Rede von: Unbekanntinfo_outline
Verehrte Frau Kollegin, nicht wir haben eine Aktuelle Stunde beantragt, sondern eine andere Fraktion, für deren Handlungen wir nicht zuständig sind. Ich darf aber darauf verweisen, daß dies Verfahrenslage ist. Dazu ist dann auch zu reden. Es tut mit schrecklich leid.
Ich sage noch einmal: Ich habe den Eindruck, daß die Bundesregierung dieser Debatte gerne aus dem Weg geht. Ich weiß nicht, warum, aber ich glaube, daß es ein Thema ist, daß Sie im Wahlkampf nicht haben wollen. Entweder sind Ihre Positionen so unsicher — vielleicht haben Sie gar keine — , oder Sie haben
Angst, bei den Verhandlungen in der EG zu verlieren.
— Das passiert gelegentlich, wie Abstimmungen eben so ausgehen. Wir müßten uns über die Fusionskontrolle unterhalten, Das ist ja sehr lustig; das können wir gern machen, aber das ist jetzt nicht das Thema.
Ich habe den erheblichen Verdacht, daß Kollege Waigel, der jetzt nach der Konferenz — Frau Thatcher hat das nach Madrid auch gemacht — zusätzliche Bedingungen gestellt hat, hier im Textbuch von Frau Thatcher abgeschrieben hat. Ich sage nur: Frau Thatcher hat damit schon eine Wahl verloren. Sie hat außerdem das Vertrauen der Wirtschaft verloren. Das kann Ihnen dann in dieser Frage auch passieren; denn die Wirtschafts- und Währungsunion ist kein Selbstzweck.
Sie ist notwendiger und integraler Bestandteil eines tatsächlichen einheitlichen Binnenmarktes, in dem Güter und Dienstleistungen frei ausgetauscht werden können.
Der von uns begrüßte Delors-Bericht hat genau da eine doppelte Parallelität festgestellt, nämlich einerseits zwischen Wirtschafts-, Finanz- und Währungspolitik, aber andererseits auch zwischen der Entwicklung der realen Märkte und der Rahmenbedingungen.
Dies ist eine sehr entscheidende Frage; denn die Währungsverhältnisse bestimmen sehr wohl darüber, wie die Kostenstrukturen sind, auch wie die Investitionsentscheidungen gefällt werden und wie Entscheidungen über die Ausgestaltung und Erschließung von Märkten erfolgen. Es gibt also ein vehementes Wirtschaftsinteresse daran.
Es gibt bei den Währungsbeziehungen einen Unterschied zu den sonstigen Regelungen im Güter- und Dienstleistungsverkehr, weil die bisher im Vertrag schon ziemlich weitreichend geregelt sind. Sie müssen nur ausgefüllt werden. Die Währungsbeziehungen sind aber im Vertrag unzureichend ausgefüllt. Deswegen bedarf es der Vertragsrevision.
Wer aber das Zusammenwachsen der realen Märkte haben möchte, der muß hier und heute anfangen, die Vertragsbedingungen so zu ändern, daß die Währungsunion möglich wird. Wir wissen doch alle, wie lange die Verhandlungen dauern und wie lange es dann dauert, die Vertragsänderungen in allen zwölf Parlamenten zu verabschieden. Ich will auch einen Zeitraum nennen. Wir können überhaupt erst 1993/94 mit der Realisierung des europäischen Währungssystems, mit einem einheitlichen europäischen Zentralbanksystem, anfangen. Das heißt: Wir haben gar keine Zeit mehr.
Ich möchte auch etwas zu dem viel diskutierten Souveränitätsverlust in der Währungspolitik sagen. Ich halte das für eine Chimäre. G 3, G 7, Baseler Club, dies alles sind freiwillige Vereinbarungen, um bisher vorhandene Souveränität einzuschränken, weil
Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 185. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. Dezember 1989 14309
Dr. Wieczorek
man weiß, daß man das nur in gegenseitiger Abstimmung machen kann. Was in den realen Finanzmärkten weltweit passiert, erzwingt ebenso einen Souveränitätsverlust.
Wenn man mithalten will — und das genau ist doch das Ziel eines europäischen Zentralbanksystems —, dann muß man dies gemeinsam in Westeuropa machen, damit man sein Gewicht einbringen kann. Es ist eine Illusion, zu glauben, die Bundesbank und die Bundesrepublik könnten diese Last alleine tragen.
Ich fürchte, wir sind total überfordert. Deswegen ist es notwendig, daß wir da weiterkommen.
Im übrigen ist auch die Frage der Souveränitätsrechte insgesamt für mich kein Thema. Was machen wir denn — wir haben ja gestern noch zusammen im Ausschuß gesessen, Frau Kollegin Hellwig — , wenn wir EG-Richtlinien ausfüllen? Dann sitzen wir hier und spielen Notar; das ist alles, was wir machen. Wir haben die Kompetenzen längst abgegeben.
Deswegen sage ich — ich kann mich der Frau Kollegin Wieczorek-Zeul voll anschließen — : Ich bin dafür, daß die Rechte des Europäischen Parlaments gestärkt werden, und zwar die Kontrollrechte und die parlamentarischen Rechte. Wenn ich aber hier und heute erlebe — ich habe vorhin etwas dazu gesagt —, wie die Regierung mit diesem Thema hier umgeht, und wenn ich dann sehe, daß ausgerechnet die Währungsunion und die Frage der Zentralbank zu dem entscheidenden Thema für die Rechte des Europaparlaments wird, dann kommt mir die Argumentation ein bißchen merkwürdig vor. Damit meine ich den schönen Hinweis, daß wir uns alle einig sind — davon gehe ich aus — , daß die Zentralbank nicht vom Parlament abhängen soll. Ich finde es dann schon einigermaßen merkwürdig, genau da diesen Aufhänger für die Parlamentsrechte zu suchen. Das weckt Verdächtigungen.