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ID1120806200

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    Plenarprotokoll 11/208 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 208. Sitzung Bonn, Freitag, den 27. April 1990 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 16387 A Antrag des Abg. Wüppesahl (fraktionslos) nach § 126 der Geschäftsordnung . . . . 16387 C Tagesordnungspunkt 19: a) Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 29. September 1988 zwischen der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika, Regierungen von Mitgliedstaaten der Europäischen Weltraumorganisation, der Regierung Japans und der Regierung Kanadas über Zusammenarbeit bei Detailentwurf, Entwicklung, Betrieb und Nutzung der ständig bemannten zivilen Raumstation (Drucksachen 11/4576, 11/6858) b) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Übertragung von Verwaltungsaufgaben auf dem Gebiet der Raumfahrt (Raumfahrtaufgabenübertragungsgesetz) (Drucksachen 11/ 5994, 11/6859) Dr. Rüttgers CDU/CSU 16388 A Fischer (Homburg) SPD 16389 B Dr.-Ing. Laermann FDP 16391 A Dr. Briefs GRÜNE 16391 D Dr. Riesenhuber, Bundesminister BMFT 16392 D Vosen SPD 16393 B Zusatztagesordnungspunkt: Einspruch der Abgeordneten Frau Oesterle-Schwerin und Meneses Vogl gegen den am 26. April 1990 erfolgten Sitzungsausschluß 16394 B Tagesordnungspunkt 20: Wahl des Wehrbeauftragten Biehle CDU/CSU 16399 B Ergebnis 16399 B Tagesordnungspunkt 21: Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung: Bericht über den Stand der Verhandlungen mit der DDR in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 4: Beratung des Antrags der Fraktion der SPD: Vertrag über die polnische Westgrenze (Drucksache 11/6951) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 5: Beratung des Antrags der Fraktion der SPD: Mitwirkung von Bundestag und Bundesrat am Prozeß der deutschen Einigung (Drucksache 11/6952) Seiters, Bundesminister BK 16394 D Frau Dr. Däubler-Gmelin SPD 16399 C Bohl CDU/CSU 16403 B II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 208. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. April 1990 Frau Dr. Vollmer GRÜNE 16406 A Dr. Graf Lambsdorff FDP 16408 D Wüppesahl fraktionslos 16413 A Frau Matthäus-Maier SPD 16414 D Dr. Graf Lambsdorff FDP 16415 D Lintner CDU/CSU 16418B Häfner GRÜNE 16420 D Mischnick FDP 16421 D Dreßler SPD 16422 C Dr. Blüm, Bundesminister BMA 16425 A Dreßler SPD 16425 D Dr. Briefs GRÜNE 16427 B Frau Unruh fraktionslos 16428A Stobbe SPD 16428 D Vizepräsident Cronenberg 16420 C Zusatztagesordnungspunkt: Eidesleistung des Wehrbeauftragten Biehle, Wehrbeauftragter des Deutschen Bundestages 16431 A Zusatztagesordnungspunkt 6: Aktuelle Stunde betr. Haltung der Bundesregierung zu Menschenrechtsverletzungen in der Türkei und Ausnahmezustand in den kurdischen Provinzen Frau Beer GRÜNE 16431 C, 16435 A Vogel (Ennepetal) CDU/CSU 16432 B Dr. Glotz SPD 16432 D Dr. Hirsch FDP 16433 C Frau Luuk SPD 16434 D Nächste Sitzung 16435 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . .16437 * A Anlage 2 Einspruch gemäß § 39 der Geschäftsordnung der Abgeordneten Frau Oesterle-Schwerin und Meneses Vogl (GRÜNE) 16437 *B Anlage 3 Amtliche Mitteilungen 16437 * C Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 208. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. April 1990 16387 208. Sitzung Bonn, den 27. April 1990 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Bahr SPD 27. 04. 90 Frau Beck-Oberdorf GRÜNE 27. 04. 90 Büchner (Speyer) SPD 27. 04. 90 * Buschbom CDU/CSU 27. 04. 90 Frau Conrad SPD 27. 04. 90 Frau Frieß GRÜNE 27. 04. 90 Grünbeck FDP 27. 04. 90 Dr. Hauchler SPD 27. 04. 90 Jung (Düsseldorf) SPD 27. 04. 90 Kolb CDU/CSU 27. 04. 90 Koltzsch SPD 27. 04. 90 Leidinger SPD 27. 04. 90 Frau Limbach CDU/CSU 27. 04. 90 Petersen CDU/CSU 27. 04. 90 Rappe (Hildesheim) SPD 27. 04. 90 Reuschenbach SPD 27. 04. 90 Frau Schoppe GRÜNE 27. 04. 90 Schröer (Mülheim) SPD 27. 04. 90 Wiefelspütz SPD 27. 04. 90 Frau Wollny GRÜNE 27. 04. 90 Würtz SPD 27. 04. 90 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage 2 Einspruch gemäß § 39 der Geschäftsordnung der Abgeordneten Frau Oesterle-Schwerin und Meneses Vogl (GRÜNE) Hiermit erheben wir, Frau Oesterle-Schwerin, MdB, und German Meneses Vogl, MdB, Einspruch gegen den von Vizepräsident Stücklen in der 207. Sitzung am 26. April 1990 ausgesprochenen Ausschluß unserer Person gem. § 39 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages. Begründung Bei dem § 38 GO-BT handelt es sich um die schärfste Ordnungsmaßnahme, die ein amtierender Präsident während einer Sitzung des Bundestags anwenden kann. Ein Blick in die Kommentierung Ritzel/Bücker Nr. I zu Abs. 1 unter a) aufgeführten schweren und fortgesetzten Störungen der parlamentarischen Ordnung macht überdeutlich, daß das lediglich schweigende Enthüllen eines Transparentes im Bundestag eine solche Maßnahme nicht im mindesten rechtfertigt. Wir haben weder die „Amtshandlungen des amtierenden Präsidenten namentlich durch dauerndes Schreien" behindert oder den „Redner durch fortgesetzte Unterbrechungen seiner Rede" gestört, oder etwa „Tätlichkeiten", „grobe Beschimpfungen des Anlagen zum Stenographischen Bericht Präsidenten oder der Abgeordneten" oder „gegenüber Bundesorganen" von uns gegeben. Das Transparent, welches die Aufschrift „Ausländergesetz - Die Demokratie stirbt weiter" hatte, ist eine politische Meinungsäußerung, die auch in einer Rede hätte verwendet werden können und die keine Verletzung gem. § 38 unserer Geschäftsordnung darstellt. Schon das Grundgesetz verbrieft in Art. 5 Abs. 1 das Recht eines jeden Menschen auf die Verbreitung seiner Meinung in Wort, Schrift und Bild. Dies kann die Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages nicht beschneiden. Anlage 3 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 6. April 1990 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzustimmen bzw. einen Antrag gemäß Art. 77 Abs. 2 GG nicht zu stellen: Gesetz zur Änderung des Gesetzes über den Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern Viertes Gesetz zur Änderung des Arzneimittelgesetzes Erstes Gesetz zur Änderung des Heimgesetzes Erstes Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Errichtung von Rundfunkanstalten des Bundesrechts Drittes Gesetz zur Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes Gesetz zur Änderung des Unterhaltssicherungsgesetzes und anderer wehrrechtlicher Vorschriften Gesetz über Gebühren für die Benutzung von Bundesfernstraßen mit schweren Lastfahrzeugen Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht: Auswärtiger Ausschuß Drucksache 11/5950 Drucksache 11/6075 Ausschuß für Wirtschaft Drucksache 10/5860 Drucksache 11/555 Drucksachen 11/2677, 11/2678 Drucksache 11/3478 Drucksache 11/3917 Drucksache 11/4804 Drucksache 11/5786 Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen bzw. von einer Beratung abgesehen hat: Innenausschuß Drucksache 11/6423 Nr. 2.1 Ausschuß für Wirtschaft Drucksache 11/4019 Nr. 2.10 Der Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland hat mit Schreiben vom 5. April 1990 gemäß § 30 Abs. 4 des Bundesbahngesetzes vom 13. Dezember 1951 den Nachtrag zum Wirtschaftsplan der Deutschen Bundesbahn für das Geschäftsjahr 1989 mit der Bitte um Kenntnisnahme übersandt. Der Bundesminister für Verkehr hat den Nachtrag zum Wirtschaftsplan 1989 im Einvernehmen mit dem Bundesminister der Finanzen genehmigt. Die Unterlagen liegen im Parlamentsarchiv zur Einsichtnahme aus.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Gertrud Unruh


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (GRÜNE)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (GRÜNE)

    Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Volksvertreter und Volksvertreterinnen! Was Herr Minister Blüm so von sich gegeben hat, damit mag er selig sterben.

    (Pfeffermann [CDU/CSU]: Laßt mal leben!)

    — Damit kann er selig sterben, letztlich entscheiden nämlich Wähler und Wählerinnen, was mit dieser CDU wird. Die Bürger und Bürgerinnen in der DDR haben gesagt: Wir wollen die D-Mark! Wir wollen Wohlstand! Das ist auch deren Recht.
    In dem, was Graf Lambsdorff vorhin gesagt hat, hat auch er recht: Wir sind in einem Gesamtdeutschland doch wohl in der Lage, ein Land — die DDR — so wie Nordrhein-Westfalen zur Wirtschaftsblüte zu bringen, aber selbstverständlich! Dann aber haben Sie gesagt: Wir haben bewiesen, daß es möglich ist, aus den Trümmern heraus alles ganz schnell wieder aufzubauen usw. Nur, der Großteil der Menschen, der alten Menschen, die das vollbracht haben, haben nun keinen Anteil an diesem Wirtschaftswunder. Das ist der Punkt, wo ich Herrn Minister Blüm eigentlich bedaure, wo ich aber auch wieder sagen muß, Herr Kollege Dreßler: Wunderbar, was Sie hier vorgetragen haben!
    Ich bin mit Ihnen voll d'accord. Da brauche ich nicht nachzufassen. Aber daß Sie sich haben verleiten lassen, keine Lobby für die Pflichtversicherten in dieser Bundesrepublik Deutschland zu bleiben und den Rentendeal mit der CDU, der CSU und der FDP zu machen, das ist das große Versagen, ich möchte sagen: das geschichtliche Versagen dieser Sozialdemokraten. Ich weiß von vielen von Ihnen, daß Sie das heute bereuen. Die von der CDU/CSU und der FDP wissen sich daran hochzuranken. Aber Sie haben dann dadurch — letztlich als Mosaikstein — den Verlust in der DDR erlitten.
    Eines steht fest: Wir selbstbewußten Alten in der Bundesrepublik Deutschland haben uns genauso wie die selbstbewußten Alten in der DDR zusammengetan. Wir haben uns unter der Organisation Graue Panther oder Die Grauen organisiert. Und Sie werden schon merken: Auch zum Schutz unserer Kinder und Kindeskinder werden wir das eisern beibehalten. Der Wohlstand ist wunderbar, aber die soziale Umverteilung bei uns in eine Zwei-Drittel- und eine Ein-DrittelGesellschaft kann doch wohl nicht alles gewesen sein.
    Deshalb sage ich es an dieser Stelle wieder. Sie schwingen Ihre Wahl- oder sonstwelche Reden. Aber wir brauchen ein neues Regulativ, was den Aufbau dieses Gesamtdeutschlands überhaupt angeht. Es darf eben nicht wieder passieren, daß wir in eine Klassengesellschaft mit Berufsbeamtentum, mit hochbezahlten Ministern usw. ausarten, die für Ihre Altersversorgung überhaupt nichts zu bezahlen haben, und die Pflichtversicherten, die ständig bluten müssen, nach 45 Jahren mit einer Rente in Ruhestand gehen müssen, für die wir uns, da wir ja auch nichts zahlen, eigentlich in Grund und Boden schämen müssen.
    Sie hätten die große, neue soziale Ordnung bringen können, und vielleicht schaffen wir es ja auch noch. Warum schaffen wir kein Volksversicherungssystem, wo alle einzahlen müssen? Das war der große Ansatz der Sozialdemokraten, der in dieser Bundesrepublik Deutschland ja einmal gelaufen ist. Warum wird das alles nichtachtend besehen?
    Warum schaffen wir keine Mindestrente? Die Bürger und Bürgerinnen der DDR hatten sie. Aber Sie lassen 2,5 Millionen alte Menschen in dieser Bundesrepublik Deutschland mit Renten unter 900 DM leben — in einem Land, in dem die Mieten hochgeschossen sind, daß man nur fassungslos davorsteht. Deshalb kann die Rente in der DDR nicht stimmen, wenn übermorgen aus einer Miete von 70 Mark eine Miete von 250 Mark wird. Die Rentner der DDR fordern mit Recht: Der Teuerungsausgleich muß sofort aufgeschlagen werden, damit sich die Menschen dann Essen kaufen können, damit die Menschen ihre Heizung bezahlen können. Das sind doch die ganz primitiven Bedürfnisse eines menschlichen Lebens.
    Sie sagen, die Betriebe haben die Nichtsnutze oder die, die sonst eigentlich arbeitslos gewesen wären, bisher mitgeschleppt. Dazu kann ich nur feststellen: Ja, wir schleppen auch ein Berufsbeamtentum mit. Das bitte ich doch auch einmal zu bedenken. Ich habe nichts gegen die kleinen Beamten, aber die mittleren und die hohen und die politischen Beamten sind genau die Parasiten, die wir in diesem Staat nicht ertragen können.


Rede von Dieter-Julius Cronenberg
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat der Abgeordnete Stobbe.

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    Rede von Dietrich Stobbe


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Prozeß zur Sicherung der Freiheit in der DDR ist noch keineswegs abgeschlossen, und der Aufbau der Rechtsstaatlichkeit in der DDR beginnt gerade erst. Die DDR-Bürger, aber auch wir, stehen vor einer wirklich großen und bedeutenden Aufgabe. Diese Aufgabe, die Freiheit in der DDR dauerhaft zu sichern, ist mit dem Thema, über das wir hier heute reden, untrennbar verknüpft. Denn wir reden, wenn wir den Staatsvertragsentwurf diskutieren, über den Kern der inneren Einheit Deutschlands. Auch das ist für sich selbst genommen schon eine große und schwere Aufgabe. Es ist klar, daß beide Aufgaben in ihrer Verkoppelung Ängste und Sorgen, aber auch Hoffnung hervorrufen.
    Ich bin jemand, der glaubt, daß wir trotz aller Schwierigkeiten, die wir haben, niemals die Freude vergessen dürfen, welche die Gestaltung der Freiheit und Einheit für die Deutschen prinzipiell bedeutet.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)




    Stobbe
    Das macht es dennoch notwendig, meine Damen und Herren, sich über die Ängste und Sorgen und den Umgang damit etwas genauer zu verständigen, als das hier heute der Fall war.
    Herr Seiters hat aus meiner Sicht zu Recht darauf hingewiesen, daß es in Deutschland eine politische Kraft gibt, nämlich die PDS, die in geradezu zynischer Weise den Prozeß der Einigung, der jetzt auf uns zukommt, und die sozialen Fragen, die dabei aufgeworfen werden, in Verdrehung der geschichtlichen Wahrheit ausnutzt; denn sie ist für das, was in der DDR jetzt aufgearbeitet werden muß, verantwortlich.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der FDP)

    Ich will ja einräumen, daß die Verbissenheit, mit der Sozialdemokraten in der DDR und auch hier bei uns um die richtige Gewichtung der drei großen Themen untereinander — Währungsunion, Wirtschaftsgemeinschaft, Sozialgemeinschaft — kämpfen, von politischen Gegnern ausgenutzt werden kann, als sei die Sozialdemokratie in bezug auf das Ziel selbst zögerlich. Das sind wir nicht. Ich glaube, das ist auch in der heutigen Debatte klargeworden. Wir haben eigentlich als erste zur Währungsunion ja gesagt. Wir haben gesagt, daß man eine Währungsunion in der Tat nicht durchführen kann, wenn das große Gebiet des Wirtschafts- und Sozialrechts in der DDR nicht entsprechend verändert wird. Diesem Grundgedanken verschließen wir uns in keiner Weise.
    Wenden möchten wir und gegen ein gewisses selbstgerechtes Pathos und eine gewisse satte Überheblichkeit, die häufig genug die Debatte in den vergangenen Wochen zu diesem Thema dominiert haben. Da wurde ein meines Erachtens unangemessenes Überlegenheitsdenken geradezu demonstriert. Welch verheerende Folgen das bei den jungen demokratischen Kräften in der DDR anrichten kann, das sollten wir auch nicht übersehen.

    (Beifall bei der SPD)

    Ein Wort zu der Art und Weise, wie die Verhandlungen in den nächsten 14 Tagen oder drei Wochen geführt werden. Ich sehe das so: Der Gedanke der Einheit fordert von beiden deutschen Regierungen, die gesamtdeutsche Verantwortbarkeit für das, was beschlossen wird, höherzustellen als Einzelinteressen der beiden deutschen Staaten. Das wirkt nach beiden Seiten, meine Damen und Herren. Es ist klar: Die Bundesrepublik ist, was das Materielle angeht, in der Position des Gebers. Aber auch sie darf selbstverständlich nicht überfordert werden. Das setzt Grenzen für das, was verlangt wird.

    (Dr. Weng [Gerlingen] [FDP]: Sehr richtig!)

    Aber auch umgekehrt wird ein Schuh daraus. Es wäre nicht richtig, wenn wir den Deutschen den Eindruck erweckten, als gäbe es die Einheit kostenlos. Bei der Finanzdebatte ist ja deutlich geworden, wie unklar hierbei noch die Vorstellungen der Bundesregierung sind. Wir stehen auch in der Verpflichtung, den Deutschen in der Bundesrepublik zu sagen, daß die Menschen in der DDR einen historischen Anspruch darauf haben, daß ihnen von uns anständig geholfen wird. Das ist durch die Demokratiebewegung, nicht nur durch die 40 Jahre, noch einmal verstärkt worden. Es kommt also auf einen fairen Interessenausgleich an.
    Ich fand es gut, Herr Seiters, daß Sie gestern nach Ihrer Besprechung in Ost-Berlin gesagt haben: Der Entwurf, der jetzt vorliegt, ist noch nicht das Endprodukt. Das läßt auf echte Verhandlungen schließen.

    (Scharrenbroich [CDU/CSU]: Das haben wir immer gesagt, nicht erst gestern!)

    Ich hoffe, daß die Argumente der Sozialdemokratie, die in dieser Debatte genannt worden sind und auch weiterhin genannt werden, Eingang finden. Ich hoffe auch, daß sich das, was in der Koalitionsvereinbarung in der DDR steht und durch eine Sozialdemokratie, die den Weg zur deutschen Einheit mittragen will, wesentlich mitgeprägt ist, in positiven Veränderungen gegenüber dem Entwurf, wie wir ihn jetzt haben, niederschlägt.

    (Beifall bei der SPD)

    Dann möchte ich gerne etwas zu Frau Vollmer und zur Debatte über Souveränitätsverluste der DDR sagen. Ich finde, es gibt einen Unterschied zwischen Souveränität und Identität. Für mich wäre es ein Widerspruch, die Einheit zu wollen und gleichzeitig die Souveränität der DDR bewahren zu wollen. Das geht nicht. Wenn man die Währungsunion will, dann muß die DDR ihre Verfügungsgewalt über den gesamten Bereich der Währung, der Finanzen und der finanzpolitischen Maßnahmen aufgeben. Das ist dann der Weg zur Einheit. Die politische Frage ist, in welcher Weise das dann ebenfalls für das neuzuschaffende Recht auf dem Gebiet der Wirtschaft und im Sozialbereich gilt.
    Ich finde, da gibt es in dem Vertrag einen richtigen Ansatz: Das Recht, das in der DDR neu entstehen muß, muß im Prinzip grundgesetznahe sein. Es muß nicht in jedem Punkt identisch sein, kann es auch nicht wegen der unterschiedlichen Lebensverhältnisse. Aber es muß sich auf das Grundgesetz hinbewegen, das schließlich über Artikel 23 in Anspruch genommen werden soll; das wollen die Menschen in der DDR. Wenn das geschieht, dann bedeutet das, daß das Recht, das dort entsteht, sich dem angleichen wird, das wir haben.
    Meine Damen und Herren, das ist die Souveränitätsfrage. Die Identität der DDR aber, welche aus der erkämpften Demokratie erwächst, muß in der Einheit bewahrt und für die zukünftige deutsche Gesellschaft in eine Verstärkung ihrer freiheitlichen und liberalen Grundlagen einmünden. Das ist entscheidend. Wir dürfen den Deutschen in der DDR nicht das Gefühl geben, daß jetzt der Überstülp-Vorgang kommt, sondern daß, wie Herr de Maizière es gesagt hat — aus der Demokratiebewegung der DDR eine Kraft entsteht, die zu einer Verstärkung der freiheitlichen Tendenzen in unserer deutschen Gesellschaft und im zukünftigen Einheitsstaat führt.

    (Beifall bei der SPD)

    Noch ein Satz mit Bezug auf die Verhandlungen und ausdrücklich an Herrn Seiters gerichtet: Die Art und Weise, wie die deutschen Regierungen in den anstehenden Verhandlungen miteinander umgehen, wird auch das Maß des Vertrauens bestimmen, wel-



    Stobbe
    I ches andere Regierungen in Europa dem deutschen Einigungsprozeß entgegenbringen.

    (Beifall bei der SPD)

    Ich finde, das ist ein wichtiger Gedanke. Er schließt aus, daß in — wie hier heute fälschlicherweise, wie ich meine, gesagt wurde — Diktatkategorien gedacht wird. Es geht vielmehr um echte Partnerschaft, denn diese Partnerschaft ist in Zukunft von Deutschland nach West und Ost gefordert. Wir müssen beim Kern der deutschen Einigung unter uns selbst beweisen, daß wir zu dieser Partnerschaft wirklich fähig sind. Das wird ein wichtiger Punkt zur EG hin sein, aber das ist genauso wichtig — darauf will ich hier ausdrücklich hinweisen, weil das heute noch nicht gesagt worden ist — nach Osteuropa hin. Die jungen Demokratien dort dürfen nicht den Eindruck bekommen, daß unser Kampf um die Ausgestaltung der inneren Einheit mit einem derart egoistischen — sage ich jetzt mal — Blick auf deutsche Belange geführt wird, daß das Wohlstandsgefälle sozusagen von der Elbe an die Oder verschoben wird, und die anderen von dem Prozeß ausgeschlossen bleiben.

    (Beifall bei der SPD)

    Das ist ein ganz wichtiger Punkt. Ich kann die Regierung nur dazu auffordern, das immer wieder deutlich zu machen.
    Nun noch ein anderer Gedanke. Sicherlich ist die Diskussion über die Chancen und die Risiken der finanzpolitischen, wirtschaftlichen und sozialen Gegebenheiten nach dem Staatsvertrag der Kern der Sache. Aber mir geht es um ein anderes Problem, worüber ich mir Sorgen mache, und das will ich hier aussprechen: Ich glaube, daß die eigentlichen Probleme des Staatsvertrages erst beginnen werden, wenn er unterschrieben ist. Die Probleme liegen in der administrativen und rechtsstaatlichen Ausgestaltung der Leitsätze, wie sie im Staatsvertrag stehen und hoffentlich in einigen Punkten noch durch die DDR verändert werden. Es kann zu einer Art Gesetzgebungsstau in der Volkskammer kommen. Es kann zu einer mangelhaften verwaltungstechnischen Durchführung dieser Gesetze, die die Volkskammer beschließen muß, kommen. Die DDR könnte in große Schwierigkeiten geraten, eine rechtsstaatliche Verwaltung aufzubauen für alles das, was neu gemacht werden muß.
    Ich möchte deshalb der Bundesregierung hier schon sagen: Wenn der Staatsvertrag eines Tages unterschrieben ist, dann können Sie die Hände nicht in den Schoß legen. Dann fängt die ganze Arbeit eigentlich erst an. Wir müssen der DDR beim Aufbau eines rechtsstaatlichen Systems helfen, das dann mit dem Neuen auch wirklich fertig wird, und zwar so fertig wird, daß die Menschen die deutsche Einheit als etwas Positives erleben und nicht als etwas Bedrückendes.

    (Gerster [Mainz] [CDU/CSU]: Vielen Dank, daß Sie uns daran erinnern!)

    — Das muß ich nach diesem Zwischenruf hinzufügen: Der Entwurf des Staatsvertrags ist in dieser Frage äußerst unbefriedigend, weil die Abfolge der Entscheidungen, die in der DDR zu treffen sind, zwar enumeriert ist, aber nichts darüber darin steht, wer wem
    dann in der DDR konkret dabei helfen soll, beispielsweise die Länder beim Aufbau bestimmter Verwaltungssysteme. Ich weise darauf hin, daß das ein großes Problem wird.

    (Scharrenbroich [CDU/CSU]: Wir kennen den Vertrag gar nicht!)

    Ich komme zum Schluß. Die Verantwortung der Sozialdemokratie gegenüber diesem Vertrag zeigt sich in dem Dringen auf eine soziale Ausgestaltung der deutschen Einheit und das Durchsetzen der Freiheitsrechte gegen die immer noch vorhandenen Strukturen des SED-Staates. Sie zeigt sich letztlich auch in einer Bejahung der sozialen Marktwirtschaft, wenn bestimmte Konditionen erfüllt sind, in der Einführung unserer Währung in der DDR und natürlich in der Bejahung einer vernünftigen Sozialordnung in der DDR.
    Aber unsere Zustimmung kann kein Automatismus sein. Ich verweise auf die harten Verhandlungen über die Koalitionsvereinbarungen in der DDR. Sie haben schon gezeigt, daß Sozialdemokraten mittragen wollen, aber dann auch wollen, daß Wesentliches von dem, was sie sagen, sich in den Beschlußpapieren wiederfindet.
    Natürlich wäre ein Konsens in der Frage des Staatsvertrags aus gesamtdeutscher Verantwortung heraus wünschenswert. Er ist allerdings nur dann zu erreichen, wenn die Argumente der Sozialdemokratie dort in der DDR wie hier in Bonn ausreichend Berücksichtigung finden.
    Deshalb wäre es das wichtigste Ergebnis dieser Debatte, wenn die Bundesregierung von einer Fortsetzung des Alleingangs, wie sie ihn in den letzten Wochen praktiziert hat, Abstand nähme.

    (Bohl [CDU/CSU]: Das ist doch Unsinn! Aber, aber, Herr Stobbe!)

    — Sie hat das getan. Es gab keine parlamentarische Begleitung der gesamten Prozesse.

    (Bohl [CDU/CSU]: Hören Sie doch auf!) Sie muß jetzt kommen.


    (Beifall bei der SPD)

    Ich kann vor einer Fortsetzung des Alleingang-Denkens nur warnen.

    (Beifall bei der SPD)