Rede von
Karl
Lamers
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! In dieser Nacht ist der so-
14404 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 186. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. Dezember 1989
Lamers
wjetische Friedensnobelpreisträger Andrej Sacharow gestorben. Man hat Andrej Sacharow den Vater der sowjetischen Wasserstoffbombe genannt. Ihn hat, wie viele seiner naturwissenschaftlichen Kollegen in aller Welt, der Blick in die Schrecken der technologischen Entwicklung zu einem Vorkämpfer einer neuen, friedlichen Ordnung auf dieser Welt gemacht. Er hat sich viel früher als viele andere, vor allen Dingen als seine Landsleute, für eine neue, für eine friedliche Ordnung und für Abrüstung eingesetzt. Aber er hat gewußt, daß der Frieden letztlich auf der Achtung der Menschenrechte und auf einer demokratischen Ordnung basiert. Er hat sich dafür in einer Weise und unter Umständen eingesetzt, von der ich meine, daß sie unseren höchsten Respekt verdient.
Andrej Sacharow war ein Vorkämpfer der Perestroika. Er hat wesentlich die moralischen Fundamente für eine wirkliche Neuformierung, für eine Neufundierung der sowjetischen Gesellschaft gelegt. Da dies für uns alle von so fundamentaler Bedeutung ist, sind wir ihm zu Dank verpflichtet, aber darüber hinaus auch deswegen, weil er sich für die Rechte der Deutschen in der Sowjetunion eingesetzt hat.
Ich finde, wir sollten seiner hier in Achtung gedenken.
Meine Damen und Herren, von Staatsminister Schäfer, vom Kollegen Feldmann und vom Kollegen Lowack ist zu Recht gesagt worden, daß wir die Argumente zu unserem Thema mehr als hinreichend ausgetauscht haben.
Kollege Scheer, ich verstehe ganz Ihr Engagement angesichts der Gefahren, die mit einer Verbreitung von atomaren Waffen in der sogenannten Dritten Welt verbunden sind. Wer wollte diese Gefahren übersehen?
Aber erstens ist es doch so, wie Staatsminister Schäfer und auch Kollege Feldmann gesagt haben, daß die Gruppe, die Sie hier ansprechen wollen, nicht nur unterschiedliche, sondern geradezu gegensätzliche Interessen hat und daß das von daher ganz gewiß das ungeeignetste Instrument ist, um Ihrem Ziel näherzukommen.
Zweitens. Mich stört wirklich — ich habe Ihnen das schon oft gesagt —, daß Sie hier eine Politik gegen die Allianz, gegen maßgebliche Mächte in der Allianz, betreiben wollen, nämlich gegen die Nuklearmächte. So sehr wir auch Interessen mit den Nicht-Nuklearwaffenstaaten in aller Welt gemein haben: In erster Linie haben wir gemeinsame Interessen mit unseren Allianzpartnern.
Der Weg, den Sie einschlagen, kann deswegen nicht zum Erfolg führen.
Ich meine, das müßte Ihnen gerade auch angesichts der Entwicklungen, die wir zu verzeichnen haben, einleuchten. Wenn wir bescheidene Erfolge in der atomaren Abrüstung haben und wenn sich größere im Staat abzeichnen, dann ist das ja nicht das Ergebnis des Druckes auch von seiten der Nicht-Kernwaffenstaaten aus der Dritten Welt, sondern dann ist es das Ergebnis der zunehmenden Kooperation zwischen den atomaren Supermächten, und dann ist es das Ergebnis nicht zuletzt auch unseres, des deutschen, Einflusses innerhalb der Allianz auf die Vereinigten Staaten. Das ist das entscheidende Mittel, um auch bei der atomaren Abrüstung weiterzukommen. Sie gefährden mit Ihrer Haltung diese Möglichkeit.
Deswegen bitte ich vor allen Dingen die sozialdemokratische Fraktion, einmal zu überlegen, ob sie dem Kollegen Scheer weiterhin dieses Steckenpferd in dieser Weise überlassen will. Ich würde dafür plädieren, es nicht zu tun.
Vielen Dank.