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ID1119318000

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    Plenarprotokoll 11/193 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 193. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 7. Februar 1990 Inhalt: Tagesordnungspunkt 1: Befragung der Bundesregierung (deutschlandpolitische Fragen; Agrarbericht der Bundesregierung) Seiters, Bundesminister BK 14831 B Dr. Waigel, Bundesminister BMF . . . 14831 D Dr. Haussmann, Bundesminister BMWi . 14832 C Frau Matthäus-Maier SPD 14832 D Dr. Waigel, Bundesminister BMF . . . 14832 D Dr. Haussmann, Bundesminister BMWi . 14833 B Frau Matthäus-Maier SPD 14833 B Dr. Waigel, Bundesminister BMF . . . 14833 C Frau Dr. Hamm-Brücher FDP 14833 C Vogt, Parl. Staatssekretär BMA 14833 D Frau Dr. Hamm-Brücher FDP 14834 A Vogt, Parl. Staatssekretär BMA 14834 A Roth SPD 14834 B Dr. Waigel, Bundesminister BMF . . . 14834 C Westphal SPD 14835 A Dr. Waigel, Bundesminister BMF . . . 14835 B Werner (Ulm) CDU/CSU 14835 C Seiters, Bundesminister BK 14835 D Dreßler SPD 14836 A Vogt, Parl. Staatssekretär BMA 14836 B Wüppesahl fraktionslos 14837 B Dr. Haussmann, Bundesminister BMWi . 14838 A Lüder FDP 14838A Vogt, Parl. Staatssekretär BMA 14838 B Oostergetelo SPD 14838 D Dr. Waigel, Bundesminister BMF . . . 14838 D Jahn (Marburg) SPD 14839A Seiters, Bundesminister BK 14839 B Reuschenbach SPD 14840 A Frau Dr. Adam-Schwaetzer, Staatsminister AA 14840A Zusatztagesordnungspunkt 1 Aktuelle Stunde betr. Stand der Soforthilfe der Bundesregierung für die DDR Roth SPD 14851 C Dr. Waigel, Bundesminister BMF . . . 14852 B Frau Vennegerts GRÜNE . . . 14853B, 14858 C Wissmann CDU/CSU 14854 B Dr. Graf Lambsdorff FDP 14855 B Frau Matthäus-Maier SPD 14856 B Glos CDU/CSU 14857 C Dr. Haussmann, Bundesminister BMWi . 14859 A Dr. Krupp, Senator der Freien und Hansestadt Hamburg 14859 D Dr. Biedenkopf CDU/CSU 14861 B Reimann SPD 14862 B Grünbeck FDP 14863 B Lintner CDU/CSU 14864 A Schäfer (Offenburg) SPD 14865 A Dr. Neuling CDU/CSU 14866 A Tagesordnungspunkt 2: Fragestunde — Drucksache 11/6348 vom 2. Februar 1990 — Verhinderung einer 3%igen Preissenkung für Getreide MdlAnfr 1 Eigen CDU/CSU Antw PStSekr Dr. von Geldern BML . . . 14840 C II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 193. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. Februar 1990 ZusFr Eigen CDU/CSU 14840D ZusFr Oostergetelo SPD 14841 B ZusFr Austermann CDU/CSU 14841 C ZusFr Bredehorn FDP 14841 D ZusFr Frau Flinner GRÜNE 14842 A Verhinderung des Preisverfalls für Butter- und Magermilch MdlAnfr 2 Eigen CDU/CSU Antw PStSekr Dr. von Geldern BML . . 14842 C ZusFr Eigen CDU/CSU 14842 C ZusFr Oostergetelo SPD 14843 B ZusFr Bredehorn FDP 14843 D Finanzierung der Millionenhilfe der DDR für Nicaragua durch die bundesdeutschen Steuerzahler MdlAnfr 3 Dr. Müller CDU/CSU Antw PStSekr Dr. Hennig BMB 14844 A ZusFr Dr. Müller CDU/CSU 14844 B ZusFr Bindig SPD 14844 C ZusFr Büchler (Hof) SPD 14844 D Entschuldigung des Parlamentarischen Staatssekretärs im Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen für seine Äußerungen über die DDR-Sozialdemokraten MdlAnfr 4 Gansel SPD Antw PStSekr Dr. Hennig BMB 14845 A ZusFr Gansel SPD 14845 D ZusFr Jungmann SPD 14847 C ZusFr Antretter SPD 14847 D ZusFr Büchler (Hof) SPD 14848 A Verhandlungen mit der DDR über den Bau einer Schnellbahnverbindung Berlin—Hannover; Einsatz zusätzlicher Fern- und Eilzüge MdlAnfr 10, 11 Schulze (Berlin) CDU/CSU Antw PStSekr Dr. Schulte BMV 14848C, 14849 A ZusFr Schulze (Berlin) CDU/CSU 14848D, 14849A Anpassung der Verkehrsplanung an die politischen Veränderungen in Osteuropa MdlAnfr 12, 13 Antretter SPD Antw PStSekr Dr. Schulte BMV 14849B, 14850 A ZusFr Antretter SPD 14849B, 14850 A ZusFr Bachmaier SPD 14849 D Gansel SPD (Erklärung nach § 30 GO) . 14850 C Dr. Hennig, Parl. Staatssekretär BMB (Erklärung nach § 30 GO) 14850 D Vizepräsident Westphal 14847 B Nächste Sitzung 14866 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 14867* A Anlage 2 Zulassungsuntersuchungen für neue Arzneimittel MdlAnfr 5 — Drs 11/6348 — Dr. Weng (Gerlingen) FDP SchrAntw StSekr Chory BMJFFG . . . . 14867* B Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 193. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. Februar 1990 14831 193. Sitzung Bonn, den 7. Februar 1990 Beginn: 13.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens SPD 09. 02. 90 Dr. Briefs GRÜNE 09. 02. 90 Dr. von Bülow SPD 09. 02. 90 Carstens (Emstek) CDU/CSU 07. 02. 90 Clemens CDU/CSU 09.02.90 Frau Conrad SPD 7. 02. 90 Frau Dempwolf CDU/CSU 09. 02. 90 Dr. Dollinger CDU/CSU 09. 02. 90 Frau Fischer CDU/CSU 09. 02. 90 Francke (Hamburg) CDU/CSU 8. 02. 90 Frau Frieß GRÜNE 07. 02. 90 Dr. Hauchler SPD 9. 02. 90 Frau Dr. Hellwig CDU/CSU 09. 02. 90 Frau Hoffmann (Soltau) CDU/CSU 09. 02. 90 Hornung CDU/CSU 07. 02. 90 Frau Kelly GRÜNE 07. 02. 90 Dr. Knabe GRÜNE 09. 02. 90 Kohn FDP 09. 02. 90 Lattmann CDU/CSU 09. 02. 90 Müller (Schweinfurt) SPD 09. 02. 90 Frau Nickels GRÜNE 09. 02. 90 Opel SPD 09. 02. 90 Frau Schilling GRÜNE 09. 02. 90 Spilker CDU/CSU 09. 02. 90 Voigt (Frankfurt) SPD 09. 02. 90 ) Frau Dr. Wisniewski CDU/CSU 09. 02. 90 Würtz SPD 09. 02. 90 Anlage 2 Antwort des Staatssekretärs Chory auf die Frage des Abgeordneten Dr. Weng (Gerlingen) (FDP) (Drucksache 11/6348 Frage 5): Was hindert die Bundesregierung, die Zulassungsuntersuchungen für neue Arzneimittel privatwirtschaftlich zu organisieren und dadurch zu erreichen, daß das ständige Nichteinhalten der gesetzlichen Frist wenigstens mittelfristig abgebaut wird? Das Zulassungsverfahren nach dem Arzneimittelgesetz beruft auf Regelungen in den Pharmazeutischen Richtlinien der Europäischen Gemeinschaften. In Artikel 3 der 1. Pharmazeutischen Richtlinie 65/65/EWG ist bestimmt, daß die Zulassung durch die Anlagen zum Stenographischen Bericht zuständige Behörde des Mitgliedstaates zu erteilen ist. Diese Vorschrift steht einer privatwirtschaftlichen Organisation des Zulassungsverfahrens entgegen. Grundlage dieser Bestimmung in der 1. Pharmazeutischen Richtlinie war die gemeinsame Überzeugung der Mitgliedstaaten, daß angesichts der gesundheitlichen Risiken, die mit neuen aber auch bereits bekannten Arzneimitteln verbunden sein können, eine präventive Kontrolle in der Verantwortung des Staates geboten ist. An dieser Grundsatzentscheidung haben alle Mitgliedstaaten festgehalten. Nur auf dieser Grundlage kann auch mit Aussicht auf Erfolg das vom Deutschen Bundestag seit langem bejahte Prinzip der gegenseitigen Anerkennung einzelstaatlicher Zulassungsentscheidungen statt einer zentralen europäischen Zulassungsstelle verfolgt werden. Daneben sprechen aber auch fachliche Überlegungen gegen eine private Organisationsform der Arzneimittelzulassung. Es dient der Gewährleistung von fachlich ausgewogenen und weitgehend abgesicherten Entscheidungen, wenn bei einer Stelle Fachwissen aus dem Zulassungsverfahren, aus der Aufbereitung des Altmarktes und aus Verfahren der Risikoabwehr gebündelt wird. Dies ist jetzt beim Arzneimittelinstitut des Bundesgesundheitsamtes der Fall. Würde das Zulassungsverfahren dort ausgelagert, so würde dennoch aus grundsätzlichen Erwägungen des Gesundheitsschutzes die Risikoabwehr beim Bundesgesundheitsamt bleiben müssen. Problematisch wäre dann aber, daß das Bundesgesundheitsamt durch Entzug des Zulassungsverfahrens von einem wesentlichen Teil seines wissenschaftlichen Hintergrundes abgekoppelt würde. Die verantwortungsvolle Wahrnehmung der Risikoabwehr würde dadurch erheblich gefährdet. Zum Abbau des Zulassungsstaus wird jedoch neben den auf Vorschlag des Bundesrechnungshofes bereits getroffenen Verbesserungen der Aufbau- und Ablauforganisation externer Sachverstand unabhängiger Wissenschaftler soweit wie möglich einbezogen. Dies geschieht im Rahmen der 3. AMG-Novelle bei der Prüfung der pharmazeutischen Qualität und soll jetzt im Rahmen der 4. Novelle auch bei der Beurteilung von Wirksamkeit und Unbedenklichkeit und bei der Vorprüfung der Anträge vorgesehen werden. Darüber hinaus wird zur Zeit mit dem Bundesminister der Finanzen und dem Bundesrechnungshof über den wegen der gestiegenen Antragszahlen notwendigen Umfang der Personalverstärkung verhandelt, damit der Antragsstau bis 1993 abgebaut werden kann.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Harald B. Schäfer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will auf den letzten Diskussionsbeitrag nicht eingehen, sondern will an den Redebeitrag von Herrn Kollegen Biedenkopf anknüpfen, dem ich persönlich zu diesem Beitrag beglückwünschen möchte. Herr Kollege Biedenkopf, Sie haben — das war wohltuend — nicht nur auf die Notwendigkeiten in der DDR, nicht nur auf die Chancen, die in der DDR und für uns im Einigungsprozeß liegen, hingewiesen, sondern Sie haben auch, was ein Gebot der intellektuellen Redlichkeit ist, die Notwendigkeit des Lastenausgleichs zwischen den beiden deutschen Staaten angesprochen. Sie haben insoweit darauf hingewiesen, daß eine ökonomisch-ökologische Erneuerung in der DDR auch bei uns nicht zum Nulltarif zu bekommen ist.
    Meine Damen und Herren, es lohnte sich, wenn wir uns in diesem Haus — das wäre auch ein Beitrag zur politischen Kultur — auch über diese Fragen unterhielten. Wir würden damit unserer gesamtdeutschen Verantwortung eher gerecht, als wenn wir von hier aus im Kommandostil Anweisungen an die Bürger der DDR geben, wie sie sich nun zu verhalten haben, damit der Einigungsprozeß sozial und ökologisch verantwortbar verläuft.

    (Zustimmung bei der SPD und der Abg. Frau Garbe [GRÜNE])

    Wem es tatsächlich damit Ernst ist — uns Sozialdemokraten, ich denke, dem gesamten Haus ist es Ernst damit — , daß wir den Prozeß der Einheit jetzt organisieren, daß wir ihn gemeinsam mit den Menschen in der DDR organisieren, denn deren Verdienst ist es, daß die Revolution in Gang gesetzt worden ist, deren Verdienst ist es, daß die deutsche Einheit jetzt eine nahe Perspektive ist, der muß auch fair und sachlich über die politischen, ökonomischen und ökologischen Rückwirkungen, die dieser Einheitsprozeß auf die Bundesrepublik hat, streiten.

    (Zustimmung bei der SPD und der Abg. Frau Garbe [GRÜNE])

    Ich sage noch einmal: Dies ist auch ein Gebot der politischen Glaubwürdigkeit. Deswegen, Herr Kollege Biedenkopf, noch einmal mein Glückwunsch, denn Sie haben als einziger Redner der Koalitionsfraktionen genau diesen Punkt angesprochen.
    Ich will auf diesem Hintergrund noch einmal an Sie von der Regierungskoalition, beispielsweise an Sie, Herr Lambsdorff, und auch an die Regierung appellieren: Nehmen Sie auf diesem Hintergrund, auf dem Hintergrund der gemeinsamen gesamtdeutschen Verantwortung, den Vorschlag, die Anregung unseres Partei- und Fraktionsvorsitzenden auf, einen gemeinsamen Ausschuß von Bundestag und Bundesrat zu bilden, damit wir diese gemeinsam interessierenden Fragen vor dem 18. März — nach dem 18. März dann in gesamtdeutschen Gremien — gemeinsam erörtern können. Dies ist ein Gebot, daß der gesamtdeutsche Einheitsprozeß, den es heute zu organisieren gilt, von uns verlangt.
    Herr Biedenkopf hat zu Recht den Gesichtspunkt des Lastenausgleichs angesprochen, hat zu Recht auf den enormen Sanierungsbedarf in der DDR hingewiesen. Herr Haussmann — er ist nicht mehr da — hat in der vorletzten Woche von 500 Milliarden DM gesprochen, die „Wirtschaftswoche" hat von mehr als 1 Billion DM gesprochen. Wir haben in ersten Schätzungen ausgewiesen, daß eine ökologische Energieversorgungsstruktur in der DDR und die Gewässersanierung in der DDR zusammen etwa 300 Milliarden DM Investitionsbedarf ausmachen. Das kann nicht allein die Wirtschaft organisieren. Hier sind auch öffentliche Mittel notwendig, so wie der Wiederaufbauprozeß bei uns in der Bundesrepublik nicht allein durch Wirtschaft, sondern auch durch öffentliche Mittel in Gang gesetzt worden ist.
    Ich frage jetzt angesichts des ökologischen Sanierungsbedarfs — 300 Milliarden DM allein für Energie und Gewässer habe ich genannt — und angesichts der Notwendigkeit, den Menschen in der DDR durch schnell wirkende Hilfen auch eine ökologische Perspektive zum Bleiben zu geben: Glauben wir wirklich, Herr Finanzminister Waigel — wollen Sie das der deutschen Öffentlichkeit wirklich weismachen? —, daß die 140 Millionen DM, die Sie in den Nachtragshaushalt für Umwelthilfen in der DDR nun zusätzlich eingesetzt haben, dafür ein Zeichen setzen können? Es ist doch nachgerade beschämend, was Sie, um bei diesem Feld zu bleiben, an kurzfristigen Hilfen angewiesen haben.

    (Beifall bei der SPD)

    Wir brauchen, meine Damen und Herren, eine Währungsunion — die Regierung ist heute mit ihrer Entscheidung unseren Vorgaben, unseren Forderungen gefolgt;

    (Lachen und Zurufe von der CDU/CSU)

    das ist gut so — , wir brauchen bald eine Wirtschaftsunion. Darin habe ich heute auch Übereinstimmung bei einigen Rednern von Ihnen und uns festgestellt. Wir brauchen dringend ein Programm „Arbeit und Umwelt", das den Menschen in der DDR und bei uns Perspektiven für eine bessere Umwelt und für mehr Arbeitsplätze gibt — bei uns und in der DDR.
    Es lohnte sich, darüber in einem fairen Wettbewerb, beispielsweise in dem gemeinsamen Ausschuß, wie wir ihn vorgeschlagen haben, zu streiten. Lassen Sie uns im Moment zurückstellen, was uns sonst trennt! Lassen Sie uns diesen gemeinsamen Weg im Interesse der Menschen in beiden deutschen Staaten gehen!

    (Beifall bei der SPD)



Rede von Heinz Westphal
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Neuling.




  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Christian Neuling


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Schäfer, ich will durchaus nicht verhehlen, daß es manchmal auch sinnvoll ist, in einer schwierigen Situation Gemeinsamkeiten zu betonen. Allerdings können Sie nur dann gemeinsam gehen, wenn Sie ein gemeinsames Ziel und insbesondere auch die gleiche Methode haben.
    Ausgangspunkt ist einfach der, daß wir — ich werde Ihnen das leider noch einmal darlegen müssen — eine grundsätzlich unterschiedliche Einschätzung der jetzigen Situation haben. Kollege Lambsdorff wie auch andere haben darauf hingewiesen, daß wir in der DDR einen Prozeß der totalen Erosion staatlicher Macht haben, und zwar nicht nur in der Verwaltung, sondern auch in den Betrieben. Wir haben eine Situation, in der die Menschen unverändert zu uns kommen. Und ich sage Ihnen eins — da liegt der entscheidende Dissens — : Nicht die fehlende Hilfe aus Bonn beschleunigt diesen Prozeß, sondern das fehlende Vertrauen der Menschen in der DDR, im anderen Teil Deutschlands, in eine grundsätzliche wirtschaftliche Umkehr in der DDR selber. Das ist der Grund, warum die Menschen unverändert zu uns kommen.
    Ich will Ihnen ein Beispiel dazu nennen. Sie haben von dem Konsumprogramm gesprochen. Sie können den Menschen in der DDR, einmal als Beispiel genommen, einen Mercedes-Benz hinstellen: Die Menschen nehmen den Mercedes, kommen hier herüber, verkaufen ihn, machen sich selbständig, weil sie ihre Existenz hier sehen und nicht in der DDR — angesichts der jetzigen Umstände, wie sie in der DDR herrschen.
    Sie haben das Beispiel des Wohnungsbauprogramms gebracht; ich glaube, es war die Frau Kollegin Matthäus-Maier. — Ja, Menschenskind, waren Sie denn selber noch nie in der DDR, in den Städten, um zu wissen, daß da 10, 20, 100 Milliarden DM notwendig sind, daß ein Programm, das Sie jetzt auflegen, an der konkreten Situation der Menschen jetzt, im Februar, nichts ändert, Herr Kollege Schäfer?

    (Widerspruch bei der SPD)

    Darum geht es doch! Es geht doch nicht darum, in ein, zwei Jahren etwas zu bewirken. Die Menschen haben kein Vertrauen zu dem, was in der DDR heute geschieht. Sie verlangen grundsätzliche, schnelle Änderungen, damit sie überhaupt Hoffnung haben können, wenn sie in der DDR jetzt bleiben. Das ist der entscheidende Dissens, Herr Schäfer.
    Ich will ein weiteres Beispiel nennen. Sie können jedem Menschen in der DDR 10 000 DM in die Hand drücken: Der eine packt sie unter das Sofa, weil er zur eigenen Staatsbank sowieso kein Vertrauen hat, und der Rest kommt herüber und macht sich selbständig, weil sie hier ihre Existenz schaffen können, weil sie hier arbeiten wollen, weil sie aber keine Chancen sehen, in der DDR zu leben.
    Was ich damit sagen will, ist folgendes. Sie können Milliardenbeträge aus staatlichen Mitteln zum jetzigen Zeitpunkt als Hilfe hinübergeben, es wird alles verschwinden — entweder in einem bodenlosen Faß
    oder in der Schweiz — , aber nie bei den Menschen ankommen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Solange wir diesen Grundsatz nicht alle begreifen, werden wir auch keinen Konsens hinsichtlich dessen erzielen, Herr Kollege Schäfer, was wir heute gemeinsam zu tun haben.
    Wir setzen darauf, daß erst die grundlegenden Änderungen in der DDR selbst erfolgen müssen. Dann fassen die Menschen Vertrauen und bleiben dort. Dann ist auch die Voraussetzung gegeben, dort einen Aufschwung zu ermöglichen, der allerdings nur mit privaten Investitionen, nur mit privatem Kapital möglich ist. Der Staat kann nur die Randbedingungen setzen.
    Es ist eben immer das gleiche: Sie haben keinen Abschied genommen vom sozialistischen Irrglauben der Allmacht des Staates. Sie glauben, der Staat könne alles richten. Der Staat kann nicht alles richten. Die Menschen selber müssen es richten, und sie müssen das Vertrauen haben, daß es sich wirklich lohnt, dort zu bleiben.
    Dann hat Herr Kollege Roth noch von 1 Milliarde DM gesprochen, was hinsichtlich der Größenordnung nahezu unverständlich sei. Der Bundesfinanzminister hat selbst schon darauf hingewiesen, daß allein 6 Milliarden DM im Nachtragshaushalt enthalten seien. Wenn ich allein die ausgabenwirksamen Beschlüsse der Bundesregierung hinzunehme, die für den Verkehrsbereich — die Schnellbahn Berlin—Hannover; wir kennen das ja — und auch für Umweltschutzmaßnahmen getroffen worden sind, Herr Kollege Schäfer — es geht nicht allein um 140 Millionen DM, sondern immerhin um ein Programm in der Größenordnung von 1 Milliarde DM —, so komme ich ohne Probleme auf 10 Milliarden DM.
    Ich sage trotzdem noch einmal: Soforthilfe da, wo sie den Menschen unmittelbar hilft, z. B. im medizinischen Bereich. Aber die Entscheidung fällt letztlich, wenn sich das System ändert, wenn sich die Strukturen ändern. Nur dann bleiben die Menschen nämlich dort.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Deswegen glaube ich bei aller Freundschaft und bei allem Verständnis für Konsens, Herr Kollege Schäfer, daß die SPD unverändert einen Orden verdient — nehmen Sie es mit Humor — : Sie haben nie das Richtige zum rechten Zeitpunkt vorgeschlagen, sondern immer das Unsinnige zum falschen Zeitpunkt.
    Wir bleiben bei unserem klaren Kurs: die Einheit mit Maß vollenden.
    Schönen Dank.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)