Rede von
Harald B.
Schäfer
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will auf den letzten Diskussionsbeitrag nicht eingehen, sondern will an den Redebeitrag von Herrn Kollegen Biedenkopf anknüpfen, dem ich persönlich zu diesem Beitrag beglückwünschen möchte. Herr Kollege Biedenkopf, Sie haben — das war wohltuend — nicht nur auf die Notwendigkeiten in der DDR, nicht nur auf die Chancen, die in der DDR und für uns im Einigungsprozeß liegen, hingewiesen, sondern Sie haben auch, was ein Gebot der intellektuellen Redlichkeit ist, die Notwendigkeit des Lastenausgleichs zwischen den beiden deutschen Staaten angesprochen. Sie haben insoweit darauf hingewiesen, daß eine ökonomisch-ökologische Erneuerung in der DDR auch bei uns nicht zum Nulltarif zu bekommen ist.
Meine Damen und Herren, es lohnte sich, wenn wir uns in diesem Haus — das wäre auch ein Beitrag zur politischen Kultur — auch über diese Fragen unterhielten. Wir würden damit unserer gesamtdeutschen Verantwortung eher gerecht, als wenn wir von hier aus im Kommandostil Anweisungen an die Bürger der DDR geben, wie sie sich nun zu verhalten haben, damit der Einigungsprozeß sozial und ökologisch verantwortbar verläuft.
Wem es tatsächlich damit Ernst ist — uns Sozialdemokraten, ich denke, dem gesamten Haus ist es Ernst damit — , daß wir den Prozeß der Einheit jetzt organisieren, daß wir ihn gemeinsam mit den Menschen in der DDR organisieren, denn deren Verdienst ist es, daß die Revolution in Gang gesetzt worden ist, deren Verdienst ist es, daß die deutsche Einheit jetzt eine nahe Perspektive ist, der muß auch fair und sachlich über die politischen, ökonomischen und ökologischen Rückwirkungen, die dieser Einheitsprozeß auf die Bundesrepublik hat, streiten.
Ich sage noch einmal: Dies ist auch ein Gebot der politischen Glaubwürdigkeit. Deswegen, Herr Kollege Biedenkopf, noch einmal mein Glückwunsch, denn Sie haben als einziger Redner der Koalitionsfraktionen genau diesen Punkt angesprochen.
Ich will auf diesem Hintergrund noch einmal an Sie von der Regierungskoalition, beispielsweise an Sie, Herr Lambsdorff, und auch an die Regierung appellieren: Nehmen Sie auf diesem Hintergrund, auf dem Hintergrund der gemeinsamen gesamtdeutschen Verantwortung, den Vorschlag, die Anregung unseres Partei- und Fraktionsvorsitzenden auf, einen gemeinsamen Ausschuß von Bundestag und Bundesrat zu bilden, damit wir diese gemeinsam interessierenden Fragen vor dem 18. März — nach dem 18. März dann in gesamtdeutschen Gremien — gemeinsam erörtern können. Dies ist ein Gebot, daß der gesamtdeutsche Einheitsprozeß, den es heute zu organisieren gilt, von uns verlangt.
Herr Biedenkopf hat zu Recht den Gesichtspunkt des Lastenausgleichs angesprochen, hat zu Recht auf den enormen Sanierungsbedarf in der DDR hingewiesen. Herr Haussmann — er ist nicht mehr da — hat in der vorletzten Woche von 500 Milliarden DM gesprochen, die „Wirtschaftswoche" hat von mehr als 1 Billion DM gesprochen. Wir haben in ersten Schätzungen ausgewiesen, daß eine ökologische Energieversorgungsstruktur in der DDR und die Gewässersanierung in der DDR zusammen etwa 300 Milliarden DM Investitionsbedarf ausmachen. Das kann nicht allein die Wirtschaft organisieren. Hier sind auch öffentliche Mittel notwendig, so wie der Wiederaufbauprozeß bei uns in der Bundesrepublik nicht allein durch Wirtschaft, sondern auch durch öffentliche Mittel in Gang gesetzt worden ist.
Ich frage jetzt angesichts des ökologischen Sanierungsbedarfs — 300 Milliarden DM allein für Energie und Gewässer habe ich genannt — und angesichts der Notwendigkeit, den Menschen in der DDR durch schnell wirkende Hilfen auch eine ökologische Perspektive zum Bleiben zu geben: Glauben wir wirklich, Herr Finanzminister Waigel — wollen Sie das der deutschen Öffentlichkeit wirklich weismachen? —, daß die 140 Millionen DM, die Sie in den Nachtragshaushalt für Umwelthilfen in der DDR nun zusätzlich eingesetzt haben, dafür ein Zeichen setzen können? Es ist doch nachgerade beschämend, was Sie, um bei diesem Feld zu bleiben, an kurzfristigen Hilfen angewiesen haben.
Wir brauchen, meine Damen und Herren, eine Währungsunion — die Regierung ist heute mit ihrer Entscheidung unseren Vorgaben, unseren Forderungen gefolgt;
das ist gut so — , wir brauchen bald eine Wirtschaftsunion. Darin habe ich heute auch Übereinstimmung bei einigen Rednern von Ihnen und uns festgestellt. Wir brauchen dringend ein Programm „Arbeit und Umwelt", das den Menschen in der DDR und bei uns Perspektiven für eine bessere Umwelt und für mehr Arbeitsplätze gibt — bei uns und in der DDR.
Es lohnte sich, darüber in einem fairen Wettbewerb, beispielsweise in dem gemeinsamen Ausschuß, wie wir ihn vorgeschlagen haben, zu streiten. Lassen Sie uns im Moment zurückstellen, was uns sonst trennt! Lassen Sie uns diesen gemeinsamen Weg im Interesse der Menschen in beiden deutschen Staaten gehen!