Rede von
Maria Luise
Teubner
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE GRÜNEN/BÜNDNIS 90)
Das wollen wir einmal abwarten.
Mittlerweile hat die jüngste deutsch-deutsche Entwicklung der schon abgesegneten Konzeption des Hauses der Geschichte auf überraschende Weise ein Schnippchen geschlagen. Denn zumindest angesichts der neuesten Ergebnisse ist z. B. die sogenannte neue Ostpolitik unter dem Bereich A 13 des Ausstellungsschemas in neuem Licht zu sehen, und es ist zu fragen, ob wir im Bewußtsein, daß die Zukunft der beiden deutschen Staaten auf völlig neue Weise plötzlich sehr offen ist, noch in der alten Manier über unsere Vergangenheit verfügen können, d. h. so, als ob sich nach wie vor in aller Ruhe eine nationale Tradition im Schutze der Westintegration aufbauen ließe.
Es stellt sich heute natürlich auch die Frage, ob ein Raum für diesen Themenkomplex ausreichen wird, sowie die Frage — sie ist mir wichtiger als die Frage nach dem quantitativen Volumen für den Bereich 1989, der 40 Jahre nach der Gründung dieses Staates sicher einen großen Teil einnehmen wird — : Was hat der Direktor aus diesem Jahr noch gesammelt, um es ebenfalls auszustellen? Einen „Stern" mit dem Libyen/Rabta-Titel vom Januar? Oder die Plastiktüte mit den Habseligkeiten eines Obdachlosen? Oder ein Bestrahlungsgerät aus den Arsenalen der Krebsbehandlung? Oder ein Stück vom Wackersdorfer Zaun? Einiges davon wird morgen nicht mehr Gegenwart sein, sondern Geschichte. Doch zeigen schon diese wenigen Beispiele, wie schwer es ist, eine Auswahl zu treffen. Sie wird wohl immer subjektiv sein, ohne daß sie beliebig sein dürfte.
Die berechtigte Forderung, bei der Konzeption des Hauses der Geschichte Schwerpunkte zu setzen, ist verschiedentlich gestellt worden, nicht zuletzt vom
Wissenschaftlichen Beirat. In den Ausstellungen dieses und des vergangenen Jahres ist diese Forderung auch erfüllt worden, wobei Herr Schäfer verschiedentlich bescheiden darauf hingewiesen hat, daß es sich hierbei lediglich um Provisorien gehandelt habe. Mich persönlich hat gerade dieser provisorische Charakter überzeugt, weil die Ausstellungen gerade nicht vollständig, sondern schwerpunktmäßig konzipiert waren und von daher eine besondere Qualität in der Vermittlung hatten.
Leider hat die Bundesregierung dem Anschein nach das Verhältnis von Finanzvolumen und inhaltlicher Schwerpunktsetzung zugunsten einer aufwendigen Form bestimmt, in baulicher wie in organisatorischer Hinsicht. Abgesehen von den bisher veranschlagten Baukosten von 115 Millionen DM betrug z. B. der Etat für das Haus der Geschichte im Haushalt 1988 3,5 Millionen DM, davon 1 Million DM für Exponatankäufe. Dem steht für 1989 zwar eine große Steigerung von 61 % auf 6,1 Millionen DM gegenüber, davon jedoch nur 1,5 Millionen DM für Ankäufe.
Statt dessen liegt der geschätzte Personalbedarf bei 58 Mitarbeitern, davon bis jetzt schon sechs Verwaltungsbeamte mit einem Jahresgehalt von insgesamt 411 000 DM, was die Verwaltung z. B. eines Staatstheaters weit übertrifft — womit, in Klammern vermerkt, selbstverständlich nicht das Staatstheater in dem schwarzen Kasten auf der gegenüberliegenden Straßenseite gemeint ist.
Zwar ist für sich genommen der Bau eines Museums eine viel sinnvollere Investition in die Zukunft als beispielsweise ein Atomkraftwerk; darüber dürfte kein Streit sein. Das heißt, ich würde mich trotz allem mit Ihnen auf ein Haus der Geschichte hier in Bonn freuen, wenn nicht die Zukunft so bedrohlich über uns allen lasten würde und uns daher zwingt, einen anderen Überblick zu behalten und aus der Geschichte das zu lernen, was uns von alten Denk- und Betrachtungsmustern befreit, was uns zu Alternativen im Denken und Handeln befähigt und was letztlich den Prozeß der Veränderung über die Verherrlichung dessen, was war, und des Bestehenden stellt.
Dies jedoch wird unseres Erachtens im Entwurf des Gesetzes und in der Konzeption des Hauses der Geschichte nicht ausreichend ersichtlich. Deswegen lehnen wir den Gesetzentwurf ab.