dr. Daniels (Regensburg) (GRÜNE) (Drucksache 11/7058 Fragen 25 und 26): Welche CO2-Reduktionsvorgabe will sich die Bundesregierung angesichts von Äußerungen der Enquetekommission zum Schutz der Erdatmosphäre zu eigen machen, nach denen bis 2005 30 %, bis 2020 50 % und bis 2050 80 % CO2-Reduktion für notwendig erachtet werden, sowie der Presseberichte, denen zufolge zwar Bundesumweltminister Dr. Töpfer zumindest 25 % bis 2005 für notwendig hält, sich jedoch Bundeswirtschaftsminister Dr. Haussmann gänzlich gegen eine konkrete CO2-Reduktionsvorgabe wendet, und in welchem Umfang glaubt die Bundesregierung, durch den Ausbau der Kernenergie CO2-Einsparungen ermöglichen zu können? In welchen Anlagen sowie auf welchen Grad wurde das — bei der Wiederaufarbeitung deutscher atomarer Abfälle angefallene — Uran angereichert, das nach Aussage des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit „zum größten Teil" (Drucksache 11/6893) wiederverwendet wurde? Zu Frage 25: Die Bundesregierung erarbeitet derzeit nationale Zielvorstellungen für eine erreichbare Reduktion der CO2-Emissionen. Die Beratungen zwischen den betroffenen Bundesressorts hierüber sind zur Zeit noch nicht abgeschlossen, so daß zum gegenwärtigen Zeitpunkt auch noch keine Ergebnisse mitgeteilt werden können. Die vorliegenden Forschungsberichte aus dem Studienprogramm der Enquete-Kommission „Vorsorge zum Schutz der Erdatmosphäre" bilden eine wesentliche Grundlage für die Meinungsbildung der Bundesregierung. Im Jahre 1989 wurden durch die Kernenergie 140 Terawattstunden (TWh, d. h. Tera = 1 Billion) Strom erzeugt. Dadurch wurden CO2-Emissionen von etwa 140 Millionen t erspart. Dieser Berechnung liegt die Annahme zugrunde, daß der Strom anstelle durch Kernenergie etwa zur Hälfte durch Steinkohle bzw. Braunkohle erzeugt worden wäre. Zu Frage 26: Die Kontrolle über den Verbleib dieses Urans unterliegt den zuständigen Stellen der EG. Aus diesem Grund führt die Bundesregierung darüber keine Aufzeichnungen. Anlage 7 Antwort des Parl. Staatssekretärs Echternach auf die Frage des Abgeordneten Müntefering (SPD) (Drucksache 11/7058 Frage 27): Welche Konsequenzen zieht die Bundesministerin für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau aus ihrer Interview-Feststellung, die Mieten seien in den Großstädten „teils schon an den Rand des Unbezahlbaren gestiegen", und tritt sie für einen verbesserten Mieterschutz durch Änderung des Miethöhegesetzes ein? Die Bundesministerin für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau hat angeregt zu überprüfen, ob das Miethöhegesetz befristet mit dem Ziel geändert werden soll, die Mieter vor dem extremen Anstieg der Mieten in bestimmten Regionen besser zu schützen, bis die verstärkte Bautätigkeit die erheblichen Ungleichgewichte auf dem Wohnungsmarkt beseitigt hat. Anlage 8 Antwort des Parl. Staatssekretärs Echternach auf die Frage des Abgeordneten Menzel (SPD) (Drucksache 11/7058 Frage 28) : Wird die Bundesministerin für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau eine Änderung des Miethöhegesetzes vorschlagen mit dem Ziel, die Mieterhöhungsmöglichkeiten von derzeit 30 in drei Jahren zu reduzieren, und denkt sie dabei an eine Halbierung auf 15 %? Die Bundesministerin für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau prüft zusammen mit den Länderbauministern auch diesen Vorschlag. Anlage 9 Antwort des Parl. Staatssekretärs Echternach auf die Frage des Abgeordneten Reschke (SPD) (Drucksache 11/7058 Frage 29) : Kennt die Bundesministerin für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau die Meldungen, daß in vielen Großstädten bei Mieterwechsel Mietsteigerungen von über 30 % zu verzeichnen sind, und welche gesetzliche Regelung für die Mietpreisgestaltung bei Neuvermietung wird sie vorschlagen? Die zitierten Meldungen sind bekannt; sie lassen offen, von welchem Ausgangsniveau diese Steigerungssätze ausgehen. Es ist bekannt, daß viele Vermieter mit einer Mieterhöhung bis zum Mieterwechsel warten, so daß in diesen Fällen Bestandsmieten bis zum Mieterwechsel deutlich hinter der ortsüblichen Vergleichsmiete zurückbleiben können. Die Entwicklung der Neuvertragsmieten wird von der Bundesregierung seit längerem aufmerksam beobachtet. Da die Neuvertragsmieten gegenwärtig deutlich stärker steigen als die Bestandsmieten, überprüft die Bundesministerin für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau deshalb ebenso wie die Länderbauminister, ob durch eine Orientierung der Wiedervermietungsmieten an der Vergleichsmiete mit Hilfe einer Kappungsgrenze extremen Mietaufschlägen bei Mieterwechsel entgegengewirkt werden kann. Diese Überprüfung, an der auch der Bundesminister der Justiz beteiligt wird, ist noch nicht abgeschlossen. Anlage 10 Antwort des Parl. Staatssekretärs Echternach auf die Frage des Abgeordneten Häuser (SPD) (Drucksache 11/7058 Frage 30): 16610* Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 210. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Mai 1990 Setzt sich die Bundesministerin für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau dafür ein, für die Erstellung von Mietspiegeln zur Festsetzung der ortsüblichen Vergleichsmiete zukünftig den gesamten Wohnungsbestand zugrunde zu legen und nicht mehr nur die letzten drei Jahrgänge? Die Bundesministerin für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau überprüft ebenso wie die Länderbauminister, durch welche Rahmensetzungen für die Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete mögliche Verzerrungen durch extrem hohe Mieten bei Neuabschlüssen aufgefangen werden können. Anlage 11 Antwort des Parl. Staatssekretärs Echternach auf die Frage des Abgeordneten Weiermann (SPD) (Drucksache 11/7058 Frage 31): Setzt sich die Bundesministerin für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau für ein Recht der Kommunen ein, die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen in Gebieten mit erhöhtem Wohnbedarf befristet zu verhindern, und unterstützt sie die Forderung, den Schutz vor Eigenbedarfskündigung von heute drei auf wenigstens sieben Jahre zu verlängern? Selbstverständlich unterstützt die Bundesministerin für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau die Vereinbarung der Koalitionsparteien, in Gebieten mit angespannter Wohnungsmarktlage die Kündigungssperrfrist bei Umwandlungen von Miet- in Eigentumswohnungen von drei auf fünf Jahre zu verlängern. Mit der verlängerten Sperrfrist und der sich daran anschließenden normalen Kündigungsfrist werden die Mieter nachhaltig geschützt. Anlage 12 Antwort des Parl. Staatssekretärs Echternach auf die Frage des Abgeordneten Conradi (SPD) (Drucksache 11/7058 Frage 32): Welche Informationen liegen der Bundesministerin für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau über Wohnungskündigungen wegen Eigenbedarfs vor, und sieht sie Handlungsbedarf mit dem Ziel, die Kriterien für Eigenbedarf eingrenzend zu präzisieren? Über die Häufigkeit von Kündigungen wegen Eigenbedarfs liegen der Bundesregierung keine statistischen Informationen vor. Auch die Gerichtsstatistik weist die Verfahren wegen Kündigungen unter den Verfahren in Wohnungsmietsachen nicht gesondert aus. Eigenbedarfskündigungen waren in der Vergangenheit mehrfach Gegenstand höchstrichterlicher Entscheidungen, wobei sowohl die schutzwürdigen Belange des Mieters, der ein Interesse an der Beibehaltung seiner bisherigen Wohnung als Lebensmittelpunkt hat, seine Möglichkeiten, eine andere Wohnung zu finden, wie auch der Wunsch des Vermieters, sein Eigentum selbst zu nutzen, gegeneinander abgewogen wurden. Die Bundesregierung sieht keine Notwendigkeit, den Spielraum für diesen in jedem Einzelfall vorzunehmenden Abwägungsprozeß durch die Vorgabe weiterer Kriterien einzuengen. Anlage 13 Antwort des Parl. Staatssekretärs Echternach auf die Frage des Abgeordneten Großmann (SPD) (Drucksache 11/7058 Frage 33): Teilt die Bundesministerin für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau die Auffassung, daß die Mietrechtsänderungen der Koalition von 1983 zum verstärkten Anstieg der Mieten beigetragen haben, und setzt sie sich für eine Rücknahme des 83-Gesetzes in seinen wesentlichen Punkten ein? Die in der Fragestellung zum Ausdruck gebrachte Auffassung ist sachlich unzutreffend. Nach Inkrafttreten der Mietrechtsänderungen von 1983 sind die Mietsteigerungsraten in den Jahren ab 1984 kontinuierlich zurückgegangen und haben im Jahr 1987 mit 1,6 % den Tiefstand seit Einführung der amtlichen Mietenstatistik erreicht. In dieser Entwicklung und auch in dem allmählichen Anstieg des Mietindex ab 1988 zeigt sich, daß die Entwicklung auf dem Wohnungsmarkt weit stärker die Mietenentwicklung prägt als die genannten mietrechtlichen Regelungen. Wie in den bisherigen Antworten dargelegt, ist die Bundesministerin für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau der Auffassung, daß wegen der außergewöhnlichen Situation auf dem Wohnungsmarkt, die bei der Verabschiedung der Mietrechtsänderungen von 1983 nicht absehbar war, besondere befristete und regional begrenzte Maßnahmen zum Schutz der Mieter vor extremen Mietforderungen geprüft werden sollten. Diese Maßnahmen laufen allerdings nicht auf eine Rücknahme der Mietrechtsänderungen von 1983 hinaus. Sonst müßte z. B. die 1983 zum Schutz der Mieter geschaffene, zuvor überhaupt nicht vorhandene Kappungsgrenze von 30 To für Mietsteigerungen in drei Jahren nicht gesenkt, sondern beseitigt werden. Die Kappungsgrenze war ein wesentlicher Bestandteil der Mietrechtsänderungen von 1983. In anderen wesentlichen Punkten entsprach das damalige Gesetz Regelungen, die auch von der sozialdemokratisch geführten Bundesregierung vorgeschlagen worden waren. Anlage 14 Antwort des Parl. Staatssekretärs Echternach auf die Frage des Abgeordneten Scherrer (SPD) (Drucksache 11/7058 Frage 34): Wann wird die Bundesministerin für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau die angekündigten Überlegungen zum verbesserten Mieterschutz abschließen, und wann wird das Kabinett darüber befinden? Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 210. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Mai 1990 16611* Die Überlegungen der Bundesministerin für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau zu möglichen befristeten Mietrechtsänderungen werden alsbald in den politischen Entscheidungsprozeß eingebracht werden. Sie werden auf fachlicher Ebene mit dem federführend zuständigen Bundesminister der Justiz geprüft. Ein fester Zeitplan besteht noch nicht. Anlage 15 Antwort des Parl. Staatssekretärs Spranger auf die Frage des Abgeordneten Lowack (CDU/CSU) (Drucksache 11/7058 Frage 38): Ist die Bundesregierung angesichts der historischen Entwicklung in der CSFR bereit, die Visumpflicht schon kurzfristig aufzuheben? Die Bundesregierung unterstützt nachhaltig das Ziel, Reiseerleichterungen im Verhältnis zur CSFR zu schaffen. Eine Aufhebung der Sichtvermerkspflicht im Verhältnis zur CSFR setzt allerdings Konsultationen mit unseren Partnern im Rahmen der EG und im Rahmen des Schengener Übereinkommens voraus, mit denen eine Harmonisierung der Sichtvermerksbestimmungen vereinbart ist. Diese Konsultationen sind bereits in die Wege geleitet worden. Anlage 16 Antwort des Parl. Staatssekretärs Spranger auf die Fragen des Abgeordneten Stiegler (SPD) (Drucksache 11/7058 Fragen 39 und 40): Sieht die Bundesregierung eine Möglichkeit, die Abstimmungsgespräche mit den Partnern des Schengener Übereinkommens wegen der Einführung des visafreien Verkehrs zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der CSFR alsbald abzuschließen, und besteht die Möglichkeit, zur Eröffnung der neuen Grenzübergänge am 1. Juli dieses Jahres bereits den visafreien Verkehr einzuführen? Hat die Bundesregierung die Gespräche über die Neueröffnung von Grenzübergängen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der CSFR fortgesetzt, und besteht noch eine Chance, zur Entlastung des Grenzübergangs Waidhaus während der Hauptreisezeit den Grenzübergang Eslarn/Tillyschanz für den Fußgänger-, Fahrrad- und Mofaverkehr zu öffnen? Zu Frage 39: Die Bundesregierung unterstützt nachhaltig das Ziel, Reiseerleichterungen im Verhältnis zur CSFR zu schaffen. Wie Sie wissen, setzt allerdings die Aufhebung der Sichtvermerkspflicht im Verhältnis zur CSFR Konsultationen mit unseren Partnern im Rahmen der EG und im Rahmen des Schengener Übereinkommens voraus, mit denen eine Harmonisierung der Sichtvermerksbestimmungen vereinbart ist. Diese Konsultationen sind in die Wege geleitet. Ein genauer Zeitpunkt für den Abschluß der Konsultationen läßt sich derzeit noch nicht nennen. Zu Frage 40: Die Bundesregierung steht mit der Regierung der Tschechoslowakei u. a. wegen der Eröffnung neuer Grenzübergänge in laufendem Kontakt und hat vorgeschlagen, das Treffen der Grenzbevollmächtigten am 22./23. Mai 1990 in Prag mit einem vorgezogenen Expertengespräch über die Errichtung weiterer Übergänge zu verbinden. Es bestehen gute Aussichten, daß dieses Gespräch stattfindet. Dabei wird die Inbetriebnahme des Grenzüberganges Eslarn/Tillyschanz möglichst auch zum 1. Juli 1990 mit Vorrang zur Sprache gebracht werden. Anlage 17 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Voss auf die Fragen der Abgeordneten Frau Walz (FDP) (Drucksache 11/7058 Fragen 42 und 43): Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, durch Verhandlungen mit den amerikanischen Streitkräften, die stark unterbenutzte Reiterkaserne in Stuttgart für eine deutsche zivile Nutzung zurückzuerhalten? Teilt die Bundesregierung die Meinung, daß ein immerhin 8,5 ha großes Gebiet, das für Wohnbebauung bzw. -nutzung in Frage kommt, sich hervorragend dafür eignen würde, die herrschende Wohnungsnot, nicht nur hervorgerufen durch DDR-Übersiedler und Aussiedler, sondern durch den generellen Wohnungsmangel, zu lindern? Zu Frage 42: Nach Artikel 48 Absatz 5 des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut sind die amerikanischen Streitkräfte verpflichtet, ihren Bedarf an überlassenen Liegenschaften laufend zu prüfen und solche Liegenschaften, die sie zur Erfüllung ihrer Verteidigungsaufgaben nicht mehr benötigen, an den Bund zurückzugeben. Die Bundesregierung hat derzeit keine Erkenntnisse, daß der Bedarf an der Reiterkaserne in Stuttgart entfallen ist. Sie hat jedoch veranlaßt, Behauptungen über eine verminderte Belegung nachzugehen. Ich bin gerne bereit, Sie über die dabei gewonnenen Erkenntnisse zu gegebener Zeit zu unterrichten. Zu Frage 43: Die Bauleitplanung und Ausweisung des Geländes für bestimmte Benutzungen obliegen der Gemeinde, zu deren Bezirk die Liegenschaft gehört. Der Regionalplan weist für die Reiterkaserne die Bezeichnung „Sondergebiet Militär" mit dem Klammerzusatz „Wohnen" aus. Da auch das angrenzende Gebiet derzeit Wohnbebauung aufweist, könnte nach einer Freigabe das Gelände voraussichtlich für Zwecke des Wohnungsbaus genutzt werden.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Karl-Heinz Hornhues


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Dr. Vogel, „später" , einverstanden, viel später;

    (Zuruf von der CDU/CSU: Viel, viel später!)

    wenn denn überhaupt, jedenfalls für Sie.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe mich darüber gewundert, daß Sie, Herr Dr. Vogel, nicht noch einen weiteren Satz hinzugefügt haben. Sie haben so viel, so intensiv, so umfassend begrüßt, daß ich mir schon notiert hatte: „Und jetzt begrüßt er, daß wir so eine prima Regierung haben, die so eine prima Politik macht. "

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Das haben Sie noch ausgelassen. Ich möchte es aber sicherheitshalber hinzufügen, damit es nicht vergessen wird. Ich halte es nämlich — dies im Ernst — für gut und richtig und auch wichtig, daß die Opposition, insbesondere die Hauptoppositionspartei, trotz aller Versuche, hier und da noch wenig Kritik zu üben, zu erkennen gibt — das haben Sie in Ihrer Rede getan —, daß die Politik, die diese Bundesregierung betreibt, daß die Politik, die mitten im Prozeß zur Einheit Deutschlands in Europa führen wird, eine gute, eine richtige, eine konsequente und eine sinnvolle Politik ist. Wenn Sie dies, wenn auch ein wenig verklausuliert und indirekt, zugestehen, schadet es nicht. Wir freuen uns darüber, daß auch Sie zu dieser Erkenntnis gekommen sind. Wir hatten sie schon länger, wie wir auch schon länger der Auffassung waren und Ihrer Aufforderung und Anregung gar nicht bedurften, daß,
    wenn es um Stasi und SED-Gelder geht, zweifelsohne einiges geprüft werden muß. Das war immer vorgesehen. Es bedurfte da nicht Ihrer Ergänzung.
    Lassen Sie mich, da schon so viel begrüßt worden ist, auch etwas anderes begrüßen, nämlich daß es unseren Freunden in der DDR gelungen ist, am vergangenen Sonntag bei den Kommunalwahlen trotz eines Trommelfeuers gegen sie und waschkörbeweise über sie ausgegossener Desinformation und Panikmache ihre Position zu behaupten. Ich möchte im Namen unserer Fraktion unseren Freunden in der DDR zu ihrem Wahlergebnis bei der Kommunalwahl unsere herzlichen Glückwünsche ausrichten.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Vogel [SPD]: Wie ist es mit der DSU?)

    Denn mit diesen ersten freien Kommunalwahlen hat nun endlich auch in den Städten und Gemeinden der DDR demokratische Mitbestimmung Einzug gehalten.
    Es wird wichtig sein — und ich appelliere an dieser Stelle an unsere Städte und Gemeinden — , den kommunalen Aufbau, diese neu gefundene Mitbestimmung und Demokratie in der DDR auf dieser Ebene durch eine Fülle von Partnerschaften zu unterstützen, zu helfen und dort zusammenzuarbeiten. Ich glaube, auf diese Weise wird einem notwendigen und wichtigen Anliegen von uns allen Rechnung getragen, auch die Trennung, die 40 Jahre geschmerzt hat, zu überwinden und diejenigen, die nie die Chance hatten, den anderen, die anderen kennenzulernen, einander näherzubringen.
    Wir stehen zur Zeit mitten im Prozeß hin zur deutschen Einheit. Mit der Einführung der Währungsunion sowie der Wirtschafts- und Sozialgemeinschaft zum 2. Juli wird dafür ein Eckstein gesetzt.
    Wir gehen davon aus, daß es in den nächsten Tagen gelingen wird, die Verhandlungen über den Staatsvertrag endgültig abzuschließen.
    Mit der Bildung des Bundestagsausschusses „Deutsche Einheit" , die wir ja heute beschließen werden und der sich morgen konstituieren wird, trägt der Bundestag dieser Entwicklung Rechnung.
    Gestatten Sie mir, daß ich in diesem Zusammenhang unseren Parlamentarischen Geschäftsführern herzlich danke — denen wir ja selten gedankt, und ich danke jetzt sogar denen aller Fraktionen — , daß sie vor langer Zeit in unergründlicher Weisheit schon festgelegt haben, daß zwei Wochen nach Pfingsten sitzungsfrei sind, so daß wir hinreichend Zeit haben werden, in diesen beiden sitzungsfreien Wochen die Ausschußberatungen mit der notwendigen Dringlichkeit und der gebotenen Sorgfalt zu führen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, Kollegen und Kolleginnen, Parlamentarischen Geschäftsführer, ich habe nie gewußt, daß Sie so weitreichend denken können, als Sie im vorigen Jahr schon weit vor dem Termin diese Zeit vorgesehen hatten.
    Wir sind daran interessiert und dazu entschlossen, dann, wenn die Verhandlungen und Gespräche abgeschlossen sind, uns der Staatsvertrag vorliegt und uns das Ratifizierungsgesetz zugeleitet ist, unsere parlamentarischen Beratungen so zu führen, daß es mög-



    Dr. Hornhues
    lieh wird — und es wird möglich werden — , das Ziel 1. Juli zu erreichen.
    Ich gehe davon aus, daß alle Kolleginnen und Kollegen in diesem Haus daran interessiert sind und es genauso sehen. Denn nichts wäre verhängnisvoller, als ließe man über den Deutschen von Sachsen bis Mecklenburg weiterhin das Damoklesschwert von Ungewißheit schweben. Dies wäre unverantwortbar.
    Im Zusammenhang mit dem Staatsvertrag sind in den letzten Wochen bis in die jüngsten Wahlkämpfe hinein immer wieder auch bei uns Versuche gemacht worden, Panik zu verbreiten, Angst zu schüren und aus der Kompliziertheit der Materie parteipolitischen Nutzen zu ziehen, Ich freue mich, sehr geehrter Herr Dr. Vogel, daß Sie heute morgen — erstmals, glaube ich — darauf verzichtet haben, für Ihre Fraktion dort einzusteigen. Vielleicht hat das Wahlergebnis in der DDR eben doch deutlich gemacht, daß es keinen Sinn macht, auf der einen Seite Sorgen zu schüren, die auf der anderen Seite dann konterkariert werden, indem man die Sorgen hier wiederum schürt. Ich hoffe, daß in den letzten Stunden des Wahlkampfes in Niedersachsen dies auch Ihr Freund Schröder einsieht angesichts der Tatsache,

    (Dr. Vogel [SPD]: Peinlich, peinlich!)

    daß da Ihre große Kampagne über den Wahlbetrug, der bei uns groß plakatiert worden ist, ja längst in sich zusammengebrochen ist. Ich hoffe, daß es dabei bleiben kann, daß wir unsere Verantwortung insoweit tragen, die wir haben, nämlich bei der Kompliziertheit der Situation den Menschen Sicherheit für die Zukunft und nicht Angst vor der Zukunft zu geben. Dies sollte für uns alle Verpflichtung sein.
    Meine sehr geehrten Damen und Herren, in den letzten Tagen war eines der beliebtesten Themen — lassen Sie mich auch dazu einige Anmerkungen machen — die Frage, ob man denn, wann man denn, wie man denn, was man denn eigentlich wählt. Ich darf vielleicht darauf hinweisen, daß wir in einer Situation stehen, die zum einen — auf den anderen Aspekt komme ich später — dadurch gekennzeichnet ist, daß wir die deutsche Einheit mit dem wichtigen Schritt der Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion angehen. In der Präambel dieses Staatsvertrages ist vermerkt, daß die Vertragsschließenden die Absicht haben und diesen Staatsvertrag so sehen, die Einheit Deutschlands nach Art. 23 GG herbeizuführen. Den Beitrittsbeschluß faßt die DDR-Volkskammer. Die Initiative wird von dort ausgehen.
    Soweit ich informiert bin — ich hoffe, wir haben den gleichen Informationsstand — , ist dieser Beschluß noch nicht gefaßt. Deshalb sind alle Spekulationen nicht nur wenig hilfreich, sondern ein wenig unfair gegenüber den Menschen in der DDR.

    (Voigt [Frankfurt] [SPD]: Das soll eine Mahnung an Ihre Parteifreunde sein!)

    Meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist unfair, in einer solchen Situation darüber zu spekulieren. Für uns ist klar: Am 2. Dezember finden Bundestagswahlen statt. Das ist die Geschäftslage. Alles andere ist unfair gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern
    und den Kolleginnen und Kollegen in der DDR, die ihr dezidiertes Recht auf Mitgestaltung haben.
    Meine sehr geehrten Damen und Herren, mit den Gesprächen der Außenministerkonferenz „Zwei plus Vier" am 5. Mai trat der zweite Aspekt, nämlich die äußere Gestaltung des deutschen Einheitsprozesses, in den Mittelpunkt auch des öffentlichen Interesses bei uns. Ich bin der Auffassung, daß diese erste Runde in Bonn für uns von großer Bedeutung und Wichtigkeit war. Das Bemerkenswerteste war, daß alle Beteiligten keinen Zweifel daran gelassen haben, daß sie die deutsche Einheit wollen und uns niemand an ihrer Erlangung zu hindern gedenkt.
    In der Abschlußerklärung der Zwei-plus-Vier-Konferenz — der Außenminister hat dies eben schon zitiert, ich will es wiederholen — ist erklärt worden:
    Der Wille der Deutschen, ihre Vereinigung ordnungsgemäß und ohne Verzögerung zu vollziehen, wurde von allen Teilnehmern anerkannt. Die Einheit Deutschlands soll zu einem Gewinn für alle Staaten werden. Ziel der Gespräche ist es, eine abschließende völkerrechtliche Regelung, die Ablösung der Vier-Mächte-Rechte und -Verantwortlichkeiten zu erreichen.
    Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich halte dieses klare Bekenntnis auch zur Beschreibung des Ziels, das hier erreicht werden soll, für wichtig. Dazu hat es nun eine Reihe von Spekulationen über einen Halbsatz oder einen Satz des sowjetischen Außenministers Schewardnadse gegeben, daß die Lösungen der inneren und der äußeren Aspekte der deutschen Einigung nicht unbedingt zusammenfallen müssen.
    Meine sehr geehrten Damen und Herren, es sei mir gestattet, selber einmal einen Interpretationsversuch zu machen. Ich habe dies zunächst einmal, positiv interpretiert, so verstanden — das ist also eine Bewertung von mir —, daß die Sowjetunion manchen der von uns geäußerten Besorgnisse und Befürchtungen Rechnung trägt, die Sowjetunion könne den Zwei-
    plus-Vier-Prozeß dazu benutzen, eventuell den Prozeß der deutschen Einheit zu stoppen, zu verzögern oder wie immer Sie dies nennen wollen. Insoweit, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist dieser Halbsatz zweifelsohne zu begrüßen. Sollte — ich kann mir dies nicht vorstellen — mit diesem Halbsatz gemeint sein, daß es Ziel der sowjetischen Politik sei, den Prozeß der inneren und äußeren Sicherheit zu entkoppeln, dann wäre dies allerdings eine fatale Entwicklung. Ich glaube aber nicht, daß dies Ziel der sowjetischen Politik ist. Sollte sie es sein, dann muß deutlich unterstrichen werden: Unser Interesse war und ist, daß beide Prozesse gemeinsam geführt werden und daß wir die innere Einheit zugleich mindestens mit dem Gewinn der äußeren Einheit erreichen. Ziel der Gespräche muß die Ablösung der alliierten Vorbehalte und der Gewinn der vollen Souveränität für Deutschland, die wir verantwortlich nutzen wollen, sein.
    Der Außenminister hat eben erklärt, ein geeintes Deutschland dürfe nicht mit Fragen belastet werden, die dort noch Offenheiten zuließen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich glaube, daß es sinnvoll, richtig und notwendig sowie unser Ziel sein muß



    Dr. Hornhues
    — wir fordern die Bundesregierung auf, in diesem Sinne daran festzuhalten und darauf hinzuwirken —, daß mit dem Erreichen der deutschen Einheit auch die damit zusammenhängenden äußeren Fragen gelöst sind. Dies heißt für uns im Kern, daß wir auf den Weg, die Einheit über Art. 23 zu gewinnen, Mitglied der NATO sind und Mitglied der NATO bleiben möchten. Daß auch Sie in der SPD es nunmehr für sinnvoll halten, daß Deutschland in der NATO bleibt, begrüßen wir. Wir werden auch in der NATO bleiben.
    Auf den ersten Blick mag es so scheinen, als gäbe es unüberbrückbare Gegensätze. Wenn man aber die Entwicklungslinien, die sich anbahnen, durchzieht, wenn man die Diskussionen über neue Strukturen, Konzepte und Überlegungen in der NATO berücksichtigt — auch Überlegungen, wie sie etwa der Bundeskanzler zur Eröffnung der KSZE-Konferenz in Bonn ausgeführt hat, über KSZE-Strukturen und neue Strukturen im Zusammenhang mit Abrüstung — und wenn man das genau liest, was der sowjetische Außenminister in Bonn gesagt hat, dann sieht man, daß es kein klares, unkonditioniertes Njet zur NATO-Mitgliedschaft Deutschlands war, sondern er hat bereits die Punkte berührt, bei denen Kompromisse gefunden werden müssen.
    Für uns ist klar — ich glaube, es wird auch für die Sowjetunion akzeptabel sein können — , daß Gesamtdeutschland Teil der NATO ist, einer NATO, die sich weiterentwickeln wird, wie es der amerikanische Präsident formuliert hat. Er hat gesagt: Die NATO wird künftig der Eckstein einer neuen europäischen Sicherheitsstruktur sein, die die Sicherheitsinteressen aller, also auch der Sowjetunion, mit umfaßt.
    Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich habe diese Punkte kurz angesprochen, um deutlich zu machen — so mancher Zweifler meint, es sei alles nicht lösbar, es sei so schwierig, und es sei sinnvoll, zu verschieben und zuzuwarten — , daß ich die Probleme am Anfang der Verhandlungen von Zwei plus Vier für nicht gering halte. Aber ich halte die Probleme für lösbar. Ich habe nämlich den Eindruck, daß die Beteiligten entschlossen sind, die Fragen zu lösen. Nichts ist bei Verhandlungen wichtiger, als wenn man das Gefühl und die Gewißheit hat und haben kann, daß diejenigen, die dort zusammengekommen sind, die Probleme lösen wollen. Dies ist eine der Kernvoraussetzungen dafür, daß man auf Erfolg hoffen darf.
    Ich bin sicher, daß wir, getragen von dem Willen, die Probleme zu lösen, und zwar so, daß im Herbst Helsinki erreicht werden kann, Lösungen erreichen werden, die unsere Interessen berücksichtigen, wie ich sie angedeutet habe, die aber auch die Interessenlagen anderer einbeziehen.
    Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir stehen am Anfang von Verhandlungen. Bei manchen Diskussionen der letzten Tage hatte ich den Eindruck, daß Sie nicht mehr genau wußten, wo oben, unten, hinten und vorne sei. Am Anfang von Verhandlungen steht man in der Regel am Anfang, und das Ende von Verhandlungen ist in der Regel am Ende erreicht.

    (Dr. Vogel [SPD]: Goldene Worte! — Voigt [Frankfurt] [SPD]: Das ist ein Satz, dem sogar wir zustimmen können!)

    — Sehr gut, Herr Kollege Voigt. Ich hoffe, Sie werden mir auch zustimmen, wenn ich Ihnen sage: Deswegen ist es normal, daß am Anfang Ausgangspositionen bezogen werden

    (Voigt [Frankfurt] [SPD]: Das ist meist am Anfang so!)

    — ja, natürlich; aber ich habe den Eindruck, bei manchem, meine sehr geehrten Damen und Herren, war es gar nicht so ganz klar — , und daß am Ende dann eben das Ergebnis und der Kompromiß stehen.
    Ich bin sicher, daß am Ende

    (Voigt [Frankfurt] [SPD]: Das Ende stehen wird!)

    — nein, Herr Kollege Voigt — stehen wird, daß die äußeren Fragen der deutschen Einheit in dem Sinne gelöst sind, wie es hier schon angesprochen worden ist, als Fortschritt für uns, aber eben auch als Fortschritt in Europa. So haben auch die ganzen Verhandlungen und Gespräche beim Gipfel in Dublin deutlich gemacht, daß das, was immer unser Ziel war, nämlich die deutsche Einheit in Europa zu erreichen, erreicht wird und daß der Prozeß der deutschen Einheit,

    (Voigt [Frankfurt] [SPD]: Läuft!)

    meine sehr geehrten Damen und Herren, den Prozeß des schnelleren und intensiveren Zusammenfindens Europas nicht nur im Bereich der ökonomischen und der allgemein politischen, sondern auch der sicherheitspolitischen Fragen nach vorn bringt.
    Dies war immer unser Ziel, und wir freuen uns, daß dieses Ziel von anderen akzeptiert und unterstützt wird und daß manche Besorgnis, auch bei einigen unserer Freunde, die Deutschen könnten an Sonderwege denken, spätestens mit der Initiative von Helmut Kohl und François Mitterand, der EG-Integration neue Impulse zu geben, widerlegt worden ist und daß neues Vertrauen geschaffen worden ist.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir stehen mitten in einem uns alle bewegenden Prozeß. Wir sind froh, mit Helmut Kohl einen Bundeskanzler zu haben, der trotz mancher Wirrungen und Aufgeregtheiten das Steuer ruhig in der Hand behält.

    (Voigt [Frankfurt] [SPD]: Der auch mitten im Prozeß steht!)

    Wir, meine sehr geehrten Damen und Herren, werden tun, was wir können, um ihn in seinem Bemühen zu unterstützen, die Einheit Deutschlands in einem sich einenden Europa, so schnell es geht, zu erreichen.
    Herzlichen Dank.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Rede von Heinz Westphal
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Lippelt.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Helmut Lippelt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Da der Außenminister ebensogut für die Regierung spricht wie der Kanzler, brauche ich auf die Kontroverse, die in den letzten Tagen die große Schlagzeile gemacht hat, über Entkopplung oder nationale Souveränität hier nicht mehr weiter einzugehen. Die Situation ist auch zu ernst für



    Dr. Lippelt (Hannover)

    Europa, als daß wir an einem solchen Stil von Politik, wie er in dieser Kontroverse seinen Niederschlag fand, auch nur das geringste Interesse haben könnten.
    Was ist geschehen? Schewardnadse hat in der Tat einen überraschenden Vorschlag gemacht. Aus realpolitischer Einsicht, daß der Einigungsprozeß von der Sowjetunion nicht behindert werden kann und auch nicht soll, daß aber die Rahmenbedingungen, die hier die NATO durchsetzen will, für die Sowjetunion gar nicht verkraftbar sind, hat Schewardnadse die Entkopplung der inneren und äußeren Aspekte vorgeschlagen.
    Was die Sowjetunion nicht akzeptieren kann, was sie gewiß ihrer Bevölkerung und den vielen Menschen, die sich in all der wirtschaftlichen Misere wenigstens noch daran klammern, daß es ihre historische Leistung war, den Faschismus besiegt zu haben, nicht vermitteln kann, ist, daß die NATO, formiert gegen die Sowjetunion, nun unangetastet stehenbleiben soll und, wenn auch nicht militärisch in die DDR vorrükken, die DDR aber doch politisch aufnehmen soll. Eine siegreiche NATO, ein zerfallender Warschauer Pakt — welche Reformregierung könnte dies wohl überstehen?
    Statt nun aber über die innenpolitischen Gründe, die hinter dem Vorschlag von Schewardnadse stehen, nachzudenken, statt die Probleme der Sowjetunion in die eigene Politik einzubeziehen — was geschah? Die Partei, die immer beteuert hat, daß sie nicht mehr nationalistisch, sondern nur noch europäisch denkt, sie entdeckte plötzlich die Wonnen der Souveränität. Kratze am christdemokratischen Europäer, und heraus kommt der alte bornierte deutsche Nationalist! Denn natürlich hat der Außenminister recht gehabt, als er sagte, nachdem wir mehr als 40 Jahre in zwei Staaten mit eingeschränkter Souveränität gelebt hätten, sei es doch wahrhaftig keine Zumutung, so noch einige Jahre weiter in einem gemeinsamen Staat zu leben.
    Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, ein solcher Zustand des Weiterlebens in beschränkter Souveränität darf und muß so lange dauern, wie es nötig ist, um nicht nur eine deutsche Einigung zustande zu bringen, sondern um das europäische Haus zu bauen.
    Haben Sie von der CDU/CSU nicht immer gesagt, daß der deutsche Einigungsprozeß in den europäischen Prozeß eingebettet sein müsse? Das Problem ist nur leider: Welche Konzeption von Europa haben Sie jeweils im Kopf? — Etwa jenes Europa, dessen Politische Union der Kanzler jetzt in Dublin zusammen mit Mitterrand vorschlug und bei dem man nicht genau wußte, ob das nur eine Konzession an die Lieblingsidee des französischen Staatspräsidenten war, nachdem er soviel Verletzungen in den Anfangsstadien dieses Prozesses erlitten hatte?
    Wenn dann aber eine solche Union vorgeschlagen wird, ist das auch ein politisches Konzept, ein Konzept, das gerade weil es Vorstellungen der kleineren mittel- und osteuropäischen Staaten, die sich an KSZE und Europarat knüpfen, abschneidet, mehr zur Verwirrung Gesamteuropas als zu einer Rekonstruktion Europas beiträgt.
    Oder verbirgt sich da hinter einem Bild von Europa die Vorstellung, die dieser Tage besonders drastisch Vernon Walters formulierte: „Kern des europäischen Hauses ist die NATO-Mitgliedschaft?"
    Die NATO ist nicht Kern des europäischen Hauses; sie ist eine zerstörerische Zumutung an jede gesamteuropäische Vorstellung.

    (Beifall bei den GRÜNEN) An drei Punkten wird das deutlich.

    Erstens. Der absurde Gedanke, hier modernisierte nukleare Kurzstreckenraketen zu stationieren, wird zwar endlich aufgegeben, aber an der Ausrüstung der hier stationierten alliierten Luftwaffenverbände mit nuklearen Abstandswaffen wird um so stärker festgehalten. Deshalb fordern wir heute eine eindeutige Erklärung zu diesem Punkt. Wir haben deshalb unseren Entschließungsantrag eingebracht.
    Zweitens. Während der Außenminister den Verzicht auf ABC-Waffen für ein vereinigtes Deutschland postuliert, um so ein Minimum an Akzeptanz für eine weitere NATO-Mitgliedschaft zu erreichen, ruft von der Seitenlinie der NATO-Generalsekretär deutlich herein, eine Denuklearisierung Europas und auch der Bundesrepublik komme überhaupt nicht in Frage. Der spricht aber für die NATO, so wie unser Außenminister für unsere Außenpolitik.
    Drittens. Es gibt zwar viel Nachdenken über die Notwendigkeit — auch Sie, Herr Hornhues, haben darüber wieder nachgedacht — , daß sich die Rolle der NATO unter den sich dramatisch verändernden Verhältnissen wandeln müsse. Wir GRÜNEN zweifeln allerdings daran, daß aus einem Instrument militärischer Politik je ein Friedensinstrument werden kann. Die Funktion der NATO ist nach dem Zerfall des Warschauer Paktes obsolet geworden. Sie garantiert allerdings etwas sehr Wichtiges: Sie garantiert aus der Sicht der USA deren Anspruch auf Mitbestimmung und Mitgestaltung der europäischen Zukunft. Und diesen Anspruch erkennen wir ausdrücklich an. Nur, gerade daraus muß dann doch folgen, daß die schlechteste Form, diesen Anspruch zu befriedigen, die Aufrechterhaltung eines Militärbündnisses ist, während das andere zerfällt. Gerade deshalb muß darüber nachgedacht werden, auf welche Art und Weise dieser Anspruch gewahrt werden kann, auf welche Art und Weise auch Deutschland in ein Sicherheitssystem eingebunden werden kann, das entstehen muß, das aufgebaut werden muß, das nun aber unseres Erachtens aus der NATO nicht entstehen kann.
    Wer nicht in nationaler oder Blockborniertheit steckenbleibt, sondern die Überwindung der europäischen Spaltung will, kann Politik nicht darauf reduzieren, im Schewardnadse-Vorschlag nur ein Verhandlungspoker zu sehen, wie das in den letzten Tagen leider immer wieder zu lesen war. Es geht wahrhaftig um mehr. Es geht um eine sich dramatisch verschlechternde Lage in der Sowjetunion. Es geht darum, daß wir, sowenig wir die gerechtfertigten Ansprüche der USA auf Mitsprache in Europa bestreiten können, auch Osteuropa nicht mit einem nur westlich orien-



    Dr. Lippelt (Hannover)

    tierten Europa-Begriff den Rücken zuwenden können. Dazu sind wir zu tief in die Geschichte dieses Raumes verstrickt.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Die Probleme, die der Sowjetunion aus dem berechtigten Anspruch der baltischen Länder auf Unabhängigkeit jetzt erwachsen, gehen auf den Hitler-StalinPakt zurück. Die Entwicklung in der Sowjetunion, die uns solche Sorgen macht, hat viel damit zu tun, daß eine Gesellschaft in ihrer Befreiung vom Stalinismus dadurch behindert wurde, daß ein anderes totalitäres System — das faschistische Deutschland — sie zu einem Abwehrkampf zwang, der das Regime in einem solchen Maße militarisierte, daß die Selbstbefreiung der sowjetischen Gesellschaft mehr als 70 Jahre dauerte.
    Deshalb können und dürfen wir jetzt nicht in nationale Borniertheit verfallen und die große, demokratische Reformbewegung Osteuropas dadurch zerreißen, daß wir die Wohlstandsgrenze von der Elbe an die Oder verschieben. Die Kosten, die in Hunderten von Milliarden berechnet werden, erscheinen uns hier gerechtfertigt. Auf der anderen Seite aber stellt die Regierung nach zweijährigen Gesprächen und dem Durchbruch der deutsch-polnischen Beziehungen für Polen, das den schweren Weg der Transformierung des Wirtschaftssystems aus eigener Kraft gehen muß, gerade eben eine Viertelmilliarde Beteiligung an der Stabilisierungsanleihe zur Verfügung und sagt weiter zur Sowjetunion gewandt, sie sei ein so immenser Raum, sie habe so große Probleme; die müsse die Sowjetunion dann schon selbst lösen.
    Die Sowjetunion hat bekanntlich immer wieder den Wunsch nach einer Synchronisierung der jetzt notwendigen Entwicklungen vorgebracht. Sie spricht von einem Friedensvertrag, von einem Helsinki II, welches die Friedenskonferenz sein könnte. Sie hat von ihrem Konzept jetzt — zumindest am Samstag — den Punkt der abschließenden völkerrechtlichen Regelung aufrecht erhalten können. Kann man dies nicht als den Wunsch verstehen, dem notwendigen Rückzug aus Mitteleuropa die Perspektive zu geben, Frieden zu erreichen — Frieden, dessen die Sowjetunion zur friedlichen Lösung ihrer inneren Probleme auch bedarf.
    Aber nichts, meine Damen und Herren, fürchtet diese Bundesregierung — so wie der Teufel das Weihwasser — so sehr wie die Vokabeln Frieden und Friedensvertrag. Denn, so lautet das Argument, rühren wir um Himmelswillen nicht daran; was mögen da alles für Forderungen auf uns zukommen!
    Das Tragische ist, daß diese Regierung immer nur das Falsche aus der Geschichte lernt. Denn was ihr vor Augen steht, ist natürlich Versailles, sind die damaligen Reparationsforderungen. Das läßt offensichtlich bei niemandem die ruhige Überlegung zu, was bei einem Helsinki II als Friedenskonferenz überhaupt für Forderungen kommen könnten, und von wem. Von seiten der westeuropäischen Demokratien doch nun gewiß nicht! Ich kenne keine Stimme aus diesem Raume, die so etwas befürwortet. Und auch von Osteuropa ist dies nicht zu erwarten. Das hat ja die politisch so abenteuerliche Verbindung, die der Bundeskanzler vor einiger Zeit zwischen Oder-NeißeGrenze und erneutem Reparationsverzicht Polens schlug, gezeigt.
    Das einzige, wovon die Polen sprechen, ist eine Entschädigung der Zwangsarbeiter, was in ihren Augen keine Kriegsfolge, sondern Nazi-Unrecht war. Wir GRÜNEN haben hier oft genug vorgetragen, daß es bei diesem Punkt um eine symbolische Entschädigung geht, die alles in allem nicht mehr als zwei Milliarden DM kostet. Und haben nicht Sie, Herr Bundeskanzler, in Warschau die Prüfung dieser Frage versprochen? Was ist daraus geworden? Selbst wenn eine solche Regelung auch für im Gefolge des Nationalsozialismus verschleppte und erniedrigte Menschen aus der Sowjetunion gefunden würde: welch ein Schritt zu einer Versöhnung für einen Neubau Europas!
    Wichtig ist doch dieses: Die deutsche Vereinigung, eingebettet in die Wiedervereinigung Europas, kann nicht nur ein Vorgang des Machtpokers sein, kann nicht nach Bismarckschem Modell ablaufen. Sie kann nur wirklich gelingen, wenn man sie in ihrer ganzen historischen Tiefe und in ihrem moralischen Gewicht versteht. Das Element der damit verbundenen Aussöhnung zwischen den Völkern und Gesellschaften müssen wir hier einklagen. Eine schriftliche Fixierung einer europäischen Friedensordnung würde dem Vorgang der Vereinigung genau diese historische Tiefe geben. Eben dann müßten zusammenkommen: Grenzfragen, Sicherheitsfrage, Fragen der ökonomischen Kooperation, nicht nur von Westeuropa her organisiert, sondern so, wie es der polnische Außenminister Skubiszewski mit dem Vorschlag der Einrichtung eines Europäischen Ökonomischen Rates gedacht hat, oder, wie als Forderung von sowjetischer Seite zu hören, als Institutionalisierung auch der Diskussion über die europäische wirtschaftliche Kooperation.
    Hinzukommen muß der große Entwurf eines ÖkoMarshall-Plans für Osteuropa. Man sage nicht, wir könnten das nicht leisten. Der Wissenschaftliche Dienst dieses Hauses hat vor zwei Monaten eine Zusammenstellung über die jährlichen militärischen Ausgaben der Pakte vorgelegt. Er ist auf die schlimme Summe von 1 Billion DM gekommen: jährlich 650 Milliarden DM im Westen und 350 Milliarden DM im Osten. Da ist doch wohl Raum für eine Friedensdividende. Das Problem bei dem Schritt-für-SchrittHerangehen, wie es über die NATO läuft, ist doch gerade, daß eine solche Dividende verzehrt wird, weil man eben nur langsam vorangeht, weil man Verträge ablösen muß, weil man Konversion finanzieren muß. Genau dann kommt sie nicht. Wir brauchen einen großen dramatischen, mutigen Schritt.
    Die europäische Diplomatie früherer Jahrhunderte kannte den Unterschied zwischen dem Präliminarfrieden und dem Friedenskongreß. Oder wie Skubiszewski es jetzt bei seiner Forderung nach einem Grenzvertrag immer wieder betont hat: nicht peace treaty, wohl aber peace settlement. Wir sollten alles tun, um die Zwei-plus-Vier-Verhandlungen zur Vorbereitung eines europäischen peace settlements im Rahmen der KSZE-Konferenz zu nutzen; dies bedeutet nicht nur die Durchsetzung nationaler Interessen im Sinne nationaler Vereinigung, gegen die wir ja gar



    Dr. Lippelt (Hannover)

    nicht sind, sondern endlich die Vision, Frieden durch ein peace settlement zu schaffen, das auch Konzeptionen für die Sowjetunion enthält und bei dem wir vielleicht vermeiden, daß wir unseren Wohlstand gerade noch bis zur Oder hinübergeben, aber jenseits Europa im Chaos versinkt. Das geht nicht. Darum geht es und nicht um das überholte Konzept nationaler Souveränität, von dem wir aus dem Kreise der CDU-Fraktion in den letzten Tagen so unangenehm viel gehört haben.

    (Beifall bei den GRÜNEN)