Rede von
Hannelore
Rönsch
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Herren! Meine Damen! Ich gebe heute diese persönliche Erklärung zur Abstimmung ab, weil ich mich als Wiesbadener Bundestagsabgeordnete bei der Frage der Stationierung von Flugkörpern auf dem in meinem Wahlkreis Wiesbaden gelegenen Flugplatz Wiesbaden—Erbenheim in einer ganz besonderen Verantwortung sehe, in Verantwortung vor den Bürgern der Stadt, aber auch in Verantwortung für die Sicherheit unseres Landes. Ich spreche hier auch im Namen meiner Kollegen Otto Zink und Michael Jung, die in den Nachbarregionen ihrer Verantwortung gegenüber der Bevölkerung in gleicher Weise gerecht werden wollen.
In der heute hochdramatischen Phase der politischen und wirtschaftlichen Annäherung zwischen Ost und West, der für uns historischen Entwicklung in der DDR sowie der ernsthaften Abrüstungsinitiativen auf beiden Seiten erscheint es vielen Menschen kaum noch verständlich, wenn gleichzeitig Hubschrauber nach Wiesbaden-Erbenheim verlegt werden sollen.
Verteidigungsfähigkeit aber, meine Herren und Damen von der Opposition, halten viele heute nicht mehr für zeitgemäß, für eine überholte Vokabel des kalten Krieges. Ich kann diese Denkweise nicht nachvollziehen. Wir alle stehen ja unter dem Eindruck der tief-
Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 185. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. Dezember 1989 14323
Frau Rönsch
greifenden Veränderungen der politischen und gesellschaftlichen Systeme in Osteuropa. Doch ich halte dies nicht für ausreichend zu Ende gedacht.
Ich will mein Abstimmungsverhalten für die jetzige Stationierung in Wiesbaden-Erbenheim mit dem Hinweis auf die Nachrüstungsdebatte von vor sechs Jahren begründen. Erst die damals von uns, der CDU/ CSU-Fraktion, bewiesene Vertragstreue zu den Zusagen von Bundeskanzler Helmut Schmidt hat in den Folgejahren zur Vernichtung der Mittelstreckenraketen geführt,
und zwar vertraglich vereinbart und für beide Seiten überprüfbar. Dies erhoffe ich mir dringend auch für die jetzt in Erbenheim unterzubringenden Hubschrauber, die nicht einmal ein Mehr an Waffensystem bedeuten, sondern nur dorthin verlegt werden.
Es ist nach meiner Einschätzung die Aufgabe der Wiener Abrüstungsverhandlungen, zu raschen Ergebnissen bei der Reduzierung von konventionellen Streitkräften zu kommen. Wenn die dort beschlossenen Schritte zur Minderung der Waffenbestände führen und die Friedenssicherung auf niedrigerem militärischem Niveau gewährleistet ist, dann erwarte ich allerdings — hier ist die Bundesregierung, Herr Bundesverteidigungsminister, in der Pflicht — , daß Erbenheim an vorderster Stelle steht und der Stadt Wiesbaden sowie den Bürgern Entlastung erteilt wird.
Es kann, Frau Kollegin, hier nicht um parteipolitisches Taktieren gehen.
Es geht um Verantwortung, die man zu tragen bereit sein muß.
Entlastung für den speziellen und wichtigen Beitrag, den die Bürger von Wiesbaden momentan für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland leisten, müßte dann gewährleistet sein.
Mut, meine Herren und Damen, wird von mir momentan von einer Wiesbadener Bürgerinitiative gefordert, indem ich mich gegen die Stationierung aussprechen soll. Mutig ist es aber sicher nicht, Frau Kollegin, auf kurzsichtige parteitaktische Vorteile zu spekulieren.
Ich meine, Mut gehört zur Verantwortung. Ich bin heute bereit, die Verantwortung zu übernehmen, indem ich die Stationierung als einen wichtigen Beitrag zur Sicherheit unseres Landes und für den Erfolg der weltweiten Abrüstungsverhandlungen betrachte. Für die Menschen in meiner Stadt erwarte ich in dieser Verantwortung, daß dieser Beitrag im europäischen Rahmen bald überflüssig ist.