Rede von
Dietmar
Schütz
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Entwicklungen in der DDR haben diesen Antrag der GRÜNEN eigentlich überholt.
Gleichwohl bietet er natürlich aktuellen Anlaß, sich mit den hinter diesem Antrag stehenden Problemen und Fragen zu beschäftigen. Ich stimme dem hinter dem Antrag versteckten Ansatz zu, sich bei einer Hilfe für den Umweltschutz in der DDR primär der Frage des effizienten Energieeinsatzes und der damit schon ohne Rückhaltetechniken einzusparenden Emissionen zuzuwenden.
Wir sind, soweit ich das auch aus der Etatrede von Herrn Töpfer und aus den Gesprächen gestern mitbekommen habe, was den Stellenwert dieser Frage betrifft, auch mit der Regierung überein. Die Zahlen sprechen nämlich eine solch beredte Sprache, daß man sie nur nennen muß, um zu überzeugen. Herr Töpfer hat schon in seiner Etatrede von der Ineffizienz der Stromherstellung aus Kohle gesprochen. Die DDR braucht 850 Gramm Kohle für die Herstellung einer Kilowattstunde, wir brauchen dafür 350 Gramm. Dies macht schon deutlich, wie ineffizient das ist. Die DDR braucht etwa ein Drittel mehr Steinkohleeinheiten zur Beheizung der Wohnungen als wir. Während die westlichen Industrieländer den Nutzungsgrad der Energie nach dem Ölpreisschock um etwa 20 % gesteigert haben, sind die Ostblockländer auf dem sowieso schon schlechten Nutzungsgrad geblieben. Der Abstand hat sich deutlich vergrößert. Darüber hinaus liegt der Energiepreis in der DDR nur bei etwa 30 % unseres Preisniveaus.
Ich habe vor kurzem einen Vertreter der DDR bei Verwandten erlebt, der sich über die Kälte in unseren Wohnungen mokierte. Er hat gesagt: Bei euch friert ja der Arbeiter. Dem lag die Tatsache zugrunde, daß er es von zu Hause gewohnt war, daß er in eine bullenheiße Wohnung hineinkam, hier aber erlebte, daß die Heizungen abgesenkt wurden, beispielsweise nachts und wenn man zur Arbeit ging. Deshalb sagte er: Ihr friert ja.
Diese Haltung und die mangelnde Effizienz bei der Energieausbeute machen doch deutlich, was noch gemacht werden muß. Wir müssen neue Kraftwerke mit effizienter Energieausnutzung bauen
und Rückhaltetechniken installieren. — In der DDR müssen diese gebaut werden. Darüber gibt es — auch gestern in den Gesprächen, die wir gehabt haben — keinen Zweifel, und Sie waren damit einverstanden. Sie waren bei dem Gespräch gestern ja dabei. —
Es muß auch eine effiziente Ausnutzung in den Wohnungen sein. Es muß also in den Wohnungen dort etwas gemacht werden. Das sagen Sie in Ihrem eigenen Antrag ja auch, und da stimmen wir zu.
Es ist hier nicht der Ort, sich konkret mit der Frage zu beschäftigen, Herr Harries, ob Stromlieferung,
14388 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 185. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. Dezember 1989
Schütz
auch Atomstrom, aus dem Westen bei gleichzeitiger Einstellung der umweltbelastenden Stromerzeugung aus Braunkohle das geeignete Konzept ist oder ob eine Mischstrategie zwischen massiver Energieeinsparung, wie auch die GRÜNEN das sagen, und einer differenzierten Nutzung der Energieträger Braunkohle, Steinkohle, Gas und Öl der bessere Weg ist. Möglicherweise muß man für eine Übergangszeit auch Stromlieferungen haben und dann in eine Mischstrategie hineingehen. Das erfordert eine umfangreiche Debatte, die wir noch führen müssen.
Die von den GRÜNEN genannten Finanzierungsinstrumente eines Umwelt-Swings und eines UmweltFonds halte ich nicht für abwegig. Unsere sozialdemokratischen Ökonomen haben selbst eine Steigerung des Überziehungskredits von jetzt 850 Millionen DM auf dann jährlich 5 Milliarden DM in fünf Jahren vorgeschlagen. Dies ist also ein Weg, den wir auch gehen wollen, um daraus Umweltprojekte zu finanzieren.
Wir wissen aber, daß dies alles nicht reicht. Allein die Kosten für eine moderne, ökologische Energieversorgungsstruktur werden von den Kollegen meiner Fraktion aus den Wirtschaftsbereichen auf etwa 200 Milliarden DM geschätzt. Die Palette der von uns zu diskutierenden wirtschaftlichen Instrumente ist deshalb wesentlich breiter, Herr Knabe, als nur Swing und Umwelt-Fonds, und sie ist abschließend noch gar nicht zu überschauen. Wir müssen neben der direkten Projektförderung — das ist der Weg, den Herr Töpfer jetzt geht, Herr Harries; das ist auch ein Weg, den man einschlagen kann — auch für andere Möglichkeiten Rahmenbedingungen schaffen. Das werden die Förderprogramme der Kreditanstalten sein, das werden Förderprogramme der Deutschen Ausgleichsbank sein und andere. Es bieten sich verschiedene Formen an.
Eines aber wurde uns von den Umweltverbänden der DDR gestern deutlich gemacht: Einen Ausverkauf ihrer Wirtschaft und eine Übernahme ihrer Energieversorgung durch unsere Energieversorgungsunternehmen darf es nicht geben. Das ist das, was sie von uns gefordert haben. Und es darf bei uns folgendes nicht geben: Die enormen Umweltdefizite der DDR dürfen bei uns nicht den Vorwand dafür liefern, eigene Defizite nicht mehr zu nennen. Das ist für uns die Formel.
Ich danke Ihnen.