Rede von
Ingrid
Walz
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Die Frage ist erlaubt: Ist Lomé IV ein Wechselbalg oder ein Meilenstein der Entwicklungspolitik? Die einen sprechen nämlich von einem neuen Kolonialismus, die anderen von einer Parität der Partnerschaft. Wieder andere würden die Dritte Welt am liebsten sich selbst überlassen, dies vor allem vor dem Hintergrund der jüngsten Entwicklungen in Europa.
Trotz Skepsis gegenüber der Wirkung der vorhergehenden Abkommen, die wahrscheinlich Schlimmstes verhütet haben, wird mit Lomé IV auf jeden Fall von einer Geber-Nehmer-Philosophie alter Prägung Abschied genommen. In dem neuen Abkommen wird partnerschaftliche Zusammenarbeit auf Feldern for-
Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 185. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. Dezember 1989 14383
Frau Walz
muliert, die nicht nur für die Länder der Dritten Welt, sondern auch für uns, also weltweit, von Bedeutung sind. Beispielhaft werden in diesem Abkommen traditionelle Inhalte von Entwicklungspolitik mit den Vorteilen von Handelsbeziehungen verbunden, und auch die Wahrung der Menschenrechte wird in den Mittelpunkt dieses Vertragswerkes gestellt.
Meine Damen und Herren, Ursachen und Wirkungen von Fehlern der Entwicklungspolitik im Zusammenhang mit unterlassenen Eigenanstrengungen haben zu strukturellen Problemen vieler Volkswirtschaften in den Staaten der Dritten Welt geführt. Lomé IV ist ein Vertragswerk — wir hoffen es wenigstens —, das die Mobilisierung von Marktkräften und Eigeninitiative sowie die Verbesserung der weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen zum Inhalt haben muß.
Der Ausbau des privaten Sektors, der bisher eigentlich von niemandem angesprochen wurde, sowie die Schaffung eines guten Investitionsklimas sind nämlich Voraussetzung für eine sich selbst tragende wirtschaftliche Entwicklung.
Wie wir wissen, bedarf es dazu einer Vielzahl kleiner privater Initiativen. Wir werden das in den nächsten Monaten in den Staaten des Ostblocks erleben. Denn nur dort, wo der einzelne privatwirtschaftlich tätig werden kann, werden Kapital und Know-how auch optimal eingesetzt.
Nur dort, wo privatwirtschaftliche Kooperation den Austausch von Gütern und Dienstleistungen bestimmt, zeigt sich wirkliche nachhaltige Entwicklung.
Die Absicht, künftig im industriellen Bereich verstärkt kleinere und mittlere Unternehmen zu fördern, ist deshalb nachdrücklich zu unterstützen. Dazu zählen auch Diversifizierungsmaßnahmen und das Angebot, die Exportpalette zu erweitern.
Meine Damen und Herren, ein entscheidender Durchbruch für eine weitergehende Liberalisierung des Welthandels kann jedoch nur von einem erfolgreichen Abschluß der laufenden GATT-Verhandlungsrunde erwartet werden. Die Europäische Gemeinschaft muß dazu einen wichtigen Beitrag leisten. Dieselben Hoffnungen knüpfen sich auch an die Vollendung des europäischen Binnenmarktes.
Ein wichtiger Aspekt dieses Abkommens ist die zwar kurz, aber präzis beschriebene Rolle der Frauen im Entwicklungsprozeß. Wie Sie wissen, hängt von der Einsicht, von der Stärke und von dem Wirtschaften der Frauen in der Dritten Welt nicht nur die Sicherung des Lebensunterhalts, sondern auch eine erfolgreiche Bevölkerungspolitik ab. Bisher wurde die Rolle der Frau im weltweiten Geschehen als untergeordnet betrachtet. Dies hat sich, wie wir wissen, gerächt und macht jetzt große Anstrengungen nötig, um entscheidende Faktoren der Unterentwicklung zu beseitigen.
Der Schutz von Umwelt und natürlichen Ressourcen hat einen besonderen Stellenwert erhalten. Dabei sollen Initiativen zur Erhaltung tropischer Wälder, eine systematische Einbeziehung des Umweltschutzes und die Durchführung von Umweltverträglichkeitsprüfungen bei der Projektbeurteilung erfolgen. Dies ist angesichts der mit den Problemen verbundenen globalen Auswirkungen auch dringend geboten. Allerdings werden sich bei der Lösung dieser Probleme nur dann Erfolge einstellen — ich muß das noch einmal sagen — , wenn die dafür maßgebenden Ursachen erkannt und beseitigt werden.
Hierzu bedarf es auch einer Zusammenarbeit im Energiesektor; wir haben das in unseren gemeinsamen Antrag hineingeschrieben. Es wird um die Hilfe bei der Erschließung und Nutzung umweltverträglicher erneuerbarer Energiequellen sowie um die Energieeinsparung und um die Verbesserung der Energieeffizienz gehen.
Meine Damen und Herren, das neue Abkommen sieht ein Gesamtfinanzvolumen von 12 Milliarden ECU vor. Dem Vernehmen nach war der Finanzpoker erheblich und hat dem Feilschen auf Märkten geglichen. Wir sind jedoch der Auffassung, daß die jetzt gefundene Ausstattung dem Bedarf entspricht, der sich aus der Intensivierung der Zusammenarbeit und den neu hinzugekommenen Aufgaben ergibt.
Stellvertretend für meine Fraktion begrüße ich das Zustandekommen dieses Vertrages, der wesentliche Verbesserungen beinhaltet. Ich darf in diesem Zusammenhang besonders die Rolle von Frau Staatsministerin Dr. Adam-Schwaetzer hervorheben, die morgen zur Unterzeichnung des Abkommens in Lomé ist. Ich bedaure sehr, daß sie deshalb nicht hier sein kann.
Gleichzeitig möchte ich auf eine bisher noch nicht realisierte Forderung hinweisen; Sie, Herr Brück, haben sie angesprochen. Es geht dabei um die Übernahme des Europäischen Entwicklungsfonds in den Haushalt der Gemeinschaft. Dies scheint nicht nur auf Grund der gewachsenen Bedeutung der Europäischen Gemeinschaft im Bereich der Entwicklungspolitik geboten, sondern auch im Interesse einer weiteren Kompetenz des Europäischen Parlamentes.