Rede von: Unbekanntinfo_outline
Alle wissenschaftlichen, rechtlichen, ökologischen und friedenspolitischen Sachargumente und Fakten gegen eine Stationierung sowohl im Hearing des Verkehrsausschusses als auch in der Region um Erbenheim sind hier bisher mehrheitlich nicht beachtet worden.
Auch das flehende Schreiben der CDU im Wiesbadener Stadtparlament an Herrn Stoltenberg mit Verweis auf die politische Situation im Osten, in dem es u. a. heißt: „Heute bitten wir eindringlich darum, die Stationierung zum gegenwärtigen Zeitpunkt auszusetzen", ist spurlos an Ihnen vorübergegangen.
Ich möchte deshalb noch einmal den Versuch machen, Ihnen vor Augen zu führen, was Sie anrichten, wenn Sie für eine Stationierung in Wiesbaden-Erbenheim eintreten.
Die Apache 64 sind für den Einsatz in 150 km Entfernung bestimmt. Ist unsere Antwort auf den Abbau der Mauer die Bedrohung der mutigen Bevölkerung im Osten? Ist die Vernichtung der Bevölkerung, wie sie die NATO-Strategie impliziert, unsere Antwort für die Menschen, die gerade dabei sind, den Stalinismus zu vernichten?
Von westlicher Seite wird hier kein Verteidigungsauftrag erfüllt, sondern ein Angriffskrieg geplant, ein Angriffskrieg genau gegen die Menschen, die wir zur Zeit alle bewundern, die ihre Probleme mit einer einzigartigen gewaltfreien Revolution selbst mutig in die Hand genommen haben,
weil „von oben" keine Hilfe zu erwarten war.
Wenn Sie das alles so nicht wollen, dann müssen Sie gegen eine Stationierung in Wiesbaden-Erbenheim stimmen.
Dem Panzerabwehrhubschrauber Apache ist der reale Feind inzwischen völlig entzogen. Das merken auch alle, nur nicht die sogenannten verantwortlichen Politiker.
Mehrheitlich werden in diesem Bundestag und im Verteidigungsministerium immer noch Kalte-KriegsArgumente gebraucht, auch wenn Gorbatschow und
Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 185. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. Dezember 1989 14319
Frau Schilling
Bush den Kalten Krieg schon längst für beendet erklärt haben.
Das, was hier gegen alle Vernunft und Verantwortung läuft, könnte sich zur Zeit keine Partei und kein Parlament in der DDR oder im Osten erlauben. Solche Betonköpfe gibt es jetzt nur noch hier.
Wissen Sie was? Sie haben noch eine Chance: Gehen Sie doch nach drüben — um einmal ein oft gebrauchtes Argument an Sie zurückzugeben.
Da können Sie zumindest sehen, wie man aus Fehlern lernt und was mit denen passiert, die das immer noch nicht kapiert haben.
Die derzeitige NATO-Strategie und Waffenproduktion widerspricht einem friedlichen Zusammenleben der Völker. Würde das alles in die Tat umgesetzt, was Sie mit Erbenheim vorantreiben, so liefe das auf eine Wiedervereinigung im Tode hinaus.
Der Abzug amerikanischer Soldaten ist zu erwarten, aber Sie wollen in Erbenheim stationieren. Haben Sie denn immer noch nichts aus Ihren Pleiten — um nur die jüngste zu nennen: die Bundeswehrplanung — gelernt?
In den Wiener Verhandlungen sollen Kampfhubschrauber auf Wunsch der NATO abgerüstet werden. Wäre es da nicht wenigstens angebracht, wenn Sie den Ausgang der Verhandlungen entweder abwarteten oder aktiv dadurch unterstützten, daß Sie keine Stationierung vornehmen?
Sie beachten weder rechtsstaatliche Voraussetzungen einer solchen Entscheidung — es existiert nämlich bis heute keine Genehmigung nach dem Luftverkehrsgesetz — , noch wägen Sie die berechtigten Lebensinteressen der Bevölkerung gegen das Militär ab. Wie könnten Sie sonst so verantwortungslos sein und Hubschrauber stationieren wollen, die noch nicht einmal die vorgeschriebenen Sicherheitstests in den USA bestanden haben und dort auch wegen ihrer Störanfälligkeit betreffend elektromagnetischer Felder nicht eingesetzt werden sollen!
Hier sollen sie der Bevölkerung im Rhein-Main-Gebiet, einem der größten Ballungsgebiete, zugemutet werden.
Sie kalkulieren kaltblütig die nächste Katastrophe ein. Auch aus Ramstein und Remscheid haben Sie nichts gelernt.
Können es sich denn ein bundesdeutscher Verteidigungsminister und ein bundesdeutsches Parlament leisten, mehrheitlich rechtsstaatliche Voraussetzungen zu ignorieren, geltendes deutsches Recht nicht umzusetzen? Viele Grundrechte, z. B. das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit, sind doch außer Kraft gesetzt. Damit werden der Rechtsstaat und das Vertrauen in den Rechtsstaat unterhöhlt.
Bei der nächsten Katastrophe stehen Sie dann mit den bekannten heuchlerischen Gesichtern wieder da und sagen der Bevölkerung: Wir werden alles tun, schnell und unbürokratisch. Ich sage Ihnen was: Jetzt können Sie was tun, und zwar schnell und unbürokratisch unserem Antrag zustimmen, und der besagt: keine Stationierung in Erbenheim, die Null-Lösung für Erbenheim.