Rede von
Freimut
Duve
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Die USA selber haben ja am Tag nach dieser merkwürdigen Kriegserklärung — die nicht Noriega selber abgegeben hat, sondern irgendeine seiner komischen Versammlungen — diese als lächerlich bezeichnet. Aber ich denke, das ist ein Streit, den die USA möglicherweise noch einmal in Den Haag führen werden.
Das Völkerrecht ist sicher die gefährdetste Pflanze, die die internationalen Beziehungen hervorgebracht haben. Ich denke, daß sie in den 90er Jahren sehr stark bedroht sein wird erstens durch die Fortführung solchen Typs von Interventionspolitik, die immer ganz beliebig ist; zweitens durch den sich auf Fundamentalismus berufenden Terrorismus; drittens durch die Aushöhlung der Souveränität von Staaten durch solche Syndikate und Drogen-Mafia, wie wir das in Kolumbien erleben und wo wir nicht mehr wissen, wer eigentlich der Staat ist.
Das sind die drei Elemente, die die Souveränität der Staaten bedrohen, die ja immer eine anerkannte Fiktion ist. Wir anerkennen im Völkerrecht, daß ein Staat wie die Dominikanische Republik — Sie wissen, warum ich sie erwähne — völkerrechtlich sozusagen das gleiche Gewicht hat wie die Vereinigten Staaten. Davon leben wir, und davon lebt brüchiger Friede.
Ich habe ein einziges Mal gemeint — ich habe das auch geschrieben; ich beobachte das nun seit Mitte der 50er Jahre —, es müsse in einer gemeinsamen Aktion der Großmächte eine Intervention stattfinden. Das war im Fall Kambodscha, als eineinhalb Millionen Menschen auf Grund einer brutalen Staatsideologie umgebracht wurden. Ein Volk war dabei, sich selbst zu vernichten.
Die drei Großmächte waren nicht in der Lage, auch nur Gespräche über eine solche Intervention zu führen. Vielmehr hat sie dann Vietnam durchgeführt, und es ist deshalb dann angegriffen worden. Vietnam hat diesen Selbstvölkermord, diesen Selbstgenozid gestoppt. Das ist der Fakt.
Wenn wir jetzt über Panama reden - ich finde es bedauerlich, in welcher Form Begründungen vorgetragen worden sind — , müssen wir uns diese Geschichte doch vor Augen halten. Jetzt unterstützen verschiedene unserer engsten Freunde in einer nicht zu verantwortenden Art wieder eine Situation, die so aussieht, daß die Roten Khmer kurz vor dem Sieg stehen. Ich möchte einmal wissen, wer intervenieren wird, falls die Roten Khmer wieder mit diesen Massakern anfangen. Vor diesem Hintergrund bitte ich die Vorgänge zu beurteilen, mit denen wir es hier zu tun haben.
In Kabul — war dem Taraki vorgeworfen worden — er konnte es nicht widerlegen — , ungefähr 40 000 Afghaner auf seinem Gewissen zu haben. Dann sind die Sowjets einmarschiert, und es sind wahrscheinlich 1 Million Menschen umgekommen. Wir haben das von Anfang an kritisiert. Aber der, der gemeint war und der ersetzt wurde durch einen Präsidenten, den die Sowjets im Kriegsgepäck hatten, hatte sehr, sehr viele Menschen umbringen lassen.
Das heißt, wir können und dürfen niemals so argumentieren, wie hier argumentiert wurde. Wir kommen in des Wortes Sinne in Teufels Küche, nämlich in die Hölle permanenter Gewalt und der Auflösung dessen, was wir als Völkerrecht tragen.
Nun zu den Vereinigten Staaten. Jemand, der schon als Schulkind gesehen hat — wahrscheinlich wie viele im Saal —, was wir als Deutsche an Demokratie von dort haben lernen können, hat eines immer bedauert: daß es aus der amerikanischen Geschichte heraus wenig Verständnis für die völkerrechtliche Verbindlichkeit von Grenzen und die Souveränität gibt, daß Außenpolitik dort immer Innenpolitik war. Das war im ganzen 19. Jahrhundert so.
Nun kommt eine neue Kategorie hinzu, nämlich Außenpolitik mit Hilfe des Fernsehens. Außenpolitik mit Hilfe des Fernsehens kann das Gefährlichste und das Fundamentalistischste werden, was uns droht. Wenn die erste Gruppe der amerikanischen Soldaten, die in die USA zurückgeflogen wurden, über ihrem Heimatflughafen per Fallschirm abspringen, weil man das besser filmen kann und weil es den Auftritt eleganter macht, dann kommen wir in eine FernsehAußenpolitik, die ausschließlich innenpolitisch gemeint ist.
Die Beschallung einer Botschaft mit den Kulturgütern der eigenen Popmusik ist eine Art von Radio- und Fernsehpolitik, die wir nicht erlauben dürfen, die wir auch für uns nicht akzeptieren dürfen.
Ich hoffe sehr, daß es in den Vereinigten Staaten zu vielen Gesprächen mit Politikern kommt, auch wenn wir sagen: Ihr müßt jetzt einiges akzeptieren lernen — was für euch 200 Jahre lang so schwer war. Es war doch leicht, Außenpolitik zu machen, wenn man den einen großen Gangster jeweils im Kreml sitzen hatte. Die Gangsterjagd auf Gaddafi als Westernfilm, die Reduktion von Politik auf eine Person als Feind und deren Ergreifung — unter Bruch von Völkerrecht — ist ein außerordentlich gefährliches Mittel, wenn man es mit einem 250-Millionen-Volk zu tun hat, das die mächtigste Nation der Welt, die größte Militärmacht der Welt und unser Freund ist.