Rede von
Michaela
Geiger
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Kritik der GRÜNEN an der Informationspolitik der Bundesregierung nach den Gipfeln von Malta, Brüssel und Straßburg, von denen Sie übrigens überhaupt nicht gesprochen haben, ist vollkommen unberechtigt und auch unbegründet. Es gibt für die Bundesregierung nicht nur das Plenum.
Die Bundesregierung hat sehr wohl sehr gut informiert. Der Auswärtige Ausschuß hat am 7. Dezember eine Sondersitzung gehabt. Dazu waren der Kollege Lippelt und die übrigen Kollegen von Ihnen eingeladen. Ich hoffe, auch Sie waren da.
Wenn Sie das nicht nutzen, dann ist das Ihre Schuld.
Aber ich finde es gut, daß wir diese Aktuelle Stunde haben. So können wir die Verdienste dieser Bundesregierung noch einmal vor Weihnachten besprechen.
— Frau Vollmer, ich habe den Eindruck, es geht Ihnen um etwas ganz anderes. Sie wollen eine Vertrauenskrise herbeireden.
Ich frage mich wirklich: Was nützt Ihnen dies? Wem soll dies nützen? Den Deutschen wird dies ganz sicherlich nicht nützen. Deshalb müssen Sie sich fragen lassen, warum Sie dies hier tun.
Was war denn wirklich? Die Orte Malta, Brüssel und Straßburg liegen nicht nur geographisch gesehen in
Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 185. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. Dezember 1989 14329
Frau Geiger
Europa; dort wurden jetzt auch wichtige Weichenstellungen für Europa und für Deutschland vorgenommen.
Das erfreulichste Ereignis — davon hätten Sie auch sprechen können, wenn Ihnen der Frieden so am Herzen liegt — , ist, daß im Sturm vor Malta der Kalte Krieg endgültig beendet worden ist.
Es ist gut, daß dort die zwei mächtigsten Staatsmänner der Welt sich verstanden haben, daß sie über die neue Lage in der Welt gesprochen haben und daß sie sich gegenseitig versprochen haben, daß keiner Kapital daraus schlagen wird, wenn der andere Schwierigkeiten haben sollte.
Das ist ganz besonders für Präsident Gorbatschow wichtig. Wir alle wissen, daß er vor großen Schwierigkeiten steht, nicht nur im Warschauer Pakt, sondern auch ganz besonders in seinem Lande.
Insofern war der Malta-Gipfel ein sehr guter Gipfel.
Ein gutes Verhältnis der beiden Supermächte ist ganz besonders wichtig, wenn sich der Wandel in Europa ungestört weiter fortsetzen soll und wenn sich auch für die deutsche Frage eine Lösung finden soll. Das geht nur dann, wenn auch die beiden Großen mitmachen.
Das Motto dieses Gipfels kann man nennen: Von der Konfrontation zur Kooperation. Dies ist überhaupt das Motto der derzeitigen Entwicklungen, der derzeitigen Großwetterlage. Natürlich kommt dieser Wandel von der Konfrontation zur Kooperation ganz besonders denen zugute, die dort leben, wo die stärkste Konfrontation war, im Herzen Europas, im Herzen Deutschlands, an unserer Grenzlinie.
Deshalb sollten wir hier nicht tragische Dinge herbeireden, die es nicht gibt.
Es ist verständlich, wenn viele denken, in einer Zeit des Wandels gebe es labile Zustände. Das ist auch so. Wir müssen sehen, daß wir diese labilen Zustände überwinden.
Falsch ist aber, wenn man unter Stabilität die Zementierung des Status quo versteht. Dies wollen wir ganz gewiß nicht. Der Status quo, den wir bis vor kruzem hatten, war ja keine organische Friedensordnung, sondern er hat sich auf eine Zwangsherrschaft
in Osteuropa gestützt. Erst die friedlichen Massendemonstrationen in Osteuropa, auch in der DDR, und nicht zuletzt die Haltung Gorbatschows haben dazu geführt, daß diese Zwangsherrschaft überwunden werden konnte.
Wir müssen uns auf eines einstellen: Die beiden Pakte werden sich ändern. Das, was sie an militärischer Bedeutung verlieren, werden sie ganz gewiß an politischer Bedeutung dazugewinnen. Wenn es im Ost-West-Verhältnis keine dramatischen Rückschläge gibt, werden die beiden Bündnisse ihre Hauptaufgabe nicht mehr so stark in der gegenseitigen Abschreckung, sondern in der Überwachung des Gleichgewichtszustandes in Europa sehen.
So gesehen ist auch ein wie auch immer gearteter Bund der beiden deutschen Staaten in zwei unterschiedlichen Paktsystemen durchaus vorstellbar. So gesehen sind auch die zehn Punkte des Bundeskanzlers genau zum richtigen Zeitpunkt gekommen. Sie geben den Deutschen eine Vision für ihre Zukunft, aber sie zeigen gleichzeitig unseren Freunden, daß wir verläßliche Partner im Bündnis sind.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ganz kurz noch: In Straßburg sind wir dem Ziel einer politischen Union wieder ein Stück nähergekommen. Allen Unkenrufen — auch den Ihren — zum Trotz hat sich das deutsch-französische Gespann erneut bewährt.
Die EG hat zu einer einheitlichen osteuropäischen Politik gefunden. Das Ziel der politischen Union steht in keinem Widerspruch zu einer europäischen Friedensordnung, in der das deutsche Volk in freier Selbstbestimmung über seine staatliche Einheit entscheiden kann. Europäische Einigung und deutsche Wiedervereinigung schließen sich keineswegs aus, sondern ergänzen sich. Das sollten auch Sie glauben.