Rede von
Dr.
Hildegard
Hamm-Brücher
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Wir haben, offen gesagt, nicht so recht gewußt, worauf es bei dieser Aktuellen Stunde hinauslaufen soll. Jetzt habe ich das Gefühl, das ist eine Art kunterbunter Kehraus, und jeder sagt noch einmal, was er am Ende des Jahres sagen möchte. Dieser Versuchung kann auch ich dann nicht widerstehen.
Es ist natürlich sehr bedauerlich, wenn die Erstrednerin nicht da ist, Herr Lippelt;
Denn dieser wirklich polemische Zerrbildangriff auf den Bundeskanzler möchte ich für unsere Fraktion sehr nachdrücklich zurückweisen.
Es ist unter dem Niveau von Frau Vollmer gewesen, was sie in ihrem kunterbunten Kehraus losgelassen hat.
Im Grunde ist es doch so: Die Entwicklungen verlaufen eigentlich so rasch, daß alles, was seit dem EG-
14338 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 185. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. Dezember 1989
Frau Dr. Hamm-Brücher
Rat schon wieder passiert ist, auch einer Aktuellen Stunde bedurft hätte: Botschaftertreffen der Siegermächte, Baker-Rede, Deutschlandtreffen der Außenminister, NATO-Außenministerkonferenz. Alles wäre ein Thema für eine Aktuelle Stunde gewesen,
weil die Entwicklung so rasch verläuft und weil der Informationsbedarf so groß ist. Das schaffen wir aber beim allerbesten Willen nicht. Darum müssen wir uns eben einmal selber informieren. Und wenn wir wollen, können wir hier debattieren.
Alles ist verzahnt: Innenpolitik, Deutschlandspolitik, Europapolitik, KSZE-Prozeß, Sicherheitspolitik.
— Seerecht fehlt; wer weiß, Herr Voigt!
Ich glaube, für uns alle ist es wichtig, in unserer Verantwortung gegenüber der Öffentlichkeit dem Bürger diese sehr komplizierte, sehr schwierige Verzahnung deutlich zu machen; denn immer mehr greift in der Öffentlichkeit um sich: Was schert uns das Gerede unserer Nachbarn und Freunde? Wir wollen unsere Wiedervereinigung!
Das Wichtige für uns alle, die hier sitzen — in diese Verantwortung möchte ich auch die GRÜNEN einbinden —, ist, diese Verzahnung deutlich zu machen und nicht zu sagen: der und der heizt die Diskussion an; Sie heizen auch an. Wir müssen diese Verzahnung und diese Verantwortung gegenüber den deutschen Bürgern in Ost und West deutlich machen.
Jetzt sind Geduld und Augenmaß erforderlich, so wie das gestern der Bundespräsident in hervorragender Weise zum Ausdruck gebracht hat. Ich wiederhole einen seiner Sätze: Zusammenwachsen heißt nicht zusammenwuchern. Das ist ein wichtiger Satz, an den wir uns wirklich halten können.
Wir möchten auf die Erklärung des Europäischen Rates zu sprechen kommen, weil sie jedenfalls für unsere Partei eine Bestätigung unserer Außen-, Europa-, Sicherheits- und Deutschlandpolitik gewesen ist, und noch einmal die Grundsätze festklopfen. Das Ziel heißt: Die deutsche Einheit und die Wege dorthin müssen eingebettet sein in den Einigungsprozeß Europas, ins westliche Bündnis, das — wie wir das übrigens immer gesagt haben — nicht erst heute ein überwiegend politisches Bündnis ist, das Bündnis einer Wertegemeinschaft. Die Verteidigung war eine Konsequenz dieses Bündnisses der Wertegemeinschaft.
Ich glaube, Augenmaß und Geduld sind die oberste Tugend: Anheizen, Alleingänge, Sonderweg sind ein sehr schlechter Ratgeber. Da möchte ich auch meinen Freunden von der CDU/CSU sagen: Es ist nicht gut, wenn ein Regierungsmitglied in Versammlungen und auf Parteitagen so ungefähr sagt: Was geht uns die Meinung von „Andorra" usw. an? Das entspricht nicht unserer Verantwortung.
Das Vertrauen, das wir in den 40 Jahren so mühsam aufgebaut haben, dürfen wir nicht beschädigen.
Ich glaube, dieses Vertrauen ist unser größtes Kapital und der sicherste Weg, um die Einheit wiederzuerlangen. Wir sollten dieses Vertrauen nicht beschädigen. Das geht nämlich in Schönhuber-Richtung. Der sagt das in BBC und anderswo ganz genauso.
Ich möchte mit einem kurzen nachdenklichen Wort schließen. 1989 hat als ein Jubiläumsjahr begonnen. Wir haben vieler wichtiger Daten gedacht. Jetzt endet das Jahr als ein Anfang für eine ganz neue Epoche. Wenn diese 40 Jahre wirklich einen Sinn gehabt haben, wenn wir eine Rückbesinnung anstellen, dann sollten wir auf Grund unserer Verantwortung die Erfahrungen, die wir gemacht haben, in die Aufbruchsituation des nächsten Jahrzehnts einbringen.
Ich glaube, wenn wir den Weg mit Augenmaß und Geduld weitergehen, werden wir am Ende dieses Jahrtausends wirklich ein einiges Deutschland und ein einiges Europa haben.
Vielen Dank.