Rede von
Dr.
Horst
Waffenschmidt
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In diesen Tagen zeigt sich einmal mehr, daß hinter der Entscheidung zum Bau eines Hauses der Geschichte eine wichtige Erkenntnis steht: Durch die Auseinandersetzung mit unserer Geschichte werden wir fähig, Gegenwart zu begreifen und Zukunft zu gestalten; denn unsere Geschichte ist nicht allein — das ist ja heute morgen mit Recht angesprochen worden — die Geschichte einer jungen Demokratie in unserer Bundesrepublik Deutschland. Sie ist bis in diese Stunde auch die Ge-
14280 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 185. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. Dezember 1989
Parl. Staatssekretär Dr. Waffenschmidt
schichte einer geteilten Nation. Die Entwicklung in der DDR wird, so hoffen wir, den Menschen dort das bringen, was der Bundesrepublik Deutschland schon vor 40 Jahren in die Wiege gelegt wurde: Freiheit und Demokratie.
Ich denke, wir dürfen heute feststellen, daß wir mit den Möglichkeiten dieses Hauses der Geschichte zweierlei tun können: die Bundesrepublik Deutschland darstellen als den freiheitlichsten Staat, den es je auf deutschem Boden gab, aber zugleich auch mit Behutsamkeit und mit Besonnenheit manche Erfahrung und Erkenntnis einbringen in die neue Entwicklung in unserem deutschen Vaterland und beim Bau des Hauses Europa.
Das, was wir in 40 Jahren in der Bundesrepublik gestalten konnten, was wir leider in der Teilung unseres Vaterlandes, der Teilung der Nation erleben mußten, ist in eine ganz unermeßlich wichtige, neue Phase der Entwicklung getreten. Was zusammengehört, kann schrittweise zusammenkommen. Aus der Erfahrung der Entwicklung in 40 Jahren Bundesrepublik Deutschland dürfen wir jetzt mit Behutsamkeit und Besonnenheit dazu beitragen. Dem will dieses Haus auch dienen.
Aber ein dritter Aspekt kommt hinzu. Wer historische Zusammenhänge begreifen will, fragt immer: Was geschah vorher? Welche vorangegangenen Ereignisse sind es, die geschichtliches Geschehen mitbestimmen? So finde ich: Eine Darstellung der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland ist ohne eine Berücksichtigung der Vorgeschichte und dabei vor allem auch der Zeit der nationalsozialistischen Diktatur schlechthin nicht vorstellbar. Nur so können wir verstehen, von welchen Wertvorstellungen, Idealen und Sorgen sich die Väter und Mütter des Grundgesetzes leiten ließen und in welcher Stimmungslage sich die Menschen in den ersten Nachkriegsjahren befanden.
Ich will ausdrücklich hinzufügen — Herr Kollege Duve, ich glaube, Sie und auch der Kollege Neumann haben es angesprochen — : Wir müssen, wenn wir Geschichte in den 40 Jahren Bundesrepublik Deutschland darstellen, auch die unerhört wichtige Geschichte von 1945 bis 1949 einbeziehen, diesen lebendigen Neubeginn in den Städten und Gemeinden in vielen Bereichen.
Die Vielschichtigkeit unserer Nachkriegsentwicklung lebendig und in der Vielfalt der Meinungen darzustellen ist eine ungeheuer wichtige, aber auch reizvolle Aufgabe. Sie ist heute genauso wichtig wie in dem Zeitpunkt, als Bundeskanzler Helmut Kohl in seiner ersten Regierungserklärung diese Aufgabe beschrieb.
Vor allen Dingen sollten wir daran denken, daß dieses Haus der Geschichte eine ganz wichtige Quelle der Information für die junge Generation in unserem Lande wird. Wenn wir als Abgeordnete immer wieder erleben, daß uns Tausende junger Menschen bei der Arbeit im Deutschen Bundestag besuchen, dann sollten wir sie auch mitnehmen zu den Ausstellungen, die künftig im Haus der Geschichte stattfinden, damit sie sehen, wie sich das entwickeln konnte, was heute ist.
Noch zwei abschließende Bemerkungen. Es hat in den zuständigen Gremien Diskussionen gegeben: Soll schon manches an Ausstellungen stattfinden, bevor das Haus der Geschichte in seiner ganzen Breite und geplanten Wirkung in Erscheinung treten kann? Ich möchte für die Bundesregierung ein kristallklares Ja zu diesen Aktivitäten sagen. Ich will an dieser Stelle dem Aufbaustab und den Frauen und Männern, die das im Kuratorium, im wissenschaftlichen Beirat und in den anderen Gremien gesellschaftlich begleiten, die hier mittun, auch einmal ein herzliches Wort des Dankes für alle Initiativen sagen, die bereits ergriffen wurden. Auch das sollte hier heute morgen ausgesprochen werden.
Ich möchte den Leiter des Hauses der Geschichte und seinen Mitarbeiter ausdrücklich ermutigen, die eine oder andere wichtige Aufgabe aufzugreifen und uns auch jetzt schon mit Ausstellungen auf das neugierig zu machen, was im Haus der Geschichte dann endgültig in voller Tragweite dargestellt wird.
Eine wichtige Aussage möchte ich auch noch machen. Wir haben uns mit den Ländern unterhalten. Was jetzt im Gesetz vorliegt, trägt — gerade wohl auch in der Zusammensetzung des Kuratoriums — den Interessen sowohl des Bundes als auch der Länder Rechnung, die Wichtiges eingebracht haben.
Das Jahr 1989 war das Jahr, in dem wir mit vielen Initiativen an 40 Jahre Bundesrepublik Deutschland gedacht haben. Kurz vor Ende dieses Jahres 1989 kann das Gesetz verabschiedet werden. Wir alle haben sicherlich den einen Wunsch, daß das Haus der Geschichte für die Menschen in der Bundesrepublik Deutschland, aber auch für die Menschen in unserem gesamten deutschen Vaterland und darüber hinaus nach Europa hinein das eine aussagt: Wir Deutschen möchten eine freiheitlich-demokratische Entwicklung in unserem Land und für die Zukunft der Menschen in unserem Vaterland und in Europa gestalten.
Herzlichen Dank.