Rede von
Bernd
Reuter
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich weiß nicht, Herr Kollege Dr. Göhner, ob man es sich so einfach machen kann, wie Sie das hier getan haben. Es gibt in der Republik ein Kernkraftwerk, bei dem einige Wissenschaftler der Meinung sind, daß der Untergrund nicht sicher ist.
— Einer ist schon einer zuviel, Herr Kollege Dr. Göhner.
Nun sagen Sie: Das ist ja übertrieben; das, was die GRÜNEN in ihrem Papier haben, ist so abwegig, weil sie fordern, keine Betriebserlaubnis zu erteilen. Aber es müßte doch in Ihrer Vorstellung liegen, daß man ein Kernkraftwerk einmal abschalten kann, um zu untersuchen, was da ist. Der Petent fordert, die geologische
14360 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 185. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. Dezember 1989
Reuter
Standsicherheit des Kernkraftwerks Neckarwestheim II durch unabhängige Sachverständige aus der UNESCO-Liste erneut begutachten zu lassen und die Entscheidung über die Betriebsgenehmigung bis zum Abschluß dieser Begutachtung auszusetzen. Das ist doch denkbar.
Ich weiß, daß der Petitionsausschuß kein Überausschuß ist und daß nicht alle Abgeordneten des Deutschen Bundestages Bodenmechaniker sind und wissen, was in der Erde vorkommt. Aber wenn Professor Dr. Gudehus am 12. Dezember 1988 erklärt, Herr Kollege Dr. Göhner, es seien geologisch verwirrende Kompliziertheiten in der Erde, und wenn vom zeitlichen Ablauf her einige Merkwürdigkeiten festzustellen sind, muß man den Eindruck gewinnen, daß die Bundesregierung seherische Fähigkeiten hat.
— Es wäre ja noch in Ordnung, wenn sie wenigstens aus dem Kaffeesatz lesen würde.
Am 12. Dezember 1988 gibt es in Baden-Württemberg eine Anhörung, bei der Professoren ihre Bedenken dokumentieren.
Aber der Bundesminister für Umwelt war schon zu einem früheren Zeitpunkt, nämlich am 6. Dezember, in der Lage, in einem Schreiben der Inbetriebnahme zuzustimmen. Das heißt, er konnte die Ergebnisse dieser Erörterung überhaupt nicht in seine Überlegungen mit einbeziehen.
Die Reaktorsicherheitskommission hat ja schon im Oktober des Jahres 1988 getagt, konnte also auch nicht wissen, was sich dort im einzelnen abspielt. Ich weiß nicht, ob wir jetzt überhaupt ruhig schlafen können, da wir diese Probleme kennen und nicht willens und bereit sind, hier einmal den Mut zu finden und zu sagen: Wir legen ein Kernkraftwerk still.
— Sie sind doch ein Semantiker, Herr Kollege, wenn Sie sagen, das sei nicht Gegenstand der Petition, weil da vielleicht steht: Betrieb nicht zu genehmigen. Da muß man halt flexibel sein.
— Das ist sicher überholt;
aber es ist doch denkbar, daß man das Kernkraftwerk wieder vom Netz nimmt und einmal die Untersuchungen durchführt.
Herr Kollege Dr. Göhner, wenn Sie hier sagen, das sei alles überholt, dann frage ich allen Ernstes: Ist es gottgewollt und immer hinnehmbar, daß eine Petition
vor rund einem Jahr eingereicht wurde und erst heute hier zur Abstimmung gestellt wird?
— Das lag bei mir nur einen oder zwei Tage; dann war es erledigt; dann habe ich mein Votum abgegeben. Vielleicht lag es bei Ihnen länger.
— Na also, da sehen Sie mal. Dann liegt es doch wohl auch an der Regierung und an den Ministerien, daß diese nicht, wie es sein müßte, hier ihre Hausaufgaben machen.
Ich muß Ihnen noch eines sagen. Wissen Sie, ich vermute, das geht alles nach dem Motto: Augen zu und durch! Was nicht sein darf, ist auch nicht.
— Es ging ja auch nicht anders — das ist klar — , weil der Herr Bundesminister Töpfer der Betriebsgenehmigung schon zugestimmt hat, als die Anhörung in Baden-Württemberg überhaupt noch nicht gelaufen war.
— Die Petition ist vom 12. Dezember; sie ist am 19. Dezember eingegangen. Die Anhörung in BadenWürttemberg war am 12. Dezember, und der Herr Minister hat geruht, vorher schon einen Brief zu schreiben, in dem er mitteilt, daß alles seine Ordnung hat. Das kann ja wohl nicht in Ihrem Sinne sein.
— Am 28. Dezember ist die Betriebserlaubnis erteilt worden.