Rede von
Dr.
Albert
Probst
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Namens der Bundesregierung möchte ich folgende Erklärung abgeben:
Die Weltraumpolitik dieser Bundesregierung ist die kontinuierliche Fortsetzung einer Politik, die mit den Beschlüssen von Brüssel im Jahr 1972, übrigens unter Beteiligung einer von der SPD geführten deutschen Regierung, begonnen worden ist. In Brüssel wurde in der Europäischen Weltraumkonferenz der Einstieg in die moderne Technik wiederverwendbarer bemannter Orbitalsysteme durch Entwicklung des Weltraumlabors Spacelab in transatlantischer Zusammenarbeit beschlossen. Dort wurde auch entschieden, mit der Entwicklung der Ariane eine eigenständige europäische Trägerraketenkapazität aufzubauen. Der Rat der ESA hat dann im Jahre 1987 in Den Haag unter deutscher Präsidentschaft einen Langfristplan bis zum Jahr 2000 als Orientierungsrahmen beschlossen. Kernpunkte dieses Langfristplans sind neben den Nutzungsprogrammen der Aufbau einer Infrastruktur aus den Transportsystemen Ariane V, Hermes, dem Orbitalsystem Columbus und einem Bodenbetriebssystem. Diese Infrastrukturprogramme sind unerläßliche Voraussetzung für die Nutzung des Weltraums in der Zukunft. Diese Option dürfen und wollen wir nicht aufgeben.
Was Columbus angeht, so beraten wir heute in erster Lesung den Gesetzentwurf zu dem internationalen Übereinkommen über dieses Programm. Hierbei handelt es sich um die Einleitung der Ratifizierung eines Vertragswerks, das die Grundlage für eine bisher einzigartige wissenschaftlich-technologische Zusammenarbeit in der Völkergemeinschaft sein wird. Das Übereinkommen regelt die Zusammenarbeit bei einem gemeinsamen Projekt der westlichen Demokratien, das von der technischen Herausforderung her bisher unübertroffen ist. Als Hauptprinzipien des Übereinkommens möchte ich die Stichworte Partnerschaft und friedliche Zwecke hervorheben.
Art. 1 Abs. 1 umschreibt den Sinn der Kooperation als Partnerschaft zur langjährigen internationalen Zusammenarbeit bei Entwicklung, Betrieb und Nutzung einer ständig bemannten Raumstation. Europa hat damit die Position eines gleichberechtigten Partners der USA in der Weltraumforschung und -technik erreicht. Die Stellung Europas als vollwertiger Partner zeigt sich unter anderem in der Eigenverantwortung der
Europäer für Entwicklung und Bau der europäischen Elemente.
Hinsichtlich der friedlichen Zwecke stellt Art. 1 Abs. 1 fest, daß das Projekt eine „zivile Raumstation für friedliche Zwecke in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht" ist.
Der inzwischen erfolgte Beitritt Schwedens, Herr Kollege Catenhusen, zum Columbus-Programm unterstreicht in eindrucksvoller Weise den auch aus der Sicht eines neutralen Landes friedlichen Zweck der Kooperation.
Im Sommer 1989, nach dem Wechsel in den Spitzenpositionen der NASA und im Vorfeld größerer Budgetkürzungen durch den US-Kongreß hat es innerhalb der NASA Überlegungen zur Änderung der Konfiguration der Raumstation gegeben. Diese hätte sich auch auf Europa negativ auswirken können. Inzwischen hat sich die Situation jedoch gewandelt. Die Kürzungen durch den Kongreß für das Haushaltsjahr 1990 sind wesentlich moderater ausgefallen. Die Intervention der europäischen Partner hat ihre Wirkung getan.
Auch wenn Einzelheiten des Aufbaus der Raumstation zwischen ESA und NASA noch festzulegen und gewisse zeitliche Verschiebungen nicht auszuschließen sind, läßt sich nach heutiger Einschätzung feststellen: US-Administration und US-Kongreß haben inzwischen mehrfach klargestellt, daß ihre gegenüber den internationalen Partnern eingegangenen Verpflichtungen korrekt erfüllt werden.
Meine Damen und Herren, wie gesagt: Bei Ariane, Columbus und Hermes geht es nicht, wie Kritiker es sehen, um eine Olympiade der Technik, sondern um die Schaffung der notwendigen Voraussetzungen für die Nutzung der Raumfahrt. Nur mit diesen Programmen kann langfristig ein angemessener Beitrag Europas in den Bereichen Grundlagenforschung und angewandte Forschung und ein zunehmender Einsatz für Erdbeobachtung, Umweltüberwachung, Verifikation und Klimaforschung sowie eine gezielte Förderung der Telekommunikation gewährleistet werden.
Zur Sicherung einer angemessenen deutschen Rolle im ESA-Programm gehört zwingend ein angemessenes komplementäres nationales Programm.
Der Bundesregierung ist es trotz dieses komplexen Aufgabenbereiches und trotz erheblicher finanzieller Schwierigkeiten gelungen, in ihrem Haushalt für das Jahr 1990 die Weltraumforschung angemessen und den anderen Forschungsbereichen gegenüber ausgewogen zu veranschlagen.
Hinsichtlich der Kostenentwicklung möchte ich hier
ausdrücklich feststellen, daß gegenüber dem Jahr
1987 keine höheren Ansätze des langfristigen Kosten-
14406 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 186. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. Dezember 1989
Parlamentarischer Dr. Probst
rahmens für das gesamte Weltraumprogramm geplant sind, Herr Catenhusen.
Unsere heutigen Planungen auf der Grundlage des schon im Jahre 1987 von der Bundesregierung beschlossenen Orientierungsrahmens wurden konsequent und sparsam — sparsam! — fortgeführt, und dies, obwohl inzwischen zusätzliche, umfangreichere Programme aufgenommen worden sind. Ich möchte hier nur die Finanzierung des Hyperschallprogramms, die Kosten für die Kooperation mit der UdSSR wie auch Planungsansätze für einen Umweltsatelliten nennen.
Natürlich ist bei der Fortschreibung der mittelfristigen Finanzplanung in den nächsten und in den folgenden Jahren eine bedarfsgerechte Veranschlagung entsprechend diesen Planungen sicherzustellen.
Meine Damen und Herren, 1989 war für die deutsche Weltraumfahrt ein entscheidendes Jahr. Zum einen hat die Bundesregierung zur wirkungsvollen Durchführung ihrer Weltraumaktivitäten die Deutsche Agentur für Raumfahrtangelegenheiten, DARA, gegründet. Den dazugehörigen Gesetzentwurf, das Raumfahrtaufgabenübertragungsgesetz
— ein schwieriges Wort, zugegebenermaßen — , kurz RAÜG, beraten wir heute gleichfalls. Die Gründung der DARA war die notwendige Konsequenz aus den Beschlüssen der Bundesregierung zur Beteiligung der Bundesrepublik Deutschland an den weltweiten Initiativen zur Erschließung des Weltraums. Es galt, zur Umsetzung und Ausfüllung dieser Zielsetzung die Entscheidungs- und Managementstrukturen zu verbessern und die Aktivitäten in der Weltraumpolitik zu koordinieren.
Mit dem heute von der Bundesregierung abschließend vorgelegten Entwurf eines Gesetzes zur Übertragung von Verwaltungsaufgaben auf dem Gebiet der Raumfahrt wird die Voraussetzung dafür geschaffen, daß die für Raumfahrtangelegenheiten zuständigen Bundesressorts auf die DARA auch hoheitliche Aufgab en zur eigenverantwortlichen Durchführung übertragen.
Diese gesetzliche Ermächtigung ermöglicht eine Delegation aller Aufgaben des Raumfahrtmanagements, die nicht als Regierungsfunktionen bei den Bundesressorts verbleiben müssen. Damit erhält die DARA eine über die bisherige Projektträgerschaft deutlich hinausgehende Eigenverantwortlichkeit im Projektmanagement der Raumfahrt.
Die Gründung der DARA ist nicht das einzige für das deutsche Engagement im Weltraum bedeutsame
Ereignis des Jahres 1989. Die Industrie hat mit der Gründung der Deutschen Aerospace AG und der Fusion von MBB und Daimler-Benz ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit gestärkt. Um den wirtschaftlichen Erfolg der Technologieförderung in seiner ganzen Breite verfügbar zu machen, wird die Bundesregierung auch weiterhin bemüht sein, die kleinen und mittleren Unternehmen, die viel Flexibilität und Innovationsfähigkeit bewiesen haben, noch stärker als bislang zu integrieren.
Die Bundesregierung hat ihr Weltraumkonzept im Bericht des Koordinators für Luft- und Raumfahrt, der im April 1989 vorgelegt wurde, kurz dargelegt. Ein ausführlicher Bericht des Bundesforschungsministers an den Forschungs- und Technologieausschuß des Bundestages wurde ebenfalls im April 1989 vorgelegt.
Zum Schluß möchte ich noch kurz auf den vom Forschungsausschuß behandelten SPD-Antrag zur Weltraumpolitik zurückkommen.
Da findet sich so manche Gemeinsamkeit mit der Politik der Bundesregierung. Das freut mich natürlich. Wesentliche Elemente des Antrags muß die Bundesregierung jedoch zurückweisen. Ein Verzicht auf Columbus und Hermes bedeutet die Aufgabe der seit den Beschlüssen von Brüssel im Jahre 1972 kontinuierlichen Politik aller Bundesregierungen in den Fragen der bemannten Raumfahrt und der Transportsysteme. Er würde die auch vom Antragsteller geforderte internationale Zusammenarbeit mit den USA, mit Kanada und Japan, in Europa — dort vor allem mit Frankreich — ernstlich gefährden.
Ich darf das Hohe Haus bitten, die Bemühungen um eine zukunftsträchtige Weltraumpolitik mitzutragen und die Bundesregierung zum Wohle der europäischen, ja der freien Völkergemeinschaft kräftig zu unterstützen.