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ID1120804500

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    Plenarprotokoll 11/208 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 208. Sitzung Bonn, Freitag, den 27. April 1990 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 16387 A Antrag des Abg. Wüppesahl (fraktionslos) nach § 126 der Geschäftsordnung . . . . 16387 C Tagesordnungspunkt 19: a) Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 29. September 1988 zwischen der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika, Regierungen von Mitgliedstaaten der Europäischen Weltraumorganisation, der Regierung Japans und der Regierung Kanadas über Zusammenarbeit bei Detailentwurf, Entwicklung, Betrieb und Nutzung der ständig bemannten zivilen Raumstation (Drucksachen 11/4576, 11/6858) b) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Übertragung von Verwaltungsaufgaben auf dem Gebiet der Raumfahrt (Raumfahrtaufgabenübertragungsgesetz) (Drucksachen 11/ 5994, 11/6859) Dr. Rüttgers CDU/CSU 16388 A Fischer (Homburg) SPD 16389 B Dr.-Ing. Laermann FDP 16391 A Dr. Briefs GRÜNE 16391 D Dr. Riesenhuber, Bundesminister BMFT 16392 D Vosen SPD 16393 B Zusatztagesordnungspunkt: Einspruch der Abgeordneten Frau Oesterle-Schwerin und Meneses Vogl gegen den am 26. April 1990 erfolgten Sitzungsausschluß 16394 B Tagesordnungspunkt 20: Wahl des Wehrbeauftragten Biehle CDU/CSU 16399 B Ergebnis 16399 B Tagesordnungspunkt 21: Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung: Bericht über den Stand der Verhandlungen mit der DDR in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 4: Beratung des Antrags der Fraktion der SPD: Vertrag über die polnische Westgrenze (Drucksache 11/6951) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 5: Beratung des Antrags der Fraktion der SPD: Mitwirkung von Bundestag und Bundesrat am Prozeß der deutschen Einigung (Drucksache 11/6952) Seiters, Bundesminister BK 16394 D Frau Dr. Däubler-Gmelin SPD 16399 C Bohl CDU/CSU 16403 B II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 208. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. April 1990 Frau Dr. Vollmer GRÜNE 16406 A Dr. Graf Lambsdorff FDP 16408 D Wüppesahl fraktionslos 16413 A Frau Matthäus-Maier SPD 16414 D Dr. Graf Lambsdorff FDP 16415 D Lintner CDU/CSU 16418B Häfner GRÜNE 16420 D Mischnick FDP 16421 D Dreßler SPD 16422 C Dr. Blüm, Bundesminister BMA 16425 A Dreßler SPD 16425 D Dr. Briefs GRÜNE 16427 B Frau Unruh fraktionslos 16428A Stobbe SPD 16428 D Vizepräsident Cronenberg 16420 C Zusatztagesordnungspunkt: Eidesleistung des Wehrbeauftragten Biehle, Wehrbeauftragter des Deutschen Bundestages 16431 A Zusatztagesordnungspunkt 6: Aktuelle Stunde betr. Haltung der Bundesregierung zu Menschenrechtsverletzungen in der Türkei und Ausnahmezustand in den kurdischen Provinzen Frau Beer GRÜNE 16431 C, 16435 A Vogel (Ennepetal) CDU/CSU 16432 B Dr. Glotz SPD 16432 D Dr. Hirsch FDP 16433 C Frau Luuk SPD 16434 D Nächste Sitzung 16435 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . .16437 * A Anlage 2 Einspruch gemäß § 39 der Geschäftsordnung der Abgeordneten Frau Oesterle-Schwerin und Meneses Vogl (GRÜNE) 16437 *B Anlage 3 Amtliche Mitteilungen 16437 * C Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 208. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. April 1990 16387 208. Sitzung Bonn, den 27. April 1990 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Bahr SPD 27. 04. 90 Frau Beck-Oberdorf GRÜNE 27. 04. 90 Büchner (Speyer) SPD 27. 04. 90 * Buschbom CDU/CSU 27. 04. 90 Frau Conrad SPD 27. 04. 90 Frau Frieß GRÜNE 27. 04. 90 Grünbeck FDP 27. 04. 90 Dr. Hauchler SPD 27. 04. 90 Jung (Düsseldorf) SPD 27. 04. 90 Kolb CDU/CSU 27. 04. 90 Koltzsch SPD 27. 04. 90 Leidinger SPD 27. 04. 90 Frau Limbach CDU/CSU 27. 04. 90 Petersen CDU/CSU 27. 04. 90 Rappe (Hildesheim) SPD 27. 04. 90 Reuschenbach SPD 27. 04. 90 Frau Schoppe GRÜNE 27. 04. 90 Schröer (Mülheim) SPD 27. 04. 90 Wiefelspütz SPD 27. 04. 90 Frau Wollny GRÜNE 27. 04. 90 Würtz SPD 27. 04. 90 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage 2 Einspruch gemäß § 39 der Geschäftsordnung der Abgeordneten Frau Oesterle-Schwerin und Meneses Vogl (GRÜNE) Hiermit erheben wir, Frau Oesterle-Schwerin, MdB, und German Meneses Vogl, MdB, Einspruch gegen den von Vizepräsident Stücklen in der 207. Sitzung am 26. April 1990 ausgesprochenen Ausschluß unserer Person gem. § 39 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages. Begründung Bei dem § 38 GO-BT handelt es sich um die schärfste Ordnungsmaßnahme, die ein amtierender Präsident während einer Sitzung des Bundestags anwenden kann. Ein Blick in die Kommentierung Ritzel/Bücker Nr. I zu Abs. 1 unter a) aufgeführten schweren und fortgesetzten Störungen der parlamentarischen Ordnung macht überdeutlich, daß das lediglich schweigende Enthüllen eines Transparentes im Bundestag eine solche Maßnahme nicht im mindesten rechtfertigt. Wir haben weder die „Amtshandlungen des amtierenden Präsidenten namentlich durch dauerndes Schreien" behindert oder den „Redner durch fortgesetzte Unterbrechungen seiner Rede" gestört, oder etwa „Tätlichkeiten", „grobe Beschimpfungen des Anlagen zum Stenographischen Bericht Präsidenten oder der Abgeordneten" oder „gegenüber Bundesorganen" von uns gegeben. Das Transparent, welches die Aufschrift „Ausländergesetz - Die Demokratie stirbt weiter" hatte, ist eine politische Meinungsäußerung, die auch in einer Rede hätte verwendet werden können und die keine Verletzung gem. § 38 unserer Geschäftsordnung darstellt. Schon das Grundgesetz verbrieft in Art. 5 Abs. 1 das Recht eines jeden Menschen auf die Verbreitung seiner Meinung in Wort, Schrift und Bild. Dies kann die Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages nicht beschneiden. Anlage 3 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 6. April 1990 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzustimmen bzw. einen Antrag gemäß Art. 77 Abs. 2 GG nicht zu stellen: Gesetz zur Änderung des Gesetzes über den Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern Viertes Gesetz zur Änderung des Arzneimittelgesetzes Erstes Gesetz zur Änderung des Heimgesetzes Erstes Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Errichtung von Rundfunkanstalten des Bundesrechts Drittes Gesetz zur Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes Gesetz zur Änderung des Unterhaltssicherungsgesetzes und anderer wehrrechtlicher Vorschriften Gesetz über Gebühren für die Benutzung von Bundesfernstraßen mit schweren Lastfahrzeugen Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht: Auswärtiger Ausschuß Drucksache 11/5950 Drucksache 11/6075 Ausschuß für Wirtschaft Drucksache 10/5860 Drucksache 11/555 Drucksachen 11/2677, 11/2678 Drucksache 11/3478 Drucksache 11/3917 Drucksache 11/4804 Drucksache 11/5786 Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen bzw. von einer Beratung abgesehen hat: Innenausschuß Drucksache 11/6423 Nr. 2.1 Ausschuß für Wirtschaft Drucksache 11/4019 Nr. 2.10 Der Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland hat mit Schreiben vom 5. April 1990 gemäß § 30 Abs. 4 des Bundesbahngesetzes vom 13. Dezember 1951 den Nachtrag zum Wirtschaftsplan der Deutschen Bundesbahn für das Geschäftsjahr 1989 mit der Bitte um Kenntnisnahme übersandt. Der Bundesminister für Verkehr hat den Nachtrag zum Wirtschaftsplan 1989 im Einvernehmen mit dem Bundesminister der Finanzen genehmigt. Die Unterlagen liegen im Parlamentsarchiv zur Einsichtnahme aus.
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    Rede von Gerald Häfner


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Nicht Parteien, nicht Regierungen waren es, die die demokratische Revolution in der DDR und in den Ländern Mittel- und Osteuropas erkämpft haben. Es waren der Mut und die Kraft der Menschen, der einzelnen, der Basisinitiativen, der Bürgerbewegungen, des Volkes selbst, die das alte Denken, den vormundschaftlichen Staat und die totalitäre Herrschaft in die Knie gezwungen haben. Eine Revolution von unten hat das geschafft, nicht Politiker, nicht Beamte und nicht Juristen — das sage ich gerade als Rechtspolitiker auch mit einer gewissen Beschämung —, die gerade am allerwenigsten.
    Doch die Menschen haben diesen vormundschaftlichen Staat bestimmt nicht abgeschafft, um einen neuen Vormund zu erhalten. Schon im Wahlkampf erlebte die DDR eine ziemlich unerträgliche Invasion westdeutscher Parteien, verbunden mit all dem, was die Bürger bei den Wahlkämpfen hier ebenfalls nur noch mit Widerwillen über sich ergehen lassen. Das alles aber war noch nichts im Verhältnis zu dem, was jetzt passiert.
    Da bekommt die neu gewählte Volkskammer der DDR, noch bevor sie überhaupt richtig arbeiten kann, von der Bundesregierung bereits ihre Kapitulationsurkunde aufgedrückt. Geht es nach der Bundesregierung, kommt den Parlamenten in beiden deutschen Staaten überhaupt nur noch eine Statistenrolle zu. Der Kanzler — barock auch hier — betrachtet Parlamentarismus und Demokratie offenbar als eine zu ver-



    Häfner
    nachlässigende Größe, als eine Einrichtung, mit der man nach Belieben umspringen kann.

    (Dr. Langer [CDU/CSU]: Wie kommen Sie denn auf diese Idee?)

    Monatelang hat die Bundesregierung das Parlament nicht oder — wie heute — absolut ungenügend informiert und ihre Politik gänzlich an der Volksvertretung vorbei betrieben. Dabei geht es nicht um Kleinigkeiten, sondern es geht um die wichtigsten und tiefgreifensten Weichenstellungen in der Geschichte unseres Landes.
    Es ist nicht nur eine Frage der Selbstachtung, sondern auf seines eigenen demokratischen Auftrags und seiner Verantwortung vor den Betroffenen, vor den Wählerinnen und Wählern, daß sich das Parlament eine solche Behandlung nicht gefallen läßt. Denn es ist im demokratischen Staat nicht Zuschauer, nicht Claqueur, nicht nachgeschaltetes Notariat der Regierung, sondern es ist — oder sollte sein — die erste Gewalt im Staat. Das Parlament wird deshalb diesen Staatsvertrag sehr gründlich und mit ausreichender Zeit in seinen Fachausschüssen — und nicht nur in dem in Rede stehenden Vereinigungsausschuß! — beraten.
    Zu diesem Staatsvertrag darf man, so wie er vorliegt, nicht ja sagen. Es ist ein Knebelungsvertrag nach dem Motto: „Friß, Vogel, oder stirb! "

    (Dr. Langner [CDU/CSU]: Haben Sie ihn gar nicht gelesen?)

    bzw. nach dem Leitsatz: „Wer zahlt, schafft an."
    Hier haben die Päpste des Wirtschaftsliberalismus am grauen Tisch ein Schlaraffenland der Wirtschaftsfreiheit aufgestellt, in dem Menschen, Umwelt, Demokratie und soziale Belange praktisch nichts mehr zu melden haben. Der Staatsvertrag liest sich wie ein Wunschzettel des Bundesverbandes der Deutschen Industrie: Aussperrungen sind fast grenzenlos zulässig, Streiks aber kann es auf absehbare Zeit nicht geben, einfach weil es den Bestimmungen des Staatsvertrages genügende Gewerkschaften nicht gibt.
    Die Leitsätze II, 6 und 7, die laut Art. 4 Abs. 1 des Vertrages unmittelbar und einseitig die Organe der Gesetzgebung, der Verwaltung und der Rechtsprechung in der DDR binden, erlauben dieser keinerlei Einschränkung des Erwerbs von Grund und Boden, noch nicht einmal zu Naturschutzzwecken. Übrigens ist das Naturschutzgesetz selbst unter den lieblos im Anhang aufgeführten Umweltbestimmungen die unter „ferner liefen" vielleicht am Sankt-NimmerleinsTag verwirklicht werden könnten, nicht einmal erwähnt.
    Art. 7 erlaubt im Grundstücksverkehr als einziges Ziel die Förderung der Wirtschaftsinvestitionen und fordert keinerlei Abwägung mit ökologischen und sozialen Zielen. Autohaus statt Streuwiese also. Man kann Daimler Benz und der Hoechst AG bei solchen Gesetzen nur empfehlen, ihre Teststrecken oder ihre Freilandversuche in die DDR zu verlagern. Dort nämlich herrscht, geht es nach der Bundesregierung, bald Goldgräberstimmung.
    Dieser Staatsvertrag steht nach Art. 30, also der Schlußbestimmung, über Recht und Gesetz, ja sogar über der Verfassung der DDR. Das ist die Ersetzung der Politik durch Diktate. So, lieber Herr Bundeskanzler, meine sehr verehrten Damen und Herren, entwickelt man keine Demokratie. Deshalb macht das Wort von der „Kohlonie" DDR, immer öfter mit einem „h" vor dem „1" geschriebenen, zu Recht in der DDR die Runde.
    Ich habe keine Angst vor der Vereinigung der beiden deutschen Staaten. Welch ungeheure Chancen könnten in einem freiheitlichen und demokratischen Prozeß der Neukonstitution eines Landes liegen, in dem dann Freiheit für alle gilt und kein Mensch mehr überwacht und bespitzelt wird, eines Landes, das sich seiner schon lange obsolet gewordenen Waffen entledigt und sich statt dessen auf seine weltweite Verantwortung für eine gerechte Wirtschaftsordnung und die Linderung von Hunger und Armut besinnt, eines Landes, das im Einklang mit seiner Mit-, Um- und Nachwelt und mit allen seinen Nachbarn lebt und das endlich Ernst macht mit einer lebendigen Demokratie und der unmittelbaren Beteiligung der Menschen an politischen Sachentscheidungen! Doch diese historische Aufgabe, die sich für die Natur und für die Menschen hier und in der Dritten Welt bald schon als eine (Über-) Lebensnotwendigkeit erweisen wird, wird uns nicht gelingen, nicht mit dieser Regierung und nicht mit diesem Parlament.
    Was wir brauchen, ist keine Vereinigung von oben, sondern eine Vereinigung von unten, die von den Menschen selbst gestaltet und gesteuert werden kann. Wir brauchen deshalb eine Volksabstimmung zur Einheit, wir brauchen eine neue Verfassung, und wir brauchen — auch dies sei hier gesagt — keine Verschiebung der Bundestagswahl — so etwas wäre verfassungswidrig — , wir brauchen Zeit, um lieber gut und demokratisch als schlecht, per Diktat und im Widerspruch zu unserer Verfassung zu handeln. Alles andere wird sich rächen.
    Lassen Sie mich noch eines zum Abschluß sagen. Sollten Bundestag und Volkskammer am 17. Juni zusammenkommen, so kann dort nach unserer Auffassung nur ein einziger Punkt gemeinsam befaßt und beschlossen werden — damit stehen wir im Wort, und da müssen wir die Schuld unseres Kanzlers abtragen —,

    (Vogel [Ennepetal] [CDU/CSU]: Beschlossen werden kann da gar nichts!)

    nämlich die endgültige und jede Zweideutigkeit auslassende Garantie der polnischen Westgrenze.

    (Beifall bei den GRÜNEN)



Rede von Dieter-Julius Cronenberg
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat der Abgeordnete Mischnick.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Wolfgang Mischnick


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Holzschnittartig muß ich Stellung nehmen, denn fünf Minuten sind wenig Zeit. Das, was Sie hier gesagt haben, Herr Kollege Häfner — Kapitulationsurkunde, Knebelungs-



    Mischnick
    vertrag — , ist so unqualifiziert, daß es keinen Sinn hat, sich darüber auseinanderzusetzen.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Häfner [GRÜNE]: Sie machen es sich einfach!)

    Dazu, daß die Diskussion über die Verrechnung 1: 2 verunsichert hat, darf ich feststellen, daß der Bundeskanzler dazu über Wochen nichts gesagt hat, daß andere die Diskussion geführt haben.

    (Frau Matthäus-Maier [SPD]: Das durfte er nicht zulassen!)

    Zum Stichtag: Ich bin für die Festlegung eines Stichtages möglichst im September des vergangenen Jahres, damit die Gesamtentwicklung, Prag, Budapest, nicht dazu führt, daß ungerechtfertigte Bereicherungen drüben stattfinden können. Das alles müssen wir mit der DDR absprechen.
    Zur Mißbrauchsklausel teile ich selbstverständlich Ihre Meinung, daß das von der DDR formuliert werden muß. Da können wir nichts vorgeben.
    Eine Umwandlung der Betriebe in der DDR ist notwendig, ein Strukturwandel ist erforderlich. Deshalb ist eine entsprechende Umschulung vorrangig vor Zahlung von Arbeitslosengeld. Absolut einverstanden.
    Sie sehen, wir haben eine ganze Menge Dinge, die sehr miteinander übereinstimmen.
    Zu einem weiteren Punkt will ich nur feststellen: Wir wollen keine Steuern erhöhen, wir werden keine Steuern erhöhen, auch nicht die Mehrwertsteuer. Wenn Sie von der Opposition immer davon sprechen, muß man langsam auf den Verdacht kommen, daß Sie es selber wollen. Aber ich gehe davon aus, daß auch Sie es nicht wollen. Wir wollen sie nicht haben.
    Es ist mit Recht gesagt worden: Übersiedler sind teurer, als wenn man direkt handelt. Was ist die Quintessenz daraus? Alle Verunsicherung, die auf Verzögerungen hinausläuft, erhöht die Übersiedlerzahl. Alles, was auf Tempo drückt, hält sie niedriger. Deshalb komme ich zu dem Ergebnis:
    Erstens. Gesamtdeutsche Wahlen müssen so schnell wie möglich stattfinden.

    (Beifall bei der FDP)

    Zweitens. Voraussetzung dafür ist, daß die DDR den Beitritt zur Bundesrepublik Deutschland erklärt. Ich bin überzeugt, das wird relativ schnell geschehen.
    Drittens. Wenn dies schnell geschieht, müssen wir hier eine entsprechend schnelle Reaktion haben. Deshalb ist für mich das Günstigste, wenn die Bundestagswahl eine gesamtdeutsche Wahl wird, um zu vermeiden, daß das, was an Vertrauen bisher drüben investiert worden ist, nicht verschwindet, daß das Mißtrauen wieder größer wird und daß man Sorge hat, die Entwicklung wäre doch nicht unumkehrbar. Deshalb muß versucht werden, hier so schnell wie möglich zu handeln.

    (Beifall bei der FDP)

    International muß das alles abgesichert sein. Es ist spürbar, daß man international eine schnelle Lösung durchaus für sinnvoll hält, nicht zuletzt deshalb, weil man weiß, daß man sich, je schneller die Lösung kommt, wieder den gemeinsamen europäischen Problemen zuwenden kann; denn ein kurzer Zeitraum zwischen einer gesamtdeutschen Wahl und dem 1. Januar 1993, dem Stichtag des Gemeinsamen Marktes, wäre schlecht, ein längerer Zeitraum ließe die Übergangsfristen auch für die DDR leichter werden. Deshalb auch im Interesse der europäischen Zusammenarbeit so schnell wie möglich gesamtdeutsche Wahlen! Das alles bedingt natürlich eine Entscheidung der DDR, das ist selbstverständlich. Daß aber auch wir darauf vorbereitet sein müssen, in diesem Tempo mitzugehen, halte ich für notwendig. Ich wehre mich gegen alle Überlegungen, die eine solche schnelle Lösung erschweren, weil sie in Wahrheit die Dinge nicht nur teurer machen, nicht nur politisch schwerer machen, sondern auch im Gegensatz zum Willen der Menschen stehen, die wir am 9. November nach der Entscheidung in der DDR so herzlich begrüßt haben. Die Menschen wollen die schnelle Einheit, die schnelle gesamtdeutsche Wahl. Tun wir alles, damit das auch eintritt!

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)