Rede von
Dr.
Jürgen
Warnke
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der Tat, Frau Kollegin Walz, hätte die Kollegin Adam-Schwaetzer es sich nicht nehmen lasen, das Fähnlein der vierzehn Getreuen bei dieser Aussprache heute persönlich zu begrüßen,
14384 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 185. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. Dezember 1989
Bundesminister Dr. Warnke
wenn sie sich nicht auf dem Weg nach Lomé befände.
Wenn es einen Grund gibt, daß das britische Beispiel, nämlich die Figur des „house in committee" — das Haus tagt als Ausschuß —, übernehmenswert erscheint, dann ist es unser Treffen heute abend hier. Ich danke Ihnen, daß Sie Interesse und Teilnahme an der großen weltweiten Entwicklungszusammenarbeit bekunden.
Wenn es, meine Damen und Herren, eines Beweises bedarf, daß die morgige Unterzeichnung ein Signal zur rechten Zeit ist, dann möchte ich das Stichwort „europäischer Binnenmarkt 1992" nennen. Lomé beweist: Europa bleibt für die Dritte Welt offen. Die Europäische Gemeinschaft ist sich auch weiterhin ihrer Verantwortung für das Schicksal der Menschen in den Entwicklungsländern bewußt.
Zum Stichwort „Reformbewegungen in Mittel- und Osteuropa". Lomé IV beweist: Hilfe für Mittel- und Osteuropa geht nicht auf Kosten der Entwicklungshilfe. Das Gegenteil ist wahr. In den nächsten fünf Jahren wird die Gemeinschaft den AKP-Staaten 12 Milliarden ECU für ihre wirtschaftliche und soziale Entwicklung zur Verfügung stellen. Dies ist eine Steigerung von nominal 40 %; es ist eine Steigerung von real 20 %. Dies wurde zum gleichen Zeitpunkt beschlossen, in dem sich die Gemeinschaft zu einer kraftvollen Hilfe für die Länder Mittel- und Osteuropas bereit erklärte.
Mit diesem Zuwachs wird auch dem Beitritt neuer Mitglieder, der Dominikanischen Republik und Haitis, Rechnung getragen. Wir alle hoffen — und die Signale stehen über die Erwartung gut — , daß auch Namibia in kurzer Zeit dazugehören wird.
Die Bundesrepublik Deutschland wird sich mit 5,8 Milliarden DM an der Finanzierung des nächsten Europäischen Entwicklungsfonds beteiligen. Wir bleiben damit auch bei Lomé IV die größten Geber.
Mit dem vierten Abkommen von Lomé werden neue entwicklungspolitische Herausforderungen aufgegriffen. Ich möchte vier Beispiele hervorheben.
Der Schutz und die Wiederherstellung der Umwelt und der natürlichen Lebensgrundlagen werden als Querschnittsaufgabe der Entwicklungspolitik erfaßt.
Erstmalig werden umfassende Mittel für die Unterstützung von Strukturanpassungsmaßnahmen in den AKP-Ländern vereinbart. Es sind insgesamt weit über eine Milliarde ECU, also mehr als 10 % der Mittel, die für den europäischen Entwicklungsfonds vorgesehen sind. Daß wir damit und mit den Bemühungen, die über Weltbank und Währungsfonds unternommen werden, Entwicklungshilfe aus einem Guß schaffen, ist ein Aktivposten und kein Nachteil von Lomé IV.
Wir haben die Rolle der nichtstaatlichen Akteure, insbesondere des Privatsektors, im Entwicklungsprozeß betont. Die Förderung privater Unternehmer, d. h. besonders der kleinen und mittleren Unternehmer, wird unter Lomé IV eine wesentliche Bedeutungssteigerung erhalten.
Wir haben schließlich im neuen Abkommen den Menschen und seine Würde in den Mittelpunkt aller Entwicklungsanstrengungen gestellt. Erstmals — bei Lomé III war uns das nicht gelungen — wird auch rechtsverbindlich festgehalten: Entwicklung und Achtung der Menschenrechte bedingen einander.
Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, so wichtig Transfers für Entwicklungshilfe sind und so sehr viele dem Irrtum unterliegen, sie seien das Herzstück der Entwicklungshilfe: Wichtiger ist es, daß wir im handelspolitischen Bereich Bremsklötze wegziehen, die es den Menschen in den Ländern der Dritten Welt erschweren, wenn nicht unmöglich machen, Früchte ihres eigenen Fleißes auch zu ernten.
Bei Lomé wird der Marktzugang für Agrarprodukte verbessert. Sicher reifen nicht alle Blütenträume. Bei der Lockerung der Ursprungsregeln oder bei der Erhöhung der Kontingente für bestimmte Erzeugnisse gibt es Verbesserungen. Das Ergebnis: Heute sind 95 % der Importe der Gemeinschaft aus den AKP-Staaten liberalisiert. Diesen Weg werden wir weitergehen.
Eine Festung Europa, Herr Kollege Brück, gibt es eben nicht im Zeichen vom Lomé IV, wo Schranken gegenüber dem europäischen Markt zwar nicht restlos beseitigt, aber doch erheblich verringert werden.
Das System zur Stabilisierung der Erlöse aus Rohstoffexporten wird ebenfalls in zweifacher Hinsicht fortentwickelt. Daß die Bundesregierung einen eigenen Anlauf unternehmen wird, im neuen Jahr das Weltkaffeeabkommen wiederherzustellen, ist eben ganz maßgeblich auch auf den Bereich der afrikanischen Kaffeeanbauer abgestellt, die vom Zusammenbruch des Abkommens und der Preise am härtesten betroffen worden sind.
Meine Damen und Herren, wir haben mit Lomé IV den Rahmen und die Instrumente bereitgestellt, die zur Bewältigung der entwicklungspolitischen Herausforderungen in den AKP-Staaten bis zur Jahrtausendwende nötig sind.
Die Anregung des Kollegen Höffkes, einen Rahmen zu beschließen, der über den fünfjährigen Turnus hinausgeht, wird in Lomé IV verwirklicht. Wir werden außerhalb des Finanzteiles eine Zehnjahresdauer haben. Das nimmt allen den Wind aus den Segeln, die uns vorwerfen, Europa sei das Hemd näher als der Rock.
Lomé IV beweist: Die Gemeinschaft der Zwölf in Europa ist und bleibt ein verläßlicher Partner der Dritten Welt.