Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Stark, ich habe mich auch mit der Begründung zum Antrag „Namensrecht" beschäftigt. Ich habe diesen Antrag etwas anders interpretiert. Aber ich komme noch auf Ihre Argumentation zu sprechen. Ich würde nur empfehlen, sich innerhalb des „europäischen Hauses" , von dem Sie so häufig reden, zu informieren, wie das anderswo geregelt wird. Dann kann man zumindest nicht den Verdacht hegen — zumal das auch in romanischen Ländern so ist — , daß hier die Familie plötzlich in Gefahr sei.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir behandeln unter dem Punkt 14 — das ist in der Tat die Crux der Diskussion — sehr unterschiedliche Initiativen. Das macht die Diskussion etwas schwierig.
Es sind einerseits Aufforderungsanträge, es sind andererseits Gesetzesinitiativen. Sie haben eigentlich nur eines gemeinsam — Herr Dr. Stark, hier möchte ich Ihnen zustimmen — : Es gibt einen gemeinsamen familienpolitischen oder familienrechtlichen Bezug.
Ich will mich zunächst mit dem Entwurf der Bundesregierung befassen, der den schönen Titel trägt — man muß sich das einmal auf der Zunge zergehen lassen — : „Entwurf eines Gesetzes über die rechtliche Möglichkeit des Umgangs zwischen Vater und nichtehelichem Kind ". Dann kommt eine Abkürzung, die ich schlecht zitieren kann. Es wird also eine Neuordnung des Rechts des Vaters auf Umgang mit seinem nichtehelichen Kind verheißen.
Ich beginne mit diesem Gesetzentwurf deswegen, weil da die Gefahr, daß er Gesetzeskraft erlangt, am größten ist. Materiell, meine Damen und Herren, geht es um eine Änderung des § 1711 Abs. 2 Satz 1 BGB, der bisher dem Vater — Herr Stark hat das schon ausgeführt — des nichtehelichen Kindes mit Hilfe des Vormundschaftsgerichts ein Umgangsrecht gegen den Willen der Mutter ermöglicht, und zwar unter der Voraussetzung, daß dieser Umgang dem Wohle des Kindes dient. Es ist in der Tat ganz wichtig, daß man diesen Wortlaut im Gedächtnis behält. Nun soll offen-
14368 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 185. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. Dezember 1989
Dr. Pick
bar eine ziemlich unscheinbar wirkende Änderung dieses Wortlauts das Umgangsrecht auf völlig neue Füße stellen. Statt „dem Wohle des Kindes dient" soll es heißen: „dem Wohle des Kindes nicht widerspricht" .
Das heißt — und da muß ich Frau Oesterle-Schwerin zustimmen — , die Anforderungen an die Voraussetzungen der Einräumung des Umgangsrechts werden heruntergeschraubt.
Nicht die Förderung des Wohls des Kindes ist entscheidend, sondern in einer sozusagen ganz neutralen Beurteilung wird formuliert: Das Umgangsrecht darf zwar nicht schaden, aber es schadet auch nichts, wenn es nichts nützt, so würde ich das einmal ausdrükken.
Man fragt sich also, warum diese Operation notwendig ist.
Es stellt sich die Frage: Ist denn auch ein noch so kleiner Fortschritt im Hinblick auf das Kindeswohl wirklich entbehrlich? Mir scheint eher, Herr Minister, daß die ganze Neuregelung entbehrlich ist.
Ich finde, meine Damen und Herren, wenn wir schon Gesetze machen, dann doch mit dem Ziel, daß Recht und Gerechtigkeit wenigstens ein klein wenig nach vorne gebracht werden.
Das scheint mir hier in der Tat zweifelhaft.
Diese Zweifel, Herr Kollege Stark, werden auch nicht durch die relativ umfängliche Begründung ausgeräumt, zumal es dort ja ausdrücklich heißt — das werden Sie der Begründung schon entnommen haben —, daß auch der geltenden Vorschrift, wie sie jetzt im BGB steht, nicht schlechthin die Eignung zu bestreiten sei — und jetzt zitiere ich wörtlich — , „bei sensibler Handhabung am Wohl des nichtehelichen Kindes orientierte Entscheidungen zu ermöglichen". Also, eigentlich kommt die bisherige Rechtsprechung mit dieser Vorschrift recht gut zu Rande. Um so mehr frage ich mich — da erinnere ich mich an den Kollegen Kleinert, der immer sagt, man solle unnütze Gesetze möglichst nicht machen — , warum das Ganze hier eigentlich notwendig sein soll.
Der Entwurf, meine Damen und Herren, knüpft zwar verbal an die Kritik, die in der rechtspolitischen Diskussion zum Teil gegen diese Vorschrift geltend gemacht wird, an. Das ist zuzugeben, da gibt es durchaus eine Kontroverse. Aber in einem sind sich diese Kritikerinnen und Kritiker jedenfalls einig: Sie fordern mindestens auch die Möglichkeit eines gemeinsamen Sorgerechts der Eltern. Das ist die Mindestforderung. Häufiger wird sogar eine Gesamtreform des Nichtehelichenrechts gefordert — bis hin zur Schaffung
eines einheitlichen Kindschaftsrechts für eheliche und nichteheliche Kinder. Das heißt also, alle wollen eigentlich mehr. Sie wollen eine Gesamtlösung.
Was tut die Bundesregierung? Sie greift hier ein Sonderproblem heraus und etikettiert den Fall zum „nichtehelichen Umgangsgesetz". Sozusagen zur eigenen Rechtfertigung wird das Vorhaben auch ein bißchen in Frage gestellt, denn es wird hier gesagt: „Der Entwurf" — ich zitiere jetzt wörtlich — „gibt jedoch einem vorsichtigen, schrittweisen Vorgehen gegenüber grobflächigen Reformansätzen den Vorzug." Ist denn das die Alternative zu dem, was gesagt wird und wie hier gehandelt wird? Wir sagen nein.
Für uns steht fest, daß die nichteheliche Lebensgemeinschaft als eine gesellschaftliche Realität einer Regelung zugeführt werden muß, über die man sich sicher im einzelnen streiten kann — insbesondere über die Frage: Wie dicht muß diese Regelung sein? —, die aber mit Sicherheit nicht grobflächig, sondern nach unserer Auffassung differenziert ausgestaltet werden muß. Sie hat auch auf die unterschiedlichen soziologischen Befunde in diesem Bereich einzugehen, und zwar in einer Form, die nicht, wie in diesem Entwurf, einseitig nur die Stellung des Vaters gegenüber Mutter und Kind verstärkt, ohne die Belange von Mutter und Kind zu berücksichtigen, sondern die auch die Frage nach den Pflichten des Vaters stellt.
Rechte und Pflichten müssen sich entsprechen, und es kann z. B. auch nicht beliebig sein, ob sich der Vater, der sich dieses Recht erstritten hat, dann jederzeit ohne weiteres von diesem Kontakt wieder zurückziehen kann. Wir wissen, daß in diesen Fällen ein eher seelisch geschädigtes Kind zurückbleibt.
In der Anhörung der SPD-Fraktion zu den Problemen der nichtehelichen Lebensgemeinschaft am 23. und 24. August letzten Jahres ist deutlich geworden, daß sorgerechtliche Regelungen sehr differenziert die Vater-Kind-Beziehung aufnehmen müssen. So kann ein gemeinsames Sorgerecht in vielen Fällen dem Willen des Vaters zu einer positiven Vater-Kind-Beziehung und dem Einverständnis der Mutter entsprechen. In anderen Fällen kann ein abgestuftes Umgangsrecht angemessen sein.
Wir kritisieren an dem vorliegenden Entwurf, daß er sich allein auf die konflikthafte Beziehung zwischen der sorgeberechtigten Mutter einerseits und dem Vater andererseits beschränkt, der mit Hilfe des Vormundschaftsgerichts sein „Recht" erstreiten muß. Es gibt sicher solche Fälle, wo dies das einzige Mittel sein kann, um eine — was es ja auch gibt — eigensüchtige Mutter zur Gestattung des Umgangs zum Wohle des Kindes zu zwingen, aber das ist mit Sicherheit nicht der Normalfall. Es ist schon gesagt worden: Die Mehrzahl der Mütter wünscht den Kontakt mit dem Vater. Auf der Vaterseite ist das ganz anders; die meisten nichtehelichen Väter wünschen überhaupt keinen Kontakt zu ihren Kindern.
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— Auch diese soziologischen Befunde, Herr Kollege Stark, werden in diesem Entwurf noch nicht einmal angesprochen, geschweige denn aufgearbeitet. Wir meinen, daß man heute solche Gesetze ohne entsprechende Grundlagen nicht machen kann und daß sie insbesondere dann unnötig sind, wenn sie an der Lebenswirklichkeit vorbeigehen und in diesem Fall aus unserer Sicht die Rechtslage eher verschlechtern als verbessern. Wir sind aber gern zur Hilfestellung bereit und stellen der Bundesregierung die Erkenntnisse, auch die Aussagen der Gutachter aus unserer Anhörung vom letzten Jahr, gerne zur Verfügung.
Ich möchte jetzt zum Antrag der GRÜNEN kommen, zunächst zum Tagesordnungspunkt 14 d. Hier fordert die Fraktion DIE GRÜNEN die Bundesregierung auf, einen Gesetzentwurf vorzulegen, der das Sorgerecht für nichteheliche Kinder beim Ruhen des Sorgerechts oder beim Tod der sorgeberechtigten Mutter ändern soll. Wir wissen — auch das ist schon gesagt worden — , daß regelmäßig das Sorgerecht für nichteheliche Kinder der Mutter zusteht. Das Problem tritt dann auf, wenn sie nicht in der Lage ist, das Sorgerecht auszuüben, weil sie stirbt oder es aus anderen Gründen nicht ausüben kann. Dann steht das Vormundschaftsgericht vor der schwierigen Entscheidung, wem das Sorgerecht nun anvertraut werden soll.
Auch die Rechtsprechung, die hier schon zitiert worden ist, begünstigt im allgemeinen das Vorschlagsrecht der Mutter in einer entsprechenden letztwilligen Verfügung. Auch das sei noch einmal betont. Die Frage, Frau Oesterle-Schwerin, ist in der Tat, ob man ihr ein unbeschränktes Bestimmungsrecht geben soll. Ich denke, es gibt Fälle, in denen man von diesem Grundsatz durchaus eine Ausnahme machen sollte. Aber es muß im Regel-Ausnahme-Verhältnis sein. Es gibt Fälle, in denen diese Entscheidung dem Wohl des Kindes widerspricht, in denen eine andere Entscheidung möglich sein muß.
Wenn die Mutter keine Regelung für das Sorgerecht getroffen hat, dann soll nach dem Vorschlag ihrer Fraktion diejenige Person das Sorgerecht erhalten, der das Kind am nächsten steht. Das Vormundschaftsgericht soll dabei gehalten sein, die besonderen Bindungen des Kindes zu berücksichtigen. Wir halten diesen Ansatz für richtig, wobei allerdings auch nicht immer die Bereitschaft der betreffenden Person zur Übernahme der Verantwortung unterstellt werden kann.
Das Problem ist damit natürlich nicht gelöst; sicher auch nicht damit, daß man es immer dem biologischen Vater zuerkennt.
Wir begrüßen auch Ihren Vorschlag, eine intensivere Mitwirkung des Kindes einzubeziehen, gestaffelt nach Alter und entsprechender Einsichtsfähigkeit.
Was uns an diesem Entwurf ein bißchen stört, ist, daß hier ein Detailproblem aus dem Bereich des Nichtehelichenrechts herausgegriffen wird, ohne daß
eine Gesamtlösung angeboten ist. Aber ich denke, das ist ein geringerer Vorwurf.
Ich will, weil die Zeit drängt, nur noch etwas zu Ihrem Antrag zum Namensrecht sagen, der so großen Widerspruch des Kollegen Stark erfahren hat. Das ist sicher einer der spektakulären Bereiche der familienrechtlichen Beziehungen zwischen Ehegatten und Kindern. Er betrifft praktisch jeden und jede. Sie haben in Ihrem Antrag drei Grundsätze festgelegt.
Erstens. Jede Person soll auch bei Eheschließung ihren Geburtsnamen behalten. Dem würden wir eigentlich gern zustimmen. Die SPD-Fraktion hat einen ausformulierten Gesetzesantrag zur Reform des Namensrechts in der letzten Fraktionssitzung verabschiedet. Wir werden ihn Anfang Januar der Öffentlichkeit vorstellen. Insofern stimmen wir mit Ihnen überein.
Kinder erhalten den Namen ihrer Mutter. Das ist der zweite Grundsatz. Da tun wir uns etwas schwerer, weil — immer unter der Voraussetzung, daß der Name des Vaters der Ehename geworden ist — zwar auch wir von der jetzigen Automatik nicht überzeugt sind, aber die Gefahr sehen, daß hier eine neue Automatik von Gesetzes wegen eingebaut wird. Wir versuchen hier eine andere Lösung,
über die wir dann gern auch mit Ihnen diskutieren werden. Wir sagen auch: Der Geburtsname ist persönlichkeitsprägend. Wenn ein Ehegatte seinen Geburtsnamen behalten will, muß er ihn behalten können. Deswegen wollen wir diese Lösung vertreten.
Zu den beiden anderen Anträgen nur ganz kurz: Hier sind Ansätze, mit denen wir uns anfreunden können. Zum anderen meine ich, daß die Dinge doch noch sehr intensiv diskutiert werden müssen.
Vielen Dank.