Rede von
Dr.
Inge
Segall
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Meine lieben Kollegen und Kolleginnen! Zum Zeitpunkt der Drucklegung des Antrags, also am 6. Dezember 1988, waren die Vorstellungen der GRÜNEN noch eine nette Nikolausüberraschung. Wer konnte schon ahnen, daß die damaligen Gegebenheiten durch die rasante Entwicklung der Ereignisse in der DDR, insbesondere in den letzten Wochen, heute total überholt sein würden? Die Veränderungen in der DDR bieten nun Chancen, die auch im Umweltschutz ganz neue Dimensionen eröffnen.
Die Idee der GRÜNEN, einen Umwelt-Swing einzurichten — also die Gewährung von zinsfreien Krediten für die DDR —, ist im Grunde ein alter Hut. Neu ist daran nur die Verwendungsgebundenheit für Umweltschutzmaßnahmen. Schon heute stehen finanzielle Mittel bereit. Hier verweise ich auf den bestehenden Swing und auf die Kredite der Kreditanstalt für Wiederaufbau, die auch für den Umweltschutzbereich verwendet werden können. Diese Mittel wurden jedoch nie voll ausgeschöpft. Die Planwirtschaft mit ihrer Bürokratie konnte die angebotene Hilfe nicht in sinnvolle Projekte umsetzen.
Außerdem schlagen die GRÜNEN einen UmweltFonds mit einem Finanzvolumen von 2 Milliarden DM vor, im Jahre 1988 eine beachtliche Summe und als Mittel für eine marode Planwirtschaft nicht zu vertreten. Ich weiß, daß noch ganz andere Beträge in Fässer ohne Boden geschüttet wurden, aber man muß ja nicht alle Fehler ständig wiederholen.
Daher bestehen wir heute auf bestimmten Voraussetzungen für Investitionen. Eine dieser Voraussetzungen ist die Veränderung der ökonomischen und rechtlichen Rahmenbedingungen in der DDR. Wenn in der DDR der Privatbesitz von Produktionsmitteln rechtlich verankert wird, wird privates Kapital aus der Bundesrepublik, aber auch aus anderen Ländern in die DDR fließen und dort für Investitionen zur Verfügung stehen,
und diese finanziellen Mittel sind dringend erforderlich, wenn der DDR geholfen werden soll. Die Summen, die benötigt werden, um wirkungsvoll zu helfen, übersteigen bei weitem die im öffentlichen Haushalt gegebenen Möglichkeiten, ganz abgesehen davon, daß wir Liberalen der Meinung sind, daß dies nicht Aufgaben des Staates sind.
Wenn wir dennoch, wie hier vom Parlamentarischen Staatssekretär Gröbl sicherlich noch vorgetragen wird, zahlreiche Projekte mit Staatsmitteln fördern, so vor allem deshalb, weil dies bis heute im Umweltschutz die einzige Möglichkeit war, der DDR und damit sicherlich auch uns zu helfen.
Diese Projekte können jedoch nur Pilotcharakter haben. Zu einer Sanierung der Wirtschaft bedarf es der entsprechenden Rahmenbedingungen, Rahmenbedingungen, die auch ein umweltfreundliches Wirtschaften ermöglichen.
Im Wege der Erneuerung des Produktionsapparates der DDR können Umweltschutztechniken unmittelbar Anwendung finden. Ein so integrierter Umweltschutz hat den Vorteil — das gilt natürlich auch für unsere Wirtschaft — , kostengünstig, wenn nicht sogar kostensenkend zu sein.
Es gibt allerdings auch noch andere Möglichkeiten, die Umweltschutztechniken in der DDR zu verbessern. Hierbei denke ich vor allem an Kompensationsregelungen, also an ökonomische Anreize für westdeutsche Unternehmen, damit diese in Umweltschutztechniken für die DDR investieren. Die Novelle des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zielt u. a. auf eine Beendigung der zu engen räumlichen Begren-
Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 185. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. Dezember 1989 14389
Frau Dr. Segall
zung von Kompensationsmöglichkeiten. Warum sollten wir die Kompensationsregelungen nicht auf die DDR ausweiten? Es wäre doch sinnvoll, im Sinne eines Technologietransfers unsere Filteranlagen in Kraftwerke der DDR einzubauen. Westdeutsche Firmen könnten also das Geld, das sie in Maßnahmen zur Verminderung bereits wesentlich niedrigerer Emissionen stecken würden, in der DDR investieren und dort eine viel höhere Umweltentlastung bewirken.
Wenn der deutsch-deutsche Einigungsprozeß weiter fortgeschritten ist, könnte man ferner überlegen, ob eine Zertifikatslösung ökonomisch und ökologisch sinnvoll wäre.
Ich danke Ihnen.