Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Vor gut zwei Jahren hatten wir hier in diesem Hause schon einmal eine grundsätzlich angelegte Debatte über die Raumfahrtpolitik der Bundesregierung.
Damals haben wir GRÜNEN, auch zahlreiche andere gesellschaftliche Gruppen und Teile der SPD vor allem drei Positionen vertreten:
Erstens. Die bemannte Raumfahrt ist zu teuer.
Zweitens. Sie ist forschungs- und industriepolitisch sinnlos.
Drittens. Die von der Bundesregierung und der Europäischen Weltraumorganisation vorgelegten Planungen sind unseriös.
Diese drei Behauptungen, die noch vor zwei Jahren seitens der Bundesregierung und der Regierungskoalition auf schärfste Kritik stießen,
sind in den letzten Jahren allesamt bestätigt worden.
Zum ersten Punkt, meine Damen und Herren, daß die bemannte Raumfahrt zu teuer ist: Inzwischen stellt das Forschungsministerium selber fest, daß über die geplanten Haushaltsansätze hinaus dem Raumfahrtprogramm bis zum Jahr 2000 7 Milliarden DM fehlen. Das entspricht in etwa den Prognosen, die wir damals, vor mehr als zwei Jahren, 1987, diesem Hause vorgetragen haben.
Meine Damen und Herren, im Ausschuß haben sich sozialdemokratische Kolleginnen und Kollegen und habe auch ich mich immer wieder darum bemüht, daß Herr Riesenhuber Auskunft über die Kostenplanung gibt. Wissen Sie, was da geschehen ist? Herr Riesenhuber erklärte mehrfach, so z. B. noch am 26. April
Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 186. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. Dezember 1989 14411
Wetzel
dieses Jahres, daß Kostenabschätzungen derzeit nicht möglich seien,
weil jetzt erst die Industrieangebote eingingen. Der Minister entzog sich der weiteren Debatte damit, daß er sagte: Verläßliche Zahlen werden in der Zwischenphase bis 1990 nicht zur Verfügung stehen.
Meine Damen und Herren, also ist auch das jetzt vom Forschungsministerium konstatierte Defizit von '7 Milliarden DM bis zum Jahr 2000 alles andere als verläßlich.
Man kann, ohne ein falscher Prophet zu sein, bereits heute vorhersagen, daß wir im nächsten Jahr mit zusätzlichen Bedarfsanmeldungen zu rechnen haben werden.
Wenn jetzt aber die Bundesregierung einen Ausweg darin sucht, entweder — so jedenfalls aus der DARA von Herrn Wild zu hören — eine Steigerung des gesamten Forschungshaushalts oder eine Ausgliederung der Raumfahrt aus Herrn Riesenhubers Etat vorzunehmen, dann sind das grundfalsche Alternativen. In jedem Fall hat der Bundeshaushalt, haben die Steuerzahler die Folgen dieser ebenso unkalkulierbaren wie kostenexplosiven Raumfahrtpolitik zu tragen. Hier muß das Parlament ein Stoppsignal setzen, meine Damen und Herren!
Das Raumfahrtprogramm ist forschungs- und industriepolitisch sinnlos. Gott sei Dank wird inzwischen auch in Kreisen der CDU angezweifelt, ob die Projekte Ariane und Hermes und sogar Columbus überhaupt einen Nutzen haben, der den hohen Kostenaufwand rechtfertigt. Auch Kollege Laermann von der FDP hat hier gerade sehr begründete Zweifel angemeldet.
Daß sie von namhaften Wissenschaftsorganisationen, aber auch von weiten Teilen der Industrie abgelehnt wurden, wußte man schon vor zwei Jahren.
Heute gibt es praktisch niemanden mehr, der diese Projekte befürwortet.
Meine Damen und Herren, dies ist die erste Lesung des Gesetzes zum ESA-NASA-Vertrag. Dieser Vertrag birgt viele Tücken in sich; eine davon möchte ich hier ansprechen. Ich befinde mich dabei — das sage ich ausdrücklich — in Widerspruch zum Kollegen Laermann. Kollege Laermann hob auf Art. 1 des Vertrages ab. Wir GRÜNEN dagegen möchten auf Art. 9 des Vertrages abheben, in dem es heißt, daß derjenige Partner, der das jeweilige Element der Raumstation
bereitstellt, selber bestimmt, ob eine ins Auge gefaßte Nutzung des betreffenden Elements friedlichen Zwecken dienen soll. Dieser Passus hält — entgegen der in Art. 1 erklärten Absicht, daß die Raumstation friedlichen Zwecken dienen solle — Tür und Tor für die militärische Nutzung offen.
Meine Damen und Herren, ich muß mit meiner Redezeit sehr haushalten. Die Kolleginnen und Kollegen im Ausschuß wissen, daß ich mehrfach zahlreiche US-amerikanische Dokumente zu diesem Problem vorgelegt habe, Dokumente, aus denen eindeutig die militärische Nutzungsoption der USA für die von ihr bereitgestellten Elemente der Raumstation Columbus hervorgeht.
Ich stelle daher namens meiner Fraktion den förmlichen Antrag — ich bitte die Frau Präsidentin, im Anschluß an die Debatte darüber abstimmen zu lassen — , den Gesetzentwurf zu diesem Vertragswerk auch an den Auswärtigen Ausschuß zu überweisen. Durch diesen Vertrag werden in hohem Maße außenpolitische Belange der Bundesrepublik berührt.
Ich komme zur DARA. Ich muß mich sehr kurz fassen. Bei der DARA gibt es vor allem zwei Probleme:
Erstens. Aus der DARA wird berechtigte, gut begründete Kritik an Ariane, an Hermes und auch an Columbus laut. Aber diese Kritik scheint sich in unseren Augen, in den Augen der GRÜNEN, darauf zu konzentrieren, das Projekt zur Förderung der Hyperschalltechnologie — das Projekt Sänger — zu forcieren. Man braucht nur in den Haushalt zu gucken, wo Sänger haushaltsmäßig angesiedelt ist; Sänger ressortiert bei der Luftfahrt, nicht bei der Raumfahrt. Sänger ist von vornherein — auch wegen der hohen Beteiligung des Verteidigungsministeriums — ein militärisch gedachtes Projekt.
— Kollege Lenzer, es ist doch Unfug, hier von einem Raumgleiter zu sprechen und der Öffentlichkeit und dem Parlament gegenüber zu behaupten, daß es sich hier um Planungen für ein ziviles Verkehrsflugzeug handelt, das aber wesentlich mit aus dem Verteidigungshaushalt finanziert wird. Es geht in der Tat darum, einen Nachfolgetypus des „Jäger 90" zu projektieren. Das ist eine Vermutung. Wir sind gerne bereit, mit Ihnen darüber konkret zu sprechen, aber dann möchten wir auch genauere Unterlagen von der Regierung haben.
Zweitens. Die Konstruktion der DARA entzieht die DARA demokratischer Kontrolle durch das Parlament. Trotz der Tatsache, daß hoheitliche Befugnisse an die DARA übertragen werden, ist keine hinreichende demokratische Kontrolle gewährleistet. Deswegen brauchen wir eine Neukonstruktion der DARA.
Meine Damen und Herren, ich fasse die Position meiner Fraktion kurz zusammen.
Erstens. Wir werden dem Gesetz zum ESA-NASA-
Vertrag nicht unsere Zustimmung geben. Wir werden uns in den weiteren Beratungen darum bemühen, mit Ihnen zusammen Möglichkeiten zur Beendigung dieses Raumfahrtprogramms zu erarbeiten.
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Zweitens. Wir werden Rekonstruktionsvorschläge zur DARA machen.
Drittens. Wir werden Sie auffordern, mit uns zusammen ein neues Programm für unbemannte Raumfahrt zu entwickeln. Wir stellen uns vor, daß der finanzielle Rahmen dieses Programms bei etwa 1 Milliarde DM pro Jahr liegen müßte.
Wir befinden uns am Anfang einer neuen europäischen Friedensordnung. Wir haben einen unheimlich großen Bedarf an technologischer Kooperation vor allem mit unseren östlichen Nachbarn. Die in der Raumfahrt eingesparten Gelder wären sinnvollerweise darauf zu verwenden, daß diese neue Friedensordnung eine entsprechende soziale und materielle Basis zum Aufbau von Frieden und Demokratie in Gesamteuropa bekommt. Die Erde liegt uns näher als das Weltall.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.