Sie werden nachher die Stellungnahme der Bundesregierung aus dem Munde der Frau Ministerin selbst hören. Dann werden Sie erkennen, daß Ihre Sicht, wie Sie sie darstellen — wenn ich richtig informiert bin — , so nicht zutrifft.
— Warten wir erst einmal ab. Wir haben die Möglichkeit, hier heute die Frau Ministerin zu hören. Sie wird ihre Stellungnahme abgeben. Dann wollen wir darüber rechten, ob es so ist, wie Sie meinen, oder ob es eher dahin geht, daß man sagt: Den Maßnahmenkatalog kann man so lassen, wie er ist.
Wenn man nun unterstellt, daß Sie sich nicht gegen den gesamten Maßnahmenkatalog wenden, so wie Sie das gesagt haben, also nicht gegen Forschung, nicht gegen Betreuung, sondern daß Sie sich nur gegen den ersten Punkt dieses Katalogs wenden, nämlich gegen die Prävention, geht Ihr Antrag ebenfalls ins Leere. Er geht deshalb ins Leere, weil die Prävention nach dem bayerischen Konzept — das ist hier vor zwei Jahren schon einmal gesagt worden — die Aufklärung selbstverständlich umfaßt. Natürlich ist es erstes Ziel des bayerischen Maßnahmenkatalogs, alles zu tun, damit die Bevölkerung über die Infektionswege aufgeklärt wird, darüber aufgeklärt wird, wie man sich dagegen schützen kann, darüber aufgeklärt wird, wie furchtbar diese Krankheit ist, und darüber, daß diese Infektion eine tödliche Infektion ist. Die Bayerische Staatsregierung hat ein ganz intensives Netz und eine dichte Folge von Aufklärungskampagnen in der Öffentlichkeit gestartet: in den Behörden, in den Schulen, in den Justizvollzugsanstalten. Man kann doch nicht ernsthaft sagen, daß der Maßnahmenkatalog so pauschal, wie Sie das hier verkünden, falsch sei. Das darf man so nicht stehen lassen. Das müssen Sie zurücknehmen. Insoweit jedenfalls haben Sie den Maßnahmenkatalog nicht gelesen. Wenn Sie ihn gelesen haben, haben Sie ihn nicht verstanden.
Auch wenn man Ihren Angriff nur darauf beziehen würde, daß nach dem bayerischen Maßnahmenkatalog neben der Aufklärung im Einzelfall Eingriffsmaßnahmen nach dem Bundesseuchengesetz vorzusehen sind, geht er ins Leere. In der Zwischenzeit ist völlig unbestritten, daß im Einzelfall Eingriffsmaßnahmen nach dem Bundesseuchengesetz möglich sein müssen. Es muß möglich sein, einen Desperado durch Absonderung daran zu hindern, die Infektion weiterzugeben. So etwas sieht das Bundesseuchengesetz vor. Ich kann mir nicht ernsthaft vorstellen, daß Sie dagegen sind. Fragen Sie einmal Ihren Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales aus Nordrhein-Westfalen! Dieser Minister von Nordrhein-Westfalen hat sich ein Gutachten über das Problem „AIDS und Recht" erstellen und insbesondere diese Frage erörtern lassen. Dieses Gutachten kommt in der Frage, ob Eingriffsmaßnahmen nach dem Bundesseuchengesetz, wie es der bayerische Maßnahmenkatalog vorsieht, im Einzelfall erlaubt sein müssen, zu dem Ergebnis: Jawohl, das ist richtig. Sie stellen sich hin und sagen: Was der da oben in Nordrhein-Westfalen macht, geht mich nichts an.
Sie gehen noch weiter. Sie sind völlig uninformiert darüber, Herr Kollege, daß sich auch die Gesundheitsministerkonferenz diesem Gutachten, das der Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales in NordrheinWestfalen, der Ihrer Partei angehört, eingeholt hat, anschließt und erklärt: Jawohl, im Einzelfall müssen Maßnahmen nach dem Bundesseuchengesetz möglich sein.
Ich kann es ja nicht von den Petenten verlangen, ich kann es nicht von jedem Staatsbürger verlangen, aber ich kann von einem Abgeordneten des Deutschen Bundestages, der in einer solch massiven polemischen Weise den Maßnahmenkatalog von Bayern angreift, verlangen, daß er ihn durchliest. Von dem kann ich verlangen, daß er sich für den Kontext interessiert. Von dem kann ich verlangen, daß er sich darüber in Kenntnis setzt, wie sich die anderen Bundesländer, auch die A-Länder, also die SPD-regierten Länder, in dieser Frage verhalten. Sie verhalten sich inzwischen alle so wie Bayern. Es ist überhaupt kein Unterschied mehr. — Sagen Sie mir ein Land, in dem ein Unterschied gemacht wird! Es ist richtig, Herr Kollege, daß Bayern in der Bundesrepublik Deutschland am Anfang allein stand und daß Bayern harten Angriffen ausgesetzt war, daß gegen Bayern hämische Polemik ausgespuckt wurde. Das ist richtig. Aber Bayern stand am Anfang nur in der Bundesrepublik Deutschland allein, nicht im Ausland. Italien, Schweden, Osterreich hatten genau dieselben Maßnahmen vorgesehen, die wir schon eh vorgesehen haben. Inzwischen haben sich die anderen Bundesländer angeschlossen. Ich bitte Sie doch wirklich, das jetzt einmal zur Kenntnis zu nehmen.
Natürlich — ich wiederhole es noch einmal — : Es geht uns in erster Linie um Aufklärung. Wir müssen die Bevölkerung darüber aufklären, wie gefährlich die Krankheit ist. Wir müssen alle Möglichkeiten suchen, an den Bürger, an den einzelnen heranzukommen und ihn über die Furchtbarkeit der Krankheit aufzuklären. Aber Sie müssen doch gestatten, daß im Einzelfall auch Eingriffsmaßnahmen möglich sein
Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 185. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. Dezember 1989 14355
Geis
müssen. Das sehen inzwischen alle Bundesländer vor. Das sollten Sie zur Kenntnis nehmen.
Ich gebe Ihnen den Rat: Nehmen Sie den Antrag zurück! Dann tun Sie sich selbst und — vor allen Dingen — der Sache einen guten Dienst.