Rede von
Dr.
Reinhard
Göhner
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es geht in dieser Petition um Fragen der Standortsicherheit eines Kernkraftwerks. Ich möchte zunächst einmal sagen, daß ich die aus eigener Erkenntnis und eigenem Sachverstand nicht beurteilen kann, und behaupte, nachdem ich die vorhandenen Gutachten gelesen haben, daß keiner aus diesem Bundestag das aus eigener Sachkenntnis beurteilen kann.
Also bleibt es uns nur, hier Sachverständigengutachten von Experten, von Wissenschaftlern heranzuholen.
Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 185. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. Dezember 1989 14359
Dr. Göhner
Nun sind die Probleme der Tektonik, der Anhydritquellung, der Hohlraumbildung bei diesem Kernkraftwerksstandort seit längerem bekannt. Es hat zahlreiche Begutachtungen, Anhörungen, Gegengutachten, Obergutachten gegeben, die Reaktor-Sicherheitskommission hat mehrfach darüber beraten. Nun ist man zu dem Ergebnis gekommen, daß der Tatbestand beispielsweise über Tektonik, über die Quellungsmöglichkeiten, über die Hohlraumbildung unter den Wissenschaftlern unstreitig ist. Was differiert, sind die Einschätzungen eines Wissenschaftlers, der meint, daß die Senkung unter dem Maschinenhaus nicht lediglich ein paar Zentimeter ausmachen könnte, sondern möglicherweise einige Dezimeter.
Dann hat, nachdem das von Anfang an in diesem Verfahren eine große Rolle gespielt hat, noch einmal die Reaktor-Sicherheitskommission darüber beraten und ist zu dem Ergebnis gekommen, dem Bundesumweltminister zu empfehlen, seine Zustimmung zu der Betriebsgenehmigung zu erteilen. So ist es geschehen.
Ich finde in den Unterlagen keinen Anhaltspunkt dafür, daß die Reaktor-Sicherheitskommission, daß die Landesanstalt für Geologie, die Genehmigungsbehörden und die übrigen beteiligten Gutachter sich einfach über die Auffassung des Herrn Behmel hinweggesetzt hätten. Im Gegenteil, sie haben sich intensiv damit auseinandergesetzt.
Jetzt kommt eine Petition mit der Forderung, ein neues Gutachten vorzulegen, und die GRÜNEN beantragen, die Petition der Bundesregierung zur Berücksichtigung zu überweisen, die Bundesregierung solle dem entsprechen. Das heißt ja wohl, sie soll ein Gutachten einholen. Ich war als Berichterstatter — ich konnte in der Sitzung leider nicht sein — reichlich irritiert, als ich dann las, daß immerhin Frau Garbe, die als Sprecherin der GRÜNEN im Umweltausschuß in diesen Fragen durchaus sachkundig ist, die Auffassung vertreten hat, man brauche kein neues Obergutachten.
Dann lese ich mit großem Erstaunen, daß sich Herr Kollege Peter, der Sprecher der SPD im Petitionsausschuß, dieser Auffassung anschließt. Liebe Leute, wenn ihr der Auffassung seid, ihr brauchtet gar kein Gutachten mehr, weil ihr den Standort eh für ungeeignet haltet, dann könnt ihr hier doch nicht einen Antrag stellen und gleichzeitig sagen: Holt einmal ein neues Obergutachten ein.
Aber es kommt ja noch doller. Diese Petition besteht nämlich aus zwei Forderungen.
Die zweite Forderung an die Bundesregierung geht dahin, die Betriebsgenehmigung nicht zu erteilen.
Da müssen Sie nun wirklich einräumen: Das ist überholt. Sie können die Bundesregierung doch nicht ernsthaft zu etwas auffordern, was schon längst erledigt ist.
Das räumen die GRÜNEN in ihrer Begründung auch ein. In der Begründung ihres Antrages schreiben sie — ich zitiere — :
Insofern wäre aufgrund des neuen Verfahrensstands das Anliegen der Petition dahin gehend zu modifizieren, daß bis zum Vorliegen des Obergutachtens die Zustimmung des Bundesumweltministers zum Betrieb ... zurückzunehmen ist.
Das steht aber nicht in der Petition. Das heißt, Sie nehmen eine Modifizierung der Petition vor. Das ist schlecht. Da müssen Sie zunächst einmal den Petenten fragen. Es mag zwar sein, daß er dieser Auffassung ist. Aber Sie können der Bundesregierung nicht einfach eine Petition zur Berücksichtigung überweisen, was ja heißt: Wir, das Parlament, fordern euch, die Bundesregierung, auf: Tut das, obwohl Sie wissen, daß genau dies gar nicht mehr möglich ist. Da ist etwas paradox.
Deshalb würde ich Sie dazu ermutigen wollen, die Sache etwas sorgfältiger zu beraten, wenn Sie solche Anträge stellen. Sie müssen wenigstens noch einen sachlichen Gehalt haben. In beiden Punkten — der Forderung nach einem Gutachten und danach, keine Betriebsgenehmigung zu erteilen — ist die Sache längst überholt. Ich will damit die Sachfrage hinsichtlich der Standortsicherheit, die es hier zu entscheiden gilt, in keiner Weise diskreditieren; sie ist ernstzunehmen. Darüber gibt es ein Gerichtsverfahren; darüber werden jetzt die Gerichte entscheiden. Möglicherweise werden die Gerichte weitere Gutachten einholen. Das mögen sie tun. Aber Sie fordern die Bundesregierung zu einem rechtswidrigen Handeln auf. Das können wir nicht machen.