Rede von
Thomas
Wüppesahl
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(GRÜNE)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (GRÜNE)
Herr Ronneburger, ich habe die gesamte Debatte bis auf fünf Minuten Fußweg von meinem Büro hierher am Hauskanal, der auch Ihnen zur Verfügung steht, verfolgt, weil ich durch andere Dinge im Büro gebunden war.
Aber zurück zu meinem Redebeitrag. Der Übergangsbonus, der mehrfach angesprochen wurde, ist nicht nur reichlich strapaziert worden — wie Herr Dr. de With formuliert hat — , sondern er ist selbst nach den Gutachten, die wir aus unserem eigenen Hause präsentiert bekommen haben, längst überschritten,
und das angesichts einer Verfassung im Bereich der Sicherheitsorgane, die dadurch gekennzeichnet ist, daß in ihren Reihen die technische Aufrüstung wirklich galoppierend vorangetrieben und auch die Anwendung, die Nutzung und Verarbeitung von Daten in einer Art und Weise betrieben wird, daß ein frühzeitigeres Handeln des Justizministeriums nicht nur angesagt, sondern dringend notwendig gewesen wäre.
Ich möchte aber noch einen zweiten Aspekt in die Debatte einführen, der bisher überhaupt nicht angesprochen wurde. Sie wissen, ich bin von Beruf Kriminalbeamter.
Ich habe in Berichterstattergesprächen miterlebt, wie seitens des Vertreters des Bundeskriminalamts so getan wurde, als wenn die Beamten dem Datenschutz — wir bewegen uns ja im Bereich des Strafverfahrens — ohnehin ausreichend frönen würden. Es ist vielmehr so, daß bei der Polizei grundsätzlich überhaupt kein Interesse daran besteht, Datenschutz im
klassischen Sinne oder auch nur annähernd so zu praktizieren, wie es zur Zeit in den Gesetzen niedergelegt und in Verordnungen und Richtlinien weiter detailliert beschrieben worden ist, weil das zusätzlichen Arbeitsaufwand bedeutet, weil das die eigentlichen Ermittlungstätigkeiten behindert.
Polizeibeamte haben in der Regel auch überhaupt keine Ausbildung in diesem Bereich.
Sie werden z. B. im Bundeskriminalamt im Rahmen von Ein- oder Zweitageskursen in Datenschutz sozusagen angelernt. In der Ausbildung, selbst für den gehobenen Dienst, ist das in der Regel nicht integriert. Selbst auf den Fachhochschulen der Landespolizeien, aber auch in Hiltrup, der Akademie für den höheren Dienst, wird so etwas nicht intensiv gelehrt. Es gibt dort keine Semester „Datenschutz" oder ähnliches, wie es das z. B. im Bereich der Kriminaltechnik gibt.
Wenn wir uns also im Zusammenhang mit dem Datenschutz nur über die normative Ebene unterhalten, im wesentlichen also darüber, wie die Gesetze abzufassen sind, so ist zu sagen, daß der Bereich der Umsetzung vollständig fehlt.
Das ist etwas, was Sie auch nicht nachholen können, selbst wenn Sie es im nächsten Jahr schaffen sollten, ein Gesetz in diesem Bereich zu verabschieden. Das bedarf vielmehr einer Zeitspanne von fünf bis zehn Jahren, so daß ich für mich bloß feststellen kann: Selbst wenn Sie nächstes Jahr die gesetzlichen Grundlagen schaffen sollten — die Sie nach dem Volkszählungsurteil schon längst hätten schaffen müssen —, werden weitere fünf bis zehn Jahre notwendig sein — wenn der politische Wille bei den Verantwortlichen vorhanden ist/wäre —, um im Bereich der Umsetzung bei den Sicherheitsorganen den Datenschutz auch tatsächlich greifen lassen zu können.
Ich kann Ihnen da Geschichten erzählen: mit eigenen Karteien in den Schubläden bei einzelnen Polizeibeamten — —