Rede von
Dr.
Hans
de
With
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Darüber kann es keinen Streit geben. Aber dort gibt es Eis, das so dünn ist, daß der
Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 185. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. Dezember 1989 14349
Dr. de With
Staatsanwalt einbrechen kann und die Gefahr besteht, daß sich die Polizei — ich will gar nichts gegen die Polizei sagen — einen Teil der Sachherrschaft nimmt, so daß der Sachwalter Staatsanwalt möglicherweise zum Teil keinen Einfluß auf bestimmte Ermittlungen mehr hat. Das allein ist der Punkt, der angegriffen wird. Der Punkt, den Sie hier aufzeigen, ist Gott sei Dank völlig unumstritten. Die Gefahr lauert woanders.
Wir gehen davon aus, daß die erwähnten neuen Fahndungstechniken, die Rasterfahndung, die Ausschreibung zur polizeilichen Beobachtung, der — auch das sage ich — genetische Fingerabdruck und die planmäßige Observation, nur auf Antrag der Staatsanwaltschaft durch den Richter angeordnet werden dürfen und daß sie so auch wirksam zu begrenzen sind. Hier, meinen wir, besteht die Gefahr, daß ein Einbruch erfolgen könnte. Ich sage es noch einmal: nicht bei der Frage des Anklagemonopols; darüber hat bisher noch keiner gesprochen.
Nur wenn wir in diesem Bereich aufpassen, können wir verhindern, daß sich Einbrüche — ich nenne das einmal so — in die staatsanwaltschaftliche und richterliche Kontrolle gewissermaßen einschleichen.
Eine, wie der Deutsche Anwaltverein meint, „Umwidmung" der Strafprozeßordnung auf diese Art ist unter allen Umständen zu verhindern, und ich hoffe, hier stimmen Sie uns zu.
Wenn der bekannte Strafrechtslehrer Roxin als Ziel des Strafprozesses „die Verurteilung des Schuldigen und den Schutz des Unschuldigen in einer aller Willkür entrückten Justizförmlichkeit des Verfahrens" fordert,
dann ist dies gleichzeitig eine vertrauensbildende Maßnahme nicht nur gegenüber dem Verdächtigen und dem Täter, sondern auch gegenüber der rechtstreuen Bevölkerung, auf die die Strafverfolgungsbehörden bei den Ermittlungen nun einmal angewiesen sind. Deswegen ist die alleinige Sachwalterschaft der Staatsanwaltschaft ebenfalls nötig. Es geht nämlich darum, das Vertrauen der Bevölkerung schlechthin wahren zu helfen.
Aber nicht nur bei dem Verhältnis Staatsanwalt/ Polizei ist in diesem Sinne dieser Forderung Sorgfalt, und zwar äußerste Sorgfalt, vonnöten. Die Zulässigkeit von neuen Fahndungstechniken ist an eigenständige, eng umgrenzte und enumerativ aufgeführte Straftaten zu knüpfen. Generalklauseln sollten tunlichst vermieden werden oder sind zumindest so einzuschränken, daß Unklarheiten überhaupt nicht erst aufkommen und vor allem ungewollte Ausweitungen ausbleiben.
Die Führung, die Zeit der Aufbewahrung und die Löschung bzw. Vernichtung der gewonnenen Daten ist detailliert zu regeln. Ebenso sorgfältiger Maßnahmen bedarf es bei der Akteneinsicht — das ist heute noch nicht angesprochen worden — und bei den Justizmitteilungen. Der Bürger — das gilt erst recht für Zeugen und Freigesprochene; das sage ich sehr betont — muß wissen, daß auch im Strafverfahren — ich sage es einmal so, Dossiers nie und nimmer existieren werden. — So kann es der Bürger verstehen, wenn wir nicht alle Sicherungen im Sinne dieses Volkszählungsurteils einbauen.
Das alles mag die Zahl der Paragraphen in der Strafprozeßordnung wieder einmal verlängern. Zur Sicherung des informationellen Selbstbestimmungsrechts, in der Abwägung des Interesses der Allgemeinheit — hören Sie zu, Herr Eylmann — gegenüber der Gewährleistung einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege werden wir aber ohne Ausweitung der Strafprozeßordnung nicht auskommen können. Wenn das aber so ist, sollten wir darauf Bedacht nehmen, diese Bestimmungen in einer Sprache zu regeln, die unmißverständlich ist und die jeder versteht. Bei den bisherigen Regelungen zur Rasterfahndung habe ich Zweifel, ob das alles so gut formuliert war.
Herr Minister, die Bundesregierung hat sich schon zuviel Zeit genommen, und die Justizministerkonferenzen, wo der Bundesminister der Justiz nur einer der Minister ist, haben das auf ihre feine Art schon rügend gesagt. Es bestehen bereits jetzt Zweifel, ob das sicher nicht ganz einfache Gesetz, wird es im neuen Jahr alsbald vorgelegt — und wir rechnen damit —, noch in dieser Legislaturperiode wirklich gut durchberaten werden kann. Einfach wird das Gesetz nicht sein; da sind wir uns alle einig. Aber die Verantwortung für ein Aufschieben in die nächste Legislaturperiode trügen dann allein die Bundesregierung und die sie tragenden Parteien.
Die Bundesregierung hat sich, wie ich meine, in einer nicht mehr zu verantwortenden Weise zuviel Zeit genommen. Wir haben nicht allein dieses Gesetz zu beraten: Denken Sie an das Betreuungsgesetz, denken Sie an das Jugendgerichtsgesetz, denken Sie an die Bestimmungen zur Regelung bestimmter Verfahren, um die Geldwäsche in den Griff zu bekommen. All das sind vordringliche und wichtige Bestimmungen. Wenn das aber so ist, sage ich, Herr Minister — um es platt auszudrücken — : Hier ist gebummelt worden.
Das Bundesverfassungsgericht hat uns als Parlament zum Garanten des Datenschutzes eingesetzt. Das ist, wie wir gehört haben, fast genau sechs Jahre her; denn am 15. Dezember 1983 ist das Urteil gesprochen worden. Ein zu zögerliches Handeln und damit ein Unterlassen durch die Mehrheit bedeutete deshalb — um in dieser Ausdrucksweise zu bleiben — Schuld, von der uns dann niemand freisprechen kann. Deswegen noch einmal mein Hinweis: Hier ist wirklich Eile vonnöten. Wir üben keine floskelhafte Kritik; denn wir sind bereit — ich betone das —, mit Ihnen das Gesetz zügig zu verabschieden, allerdings in dem von uns geschilderten Sinn.
Vielen Dank.
14350 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 185. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. Dezember 1989