Rede von
Horst
Peter
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dem Petenten dieser Petition geht es darum, gegen den bayerischen Maßnahmenkatalog zur Bekämpfung von AIDS im Wege der Rechtsaufsicht vorzugehen. Die SPD beantragt „Erwägung" mit dem Ziel, die Bundesregierung solle nach Wegen suchen, den bayerischen Maßnahmenkatalog außer Kraft zu setzen. Wir haben mit Absicht „Erwägung" beantragt, weil wir meinen, es gebe für die Bundesregierung verschiedene Möglichkeiten, sich mit der Bayerischen Staatsregierung in dieser Frage auseinanderzusetzen, um ihre eigene Position durchzusetzen. Wir wollen da keinen festen Weg vorschreiben,
weil auch der Petent keinen festen Weg vorschreibt.
Wir meinen allerdings, daß die Auseinandersetzung mit dem bayerischen Maßnahmenkatalog mit dem Ziel, ihn außer Kraft zu setzen, notwendig ist, weil die Bundeseinheitlichkeit in der Frage der Auseinandersetzung mit der Krankheit AIDS durch das Verhalten des Freistaates Bayern verlassen worden ist. Eine solche Strategie ist auf jeden Fall kontraproduktiv.
Wir meinen, daß der bayerische Maßnahmenkatalog mit den vorgesehenen Zwangstests beim Eintritt in den öffentlichen Dienst, mit dem Nachweis der gesundheitlichen Unbedenklichkeit für Ausländer — dabei gibt es Ausnahmen für den europäischen Bereich — , mit der Generalermächtigung, weitere Maßnahmen nach dem Bundesseuchengesetz zu ergreifen — in dieser Generalermächtigung ist auf jedenfall vorgesehen, daß Prostituierte und Fixer zu den Risikopersonen gehören, bei denen solche Maßnahmen notwendig sind — , erstens rechtspolitisch bedenklich ist, zweitens gesundheitspolitisch verfehlt ist und drittens gesellschaftspolitisch schädlich ist, weil er Trends der Ausgrenzung von Gruppen in unserer Gesellschaft begünstigt, und das steht nach meiner Auffassung im Widerspruch zur Menschenwürde.
Gesundheitspolitisch steht der bayerische Ansatz in diametralem Gegensatz zu dem eigentlich weltweit akzeptierten Prinzip, dieser Krankheit durch Prävention, Aufklärung, Beratung und Hilfe zur Selbsthilfe zu begegnen.
— Ich habe ihn sehr gründlich gelesen, und ich habe ihn sogar analysiert. Wenn ich richtig gelesen habe, hat sich auch die AIDS-Kommission des bayerischen Landtags mit einer Mehrheit von CSU-Abgeordneten sehr kritisch zu ihrem eigenen Katalog geäußert und deshalb auch den Zwangstest bei Beamten abgelehnt. Ich gebe den Vorwurf, etwas nicht gelesen zu haben, an den Zwischenrufer zurück.
Sozialdemokraten haben zum Zwecke des Kennenlernens der verschiedenen Möglichkeiten, wie man sich in den USA mit der Krankheit auseinandersetzt, deutlich gesehen, daß wohl allein die Form einer Aufklärungskampagne geeignet ist, die Eigenverantwortlichkeit von bedrohten und gefährdeten Personen so anzuregen, daß sie versuchen, durch eigenes Verhalten selbst etwas dagegen zu tun.
Wir haben aus den Stellungnahmen der Bundesregierung zu dieser Petition gelernt, daß die Bundesregierung unsere Vorbehalte gegen den bayerischen Katalog teilt und daß es ihr selbst sehr peinlich ist, daß das Ausschußbüro den sonstigen Gepflogenheiten, Stellungnahmen der Bundesregierung im wesentlichen auch zur Grundlage der eigenen Beurteilung im Petitionsausschuß zu machen, hier in diesem Fall nicht nachgekommen ist. Wir finden das sehr seltsam. Ich frage: Gibt es da bayerische Durchgriffe? So etwas
Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 185. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. Dezember 1989 14353
Peter
ähnliches haben wir bei anderen Petitionen — etwa zur A 94 — in den letzten Wochen ja auch erlebt.
Wir finden es im höchsten Maße verwunderlich, daß die Mehrheitsfraktionen im Petitionsausschuß in diesem Falle der Meinung gewesen sind, der bayerische Maßnahmenkatalog müsse gestützt werden; denn das Votum ist letztlich, die Behandlung der Petition zu beenden, und zwar in einer Situation, in der wir der Auffassung sind, daß es gerade angesichts der abschließenden Beratungen der Enquete-Kommission AIDS des deutschen Bundestages sinnvoll und notwendig wäre, auch politisch das zu begleiten, was dort mit den Sachverständigen beraten wird und was eben genau auf Präventionsmaßnahmen hinausläuft.
In der Debtte wird sicherlich eingewandt werden, daß das neue Präparat AZT die Beurteilung des bayerischen Maßnahmenkatalogs in einem anderen Lichte erscheinen lasse. Wir sehen das nicht so. Die Vorstudie von Fauci sagt: Es gibt ein Medikament, das, schon in einem symptomfreien Stadium angewandt, zu medizinischen Wirkungen führt, wobei Unzulänglichkeiten in der Studie in bezug auf Nebenwirkungen, Resistenzen zugegeben werden. Das würde dazu führen, daß fast alle, die sich als gefährdet betrachten, zu Tests gehen würden. Das würde dann auch zu einer anderen Beurteilung des bayerischen Katalogs führen.
Ich glaube, genau das Gegenteil ist der Fall; denn in so einer Situation ist es notwendig, noch größeres Vertrauen in den Datenschutz — ich knüpfe da an die gerade erlebte Diskussion an —
beim Umgang mit diesen Daten durch die Gesundheitsbehörden zu setzen, weil das die Voraussetzung dafür ist, damit eigenverantwortlich alles getan wird, selbst festzustellen, ob man von der Krankheit infiziert ist. Das ist also kein Grund, den bayerischen Maßnahmenkatalog positiver zu beurteilen.
Ich glaube, diese Petition, die hier heute zur Beurteilung vorliegt, ergänzt ziemlich gut, was ich gestern im Rahmen der Diskussion um die Parlamentsreform gesagt habe. Das ist ein typischer Fall, wo ich glaube, daß eine parteienbezogene Auseinandersetzung mit dem Problem aufgegeben werden könnte,
daß es möglich wäre, sich des Anliegens des Petenten auf Grund der eigenen Einschätzung der Problemlage anzunehmen.
Ich gebe von daher die Hoffnung nicht auf, daß wir bei der Abstimmung über unseren Antrag hier im Hause auch zu einer Mehrheit kommen, daß all die Kolleginnen und Kollegen, die gestern gesagt haben: Wir müssen versuchen, bei Themen, wo es sinnvoll und notwendig ist, eine eigene Qualität unseres Verhaltens zu gewinnen, das auch einmal machen. So ein Beispiel wie das hier vorliegende wäre meines Erachtens dazu ganz gut geeignet. Meine Damen und Herren, die Sie den Regierungsparteien angehören: Geben Sie sich einen Ruck! Stimmen Sie unserem Antrag
zu! Ich glaube, das wäre für die Beurteilung der Qualität der Diskussion um Petitionen in diesem Hause ein gutes Beispiel, das dann vielleicht auch Schule machen könnte.
Schönen Dank.